Mann und Frau im Streit voneinander abgewandt.
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Borderline-Beziehung? 6 Anzeichen, dass der Partner Borderliner ist

Von: Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education), Romina Enz (Medizinredakteurin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 17.10.2022

Es gibt Konstellationen in einer Beziehung, die fast immer hochexplosiv sind. Zum Beispiel, wenn ein Teil eine Borderline-Persönlichkeitsstörung hat. Konflikte sind dann nahezu vorprogrammiert. Doch woran erkennt man, dass das Gegenüber Borderliner*in ist? Und wie geht man als Partner*in damit am besten um?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was ist Borderline?

Manche Menschen sind besonders ängstlich, andere mutig, wieder andere sehr emotional: Es sind die individuellen Persönlichkeitsmerkmale, die den Charakter einer Person ausmachen. Jeder tickt ein bisschen anders. Kein Wunder, dass mehr oder weniger große Konflikte in der Partnerschaft ganz normal sind.

Wenn das Gegenüber jedoch eine Borderline-Störung hat, kann die Beziehung zu einer tickenden Zeitbombe werden.

Was ist eine Borderline-Persönlichkeitsstörung?

Menschen mit Borderline-Syndrom erleben Gefühle sehr stark und haben Probleme damit, diese Emotionen zu regulieren. Schon eine Kleinigkeit kann genügen, um von einer Hochstimmung in blinde Wut zu geraten. Für Außenstehende ist dieses Gefühlschaos kaum nachvollziehbar.

Borderline-Persönlichkeiten gelten als unberechenbar und impulsiv. Sie neigen dazu, sich selbst zu schaden. Sie fühlen sich oft innerlich leer, zerrissen und haben kein klares Selbstbild. Die genauen Ursachen der Störung sind unklar. Ein Großteil der Betroffenen hat in der Kindheit seelisches Leid erfahren, zum Beispiel sexuellen Missbrauch.

Lässt sich Borderline in der Beziehung erkennen?

Woran erkennt man, dass das Gegenüber möglicherweise eine Borderline-Persönlichkeitsstörung hat? Das ist selbst in einer Beziehung gar nicht so einfach. Zum einen gibt es viele psychische Erkrankungen, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen – wie etwa die posttraumatische Belastungsstörung. Zum anderen kommt es auch auf die Intensität der Symptome an: Nicht jede*r, die*der zu Impulsivität oder Gefühlsschwankungen in der Beziehung neigt, ist automatisch psychisch auffällig.

Eine sichere Diagnose durch einen Laien ist daher kaum möglich. Dennoch gibt es einige Anzeichen, die auf eine Borderline-Persönlichkeit hinweisen.

Video: 6 Anzeichen, dass jemand Borderliner ist

6 Anzeichen, dass Ihr Partner Borderliner ist

Oft ist es nicht leicht, eine Borderline-Störung innerhalb der eigenen Partnerschaft zu erkennen. Folgende Warnzeichen können eine Orientierung bieten.

1. Die Stimmung kann jederzeit kippen

Noch vor wenigen Minuten war alles in bester Ordnung und jetzt gleicht die Beziehung scheinbar grundlos einem Scherbenhaufen? Typisch für Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung ist ihr instabiles Gefühlsleben: Schon kleinste Anlässe reichen bei ihnen aus, um einen Stimmungswechsel um 180 Grad zu bewirken. Wie aus dem Nichts reagieren sie dann mit Wutausbrüchen, Angst, Vorwürfen oder Trennungsdrohungen. Oder sie schreiten ganz impulsiv direkt zur Tat und beenden die Beziehung.

Oft steckt hinter diesen Reaktionen das Gefühl, vom anderen vernachlässigt oder zu wenig beachtet zu werden.

2. Mal top, mal Flop: On-Off-Beziehungen

Nicht nur das Gefühlsleben von Borderliner*innen ist äußerst instabil, sondern auch ihre Beziehungen. Partnerwechsel kommen daher häufiger vor. Aber auch klassische On-Off-Beziehungen: Nach der Trennung folgt die Versöhnung – bis zum nächsten Abschied.

Typisch in einer Borderline-Beziehung ist, dass der*die Partner*in am Anfang stark idealisiert wird. Die andere Person ist das Nonplusultra und einfach großartig. Doch schon nach kurzer Zeit kann diese anfängliche Begeisterung ins Gegenteil umschlagen. Dann bekommt das Gegenüber völlig unerwartet eine Abfuhr.

Der Grund für dieses Verhalten: Für Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung gibt es nur schwarz oder weiß. Der*die Partner*in ist für den Moment entweder "das Beste" oder "das Letzte". Hinzu kommt, dass Personen mit Borderline oft hohe Erwartungen an den anderen haben. Sie wünschen sich, dass der*die andere in der Beziehung bedingungslos für sie da ist. Ein Wunsch, der kaum erfüllt werden kann.

Hinter diesem Gefühlschaos steckt einerseits eine große Angst, verlassen zu werden. Borderline-Persönlichkeiten erleben sogar die kurzzeitige physische Abwesenheit des*der Partners*Partnerin als bedrohlich. Andererseits haben Borderliner*innen aber auch Angst vor zu viel Nähe. So kommt es immer wieder zu Streit, kurzzeitigen Trennung und anschließenden Versöhnungen.

