#}
  • Sie können sich hier registrieren, um Beiträge zu schreiben. Registrierte Nutzer können sich oben rechts anmelden.

Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

    Hallo, mich würde äußerst interessieren, ob Depressionen und Fälle vom Burn-Out Syndrom objektiv gesehen wirklich zunehmen oder ob es wissenschaftlich gesehen ein konstantes Verhältnis wie früher gibt, nur dass man dieses Phenomen heutzutage leichter entdecken kann, bzw. einfach heutzutage einen Namen dafür hat, während man bis vor 100 Jahren Menschen mit Depressionen oder Burn-Out schlicht und einfach in eine Einrichtung für Psychischkranke einwieß?
    Ich gebe zu, dass diese Frage unter Umständen schwer zu beantworten ist, aber vielleicht hat sich der ein oder andere Mediziner oder Wissenschaftler genauer damit beschäftigt. und irgendjemand in diesem Forum kann mir Informationen diesbezüglich geben.
    Danke im Vorraus!
    Lg Flo


  • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

    Hi,
    als wissenschaftlich gesehen kann ich dir dazu nicht so viel sagen.

    Die Psychiatrien nannte man früher Irrenhaus, oder Tollhaus, insofern kann man sich denken wer dort in erster Linie eingeliefert wurde, das Haus der Traurigen und Erschöpften gab es damals jedenfalls nicht.

    Von daher kann man damals und heute auch nicht statistisch vergleichen.

    Es ist ja auch so dass es Burnout als Begriff noch nicht solange gibt, oft kommen solch Begriffe neu hinzu wenn die Pharmaindustrie neue Felder sucht und dann immer mehr differenziert wird, um Medikamente und Therapien anzubringen die eigentlich schon ausgeschöpft sind.
    Was durchaus auch Vorteile für die Betroffenen haben kann, wenn sich da neue Therapieformen entwickeln und ihr Zweig der Erkrankung differenzierter betrachtet wird, oder sich plötzlich auch die Macher zum Psychiater trauen.
    So weit ich weiß gibt es medizinisch gesehen bis heute keine offizielle Klassifizierung für einen Burnout, der Begriff beschreibt eigentlich auch nur die Ursache die zur Depression führte.
    Also eher eine Erschöpfungsdepression, die den Frauen vorbehalten war und für Männer musste ein neuer Begriff gefunden werden der sich nicht so nach Looser anhörte, damit für diese die Hemmschwelle sinkt und somit hat natürlich auch die Gesundheitsindustrie ihren Markt dadurch ausgebaut.

    Da es bis vor einigen Jahren keinen Burnout gab, kann man da auch nicht auf früher schließen.
    Früher dürften nur die schweren Fälle in einer Klinik gelandet sein, oder jene die keine andere Möglichkeit hatten, da denke ich dann eher an Psychosen, bipolare Störungen, weniger an Depressive Erkrankungen, wie bei van Gogh.

    Ich kann mir nicht vorstellen dass jemand damals in eine Psychiatrie gegangen ist wenn er Alternativen hatte, die Leute mit Geld konnten sich Privatbehandlungen in Sanatorien oder in der Sommerfrische leisten, die armen haben einfach weiter gemacht und die schweren Fälle wurden entweder zwangseingewiesen oder haben sich während eines Schub´s freiwillig weg sperren lassen.

    Ich glaube nicht dass jemand der Depressionen hatte, aber noch funktionierte, sich den Begebenheiten einer Klinik ohne weiteres ausgesetzt hat.
    So sind also automatisch weniger Menschen mit Depressionen dort behandelt worden als es wirklich gab, weil sich viel weniger als heute überhaupt in Behandlung begaben.

    Von daher wäre eine Statistik auch gar nicht aussagekräftig, man hatte einen vollkommen anderen Blick darauf und auch auf Funktion solcher Kliniken.

    Also ist es eigentlich logisch dass heute wesentlich mehr Menschen in eine Klinik eingewiesen werden als früher, gerade weil es nicht mehr ums weg sperren geht wie damals, sondern es mittlerweile Therapien gibt die wirklich helfen und die Einweisung deshalb auch bei Menschen Sinn macht die keine Gefahr darstellen oder in einer vollkommen anderen Welt leben, sondern auch für Menschen mit einer Depression die damals unbehandelt geblieben wäre und eher auf die mangelnden Qualitäten des Menschen, als auf eine echte Erkrankung zurück geführt wurde.

    Ich weiß auch noch, dass bis vor gar nicht langer Zeit, die Erschöpfungsdepression, was heute der Burnout ist und Angsterkrankungen, selten in eine Klinik verwiesen wurde, sondern diesen Leuten erst einmal Jahre lang Valium verschrieben wurde, was sie durch den Tag brachte und dass war die alltägliche Therapie für erschöpfte Hausfrauen von Ärzten empfohlen.
    Vor hundert Jahren wurden in der Apotheke Opiate frei verkauft, an denen sich natürlich auch die Erschöpften und sonst wie psychisch Kranken bedienten und oft auch ihren Kindern gleich was einflößten damit diese nicht so anstrengend waren und diese Leute würden heute in einer Klinik oder ambulant therapiert werden.

    Die Dunkelziffer war früher sicher wesentlich höher als heute (aber heute sicher immer noch recht hoch) und deshalb nicht vergleichbar und auch weil die Erkrankungen vollkommen anders eingeschätzt und bewertet wurden als heute, es sie teilweise einfach nicht im Denken gegeben hat und auch kein Fall für die Klinik waren, sondern für mehr Rückgrat.
    Wer geht auch schon in eine Klinik die ein Tollhaus ist, wenn er nicht dazu gezwungen ist.

    Wenn man aber bedenkt was vor hundert Jahren so alles los war, gab es sicher nicht weniger depressive als heute, nur war es nicht offiziell.

    Kommentar


    • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

      Hallo Flo,

      ja, aus meiner persönlichen Einschätzung dürften Depressionen und Burn-Outs, nach allem, was ich gelesen habe, im Verlauf der letzten Jahrzehnte zugenommen haben.

      Allerdings muß man sicher drei große Gesellschaftsformen unterscheiden:
      1. Zum einen Naturvölker und Gemeinschaften, die sehr natur- und erdverbunden leben. Ich habe vor längerem Mal in einer Studie gelesen, daß es eine Untersuchung an Eingeborenen im Amazonas gibt, wonach maximal 1 von 2000 Probanden im Ansatz die Kriterien für eine Depression erfüllt hat - umgerechnet also 1/2 Promill! In unserer westlichen Industriegesellschaft sind es je nach Studie zwischen 10 und 25%, je nachdem, wo man genau die Grenzen zieht zwischen Depression, Burnout und Angststörung.

