Ärztliches Gespräch zur Aufklärung einer ERCP.
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ERCP: Ablauf, Dauer und Nebenwirkungen der Untersuchung

Von: Paula Vradelis (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 09.07.2024 - 15:28 Uhr

Eine ERCP ist ein spezialisiertes Verfahren, bei dem die Gallenwege und der Bauchspeicheldrüsengang endoskopisch untersucht werden. Dieses Verfahren ermöglicht nicht nur eine Diagnose, sondern gegebenenfalls auch ein therapeutisches Eingreifen. Erfahren Sie hier, wie eine ERCP genau abläuft, welche möglichen Nebenwirkungen auftreten können und was zu beachten ist.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zur ERCP

Eine ERCP ist nicht schmerzhaft, da die zu untersuchende Person vor Beginn der Untersuchung ein Beruhigungsmittel verabreicht bekommt und dadurch in einen Dämmerschlaf versetzt wird.

Die Untersuchung dauert in der Regel 30 Minuten.

Eine MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie) ist eine nichtinvasive bildgebende Methode, bei der zusätzlich eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt wird. Eine ERCP hingegen ist ein invasives Verfahren mit direkten Eingriffen in den Gallen- und Pankreasgängen.

Was ist eine ERCP?

Bei einer ERCP (endoskopisch-retrograde Cholangiopankreatikographie) werden die Gallengänge innerhalb und außerhalb der Leber sowie der Ausführungsgang der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) mithilfe eines biegsamen Schlauchs (Endoskop) von innen untersucht. Dabei werden unter Durchleuchtung und durch Anwendung von Kontrastmittel Röntgenbilder angefertigt, die auf einem Monitor dargestellt werden. 

Dieses Untersuchungsverfahren ermöglicht es, Engstellen oder Blockaden zu identifizieren, die durch Gallensteine, Tumoren oder auch Entzündungen verursacht werden und durch bildgebende Verfahren wie einer Computertomographie (CT) allein nicht ausreichend diagnostizierbar sind. Eine ERCP bietet zudem die Möglichkeit, gesundheitliche Probleme unmittelbar zu behandeln. 

Wo verlaufen die Gallen- und Bauchspeicheldrüsengänge? 

Die Gallenwege und die Produktion der Galle beginnen in der Leber, wo die Galle in kleinen Gallenkapillaren (intrahepatische Gallengänge) gebildet und gesammelt wird. Diese Kapillaren vereinen sich zu größeren Gallengängen, die schließlich in den Hauptgallengang (Ductus choledochus) übergehen. Der Hauptgallengang und der Gang der Bauchspeicheldrüse (Ductus pancreaticus) münden gemeinsam in den Zwölffingerdarm (einem Teil des Dünndarms) durch die Papilla Vateri (auch als Papilla duodeni major bekannt).

ERCP: Wie läuft die Untersuchung ab?

Zur Vorbereitung muss der*die Patient*in mindestens 6 Stunden vor der Untersuchung nüchtern bleiben und darf in dieser Zeit nichts essen, um den Verdauungstrakt frei von Speiseresten zu halten. Fettfreie Getränke sind bis 2 Stunden vor dem Eingriff erlaubt. 

Direkt vor Beginn der Untersuchung erhält der*die Patient*in ein Medikament, das für einen leichten Dämmerschlaf sorgt, sodass keine Schmerzen wahrgenommen werden. Zusätzlich wird mittels einer feinen Nadel ein Zugang in ein venöses Blutgefäß gelegt, um bei Bedarf Medikamente verabreichen zu können.

Während der Untersuchung werden Herzfrequenz, Blutdruck und der Sauerstoffgehalt im Blut kontinuierlich überwacht. 

Der*die Arzt*Ärztin führt dann einen biegsamen Schlauch (Endoskop) über den Mund und die Speiseröhre bis zum Magen und Zwölffingerdarm ein. An dieser Stelle, die als Vater-Papille bezeichnet wird, münden die Gallen- und Pankreasgänge zusammen in den Darm. Hier wird das Kontrastmittel gegen die Flussrichtung (retrograd) eingeführt. 

Mit einer am Endoskop befestigten Lichtquelle und Kamera können so während der Untersuchung die genannten Bereiche durchleuchtet, Röntgenbilder erstellt und diese auf einem Monitor sichtbar gemacht werden. Damit können Veränderungen, Tumoren oder andere Engstellen identifiziert und dargestellt werden.

Nach der Untersuchung verbringt der*die Patient*in eine kurze Zeit in der Aufwachphase und kann danach in der Regel entlassen werden.

Therapeutische Eingriffe während einer ERCP

Während der Untersuchung können folgende therapeutische Maßnahmen durchgeführt werden:

  • Entfernung von Gallensteinen: Dies wird oft notwendig, wenn Steine den Fluss der Galle blockieren.

  • Erweiterung von Engstellen: Engstellen in den Gallen- oder Bauchspeicheldrüsengängen können mittels spezieller Instrumente erweitert werden.

  • Einlage eines Röhrchens (Stent): Dieses Verfahren wird genutzt, um Engstellen zu überbrücken und den normalen Fluss von Galle oder Bauchspeicheldrüsensekret zu ermöglichen.

