Man sieht ein gähnendes Baby.
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Spina bifida (offener Rücken)

Von: Onmeda-Redaktion, Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 23.12.2021

Manche Neugeborene kommen mit einem offenen Rücken (Spina bifida) zur Welt. Als Hauptrisikofaktor für diese Fehlbildung gilt ein Folsäuremangel bei der werdenden Mutter. Welche Folgen hat die Fehlbildung für das Baby?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Spina bifida (offener Rücken)

Spina bifida, auch offener Rücken genannt, ist eine angeborene Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks, die in verschiedenen Schweregraden auftreten kann.

Beim Embryo entwickeln sich Wirbelsäule und Rückenmark aus dem sogenannten Neuralrohr. Bei der einer Spina bifida handelt es sich daher um einen Neuralrohrdefekt. Diese zählen nach Herzfehlern zu den zweithäufigsten angeborenen Fehlbildungen. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff Spina bifida gespaltenes Rückgrat.

Häufigkeit

Ein offener Rücken kommt in Deutschland bei etwa 1 bis 2 von 1.000 Neugeborenen vor. Er gilt als die häufigste Fehlbildung des zentralen Nervensystems.

Je mehr Familienangehörige bereits einen Neuralrohrdefekt haben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass zukünftige Kinder den Defekt ebenfalls entwickeln. Kommt in einer Familie ein Kind mit Spina bifida zur Welt, beträgt das Risiko, dass weitere Kinder betroffen sind, 3 bis 5 Prozent.

Durch die Einnahme von Folsäure vor einer geplanten Schwangerschaft und in der Frühschwangerschaft können Frauen das Risiko, dass sich beim Baby ein offener Rücken ausbildet, deutlich verringern.

Spina bifida (offener Rücken): Ursachen

Was genau die Ursachen für eine Spina bifida sind, wurde bislang noch nicht abschließend geklärt. Es scheint, dass ein offener Rücken beim Baby sowohl durch erbliche Faktoren als auch durch Umweltfaktoren bedingt sein kann.

Sicher ist, dass eine Spina bifida entsteht, wenn sich beim Embryo während der dritten bis vierten Schwangerschaftswoche das Neuralrohr nicht richtig schließt. Fachleute sprechen hierbei von einer Verschlussstörung.

Das Neuralrohr stellt ein Frühstadium in der Entwicklung des zentralen Nervensystems dar – also von Gehirn und Rückenmark und der sie umgebenden Gewebe wie Knochen, Muskeln oder Bindegewebe. Es bildet sich durch die Verschmelzung der paarigen Neuralwülste, die sich zu beiden Seiten der Neuralrinne etwa am 18. Schwangerschaftstag herausbilden und sich zwischen dem 22. und 28. Schwangerschaftstag schließen.

Je nachdem, in welchem Abschnitt des Neuralrohrs es zu einer Verschlussstörung kommt, hat das unterschiedliche Folgen für das Baby:

  • Aus dem unteren Abschnitt des Neuralrohrs entwickeln sich Rückenmark und Wirbelsäule. Eine Verschlussstörung in diesem Bereich verursacht beim Baby eine Spina bifida.
  • Aus dem oberen Abschnitt des Neuralrohrs entwickeln sich Gehirn und Schädeldach. Eine Verschlussstörung in diesem Bereich führt zu einer Anenzephalie. Das bedeutet, Gehirn und Schädeldach können beim Baby ganz oder teilweise fehlen.

Wie entsteht ein offener Rücken?

Während der Embryonalentwicklung verschmelzen normalerweise die beiden Bogenanteile der Wirbel und bilden mit dem Wirbelkörper einen Ring, der das Wirbelloch nach hinten begrenzt. Im Wirbelloch selbst liegt das Rückenmark, umgeben von den Rückenmarkshäuten.

Ein offener Rücken entsteht, wenn der Bogenschluss bei einem oder mehreren Wirbeln ausbleibt und ein Spalt entsteht. Durch den Spalt können sich Rückenmarksanteile und Nerven nun sackförmig vorwölben (sog. Zele).

Lendenwirbelsäule und Kreuzbein sind dabei häufiger betroffen als Brust- oder Halswirbelsäule. Meist bildet sich ein offener Rücken am Übergang zwischen fünftem Lendenwirbel und erstem Kreuzbeinwirbel.