      2. Weiterhin die vor-industriellen Gesellschaften bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit dürfte es sicherlich schon viele Menschen mit depressiven Krankheitsbildern gegeben haben, aber garantiert noch lange nicht so viele wie heute. Warum?
      - Die vorindustriellen Jahrhunderte waren geprägt von sehr langsamen Entwicklungen, die über Jahrzehnte und teils Jahrhunderte hinweg Bestand hatten. Entsprechend gab es auch deutlich weniger Streß und Hektik. Es gab, was es gab, und was es nicht gab, mußte teils von sehr weit her kommen, wofür es Wochen und Monate brauchte. Das lehrt nicht nur Geduld und Gelassenheit - man wird von Kleinauf groß damit. Ganz anders als heute.
      - Gott und Religion schufen einen festen, beständigen Glaubensrahmen, auf den die allermeisten in Zeiten der Not vertrauen und bauen konnten. Selbst, wer verzweifelte, glaubte tief drin zumeist noch an die Bibel und die darin enthaltenen Lehren und Weltanschauungen.
      - Und auch das sonstige Lebensumfeld - Ernährung, Schlaf, Freizeit (so sie denn zur Verfügung stand) - war noch sehr viel ursprünglicher und sehr viel mehr an den natürlichen und menschlichen Ur-Bedürfnissen orientiert.
      - Schließlich und letztendlich gab es in der Welt noch Platz. Natürlich gab es Kriege, natürlich gab es örtlich Probleme, und natürlich konnte auch nicht jeder so ausweichen, wie er das wollte. Aber solche Probleme waren für die Allermeisten zumeist lokal begrenzt; man brauchte sich keine Sorgen um die Schwierigkeiten drei Ländern weiter oder am anderen Ende der Welt gar zu machen.

      3. Unsere moderne Industriegesellschaft seit der industriellen Revolution.
      In den letzten 150-170 Jahren ist das Leben in unseren westlichen Nationen dermaßen schnellebig und hektisch geworden, daß - individuell gesehen - immer mehr Menschen mit dem Tempo nicht mehr Schritt halten können. Und das Tempo nimmt derzeit noch immer weiter zu: Heute verdoppelt sich das Wissen rund alle zwei Jahre! Praktisch nichts mehr hat dauerhaft Bestand - die Wahrheiten von heute sind "morgen" schon überholt und durch neue ersetzt.
      Hinzukommen andere gesellschaftliche Veränderungen, wie die Familiengestaltung, die Freizügigkeit, die freie Berufswahl für jeden, generell Freiheit als Ganzes bei gleichzeitigen gesellschaftlichen Vorgaben, insbesondere dem grundsätzlichen Leistungsprinzip, mit dem wir alle groß werden. Das macht es für den einzelnen mitunter echt schwierig, die an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen.
      Und eben auch in unseren anderen Lebensbereichen entfremden wir uns immer mehr von unserem Ursprung: Essen wird nicht mehr in Ruhe zu sich genommen, sondern mal eben fix auf dem Sprung in der mit 30 oder 45 Minuten fest getakteten Mittagspause (inkl. An- und Abfahrt). Kaum fertig mit der Arbeit, rufen die meisten schon die nächsten Verpflichtungen - Kind, Sportverein, Arzttermin, etc. Und schon die Wahl des nächsten Fernsehers, Smartphones oder Autos gerät heutzutage immer mehr zu einer stressigen Sysiphusarbeit, weil es so viele Varianten gibt, daß keiner mehr den Überblick hat. Haben die Menschen im 19. Jahrhundert noch 9-10 Stunden Schlaf am Tag bekommen, sind es heute im Schnitt nur noch 7-8. Die Medizin versucht uns zwar glauben zu machen, daß das ausreichend sei - aber das halte ich wenigstens individuell gesehen nicht unbedingt für ausreichend; bei mir sind es eher 8-9.

      Diese Entwicklung hat meiner Einschätzung nach natürlich nicht erst in den letzten 20 oder 30 Jahren Fahrt aufgenommen, sondern garantiert schon ein paar Jahrzehnte früher. Aber in den 60er oder 70er Jahren haben wahrscheinlich noch sehr sehr viel mehr Menschen ihre Depressionen und Burnouts durch Alkohol oder cholerische Ausbrüche kompensiert. Psychiatrien waren zu der Zeit wirklich noch nicht so angesehen, ganz im Gegenteil, und überhaupt erlaubte es vielen die damalige Erziehung gar nicht, so offen und ehrlich über ihre Probleme zu reden, wie wir es heute verstärkt tun.

      So gesehen glaube ich daher, daß die Zahlen heute sicher schon höher sind als bspw. vor 50 Jahren, aber dafür war die Dunkelziffer damals garantiert wesentlich höher als sie es heute ist - unter dem Tarnmantel von Alkoholismus, Wut, Mißbrauch u.ä.


      In jedem Fall bin ich der Ansicht, daß die Zukunft in der Hinsicht nicht sonderlich prickelnd sein wird. Ich habe jetzt schon mehrfach gelesen, daß Depressionen, Burnouts und Angststörungen 2050 die Volkskrankheiten Nr.1 sein werden und Bluthochdruck, Diabetes und Bandscheibenvorfälle abgelöst haben werden...

      Kommentar


      • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

        Haben die Menschen im 19. Jahrhundert noch 9-10 Stunden Schlaf am Tag bekommen,
        Das denke ich nicht, vielleicht die Herrschaft, aber das Volk musste schon immer Schwerstarbeit leisten, Haushaltsangestellte dürften da kaum mehr als sechs Stunden Schlaf bekommen haben.
        Die mussten vor Sonnenaufgang aufstehen und einheizen, die biologischen Hinterlassenschaften entsorgen, damit es warm im Haus war und durften erst weit nach der Herrschaft zu Bett gehen.
        Bauern und Arbeiter hatten auch kein entspannteres Leben, sieben Tage Woche, später sechst Tage Woche, teilweise 14 (plus-minus) Stunden ackern.
        Ich glaube früher gab es in den oberen Schichten vielleicht mehr Möglichkeiten nicht in eine Depression zu kommen, eben durch die Sommerfrische u.ä. aber die Bevölkerung dürfte es wesentlich schwerer gehabt haben als wir heute.
        Die Bauernaufstände sind ja auch irgendwo aus einer Depression heraus geboren.
        Die Dinge haben sich verändert, die extrem viele Arbeit früher, die Kriege, die Kindersterblichkeitsrate, das weg sterben von Elternteilen, die Not im finanziellen Sinn, das war früher wesentlich präsenter als heute.
        Heute scheitern wir aber genauso an der Leistungsgesellschaft, nur aus anderen Gründen.

