Schmerztherapie
Eine umfassende Schmerztherapie umfasst mehr als die bloße Schmerzmittelgabe. Für ein optimales Behandlungsergebnis werden mehrere Verfahren miteinander kombiniert. Dabei gilt: So vielfältig die Menschen und so unterschiedlich die Schmerzformen, so individuell sollte auch die Therapie auf den Einzelnen abgestimmt sein.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Multimodale Schmerztherapie: Gut kombiniert, individuell abgestimmt
Der eine wird schon seit Jahren von Kopfschmerzen geplagt. Ein anderer hat unerträgliche Nervenschmerzen. Und wieder ein anderer hat immer wieder mit Rückenschmerzen zu kämpfen. Nahezu jeder Bereich des menschlichen Körpers kann aus den verschiedensten Gründen Schmerzen verursachen.
Wie viele Menschen in Deutschland unter anhaltenden oder immer wiederkehrenden Schmerzen leiden, ist nicht genau bekannt. Schätzungen zufolge hat jeder fünfte Patient, der seinen Hausarzt aufsucht, chronische Schmerzen, das heißt: Die Schmerzen halten länger als drei Monate an.
"Das" Allheilmittel gegen den Schmerz gibt es nicht. In der modernen Schmerztherapie strebt man vielmehr einen sogenannten multimodalen Ansatz an (lat. multi = viel; modus = Art und Weise): Anhand eines individuell zusammengestellten Behandlungsplans arbeiten im Idealfall Ärzte mehrerer Fachrichtungen zusammen, um dem Patienten durch eine Kombination mehrerer Maßnahmen so gut wie möglich helfen zu können.
Was gehört zu einer Schmerztherapie?
Zu möglichen Elementen einer modernen Schmerztherapie zählen:
- die medikamentöse Behandlung,
- Bewegungs- bzw. Physiotherapie ("Krankengymnastik"),
- physikalische Therapieelemente wie Elektrotherapie oder Massagen,
- psychologische bzw. psychotherapeutische Unterstützung,
- Entspannungsmethoden,
- alternative Verfahren wie z.B. Akupunktur und
- Lebensstil-Veränderungen wie z.B. Bewegung und Sport
Mindestens ebenso wichtig wie Medikamente, Bewegungstherapie & Co. ist die Eigeninitiative des Patienten. Jeder kann dazu beitragen, Schmerzen zu lindern, so zum Beispiel durch gezielte Programme zur Stressbewältigung, aber auch mithilfe von regelmäßiger Bewegung, sofern es die körperliche Verfassung zulässt.
Wie bekommt man die optimale Schmerztherapie?
Schmerzpatienten haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, eine angemessene Schmerztherapie zu erhalten. Doch in der Realität erweist sich die Umsetzung oft als schwierig und nicht jeder Patient wird optimal behandelt. Dies kann passieren, wenn der Arzt kein spezieller Schmerztherapeut ist – oder wenn die Krankenkasse teure Anwendungen verweigert. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen zwar bestimmte Leistungen aus der Schmerzmedizin, viele Verfahren gehören aber nicht in den Leistungskatalog und müssen schließlich aus eigener Tasche bezahlt werden.
Manche Ärzte haben eine Fortbildung zum Schmerztherapeuten gemacht. Sie tragen dann die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie". Wer sich bei seinem bisherigen Arzt in Sachen Schmerztherapie nicht umfassend versorgt fühlt, sollte zunächst das Gespräch suchen und gegebenenfalls darum bitten, dass der Arzt eine Überweisung zu einem Schmerztherapeuten veranlasst. Eine weitere Option ist, sich selbst umzuschauen und den Arzt zu wechseln beziehungsweise nach einem Schmerztherapeuten zu suchen.
Auf den Arztbesuch vorbereiten
Vor dem ersten Arztbesuch ist eine gute Vorbereitung das A & O. Überlegen Sie sich vorher, was Sie Ihrem Arzt genau erzählen möchten und versuchen Sie, die Schmerzen so genau wie möglich zu beschreiben. Hilfreich können Fragen sein wie:
- Wann treten die Schmerzen auf (z.B. in Ruhe, bei Bewegung, bei Kälte, bei Wärme …)?
- Seit wann treten die Schmerzen auf?
- Wie fühlen sich die Schmerzen an (z.B. pochend, stechend, drückend …)?