Beim offenen Rücken unterscheidet man zwei Formen – die Spina bifida occulta und die Spina bifida aperta:

  • Spina bifida occulta (lat. occulta = verborgen):
    Hier sind nur die Wirbelbögen gespalten. Das Rückenmark ist nicht beteiligt, sodass normalerweise keine Symptome entstehen. Diese Form der Fehlbildung ist sehr häufig. Medizinisch gesehen hat sie im Grunde keine Bedeutung. Meist ist sie ein Zufallsbefund auf Röntgenaufnahmen.
  • Spina bifida aperta (lat. aperta = offensichtlich vorhanden):
    Hier sind neben den Wirbelbögen auch Rückenmarkshäute und/oder das Rückenmark in die Spaltbildung einbezogen. Das kann mehr oder weniger starke Folgen haben.

Risikofaktoren für Spina bifida

Als wichtiger Risikofaktor für eine Spina bifida gilt ein Mangel an Folsäure (einem B-Vitamin) beziehungsweise ein gestörter Folsäurestoffwechsel während der Schwangerschaft.

Daneben besteht bei Frauen, die wegen einer Epilepsie in der Schwangerschaft Antiepileptika wie Valproat einnehmen, ein höheres Risiko für einen offenen Rücken beim Baby. Auch ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus in der frühen Phase der Schwangerschaft kann bei der Entstehung der Spina bifida eine Rolle spielen.

Spina bifida (offener Rücken): Symptome

Die Symptome, die bei einer Spina bifida (offener Rücken) auftreten, können sehr unterschiedlich ausfallen. Ob und wie stark sich die Fehlbildung im Bereich der Wirbelsäule beim Baby auswirkt, hängt davon ab,

  • wo genau die Spaltbildung liegt (z. B. Brustwirbelsäule oder Lendenwirbelsäule) und
  • ob sich Rückenmarksanteile und Nerven sackförmig durch den Spalt vorgewölbt haben.

Die vergleichsweise häufige Spina bifida occulta ruft größtenteils gar keine Symptome hervor: Hier ist der Wirbelbogen zweigespalten, ohne dass das Rückenmark beteiligt ist. Die Fehlbildung bleibt daher oft unentdeckt.

Ein offener Rücken, bei dem Rückenmarkshäute und/oder Rückenmark in die Spaltbildung einbezogen sind (Spina bifida aperta), kann geringe bis starke Auswirkungen haben. Bei dieser Form der Spina bifida reichen die Symptome von kaum merklichen Beschwerden, wie einer leicht beeinträchtigten Gehfähigkeit, bis hin zu beträchtlichen Einschränkungen wie einer Querschnittslähmung mit gestörter Blasen- und Darmfunktion.

Wenn sich Teile des Rückenmarks durch den Spalt im Wirbelbogen vorwölben, ist das in der Vorwölbung (sog. Zele) befindliche Rückenmark in seiner Funktion gestört. Entsprechend kann eine Spina bifida Symptome wie Lähmungen der Muskel-, Magen- und Darmfunktionen und einen Verlust der Gefühls- und Schmerzempfindungen verursachen.

Bei Störungen der knöchernen Wirbelsäule oder infolge der Muskellähmungen kann ein offener Rücken mit Fehlbildungen im Skelettsystem (z. B. Verkrümmungen oder Gelenkfehlstellungen) verbunden sein. Ein Beispiel hierfür ist der Klumpfuß.

Wenn die Blasenfunktion durch die Spina bifida gestört ist, treten häufig Harnweginfekte und Entleerungsstörungen der Blase auf. Letztere können sich in Form einer Durchlaufblase beziehungsweise Inkontinenz (Betroffene können Urin nicht halten) als auch einer Überlaufblase (Betroffene können keinen Urin ablassen) äußern.

Offener Rücken und Wasserkopf

Eine schwere Spina bifida beim Baby kann auch mit der sogenannten Chiari-Fehlbildung (Chiari-Malformation) verbunden sein. Hierbei führt die Aussackung des Rückenmarks dazu, dass das Kleinhirn und die Verbindung zwischen Gehirn und Rückenmark (Medulla oblongata) durch das Hinterhauptsloch nach unten in Richtung Wirbelkanal gezogen sind. Als Folge ist die Zirkulation der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit gestört. Ein offener Rücken kann deshalb beim Baby zusammen mit einem Wasserkopf (Hydrocephalus) auftreten, der sich durch den Rückstrom zum Gehirn ausbildet.

Je nach Ausprägung kann der Wasserkopf beispielsweise Symptome wie sogenannte Teilleistungsstörungen (z. B. Rechenschwäche) oder auch epileptische Anfälle verursachen.