        Die Sinnfrage mag sich früher nicht so gestellt haben, die Umstände waren aber weitaus schwieriger und denkt doch nur mal an die "große Depression", eine ganze Nation war down, sicher keine Ausnahme in der Geschichte.

        Kommentar



        • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

          Die mussten vor Sonnenaufgang aufstehen und einheizen, die biologischen Hinterlassenschaften entsorgen, damit es warm im Haus war und durften erst weit nach der Herrschaft zu Bett gehen.
          Bauern und Arbeiter hatten auch kein entspannteres Leben, sieben Tage Woche, später sechst Tage Woche, teilweise 14 (plus-minus) Stunden ackern.
          Hmm, müßte mich da jetzt tiefer einlesen.
          Entspannt und ein Zucker-schlecken war das Leben in der Hinsicht sicherlich nicht, keine Frage. Und da werden auch nicht wenige mit sich und dem Leben gehadert haben. Aber in der Tat, wie Du zum Ende selbst schreibst, dürfte die gesellschaftliche und religiöse Struktur als Ganzes dem allem einen haltgebenden Rahmen gegeben haben. Etwas, was uns heute komplett abhanden gekommen ist.

          Weiterhin denke ich, daß gerade auch Bauern damals viel mehr im Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten gelebt haben, zwangsweise. Natürlich ist man da mit dem Hahnenschrei (oder auch früher) aus dem Bett. Hat schon mal eingeheizt, etc. Aber unter'm Strich ist es schon auch so, daß Du in der Zeit vor dem elektrischen Licht faktisch nicht allzu viel machen konntest, bevor die Sonne nicht aufgegangen war bzw. abends, nachdem sie untergegangen war. Das verschaffte den Menschen unter Garantie stressige Sommermonate, aber dafür deutlich mehr Ruhe im Winter.
          Womit ich existentielle Nöte gerade in harten Wintern oder aufgrund anderer Naturereignisse nicht beschönigen möchte, um Himmels Willen. Aber auch das hatte früher, denke ich, einen anderen Charakter als heute - es war eben so, es war hart, es war individuell hier und da zum Verzweifeln, aber es war auch Gottes Wille...

          Es ist echt ein schwieriges und sehr komplexes Feld. Aber unter'm Strich ist es meiner Meinung nach schon so:
          Je mehr Freiheiten und Unabhängigkeiten wir im Laufe der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte gewonnen haben, je mehr Leistungsdruck wir erfahren haben ohne individuell den tieferen Sinn dahinter noch zu erkennen, umso größer ist die Sinnfrage geworden. Wenn die Beantwortung dieser Frage ausbleibt, steigt auch die Gefahr von Depressionen. Als Bauer, Tagelöhner oder Haushaltsangestellter wußten die Menschen, glaube ich, noch sehr viel mehr, wofür sie sich abrackerten. Ihre Arbeit erfüllte einen unmittelbareren Zweck - das Dach über dem Kopf, Essen für die Familie, etwas Geld für Kleidung. Heutzutage ist alles abgesichert - was einerseits natürlich sehr gut ist - was andererseits aber, denke ich, auch sehr dazu beiträgt, den Sinn und das Dasein der eigenen Existenz mehr in Frage zu stellen. Ich kann's gerade schwer in Worte fassen; vielleicht müßte ich es noch ein paar Mal um- und ausformulieren - aber ich hoffe, Du verstehst, was ich meine

          Kommentar


          • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

            Ja, ich verstehe was du meinst, aber den Bauern ging es damals sicher auch nicht gut, die Bauernaufstände gab es ja nicht weil sie so im Einklang waren.;-)
            Das Thema ist sicher komplex, aber auch mega interessant, gerade weil es so komplex ist.;-)

            Einen Unterschied gab es sicher der vielleicht ein wenig davor geschützt hat dass Depressionen nach Außen Überhand nahmen, also die die man sehen kann.
            Man hatte ganz früher kaum Zeit darüber nachzudenken, musste funktionieren damit die Familie überlebt, wie du, Alex, ja auch angemerkt hast.
            Man redete mit niemanden darüber und hoffte auf das ewige Leben.
            So dass vor allem nur jene mit einer sehr schweren Depression am Leben vollkommen scheiterten, der Mensch hat sich damals auch mehr seinem Schicksal gefügt als heute, ergo weniger Hadern, solange es keine Alternative gab und das Elend war teilweise Gewohnheit, was auch vor Depressionen schützen kann egal wie schwer es ist, aber nicht vor Hoffnungslosigkeit im Diesseits die ja auch wieder eine Form der Depression ist.

            Klar der Glaube hielt vom ultimativen Schluss machen ab, aber wie kam es denn dazu?
            Da habe ich auch meine ganz eigene Theorie.
            Suizid ist keine Todsünde und war es im biblischen Sinne auch nie gewesen.
            Die Pfaffen waren der verlängerte Arm der Vogte und Landesherren, die Kirche wollte auch nicht dass die Arbeitskraft verloren geht.
            So wurde die Todsünde des "Selbstmordes" ins Leben gerufen, damit sich die Pächter und Leibeigenen nicht reihenweise davon stehlen konnten, da ihr Leben so trostlos war, somit wurde ihnen auch der Ausweg des Todes aus dieser Depression verwehrt, da die Höllenfeuer ja noch viel schlimmer sein würden.
            Das war die Therapie gegen die Depressionen, dass man noch mehr leiden würde wenn man nicht seine letzten Kräfte mobilisiert um in der Situation verharren zu können.
            Es gab dennoch genügend die das nicht schreckte, in ihrer Hoffnungslosigkeit.

            Ich denke, damals gab es mehr Menschen die in ihrem Dasein nicht viel Gutes finden konnten als heute.

            Wenn man überlegt über wie viele Künstler der damaligen Zeit Phasen überliefert sind, die auch auf bestimmte seelische Erkrankungen hinweisen und das hochrechnet auf die Bevölkerung und deren wesentlich jämmerlicheren Lebensumstände, über die es nur selten solche Dokumentationen gibt, dann dürfte es auf keinen Fall besser ausgesehen haben als heute, eher im Gegenteil.
            Viele Männer haben ihre Probleme, Traumata und Hoffnungslosigkeit weg gesoffen und Frauen und Kinder wurden dann geschlagen (auch ohne Alkohol), die wurden ja ohnehin nicht als vollwertiger Mensch gesehen, was wiederum an denen wohl kaum ohne Gemütsschwankungen vorüber ging.
            Dann war man auch noch entweder selber Schuld, oder es war Gott gegeben, das ist doch irgendwo noch deprimierender für die Menschen als der heutige Stand und Umgang damit.
            Eigentlich würde ich eher sagen dass es früher mehr Depressionen gegeben haben müsste als heute (sie wurden nur anders definiert), aber es gab definitiv weniger Insassen in den Tollhäusern, die es heute ja auch gar nicht mehr gibt.