- Wie stark sind die Schmerzen?
- Treten weitere Beschwerden auf?
In einem Schmerztagebuch können Sie protokollieren, wann Sie Schmerzen empfunden haben, wie stark diese jeweils waren und in welcher Situation Sie sich gerade befunden haben. So können Sie und Ihr Arzt nachvollziehen, welche Aktivitäten Ihren Schmerz positiv oder negativ beeinflussen. Ein Schmerztagebuch können Sie hier als PDF herunterladen.
Die Deutsche Schmerzliga bietet Hilfe und Informationen rund um das Thema Schmerz, unter anderem in Form eines Schmerztelefons.
Medikamentöse Schmerztherapie
Medikamente spielen in der Schmerztherapie eine besondere Rolle. Bei länger anhaltenden Schmerzzuständen können sie in Kombination mit anderen Behandlungsmaßnahmen dazu beitragen, schneller wieder körperlich aktiv zu werden und den Alltag zu bewältigen. Und bei akuten Beschwerden, zum Beispiel Spannungskopfschmerzen, können sie kurzfristig Linderung verschaffen.
Achten Sie darauf, Ihre Medikamente regelmäßig zu nehmen und ändern Sie die Dosis nicht eigenmächtig.
Die Bandbreite der medikamentösen Schmerztherapie ist groß. Auf dem Markt gibt es diverse Präparate mit unterschiedlichen Wirkmechanismen. Bei der Wahl der Medikamente ist unter anderem von Bedeutung, um welche Art Schmerz es sich handelt und wie stark der Schmerz ist. Oft kombiniert man verschiedene Arzneimittel, um eine bessere Wirkung zu erzielen. Bis die richtige Kombination gefunden ist, kann unter Umständen etwas Geduld nötig sein.
Zu möglichen Medikamenten in der Schmerztherapie zählen:
- Schmerzlindernde Wirkstoffe wie Paracetamol: Sie sind vor allem bei leichten Schmerzen geeignet. Paracetamol wirkt zudem fiebersenkend.
- nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR): Wirkstoffe wie Ibuprofen, Diclofenac, Acetylsalicylsäure oder Naproxen reduzieren Schmerzen und hemmen zugleich Entzündungsprozesse. NSAR sind daher gut zur Behandlung von entzündungsbedingten Schmerzen geeignet.
- Opioide: Opioide wie z.B. Morphin zählen zu besonders wirkungsvollen Schmerzmitteln, die vor allem bei starken und chronischen Schmerzen Anwendung finden. Opioide verhindern, dass Schmerzsignale in Gehirn und Rückenmark weitergeleitet bzw. verarbeitet werden. Sie können z.B. bei Tumorschmerzen im Rahmen einer Krebserkrankung, aber auch bei anderen chronischen Schmerzzuständen eingesetzt werden. Je nach Wirkstoff sind die schmerzlindernden Effekte mehr oder weniger stark ausgeprägt. Insbesondere bei chronischen Schmerzen können "retardierte" (verzögerte) Darreichungsformen sinnvoll sein: Nach dem Schlucken des Medikaments – oder nach dem Auftragen eines Pflasters – werden die Wirkstoffe über einen bestimmten Zeitraum hinweg kontinuierlich im Körper freigesetzt, was eine gleichmäßige Schmerzlinderung über längere Zeit ermöglicht. Zu mittelstarken Wirkstoffen zählen Tilidin oder Tramadol. Stärker wirkende Opioide sind etwa Hydromorphon oder Levomethadon. Bei längerer Anwendung von Opioiden kann es zu einem Gewöhnungseffekt kommen. Daher wird der Arzt sorgfältig abwägen, ob sein Patient Opiode einnehmen sollte.
- pflanzliche Arzneimittel: Ergänzend zu anderen Therapiemaßnahmen haben sich bei entzündungsbedingen Schmerzzuständen manche pflanzliche Präparate bewährt. Hierzu gehören Extrakte aus Brennnesseln, Weidenrinde oder aus der Wurzel der Teufelskralle. Pflanzliche Präparate wirken nicht sofort, vielmehr baut sich ihre Wirkung nach und nach auf.