Wie sich Kinder mit Spina bifida später geistig entwickeln, hängt davon ab, ob sie gleichzeitig Fehlbildungen des Gehirns haben. In der Regel entwickelt sich die Intelligenz jedoch normal.

Spina bifida (offener Rücken): Diagnose

Die Diagnose Spina bifida (offener Rücken) erfolgt häufig schon während der Schwangerschaft nach einer Ultraschalluntersuchung im Rahmen des Ersttrimesterscreenings. Die Fehlbildung ist beim Baby im vorgeburtlichen Ultraschall oft gut zu erkennen.

In welchem Ausmaß sich eine Spina bifida beim Baby später auswirken wird, ist durch die Pränataldiagnostik allerdings nicht eindeutig zu klären. Steht die Lage der Wirbelsäulenfehlbildung nach den Untersuchungen fest, kann man anhand dieser Information lediglich Vermutungen darüber anstellen, inwiefern ein offener Rücken das Kind in Zukunft beeinträchtigt.

Nach der Geburt ist ein deutlich ausgeprägter offener Rücken beim Baby als sichtbarer Defekt einfach zu diagnostizieren. Um das Ausmaß der Fehlbildung zu bestimmen und mögliche Folgeschäden zu vermeiden oder zu verringern, erfolgen Untersuchungen bei verschiedenen Fachärzten und -ärztinnen.

Hierbei kommen unter anderem verschiedene bildgebende Verfahren zum Einsatz, um die Wirbelsäule näher in Augenschein nehmen zu können, wie etwa:

Spina bifida aperta: Formen

Bei einer Spina bifida aperta unterscheiden Fachleute drei verschiedene Formen: Rhachischisis, Meningozele und Meningomyelozele.

Rhachischisis

Rhachischisis ist im Grunde eine andere Bezeichnung für Spina bifida aperta und bedeutet wörtlich Wirbelsäulenspalt. Den Begriff verwenden Fachleute jedoch häufig für besonders schwere Befunde, bei denen das Nervengewebe völlig bloßgelegt ist und ein Hautüberzug fehlt.

Meningozele

Bei einer Meningozele wölben sich nur die Rückenmarkshäute (die sog. Meningen) durch den Wirbelbogenspalt unter der Haut vor. Das Rückenmark befindet sich dagegen in seiner normalen Lage. Die Meningozele macht etwa 10 Prozent der Spina-bifida-Fälle beim Baby aus.

Meningomyelozele

Bei einer Meningomyelozele befinden sich sowohl die Rückenmarkshäute als auch das Rückenmark außerhalb des Wirbelbogens, was als Vorwölbung unter der Haut sichtbar ist.

Spina bifida (offener Rücken): Therapie

Bei einer Spina bifida (offener Rücken) richtet sich die Therapie danach, um welche Form der Wirbelsäulenfehlbildung es sich handelt und welches Ausmaß sie hat.

Die leichte Form der Fehlbildung, die Spina bifida occulta, benötigt in einigen Fällen gar keine Behandlung, da sie teils keinerlei Auswirkungen auf das Baby hat.

Bei einer Spina bifida aperta kann der Defekt dagegen deutlich ausgeprägt sein. Dann ist eine mikrochirurgische Operation spätestens innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt ratsam, um Rückenmark und Nerven zu schützen. Eine ausgeprägte Spina bifida beim Baby operativ zu behandeln kann die Überlebenschancen deutlich bessern.

In manchen Kliniken ist es auch möglich, einen offenen Rücken noch vor der Geburt operativ zu verschließen. Der Vorteil ist hierbei, dass die betroffenen Rückenmarksanteile und Nerven des Babys so bereits im Mutterleib geschützt sind. Die Nervenfunktionen bleiben dadurch besser erhalten. Vorgeburtliche Eingriffe können allerdings auch ein erhöhtes Risiko bedeuten, beispielsweise für eine Frühgeburt.

Nach der operativen Behandlung einer Spina bifida bilden sich an der Operationsstelle meist Narben. Dabei kann das Rückenmark mit dem umliegenden Gewebe verwachsen und es förmlich anheften. Das kann das Rückenmark im Wachstum behindern (sog. Tethered Cord) und später eventuell einen weiteren Eingriff nötig machen, um das Rückenmark wieder zu lösen.