            Melancholie war schon früher ein allseits bekanntest Wort, genau wie
            "Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt".
            Depressionen waren also durchaus in allen Schichten bekannt, nur hatten sie einen anderen Stellenwert, wurden anders gesehen.
            Man denke nur an "Die Leiden des jungen Werther", das Buch war damals schon ein Knaller weil die Leute sich damit identifizieren konnten, und das im achtzehnten Jahrhundert.

            Kommentar


            • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

              Ja, da hast Du sicher auch Recht mit. Ebenso, wie ich das auch so sehe, daß diese Fragen interessant sind - frei auch nach dem Motto: Wenn ich - als direkt Betroffener - meinen "Feind" schon nicht besiegen kann, dann versuche ich ihn wenigstens in jeder Hinsicht zu erforschen und zu verstehen.

              Die Fragen nach der Ursache des menschlichen Leidens gibt es ja auch schon seit dem Buddhismus und wahrscheinlich noch davor, und sie kommen sicher nicht von ungefähr. An die "Melancholie" und die von Dir erwähnten Künstler habe ich eben auch nicht gedacht. Von daher ist es gut möglich, daß Depressionen im allgemeinen schon seit Anbeginn höherer gesellschaftlicher Zivilisation existieren, als bspw. seit den Ägyptern, Griechen und Römern, aber eben in damaligen Zeit komplett anders gesehen und bewertet wurden. Auch Deine Gedanken über die Kirche im Mittelalter und den Suizid als Todsünde finde ich interessant, da hab ich noch gar nicht dran gedacht. Aber es stimmt schon: Selbst falls - rein hypthetisch - wirklich jemals jemand Gottes bzw. der Götter Wort vernommen hat, so ist das in der Bibel Geschriebene in jedem Fall auch durchsetzt von der Intepretation und den hintersinnigeren Absichten des Autors bzw. der Autoren. Bzw. eben der kirchlichen Institution. Und gerade den Fall des Suizids kann man auch gut in Gegensatz stellen zu der wertungsfreien Sichtweise, wonach das Leben als Ganzes - von der Geburt bis zum Tod gleich welcher Art und Weise - "einfach" eine Erfahrungsreise für unsere Seele ist. Noch weitergehend gibt es eben auch Meinungen, die die Ansicht vertreten, daß unser Lebensweg ohnehin vorgezeichnet ist bzw. eben von übergeordneten Mächten oder wenigstens von unserer unsichtbaren Seele beschritten wird, und wir können daher einfach nicht verstehen, warum wir glückliche und unglückliche Erfahrungen erleben.
              Ich selbst sehe das zwar bei weitem nicht so extrem. Aber in jedem Fall ist Suizid für mich keine Todsünde, insbesondere, wenn es für den Betroffenen vielleicht auch nach objektiven Maßstäben der einzig "sinnvolle" Ausweg (gewesen) ist (bspw. bei extrem schweren, unheilbaren Krankheiten, bei denen man nur noch über Maschinen und Medikamente für ein paar Monate oder Jahre am Leben erhalten werden kann).

              Aber ich schweife ab - back to topic


              Umso bemerkenswerter finde ich dann aber schon, wenn es eben Studien an Ureinwohnern gibt, bspw. aus dem Amazonas, wonach die Depressionsrate eben doch signifikant geringer ist. Und ich bezweifle, daß es unter den ursprünglich lebenden Indianern Südamerikas mitten im Urwald im Umkehrschluß jetzt soviel mehr Fälle von Alkoholmißbrauch oder Gewalt gibt Für mich besteht da also in jedem Fall eine eindeutige Korrelation zwischen der Zivilisation im weitesten Sinne einerseits und der Zunahme von Depressionskrankheiten andererseits, der garantiert noch mit dem Grad an Technisierung und Entfremdung des Menschen von der Natur und den natürlichen Abläufen zunimmt.

              Andererseits - wenn wir uns hier so darüber austauschen -, halte ich es nach etwas Überlegen durchaus auch für möglich, daß der Same für größere Depressions"epidemien" schon sehr früh in der menschlichen Zivilisationsgeschichte gelegt worden ist, aber im Zuge von zunehmender Bevölkerung, Aufklärung und Abbau von Stigmata einfach deutlicher zutage tritt: Wenn früher 500 Menschen streng gottesfürchtig in einem Dorf lebten und niemand in der Richtung reden durfte oder konnte, weil es vielleicht auch noch nicht die passenden Worte und Formulierungen "im Paket" dafür gab, dann läßt sich so etwas natürlich weit weniger feststellen als eben beispielsweise heutzutage, wo wir uns gerade sogar im Internet vollkommen offen und frei darüber "outen" und unterhalten können.

              Ist in der Tat ein Gedanke...
              Ich weiß nur noch nicht, ob er mich beruhigt oder beunruhigt... Denn wenn das "schon immer" so gewesen ist, ist es umso erschreckender, daß immer noch kein größeres Umdenken in unserer Gesellschaft stattfindet bzw. schon längst stattgefunden hat. Stattdessen pressen wir noch die letzten Tropfen aus unserer ohnehin bereits ausgequetschten Zitrone... (das Bild habe ich vom Life Charger Event von Veit Lindau im D'dorf vor drei Wochen).

              Kommentar



              • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                Ja, wenn man dann noch bedenkt, dass nirgends in der Bibel geschrieben steht dass Suizid eine Todsünde ist, bleibt doch nur dass dies gezielt so verbreitet wurde um dem Überhand nehmen von Suiziden Einhalt zu gebieten.

                Das mit den Naturvölkern ist auch sehr interessant, ich glaube sie sind frei und nehmen ihre Stammesbrüder eher so wie sie sind, als dass sie ausgegrenzt werden weil sie vom Trübsinn befallen werden.
                In manchen Völkern galten bestimmte Formen von Geisteskrankheit als etwas göttliches, ähnlich wie bei Menschen mit Epilepsie.

                Vielleicht wirkt es auch einfach anti depressiver, wenn wir in einer kleinen Gruppe leben, als in einem Staat, wo zu den Aufgaben in einer Gruppe auch noch die Einflüsse der gesamten Welt dazu kommen.
                Man muss nicht nur die Ansprüche der hiesigen Gesellschaft, Arbeit, Familie, Umfeld, erfüllen was ja schon schwer genug ist, sondern auch noch global denken.
                Zivilisation ist vielleicht einfach zu viel für uns an Einflüssen und Reizen, dafür sind wir nicht gemacht und zu schnell der Evolution vorausgeeilt, die ist noch nicht hinterher gekommen.