- Pflaster mit Wirkstoffen wie Capsaicin und Lidocain: Lidocain ist ein lokales Betäubungsmittel, welches den Schmerz kurzfristig ausschaltet, beispielsweise bei Nervenschmerzen im Rahmen einer Gürtelrose. Capsaicin ist ein Scharfstoff, der in Chili-Schoten enthalten ist und als Pflaster aufgetragen gegen Nervenschmerzen helfen kann. Capsaicin reizt freie Nervenenden (Nozizeptoren), was sich zunächst in Form eines brennenden Schmerzes bemerkbar macht – langfristig wird die Erregbarkeit der Nervenenden jedoch herabsetzt, sodass Schmerzen reduziert werden.
- krampflösende Medikamente (Antikonvulsiva): Antikonvulsiva wie Gabapentin und Pregabalin, die ursprünglich zur Therapie von Epilepsie entwickelt wurden, können bei bestimmten Schmerzzustände von Nutzen sein, insbesondere bei Nervenschmerzen.
In der Schmerztherapie finden manchmal bestimmte Antidepressiva Anwendung. Antidepressiva sind eigentlich zur Behandlung von Depressionen gedacht, in der Schmerzmedizin macht man sich ihrer Wirkung auf die Schmerzverarbeitung im Körper zunutze. In geringen Dosen blockieren antidepressive Wirkstoffe wie Amitriptylin unter anderem die Weiterleitung von Schmerzreizen.
Cannabis auf Rezept
Seit März 2017 können schwerkranke Schmerzpatienten Cannabis auf Rezept in der Apotheke bekommen – in Form von Tropfen, Tabletten, Öl oder Wachs. Voraussetzung ist, dass andere Medikamente nicht ausreichend geholfen haben. Zudem muss der Arzt der Meinung sein, dass Cannabis aller Voraussicht nach die Schmerzen erfolgreich lindern wird.
Nebenwirkungen beachten
Schmerzlindernde Medikamente können verschiedene Nebenwirkungen zur Folge haben. Opiode führen zum Beispiel häufig zu Magen-Darm-Problemen wie Verstopfung. NSAR können insbesondere bei längerem Gebrauch schwere Nebenwirkungen wie Entzündungen oder Blutungen im Magen-Darm-Bereich auslösen. Wichtig ist, unerwünschte oder unerwartete Wirkungen mit dem Arzt zu besprechen und Schmerzmittel nicht über einen längeren Zeitraum hinweg eigenmächtig einzunehmen oder abrupt abzusetzen – Ihr Arzt kann gegebenenfalls nach verträglicheren Alternativen suchen.
Vorsicht bei der Selbstmedikation
Rezeptfreie Medikamente wie Kopfschmerztabletten sollten Sie ohne ärztlichen Rat nicht länger als zwei Wochen einnehmen. Bei starken Schmerzen gilt: Suchen Sie umgehend Ihren Arzt auf und versuchen Sie nicht, die Schmerzen auf eigene Faust zu betäuben.
Schmerz lindern durch Injektionen
Schmerzhafte Bereiche lassen sich mithilfe von Lokalanästhetika wie Lidocain kurzzeitig betäuben – etwa bei akuten Rückenschmerzen. Der Arzt spritzt das Medikament zum Beispiel in einen besonders schmerzhaften, verspannten Punkt (sog. Triggerpunkt).
Zudem ist es möglich, Schmerzimpulse gezielt zu durchbrechen, indem Betäubungsmittel oder entzündungshemmende Kortisonpräparate in die Nähe von übererregten Nervenfasern injiziert werden.
Bei starken Schmerzen: Schmerzmittelpumpe
Für Personen, die unter sehr starken Schmerzen leiden und bei denen herkömmliche Tabletten nicht ausreichen, kommt unter Umständen eine Schmerzmittelpumpe in Betracht, die kontinuierlich eine bestimmte Schmerzmittel-Dosis abgibt.
Der Arzt implantiert die Pumpe unterhalb des Rippenbogens. Das Schmerzmittel gelangt über einen dünnen Schlauch in einen Katheter, der sich im sogenannten Epiduralraum befindet. Der Epiduralraum ist ein kleiner Spalt, der sich im Bereich des Rückenmarks zwischen der Knochenhaut der Wirbelkörper und der Hirnhaut befindet.