  • Papillotomie: Dieser Eingriff beinhaltet eine Spaltung des Schließmuskels am Ende des Gallengangs bei dessen Mündung in den Dünndarm (Papilla duodeni vateri), um den Abfluss von Galle zu verbessern. Ein elektrisches Schneidegerät wird dabei durch das Endoskop eingeführt.

Wann wird eine ERCP durchgeführt?

Eine ERCP wird in der Regel bei Patient*innen mit Symptomen oder Befunden durchgeführt, die auf Probleme in den Gallenwegen oder der Bauchspeicheldrüse hindeuten. Zu den häufigsten Gründen für die Untersuchung zählen:

  • Gelbsucht (Ikterus): Dies ist eine Gelbfärbung der Haut oder der Augen, die auftritt, wenn der Abfluss der Galle durch Blockaden wie Gallensteine, Tumoren oder Engstellen (Strikturen) behindert wird.

  • Bauchschmerzen und Verdauungsprobleme: Bei Schmerzen im oberen Bauch, die auf Gallensteine, Entzündungen der Gallenwege oder der Bauchspeicheldrüse hinweisen, kann die Untersuchung zum Einsatz kommen.

  • Verdacht auf Gallensteine (Choledocholithiasis): Besonders wenn diese in den Gallengängen vermutet werden, wo sie zu Blockaden und Entzündungen führen können.

  • Pankreatitis: Eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse, oft verursacht durch Rückstau der Gallenflüssigkeit oder übermäßigen Alkoholkonsum, kann ebenfalls mittels der Untersuchung ausgeschlossen werden.

  • Cholangitis: Dabei handelt es sich um eine Entzündung der Gallengänge, oft verursacht durch eine bakterielle Infektion oder Gallensteine. 

  • Anomalien der Gallenwege oder der Bauchspeicheldrüse: Wie beispielsweise angeborene Fehlbildungen oder Veränderungen, die durch vorherige Operationen oder Erkrankungen entstanden sind.

  • Tumoren: Sowohl gutartige als auch bösartige Tumore der Gallenwege oder der Bauchspeicheldrüse können eine ERCP erforderlich machen, um Diagnose und Behandlungsplanung zu unterstützen.

Die ERCP wird jedoch oft erst empfohlen, nachdem eine MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie) durchgeführt wurde. Die MRCP ist eine nichtinvasive Methode, also ein rein bildgebendes Verfahren, die ohne die Risiken einer ERCP ein klares Bild der Bauchorgane liefert. Sie wird häufig vorgezogen, da sie ohne die Einführung von Instrumenten in den Körper auskommt.

Ist eine ERCP mit einer Operation gleichzusetzen?

Obwohl während einer ERCP therapeutische Eingriffe durchgeführt werden können, die kleinen chirurgischen Operationen ähneln, ist sie grundsätzlich kein chirurgischer Eingriff. Da die ERCP vorwiegend ambulant durchgeführt wird, unterscheidet sie sich von offenen chirurgischen Eingriffen, die umfangreichere Vorbereitungen, längere Erholungszeiten und meist einen Krankenhausaufenthalt erfordern.

ERCP: Was ist nach dem Eingriff zu beachten?

Bis zu 2 Stunden nach dem Eingriff sollte der*die Patient*in nichts essen, damit die zuvor untersuchten und möglicherweise gereizten Verdauungsorgane nicht angeregt werden, Verdauungssekrete zu bilden.

Beim Auftreten von Fieber, Schmerzen, Gelbfärbung der Haut, Übelkeit, Erbrechen oder anhaltende Bauchschmerzen sollte unverzüglich ärztliche Hilfe eingeholt werden. Dies können Anzeichen für Komplikationen wie eine Gallenblasen- oder Bauchspeicheldrüsenentzündung sein.

Außerdem sollten in den ersten 24 Stunden nach dem Eingriff auf schwere körperliche Anstrengungen und das Fahren von Fahrzeugen verzichten werden, da die Kurznarkose und der Eingriff selbst die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen können.

Mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen einer ERCP

Insgesamt sind Komplikationen und Nebenwirkungen selten. Allerdings müssen der individuelle Gesundheitszustand und eventuelle Vorerkrankungen berücksichtigt werden.

Nach dem Eingriff kann es vorübergehen zu folgenden Beschwerden kommen:

Eine leichte Entzündung der Bauchspeicheldrüse kann in etwa 3 bis 5 Prozent der Fälle auftreten, während schwerwiegende Komplikationen selten sind. Verletzungen der Speiseröhre, des Magens oder des Dünndarms während des Einführens des Endoskops sind ebenfalls selten, aber möglich.

In sehr seltenen Fällen kann eine Blutung im Verdauungstrakt auftreten, die eventuell einen chirurgischen Eingriff erfordert.

Daher muss im Vorfeld geklärt werden, ob der*die Patient*in blutverdünnende Medikamente erhält oder eine Blutgerinnungsstörung hat. Dann besteht ein erhöhtes Risiko für Blutungen.
Bei Patient*innen mit einer Vorschädigung der Herzklappen wird in der Regel vor der Untersuchung ein Antibiotikum verabreicht, um das Risiko einer Infektion durch Darmbakterien zu minimieren.

Allergische Reaktionen auf das Narkosemedikament oder das verwendete Kontrastmittel sind sehr selten, aber möglich und sollten vor der Untersuchung ärztlich besprochen werden.