                Wenn ich mir das Elend in vielen Ländern anschaue, dann kann ich das Leben nicht als Erfahrungsreise sehen, es ist einfach Glückssache ob man sich den Luxus des Philosophierens über den Sinn leisten kann, oder durch den Überlebenskampf kein wirkliches Leben mehr hat und auch keine Zeit für Philosophie, wo auch die Erfahrungen nichts bringen.
                Menschen ohne Perspektive haben meiner Meinung nach keinen tieferen Lebenssinn, ergo, wir auch nicht.
                Wir sind einfach da, versuchen so zu leben wie es am sinnvollsten erscheint, oder der Notwendigkeit entspricht, wenn wir weg sind erlischt Sinn und Notwendigkeit.
                Was mich dahin führt dass es nie einen wirklichen Sinn gab, außer in der Vorstellung des Individuums, was aber auch nicht der schlechteste Sinngeber ist für die Zeit die wir hier sind.

                Ich hoffe Florian wird nun nicht erschlagen, von den Auswirkungen seiner Frage.

                Kommentar


                • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                  HAHAHAHAHA ich kann eh nur nach und nach einen Beitrag nach dem anderen lesen, nicht dass ich dem Burnout verfalle allerdings finde ich eure Antworten äußerst interessant.
                  Soweit ich für mich zusammenfassend feststellen konnte scheint es, obwohl ich ein starker Befürworter von wissenschaftlichen Fortschritt und Technik und so weiter bin, dass sich diese Auswirkungen dieses Fortschritts in mancher Hinsicht als eher negativ in gesellschaftlichen und gesundheitlichen Aspekten äußert. Es wird den Individuen unserer Gesellschaft scheinbar mehr und mehr abverlangt, wobei vereinzelt immer mehr Menschen dem Druck nicht mehr standhalten und schließlich darunter leiden oder krank werden. Damit will ich nicht zur Stagnation aufrufen, obwohl mir selber gelegentlich vorgeworfen wird fault zu sein, allerdings sollte es eine Warnung für manche sein, die vergessen in ihrem Alltagsstress auf sich selber zu hören. Ich habe äußerst erfolgreiche Freunde in meinem Umfeld bei denen ich doch vereinzelt den ein oder anderen Ansatz sehe, dass sie vollkommen auf sich selber zu achten vergessen und ich befürchte, dass die Grundlage für einen Burnout vorhanden ist.

                  Kommentar


                  • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                    Hallo Florian,

                    das kann ich so nur unterschreiben: Auch ich liebe Wissenschaft und Technik.
                    Aber die Art und Weise, wie rasant da mittlerweile Entwicklungen verlaufen, ist auch meiner Meinung nach in der Tat gesundheitsschädigend, in mehrererlei Hinsicht:

                    1. Beruflich ist das noch am leichtesten festzustellen, denn durch die zunehmende Digitalisierung lassen sich (vermeintlich, aus Sicht der Unternehmen) leicht Personaleinsparungen bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung realisieren. Hatte man früher zwei Stunden Zeit, eine Sache zu erledigen, reicht heute dafür ne halbe Stunde oder weniger; man soll aber idealerweise trotzdem gleichzeitig noch alles andere mögliche schon mitbeachten, ist also mal mindestens gefordert, mehr oder weniger auf Dauerempfangsbereitschaft zu sein. Sieht man ja ganz besonders an der Art und Weise, wie Aufgaben, Anfragen und Arbeiten heutzutage an die Beschäftigten gelangen: Per e-Mail, innerhalb weniger Sekunden, egal von wo aus auf diesem Planeten. Noch vor vierzig Jahren hatte jede Firma Hausboten, die die Hauspost mit den Akten verteilt haben. Das geschah zwei bis dreimal am Tag; dazwischen konnte es einem höchstens mal passieren, daß ein Kollege oder der Chef etwas hatte. Oder das Telefon klingelte. Wobei auch die wiederum für einen Teil ihrer Infos auf die Hauspost oder das Telefon angewiesen waren.
                    Heute krieg ich schlimmstenfalls allein 20 bis 30 Ticket-Updates über unser Ticketsystem, wer gerade woran arbeitet und wie weit er damit ist. Die Transparenz dabei in allen Ehren - aber die Informationsflut hat dadurch und durch andere Infos dieser Art dramatisch zugenommen.

                    Und irgendwann ist der "Plattenspeicher" im Gehirn dann eben erstmal voll. Und genau wie bei ner echten Festplatte, muß auch das Gehirn von Zeit zu Zeit "defragmentiert" und aufgeräumt werden, sortieren, was in den Papierkorb kann und was nicht etc.
                    Nur läßt einem dazu praktisch niemand mehr die Zeit - die nächste Aufgabe ist bereits in den Startlöchern. Beruflich oder privat; das macht dann nur noch wenig Unterschied, wenn der Kopf ohnehin schon raucht.

                    2. Im privaten Bereich sind es natürlich zum einen die ganzen neuen sozialen Medien wie WhatsApp, Facebook, Twitter & Co: Jeder will dazugehören, immer mehr wollen ihren eignen Blog haben, und durch die globale Vernetzung kann man heute auch seinen Senf zu Dingen abgeben, die einen noch vor 20 Jahren entweder nicht gejuckt hätten oder wozu man im näheren Bekannten- und Freundeskreis evtl. keine Gesprächspartner gefunden hat. Was sein Vor- und Nachteile hat - ich zumindest stelle fest, daß ich gerade auch durch meine Beteiligung im Netz nicht selten noch zusätzlich unter Strom stehe, insbesondere, wenn eben mal etwas härschere Kritik auf etwas von mir kommt. Da reagiert dann mein System nicht viel anders als im realen Leben auch.

                    Das war in der Vor-Smartphone-Internet-Ära auch noch etwas leichter: Man hat sich praktisch nur im realen Leben mit anderen gestritten, ggfs. auch am Telefon. Aber grundsätzlich bestand auch eher die Möglichkeit, sich dadurch aus dem Weg zu gehen.
                    Heute hat man sein Smartphone jederzeit griff- und die meisten empfangsbereit. Damit hitzigen Diskussionen und Streitigkeiten in der virtuellen Welt aus dem Weg zu gehen, gestaltet sich für manch einen schon deutlich schwieriger; da rede ich aus persönlicher Erfahrung.