Psychotherapie als Bestandteil der Schmerztherapie
Eine umfassende Schmerztherapie kann auch psychologische Elemente beinhalten. Gerade wenn Schmerzen sich verselbständigt haben und chronisch geworden sind, können entsprechende psychologische Angebote dem Patienten eine Stütze sein. Zudem nimmt die Psyche ein Stück weit Einfluss darauf, wie stark wir einen Schmerz empfinden. In manchen Fällen hat ein Schmerz sogar eine rein psychische Ursache.
Schmerzen beeinflussen die psychische Verfassung – und umgekehrt kann die Psyche Schmerzen verstärken oder aufrechterhalten. Daher kann psychologische Unterstützung einen wertvollen Baustein der Schmerztherapie darstellen.
Wenn chronische Schmerzen so belastend sind, dass das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt ist, kann man eine Psychotherapie in Erwägung ziehen. Psychotherapie ist nicht gleich Psychotherapie. Zum einen muss man unterscheiden zwischen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten:
- Ein ärztlicher Psychotherapeut ist ein Mediziner mit einer Weiterbildung zum Psychotherapeuten. Er darf in seiner Eigenschaft als Arzt Medikamente verschreiben, z.B. Antidepressiva.
- Ein psychologischer Psychotherapeut ist dagegen ein Psychologe, der sich entsprechend weitergebildet hat. Er darf keine ärztlichen Leistungen erbringen und keine Medikamente verabreichen.
Einige Psychotherapeuten haben eine zusätzliche Weiterbildung zum Schmerzpsychotherapeuten absolviert. Sie haben sich auf die psychologische Unterstützung von Schmerzpatienten spezialisiert.
Zum anderen gibt es unterschiedliche Therapierichtungen: Die gesetzlichen Kassen übernehmen die Kosten für
- Verhaltenstherapie,
- Psychoanalyse und die
- tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.
Im Rahmen von kostenlosen Probesitzungen haben Sie die Möglichkeit, sich mit der jeweiligen Therapiemethode vertraut zu machen und Ihren Therapeuten kennenzulernen. Wenn Sie merken, dass "die Chemie nicht stimmt", können Sie nach spätestens fünf Sitzungen den Therapieplatz wechseln.
Kognitive Verhaltenstherapie
Bei der psychotherapeutischen Behandlung chronischer Schmerzzustände ist insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie beliebt. Anhänger der Verhaltenstherapie gehen davon aus, dass sich die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen eines Menschen gegenseitig beeinflussen – und Schmerzen verstärken oder mindern können. Einige Beispiele:
- Eine Person, die sich sehr gestresst fühlt, spannt unter Umständen unbewusst bestimmte Körperpartien an – etwa die Kiefermuskeln. Dies kann bestehende Schmerzen weiter verstärken. Hormonelle Ausschüttungen, die bei starkem Stress entstehen, können die Schmerzanfälligkeit erhöhen. Umgekehrt kann sich eine entspannte innere Haltung positiv auswirken.
- Wenn eine Person aus Angst vor weiteren Rückenschmerzen eine Schonhaltung einnimmt und alle körperlichen Aktivitäten meidet, kann dies die Schmerzen unter Umständen verschlimmern.
- Menschen, die sich keine Pause gönnen und unbedingt "durchhalten" wollen, riskieren, dass sich ein bestehender Schmerz manifestiert.
Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen können Schmerzen positiv und negativ beeinflussen.
In der kognitiven Verhaltenstherapie geht es darum, ungünstige Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und diese in kleinen Schritten gezielt zu verändern, um den Schmerzverstärker auszuschalten. Zu erkennen, dass man dem Schmerz nicht passiv ausgeliefert ist, bringt vielen Patienten schon ein Stück weit Erleichterung – ebenso wie sich darauf zu besinnen, die Aufmerksamkeit wieder auf positive Dinge zu lenken. In kleinen Rollenspielen kann das Erlernte geübt werden.
Die Verhaltenstherapie gilt bei chronischen Schmerzen als besonders erfolgversprechend. Aber: Welche Psychotherapie die beste ist, kommt auf den Einzelfall an. Für manche Personen sind andere Therapien besser geeignet, beispielsweise eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie.
Psychoanalyse und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Anhänger der Psychoanalyse beziehungsweise der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie gehen davon aus, dass unbewusste Konflikte, die oft in der Kindheit entstanden sind, mit aktuellen psychischen oder körperlichen Problemen in Verbindung stehen.
Bei einer chronischen Schmerzsymptomatik könnte es beispielsweise wichtig sein, ob bestimmte Ereignisse in der Vergangenheit zu Mustern geführt haben, die die Beschwerden begünstigt haben.