3. Untreue und selbstschädigendes Verhalten

Borderline-Persönlichkeiten zeigen immer wieder impulsive Verhaltensweisen, die ihnen potenziell schaden können. Das ist ein Ausdruck für die starke Anspannung, die sie in sich wahrnehmen – und für das Bedürfnis, sich selbst besser spüren zu können.

In einer (nicht-offenen) Beziehung kann besonders Untreue zum Problem werden, denn viele Betroffene wechseln scheinbar wahllos die Person, mit der sie Sex haben.

Auch in anderen Bereichen schlagen sie über die Stränge. Zum Beispiel fahren sie viel zu schnell auf der Autobahn, haben Essanfälle, stehlen im Supermarkt, konsumieren Drogen oder geben Unsummen an Geld aus. Verhaltensweisen, welche die Nerven der anderen Person mächtig strapazieren können.

4. Selbstverletzungen

Zu den selbstschädigenden Verhaltensweisen eines Borderliners zählen auch die Selbstverletzungen. In einer Beziehung fallen solche körperlichen Verletzungen meist rasch auf.

Vor allem das "Ritzen" ist keine Seltenheit: Dabei verletzen sich die Betroffenen mit dem Messer oder der Rasierklinge, oft am Unterarm. Manche fügen sich auch mit Zigaretten Brandwunden zu. Die Selbstverletzungen sorgen bei Betroffenen für ein kurzfristiges Gefühl der Entspannung.

5. Instabiles Selbstbild

Borderline-Persönlichkeiten berichten innerhalb der Beziehung möglicherweise immer wieder von einem Gefühl der inneren Leere. So wechselhaft ihre Gefühle sind, so instabil und unsicher ist ihr Selbstbild. Sie können nicht erfassen, was ihre eigene Identität ausmacht – wer sie eigentlich sind.

Im Extremfall kommt es zu einer sogenannten Dissoziation. Dabei erleben die Betroffenen bestimmte psychische Funktionen nicht mehr als Einheit, sondern abgespalten von ihrem Selbst. Zum Beispiel haben sie zeitweise das Gefühl, sich selbst fremd zu sein (Depersonalisation) oder die Umgebung kommt ihnen seltsam unwirklich vor (Derealisation). Von außen sind solche Dissoziationserlebnisse in der Regel nicht erkennbar. Häufig, aber nicht immer, behalten die Betroffenen sie für sich. Solche Zustände sind Ausdruck der tiefen Unsicherheit und Zerrissenheit, die Borderline-Persönlichkeiten in sich spüren.

6. Suiziddrohungen oder -versuche in der Beziehung

Suiziddrohungen und -ankündigungen kommen bei Borderline häufig vor.

Solche Drohungen sollte man immer ernst nehmen! Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung haben im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung ein stark erhöhtes Suizidrisiko.

Wichtiger Hinweis: Konkrete Suizidgedanken oder -pläne sind ein Notfall. Wenn Sie oder eine nahestehende Person solche Gedanken haben, zögern Sie nicht, Hilfe zu holen – etwa bei der nächsten psychiatrischen Klinik. Wählen Sie im Zweifel den Notruf (112)!

Borderline in der Beziehung: Was tun?

Wichtig zu wissen: Borderline ist eine schwere Persönlichkeitsstörung, die behandelt werden sollte. Borderline-Persönlichkeiten verspüren selbst einen hohen Leidensdruck! Sie haben einerseits Angst, zurückgewiesen und verlassen zu werden, leiden aber andererseits unter ihren instabilen Gefühlen.

Sollte man von einer Beziehung mit einer Borderline-Persönlichkeit lieber die Finger lassen? Nicht unbedingt. Borderline ist zwar eine Herausforderung für die Beziehung, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass keine glückliche Partnerschaft möglich ist. Voraussetzung für eine gute Beziehung ist jedoch meist eine geeignete Psychotherapie.

Was Angehörige tun können:

  • Informieren: Je besser Sie sich mit dem Thema auskennen, desto eher können Sie sich in den*die andere*n hineinversetzen und lernen, mit der Störung umzugehen.
  • mit Gleichgesinnten sprechen: Der gemeinsame Austausch (mit oder ohne Partner*in) kann sehr entlastend und bereichernd sein, etwa in einer Selbsthilfegruppe.
  • sich beraten lassen: Wenn immer wieder Konflikte in der Partnerschaft auftreten, hilft ein fachkundiger Blick. Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle – allein oder gemeinsam.
  • Psychotherapie anregen: Wenn die betroffene Person noch nicht in Therapie ist: Versuchen Sie, sie von einer Psychotherapie zu überzeugen. Wenn bereits eine Psychotherapie gemacht wird: Möglicherweise ist es sinnvoll, wenn Sie zumindest zeitweise in die Sitzungen einbezogen werden.
  • Selbstfürsorge: Gerade in konfliktreichen Beziehungen ist es wichtig, das eigene Wohl nicht außer Acht zu lassen und seine Bedürfnisse wahrzunehmen. Sorgen Sie für regelmäßige Entspannungs-Oasen – und spüren Sie in sich hinein, wie viel Kraft Sie für die Beziehung haben.

Nicht zuletzt sollte man daran denken: Nicht jeder Konflikt innerhalb einer Beziehung ist auf den*die Partner*in beziehungsweise Borderline zurückzuführen. Daher ist es hilfreich, immer wieder auch die eigenen Verhaltensweisen zu hinterfragen.