                    Und spätestens im privaten Bereich ist die technologische Entwicklung als Ganzes ja mittlerweile auch eher zum Streßfaktor geworden: Wenn man in den 70er, 80er oder auch noch 90er Jahren ein Telefon oder nen Fernseher haben wollte, hat man sich (kurz) beraten lassen, ne Nacht drüber geschlafen und das Gerät am nächsten Tag gekauft (oder auch nicht). Und vieles konnte man einfach so mitnehmen, weil die Funktions- und Variantenvielfalt der Geräte überschaubar war.
                    Wenn man heute einen TV kaufen möchte oder ein neues Smartphone, kommt man in der Regel um tagelange Recherchen nicht herum... welches Gerät kann was, wie gut, wie zuverlässig...? Ist der Stromverbrauch auch nicht zu hoch? Ist der Hersteller zuverlässig und kulant? Oder steht er womöglich auf irgendeiner roten Liste, weswegen man ihn besser boykottieren sollte? usw. Ratz-fatz ist da ne Woche rum, und eigentlich ist man am Ende nicht viel schlauer als nach dem ersten Tag schon.

                    Daß das Streß auslöst, weil unser Gehirn die ganze Zeit auf Hochtouren läuft, gelernt hat, Probleme zu suchen und zu lösen, viele dieser "Probleme" aber nicht wirklich eindeutig lösbar sind, ist für mich mittlerweile logisch und offensichtlich.

                    Die größere Schwierigkeit ist jedoch, daß unser Gehirn gerade durch moderne und insbesondere digitale Technik in heutzutage immer kürzeren Abständen kleine "wow-kicks" bekommt, also Endorphine und Dopamin ausschüttet, weil all diese kleinen Errungenschaften kurzfristig Glücksgefühle hervorrufen. Blöderweise aber eben nur (sehr) kurzfristig, und je kurz-frequenter solche "kicks" kommen, umso größer und schneller geschieht da auch ein Gewöhnungseffekt. Bleiben diese "kicks" dann in der vom Gehirn erwarteten Form und Größenordnung aus (und das muß zwangsläufig so sein, so wäre es ja kein Gewöhnungseffekt), löst auch das Streß aus - den Streß eines Süchtigen: Wo bekomme ich den nächsten "kick" her.... Hilfe... ?!!!


                    Lange Rede, kurzer Sinn:
                    Ich denke, wenigstens in dieser Hinsicht waren die früheren Zeiten deutlich besser, weil die Menschen mit deutlich weniger zufrieden waren. Vielleicht auch nicht glücklich, aber zufrieden. Oder vielleicht doch glücklich - wenn man über Jahrhunderte nicht weiß, was ein Auto, ein Fernseher oder ein Computer ist (geschweige denn ein Handy), vermißt man es natürlich auch nicht. Und wie Tired schon schrieb, dürften auch die wenigsten überhaupt Zeit und Gelegenheit (und Bildungshintergrund) gehabt haben, um sich über so nen "Firlefanz" alltäglich den Kopf zu zerbrechen *g*.


                    Versteht mich nicht falsch: Ob ich wirklich mit Menschen früher tauschen möchte, weiß ich nicht. Wahrscheinlich nicht. Allerdings weiß ich ja auch all die "modernen" Dinge, die ich weiß. Unter Umständen wäre ich als Bauer oder Tagelöhner vor zweihundert Jahren oder insbesondere als Mitglied eines Indianerstammes auf eine gewisse Art und Weise tatsächlich zufriedener und ausgeglichener - ich wüßte ja nichts von dem, was ich jetzt weiß.

                    Alles ein bißchen philosophisch

                    Kommentar



                    • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                      Ich glaube bei vielen beginnt das ausgebrannt sein, wenn ihnen auffällt dass sie nicht frei sind.
                      Dass sie immer weiter machen müssen, auch wenn sie eine Pause brauchen und eigentlich nur noch von Zwängen geleitet werden.
                      Es wird auch oft nicht mehr der einzelne Mensch gesehen der fest in einer Gemeinschaft verankert ist und so genommen wird wie er ist, weil man gemeinsam da hinein wuchs.
                      Gehts einem schlecht ziehen sich die anderen nur zu gerne zurück, weil es sich unangenehm und verpflichtend anfühlt, dafür ist keine Kapazität mehr da.
                      Die Leute werden nicht mehr aufgefangen, außer vielleicht von Einzelnen.
                      Der Knackpunkt denke ich aber ist wirklich dass man nicht frei ist und das den Druck aufbaut, hat man die Möglichkeit sich da auch mal vollkommen raus zu ziehen und nur zu machen was man möchte, dann ist man doch von mehr Energie durchströmt und schafft viel mehr, als wenn man Tag für Tag sein Pensum abarbeitet.
                      Da geht fast jedem irgendwann der Sinn verloren und alles fällt immer schwerer, was dann zu Depressionen führen kann.

                      Wie viele haben eine Sehnsucht nach einer ruhigen Insel, da wäre man frei und könnte tun was auch Sinn macht, Überspitzt gesagt, Feuerholz sammeln und fischen gehen.
                      Einfach Leben und machen bei dem man spürt dass es Sinn macht, weil man es selber verwertet und genau weiß wozu es gut ist.

                      Kommentar


                      • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                        Ich glaube bei vielen beginnt das ausgebrannt sein, wenn ihnen auffällt dass sie nicht frei sind.
                        Dass sie immer weiter machen müssen, auch wenn sie eine Pause brauchen und eigentlich nur noch von Zwängen geleitet werden.
                        Ja, da stimme ich Dir uneingeschränkt zu.

                        Wenn ich da so drüber nachdenke, dann paßt das aber im Kern trotzdem alles zusammen:
                        Es wird zwar behauptet, wir hätten heutzutage so viele Freiheiten wie keine Generation vor uns. Tatsache ist aber auch, daß die Zahl der Aufgaben, Verpflichtungen und auch Verantwortungen im wenigstens gleichen Maße zugenommen haben. Ging es früher auf einer sehr viel direkteren Ebene und noch sehr viel greifbareren Form um die "nackte" Existenz - essen, Trinken, Dach über'm Kopf, soziale Bindungen -, also nach Deinen Worten:
                        Einfach Leben und machen bei dem man spürt dass es Sinn macht, weil man es selber verwertet und genau weiß wozu es gut ist.
                        so spielt sich heute sehr viel in der Richtung auch auf indirekteren, weniger zugänglichen und subtileren Ebenen ab:
                        - Gesund! Essen (& trinken); möglichst Bio! essen; heute diese Studie zur Ernährung, morgen jene - statt einfach "nur" essen
                        - Ne schicke Wohnung oder ein eigenes Haus - statt einfach "nur" wohnen
                        - Ne schicke Einrichtung mit allem möglichen Schnick-schnack - statt einfach "nur" ein Bett, nen Tisch und nen Stuhl - jetzt mal überspritzt ausgedrückt
                        - Immer wieder neueste technologische Errungenschaften anschaffen - statt einfach mal die alten Geräte so lange zu nutzen, bis sie kaputt gehen (was viele Geräte heutzutage leider auch schneller tun als früher...)
                        - In allen möglichen Gruppen, Vereinen, Communities etc. sich zeigen und aktiv sein - statt einfach "nur" den früheren, normalen Kreis aus (Groß)Familie, Freunden und Bekannten
                        - inkl. ständiger Erreichbarkeit von Früh bis Spät
                        - inkl. eines vollen Terminkalenders - beruflich wie privat -, statt einfach "nur" sein Leben entspannt und mit weniger Zeitdruck leben zu können.