In der Psychoanalyse will man durch freie Gespräche und Assoziationen dem – meist unbewussten – zugrunde liegenden Konflikt auf die Spur kommen und diesen bearbeiten. Die Therapie nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und kann einige Jahre dauern. Die kürzer andauernde tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie lehnt an die Auffassungen der Psychoanalyse an, jedoch steht die aktuelle Problematik mehr im Vordergrund.
Wie wirken Entspannung und Biofeedback?
Im Rahmen einer psychologischen Schmerztherapie muss es nicht immer gleich eine Psychotherapie sein. Manchmal hilft es schon, bestimmte Techniken zu erlernen, um mit dem Schmerz besser umzugehen. Diese Techniken können Teil einer Therapie sein, sie können aber auch einzeln zum Einsatz kommen.
Progressive Muskelentspannung
Wer unter Stress steht, spannt seine Muskeln an – wer dagegen mental abschalten kann, der entspannt zugleich seine Muskeln. Diese Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche macht sich die progressive Muskelentspannung nach Jacobson zunutze. Der Anwender spannt dabei einzelne Muskelgruppen für einige Sekunden an, um diese danach wieder bewusst loszulassen. So lernt er, sich in Stresssituationen gezielt zu entspannen. Die Progressive Muskelentspannung ist relativ leicht zu erlernen: Nach einigen Wochen intensiven Trainings ist es meist möglich, Stress "auf Kommando" abzubauen, indem die Muskeln einfach entspannt werden.
Autogenes Training
Diese Art Selbsthypnose ist eine Methode zur Selbstentspannung und Selbstwahrnehmung. Mithilfe von Autosuggestion ("Meine Hand wird ganz schwer", "Ich bin ganz ruhig") versucht man, körperliche Prozesse wie Atmung oder Herzschlag zu beeinflussen. Damit das autogene Training einen Effekt hat, bedarf es einiger Übung. Es empfiehlt sich, die Übungen zunächst unter Anleitung durchzuführen.
Imaginative Verfahren
Mithilfe von Vorstellungen (sog. Imaginationen) kann man die Schmerzwahrnehmung beeinflussen. Mit Imaginationen können beruhigende Bilder gemeint sein, aber auch Musik, Berührungen, Gerüche oder ein Geschmack. So stellt sich der Patient zum Beispiel vor, an einem Ort zu sein, in dem er absolute Ruhe und Geborgenheit empfindet. Dies kann ein bekannter oder ein fiktiver Ort sein. Auch ist es möglich, sich den Schmerz bildlich vorzustellen und dieses Bild zu verändern, um so auf die Schmerzintensität einzuwirken. So kann man den Schmerz etwa in Gedanken kleiner werden lassen.
Hypnose
Hypnose gilt als wirksames Verfahren zur Behandlung von akuten und chronischen Schmerzen. Der Hypnotiseur versetzt seinen Patienten in Trance. In diesem Zustand der tiefen Entspannung kann das Gehirn Informationen besonders gut verarbeiten. Durch innere Bilder, die während dieses Zustands suggeriert werden, kann man den Schmerz beeinflussen. So kann sich der Patient etwa vorstellen, dass seine Bauchschmerzen einen großen Stein darstellen, der immer mehr zusammenschrumpft, sodass der Schmerz abnimmt. Durch Hypnose kann zudem erreicht werden, dass der Anwender sich von seinem Schmerz besser distanzieren kann, indem er ihn als Beobachter wahrnimmt.
Biofeedback
Eine weitere Technik, die im Rahmen einer Schmerztherapie Anwendung finden kann, ist das Biofeedback. Manchmal ist Biofeedback Teil einer Verhaltenstherapie. Ist dies nicht der Fall, muss der Patient die Kosten zum Teil selbst tragen.
Schmerzen können durch körperliche Erregung verstärkt oder ausgelöst werden – etwa, wenn eine Person unter Stress steht. Sinkt das Erregungsniveau, kann dies folglich den Schmerz lindern. Durch Biofeedback sollen körperliche Prozesse wie Herzschlag, Atemfrequenz oder Hautwiderstand bewusst gemacht werden.