Wenn eine Spina bifida die Zirkulation der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit stört, kann das Baby einen Wasserkopf (Hydrocephalus) entwickeln. Dann ist es notwendig, einen Shunt zur Entlastung anzulegen. Dazu setzt man operativ einen Katheter ein, der die Hirnflüssigkeit (Liquor) von den Hirnventrikeln in die vom Bauchfell (Peritoneum) ausgekleidete Bauchhöhle ableitet.

Ist die Spina bifida mit Entleerungsstörungen der Blase verbunden, kommen sowohl Medikamente als auch eine Katheterisierung (d. h. eine Harnableitung durch einen in die Blase eingeführten Schlauch) oder eine Operation in Betracht. Die Therapie soll in jedem Fall verhindern, dass infolge der Blasenentleerungsstörung aufsteigende Infektionen entstehen, die sich auf die Nieren ausbreiten und dort Schäden verursachen könnten.

Um Gelenkdeformierungen infolge einer Spina bifida entgegenzuwirken, können Krankengymnastik (bzw. Physiotherapie) und orthopädische Hilfsmittel (z. B. Korsetts oder speziell angefertigte Schuhe) hilfreich sein. Häufig sind auch hier Operationen nötig, um gute Behandlungsergebnisse zu erzielen. Der Zweck dieser Maßnahmen besteht darin, die durch den offenen Rücken eingeschränkten Funktionen möglichst auszugleichen.

Vollständig heilbar ist eine Spina bifida jedoch nicht. Manche Betroffene benötigen lebenslang eine medizinische Betreuung. Dabei ist es wichtig, dass – neben all den notwendigen körperlichen Behandlungsmaßnahmen – auch die geistige und seelische Ebene nicht zu kurz kommen.

Die Intelligenz der Kinder kann sich aber trotz einer Spina bifida normal entwickeln. Spezielle Programme zur geistigen Förderung sind daher nur nötig, wenn ein offener Rücken beim Baby zusammen mit Hirnfehlbildungen auftritt und darum die Intelligenz gemindert ist.

Spina bifida (offener Rücken): Verlauf

Wie sich eine Spina bifida (offener Rücken) beim Baby auswirkt, hängt vor allem davon ab, in welchem Ausmaß Wirbelsäule und Rückenmark fehlgebildet sind. Eine Spina bifida occulta ist nur eine leichte Fehlbildung und hat meist keine gesundheitlichen Auswirkungen.

Eine Spina bifida aperta ist dagegen schwerwiegender. Kinder mit dieser Form des offenen Rückens können dennoch eine normale Lebenserwartung und hohe Lebensqualität haben, wenn sie eine umfassende medizinische Versorgung erhalten.

Zu den möglichen Komplikationen einer schweren Spina bifida gehören Entzündungen der Rückenmarkshäute und des Rückenmarks, Nierenentzündungen oder Arthrosen.

Führt ein offener Rücken zu einem Wasserkopf (Hydrocephalus) und bleibt dieser unbehandelt, ist das Gehirn im weiteren Verlauf zunehmendem Druck ausgesetzt. Das kann schwere Störungen bis hin zur Lebensgefahr zur Folge haben.

Kinder mit ausgeprägter Spina bifida sind meist ein Leben lang auf medizinische Betreuung angewiesen. Hierbei ist es wichtig, eventuelle Vor- und Nachteile verschiedener Therapien abzuwägen, damit die Kinder so normal wie möglich leben können und gesellschaftlich integriert sind. So ist es beispielsweise ratsam, notwendige operative Behandlungen vor der Einschulung der Kinder abzuschließen.

Spina bifida (offener Rücken): Vorbeugen

100-prozentig lässt sich einer Spina bifida (offener Rücken) nicht vorbeugen. Wenn Sie schwanger sind oder eine Schwangerschaft planen, können Sie das Risiko für eine solche Fehlbildung beim Baby jedoch deutlich verringern, indem Sie das B-Vitamin Folsäure einnehmen. Empfohlen werden hierfür täglich 400 Mikrogramm (= 0,4 Milligramm) Folsäure – zusätzlich zu einer Ernährung, die reich an Folsäure ist.

Beginnen Sie mit der Einnahme der Folsäure nach Möglichkeit mindestens 4 Wochen vor der Empfängnis und setzen Sie diese während des ersten Schwangerschaftsdrittels fort.

Für Frauen, die bereits mit einem Kind mit Neuralrohrdefekt schwanger waren oder in deren Familie es Fälle von offenem Rücken gibt, gelten höhere Dosierungen: Für sie ist bei bestehendem Kinderwunsch die Einnahme von 4 Milligramm Folsäure täglich empfehlenswert.