                        => Das alles erzeugt Druck, das alles "zwingt" auch, alles schaffen zu wollen und zu müssen. Weil wir es ja so vorgelebt und anerzogen bekommen - andere schaffen das, dann muß ich das auch schaffen. Werde ich schon auch schaffen, klar, schaffen andere ja auch... Nur daß sich bei dieser Form der Selbst"beruhigung" und -argumentation die Katze irgendwo in den Schwanz beißt: Wir versuchen, uns mit genau den Platitüden in solchen hektischen und stressigen Situationen zu "beruhigen", die wir von Kleinauf gehört und gelernt haben.

                        Womit wir am langen Ende in der Tat sehr unfrei sind und eigentlich permanent unter Zwang stehen.


                        Wenn ich das alles mal so beleuchte, dann stehen die Begriffe "Hektik", "Streß", "Zeitdruck", "Druck" ganz allgemein und eben auch "Zwang" auf einer gewissen Ebene synonym füreinander: Für unsere moderne, tatsächliche Unfreiheit.

                        Und da es keine einfachen Lösungen gibt, aus diesem sprichwörtlichen Hamsterrad auszusteigen, erleiden viele ab einem gewissen, individuell verschiedenen Punkt das Gefühl von Ohnmacht. Was seinerseits Streß und Angst auslöst - und gleichsam dem "Zwang" unterlegen ist, es doch eigentlich schaffen zu müssen, weil andere es in dieser Situation doch auch schaffen.


                        Aus dieser Misere kommt man meiner Erfahrung nach wirklich nur heraus, indem man sich die verschiedenen, individuellen Punkte bewußt macht und dann für sich Aktionen daraus ableitet. Und sich bei allen inneren Widerständen, die dann aus der jahrzehntelangen Konditionierung heraus auftreten, immer wieder in aller Ruhe und Liebe zur Achtsamkeit und Langsamkeit aufrufen. Was ist wirklich wichtig? Warum ist es wichtig? Was passiert, wenn ich dieses oder jenes jetzt nicht erledige - oder sogar gar nicht?

                        Womit wir dann wieder schnell bei der Sinnfrage angelangt sind...

                        Kommentar


                        • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                          Ja, unser Leben dreht sich im Kreis, um dem was wir in der Moderne dazu brauchen und wozu wir verpflichtet sind zu genügen.
                          Deprimierend.............

                          Kommentar


                          • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                            Aber nur weil wir es doch zulassen oder? Wäre es nicht viel gesünder, wenn man das Leben entspannter sieht? Sagt sich hald leichter in manchen Situationen

                            Kommentar


                            • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                              Wäre es nicht viel gesünder, wenn man das Leben entspannter sieht?
                              Sicher, nur ist das Leben nicht entspannt.
                              Ist vielleicht eher das was man nicht verändern kann hinnehmen zu können und sich den Rest so einzurichten wie man es braucht, aber auch dazu fehlen vielen Menschen die Mittel und Wege.
                              Dennoch sind manche einfach so gestrickt dass sie gut klar kommen, Lebenskünstler, andere nicht.

                              Also nicht nur die Frage was man tun kann um gesünder zu sein, sondern auch ob man jemand ist der damit was anfangen kann, es umsetzen kann und vielleicht auch eine Frage der Persönlichkeit.
                              Die ja nicht einheitlich ist, sondern beim einen positiver und beim anderen negativer, was für den anderen viel mehr Arbeit und Leiden bedeutet um da wieder raus zu kommen, als für den einen.

                              Ich denke wir sind da dann doch so ungleich, dass es nicht den einen und richtigen Weg geben kann.

                              Kommentar


                              • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                                Aber nur weil wir es doch zulassen oder? Wäre es nicht viel gesünder, wenn man das Leben entspannter sieht? Sagt sich hald leichter in manchen Situationen
                                Ich konnte mich da jetzt nicht einlesen, weiß also nicht, ob ich wen wiederhole.
                                Meines Erachtens nach sind wir umso gefährdeter, je weniger wir Artgerecht leben.
                                Das glücklichste Volk, so habe ich mal wo gelesen, das ist ein primitiver Stamm, nackt, mitten in der Natur, alle Erwachsenen betreuen alle Kinder und man lebt so dahin, null Hetze, null Einsamkeit, null Nahrungsmangel, oder Mangel an Licht, Luft, Natur und Bewegung.

                                Kommentar


                                • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                                  Aber nur weil wir es doch zulassen oder? Wäre es nicht viel gesünder, wenn man das Leben entspannter sieht? Sagt sich hald leichter in manchen Situationen
                                  Naja, das Problem ist, wie in den vorherigen Beiträgen beschrieben, daß wir von Kindesbeinen an anders erzogen werden! Wir bekommen von Kleinauf beigebracht, was man alles machen muß, was man alles machen soll, haben schon im Kindergartenalter "Termine" in Form von Sport- und/oder Musikverein; nicht wenige Kinder bekommen auch so Geschichten wie Ergotherapie (unserer hatte auch mal acht Wochen) oder Physio (brauchte unserer ebenfalls wegen Haltungsfehler und daraus resultierenden Brustschmerzen), und auch ansonsten bringen wir - als Gesellschaft - unseren Kindern ALLES bei, um leistungsgerecht und möglichst effizient zu funktionieren.

                                  Wenn ein menschliches Gehirn so etwas 20 bis 30 Jahre aufgesogen hat, ist es nicht mehr so leicht, das alles einfach etwas entspannter zu sehen. Gemeinhin heißt es sogar, die wesentlichen Grundanlagen werden bereits bis zum Alter von 3 gelegt; mit rund 3 Jahren sind die wichtigsten und fortan festesten Synpasen im Gehirn angelegt. Bereits hiernach nimmt es langsam ab, wenngleich es bis zum Beginn der Pubertät und jungem Erwachsenenalter sicher noch nicht in Stein gemeißelt ist.

                                  Und mit "in Stein gemeißelt" meine ich jetzt nicht unbedingt harten Granit, das ist es sicher nicht. Aber ordentlich gebackener und verdichteter Sandstein ist es bestimmt, und schon den bekommst du nicht "mal eben" durch entspanntes Kratzen an der Oberfläche wieder in seine Sandkörner zerlegt


                                  Wer das Glück hat, mit "entspannteren" Veranlagungen geboren zu werden und zusätzlich auch eine "entspanntere" Kindheit und Jugend hatte, der kriegt so etwas natürlich leichter hin; manch einer läßt sich dann von Streß praktisch gar nicht groß beeindrucken.