Dafür schließt der Arzt Elektroden an den Körper an. Die gemessenen Daten werden dem Patienten über einen Bildschirm oder durch akustische Signale unmittelbar seh- oder hörbar gemacht. So kann die Person lernen, körperliche Anspannung besser wahrzunehmen und zu beeinflussen.
Ein Beispiel: Bei Rückenschmerzen kann die Anspannung bestimmter Muskeln am Bildschirm dargestellt werden. Stärkere Schmerzen gehen häufig mit stärkerer Verspannung einher. Der Patient kann nun üben, die Muskeln durch beruhigende Vorstellungen oder durch eine Entspannungsmethode gezielt zu entspannen.
Biofeedback kann als effektives Pendant zu einer medikamentösen Therapie angesehen werden. Allerdings bedarf es einiger Wochen des Trainings, bis Erfolge zu verzeichnen sind. Im Durchschnitt sind 20 bis 40 Sitzungen nötig. Um das Erlernte zu festigen, empfiehlt es sich, das Biofeedback hin und wieder in einer Sitzung aufzufrischen.
Den Schmerz annehmen: Achtsamkeit üben
Achtsamkeitsübungen wie das MBSR haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, auch im Hinblick auf die Schmerztherapie. Durch Achtsamkeitstechniken sollen die Patienten – vereinfach gesagt – lernen, den Schmerz im gegenwärtigen Moment achtsam und wertfrei anzunehmen und sich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Physiotherapeutische Anwendungen
In der Schmerzmedizin können physiotherapeutische Elemente hilfreich sein, um Verspannungen zu lösen, schonende Bewegungsläufe zu trainieren, Fehlhaltungen zu erkennen oder um eine schwache Muskulatur zu kräftigen.
Im Rahmen der Schmerztherapie können folgende physiotherapeutische Anwendungen sinnvoll sein:
- Bewegungstherapie („Krankengymnastik“), etwa für Kräftigungsübungen oder um eine Fehlhaltung zu korrigieren
- Massagen, um Muskeln und Bindegewebe zu lockern
- Wärmetherapie, um Muskeln verstärkt zu durchbluten und zu lockern
- Reizstrom / Elektrotherapie, um die Durchblutung anzuregen; ein Beispiel ist die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Elektroden auf der Haut geben elektrische Stromimpulse ab (Wechselstrom) – der Patient nimmt ein leichtes Kribbeln wahr.
- manuelle Therapie, bei der Schmerzen und Bewegungseinschränkungen mit der Hand untersucht und behandelt werden
Elektrotherapie: Mit Strom gegen den Schmerz
Die Elektrotherapie versucht, mithilfe von Stromwellen auf den Schmerz Einfluss zu nehmen. Durch Stromreize auf der Haut verändert sich der Zustand der Nervenzellen. So lässt sich beispielsweise die Muskelspannung oder die Durchblutung beeinflussen. Je nachdem, welche Wirkung gewünscht wird, werden unterschiedliche elektrische Frequenzen und Stromstärken verwendet.
Neurochirurgische Eingriffe und Rückenmarkstimulation
Bei Schmerzen, die durch einen eingeklemmten Nerv entstanden sind, kann in manchen Fällen ein Neurochirurg helfen, zum Beispiel bei
- einem Bandscheibenvorfall,
- Trigeminusneuralgie, bei der bestimmte Gesichtsnerven zu Schmerzen führen,
- Karpaltunnel-Syndrom, bei dem ein Nerv im Handgelenk eingeengt ist oder bei
- Metastasen (Tochtergeschwulste im Rahmen einer Krebserkrankung), die auf Nerven drücken.
Der Neurochirurg kann Nerven, die gequetscht werden – etwa bei einem akuten Bandscheibenvorfall – entlasten beziehungsweise freilegen, sodass die Schmerzen nachlassen oder deutlich gelindert werden. Auch ist es möglich, Nerven zu veröden oder zu durchtrennen. Allerdings kommt diese Möglichkeit nur selten in Betracht, denn auf lange Sicht kann dies die Beschwerden sogar noch verschlimmern.
Rückenmarkstimulation
Bei der Rückenmarkstimulation (SCS = Spinal Cord Stimulation) sorgen elektrische Reize dafür, dass Schmerzimpulse im Rückenmark gehemmt und nicht weitergeleitet werden. Diese Methode kann zum Beispiel nach Operationen am Rücken zum Einsatz kommen, wenn keine Besserung erzielt werden konnte. Der Arzt implantiert einen "Nervenschrittmacher" unter einem Rippenbogen, der elektrische Reize aussendet. Die Stärke des Reizes kann individuell eingestellt werden.
Akupunktur & Co.: Was können alternative Verfahren?
Ergänzend zu anderen Methoden der Schmerztherapie können alternative Heilverfahren einen Beitrag zu mehr Lebensqualität leisten. Die Wirksamkeit einiger dieser Verfahren ist wissenschaftlich belegt, sodass die Krankenkassen teilweise die Leistungen übernehmen. Dies gilt für die manuelle Therapie oder für die Akupunktur. Bei anderen Methoden fehlen entsprechende Nachweise – dennoch können sie vom Patienten als wohltuend empfunden werden.
Anwendung finden Verfahren wie
- Akupunktur,
- Akupressur,
- Osteopathie,
- Qigong, Tai-Chi, Yoga,
- Hydrotherapie (Behandlung mit Wasser) oder
- manuelle Therapie oder
- Atemtherapie.
Akupunktur: Mit Nadeln gegen den Schmerz
Auch wenn die genaue Wirkungsweise noch nicht abschließend geklärt ist: Akupunktur kann in bestimmten Fällen genauso gut gegen Schmerzen helfen wie die Schulmedizin. Der Akupunkteur platziert kleine Nadeln in bestimmten Hautbereichen, die dort für mehrere Minuten verbleiben. Unter anderem führen die Nadeln dazu, dass das Gehirn schmerzlindernde Hormone freisetzt. Durch die Nadeln sollen Blockaden gelöst werden und der Energiefluss (Qi) wieder ungestört sein. Kopfschmerzen, Migräne, Rücken- und Gelenkschmerzen, Bandscheibenvorfälle, Fibromyalgie, Arthrose oder Tumorschmerzen sind nur einige von vielen Anwendungsbereichen.
Sport & Bewegung: Selbst aktiv werden!
Die Möglichkeiten der Schmerztherapie können nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn der Patient aktiv dabei mithilft.
Schmerzen verleiten oft zu einer Schonhaltung; dies ist aber nicht in jedem Fall empfehlenswert. Manchmal kann eine Schonhaltung die Beschwerden weiter verschlimmern.
Bewegung in den Alltag integrieren
Regelmäßige Bewegung im Alltag ist zwar nicht immer, aber doch in vielen Fällen ein wichtiger Bestandteil der Schmerztherapie. Insbesondere bei chronischen Schmerzen haben Studien belegt, dass sich Bewegung insgesamt positiv auswirkt. Wichtig ist dabei jedoch, dass die körperliche Aktivität an die individuelle Situation angepasst wird – am besten in Absprache mit dem behandelnden Arzt.
Bevor Sie Ihr Bewegungsprogramm starten: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, welche Sportarten und welches Pensum für Sie geeignet sind!
Wer sich zwei- bis dreimal pro Woche körperlich betätigt, kann oft schon eine Menge gegen den Schmerz tun. Dauer und Intensität des Trainings können nach und nach vorsichtig gesteigert werden.
Welche Sportarten sind geeignet?
Generell gelten „sanfte Sportarten“ bei chronischen Schmerzen als gut geeignet:
- Schwimmen
- Wassergymnastik, Aqua-Jogging
- Walking, Wandern
- Radfahren
- Yoga, Qigong, Tai-Chi
Weniger geeignet sind Sportarten wie Squash oder Alpin-Ski – vor allem, wenn Rücken oder Gelenke von den Schmerzen betroffen sind.
Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach: Bestimmte Sportkurse werden von den gesetzlichen Kassen bezahlt.
Eine positive Einstellung kann helfen
Nicht nur regelmäßige Bewegung, auch eine positive Einstellung kann dazu beitragen, den Schmerz zu bewältigen:
- Wer positiv denkt, kann aktiv dabei beitragen, mit Schmerzen besser umzugehen.
- Stress und Anspannung können Schmerzen verschlimmern. Versuchen Sie, eine Balance zwischen An- und Entspannung zu finden – möglich wäre, eine Entspannungsmethode zu erlernen.
- Bleiben Sie in Kontakt mit anderen Menschen, anstatt sich zurückzuziehen. So legen Sie den Fokus nicht auf den Schmerz, sondern auf andere (positive) Dinge!