                                  Aber ich wage mal zu behaupten, daß die meisten Menschen da eben weniger Glück haben und mindestens über die Erziehung, die Schule und spätestens die Ausbildung oder das Studium viel von der Grundentspannung flöten geht. Zuguterletzt gibt es auch die Fälle, die früher oder später im Job plötzlich mit der "Realität" konfrontiert werden und einen schei* Chef bekommen oder von Kollegen gemobbt werden - selbst das kann Dir noch das Urvertrauen und damit die Grundentspannung rauben: Jahrzehntelang war alles in Butter, und plötzlich gerät's Du in ein ungesundes Umfeld und verstehst schlicht nicht mehr, was da um Dich herum gerade abgeht.

                                  Das alles sind so viele Faktoren...


                                  Ich konnte mich da jetzt nicht einlesen, weiß also nicht, ob ich wen wiederhole.
                                  Meines Erachtens nach sind wir umso gefährdeter, je weniger wir Artgerecht leben.
                                  Das glücklichste Volk, so habe ich mal wo gelesen, das ist ein primitiver Stamm, nackt, mitten in der Natur, alle Erwachsenen betreuen alle Kinder und man lebt so dahin, null Hetze, null Einsamkeit, null Nahrungsmangel, oder Mangel an Licht, Luft, Natur und Bewegung.
                                  Jepp, hatten wir grundsätzlich weiter oben schonmal

                                  Ist aber nicht schlimm, weil Du mit Deiner Sichtweise das Ganze ja quasi auch komplett frisch und neutral bestätigst:

                                  Wir modernen, digitaltechnologischen Industrie- und Konsummenschen halten uns schon lange nicht mehr "artgerecht".

                                  Von daher kann ich Dir da aber nur voll und ganz und aus tiefstem Herzen zustimmen
                                  Wobei ich trotzdem nicht weiß, ob ich wirklich mit einem Naturstamm-Menschen tauschen möchte... an unserem Leben ist ja nun wirklich auch nicht alles schlecht. Wahrscheinlich wär's leichter, wenn wir schlicht nicht wüßten, was wir wissen

                                  Kommentar


                                  • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                                    "Das glücklichste Volk, so habe ich mal wo gelesen, das ist ein primitiver Stamm, nackt, mitten in der Natur..."

                                    Also, Klamotten aus und ab in den Wald.

                                    Spaß beiseite: Die sogenannte technische Revolution, der Computer mit all seinen kleinen Schwestern und Brüdern war geschaffen worden, um uns zu dienen.

                                    Jetzt beherrscht er uns.

                                    Arztpraxen sind unfähig zu funktionieren, wenn das System abgestürzt ist, besonders junge Leute können sich nicht verständigen, wenn der Akku ihres Smartphones leer ist, der Bahnverkehr bricht zusammen, wenn elektronische Störungen auftreten.. usw.

                                    Wir sind letztlich Gefangene des selbst geschaffenen Fortschritts.

                                    Bei den Depressionen spielen aber noch andere sozial-familiäre Faktoren eine Rolle: Die Sippenstruktur hat sich verändert.

                                    Während früher die Großfamilie mit mehreren Generationen in einem Hof zusammen lebte, die Bindung Enkel/Großeltern eine wichtige stabilisierende Rolle spielte - und zwar für beide Seiten - , verfrachtet man heute die Alten in Heime, die allerdings Abneigung mildernde Bezeichnungen wie Seniorenresidenz u.ä. tragen.

                                    Es gibt auch sonst niemanden mehr zum Zuhören. Auch in der übrigen Gesellschaft nicht.
                                    Der emotionale Stau bleibt drinnen und verrichtet sein destruktives Werk.

                                    Kommentar


                                    • Re: Nehmen Depressionen und Burn-Out objektiv gesehen zu?

                                      Hallo Hr. Dr. Riecke,

                                      auch da kann ich Ihnen von Anfang bis Ende nur uneingeschränkt zustimmen.

                                      Gerade auch der Faktor "Familie" bzw. eben "Großfamilie" spielt da eine ganz ganz große Rolle.

                                      Gleichzeitig war die Welt als Ganzes auch überschaubarer, so daß die "Alten" den "Jungen" auch wirklich noch helfen konnten, Werte vermitteln konnten, sich leichter Parallelen mit der eigenen Jugend und "damals" ziehen ließen. Man wohnte zumeist auch am gleichen Ort oder zumindest in relativer Nähe, so daß man sich auch "persönlich" und durch den Austausch von Berührungen, Umarmungen und generell körperlicher Nähe trösten, füreinander da sein und Anteilnahme und echtes Mitgefühl zeigen konnte.

                                      Heutzutage gibt es dafür Emojis - und auch, wenn das sicher besser als nichts ist, kommt es der Wärme eines echten, einem gegenübersitzenden und wertschätzenden Menschen, dem man in die Augen gucken kann, wohl kaum so nahe. Dazumal jede alternde Generation durch den rasanten technologischen Fortschritt auch irgendwo immer schneller abgehängt wird - die Großeltern, die sich mit nem Smartphone gut genug auskennen und auch auskennen wollen, um WhatsApp & Co. zu erlernen, dürfte sich auch in überschaubaren Grenzen halten. Und hat sich das dann einmal im Zeitablauf vererbt, gibt es schon lange wenigstens zwei drei vier neue technologische Neuerungen und Generationen...

                                      Aber ich schweife wieder ab

                                      In jedem Fall ist es aber genau so, wie Sie es beschreiben:
                                      Trotz aller technologischen Neuerungen stehen uns immer weniger Möglichkeiten zur Verfügung, unseren emotionalen Druck und Streß zeit- und artgerecht abzubauen und in etwas Positives zu verwandeln. Selbst so moderne Konstrukte wie "Work-Life-Balance" sind da nur Notbehelfe, die zur Zeit vielleicht noch das Schlimmste verhindern oder lindern können, mittel- bis langfristig unserer Gesellschaft und den Individuen allerdings kaum eine echte Lösung bieten können. Ganz im Gegenteil setzen solche Trends und Moden - trotz all ihres wahren Kerns - nicht wenige noch zusätzlich unter Druck.

                                      Aus neutral-wissenschaftlicher Sicht ist das alles eine interessante Reise und Entwicklung - aus individuell-persönlicher Sicht eines (potentiell) Betroffenen in der Tat eher deprimierend, beängstigend und mit jedem Potential zur langfristigen Verzweiflung - wenn sich nichts ändert.

                                      Blöderweise regiert Geld die Welt...

                                      Kommentar

                                      Lädt...
                                      X