Künstliches Koma: Wie hoch ist die Überlebenschance?
Ein künstliches Koma soll den Körper bei bestimmten Erkrankungen, nach Unfällen oder schweren Operationen entlasten und den Heilungsprozess unterstützen. Wann ein künstliches Koma sinnvoll ist, welche Probleme und Folgeschäden möglich sind und wovon die Überlebenschancen abhängen, erfahren Sie hier.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum künstlichen Koma
Weil der Körper durch Medikamente, Beatmung und lange Bettruhe stark belastet ist. Beim Aufwachen sind daher Verwirrtheit, Muskelschwäche, Atem- oder Schluckprobleme sowie psychische Folgen wie Albträume möglich.
Die Chancen hängen weniger vom künstlichen Koma selbst ab, sondern vielmehr von der zugrunde liegenden Erkrankung und dem allgemeinen Gesundheitszustand.
Das künstliche Koma selbst schädigt das Gehirn in der Regel nicht. Nervenzellen können jedoch durch die zugrunde liegende Erkrankung, Sauerstoffmangel oder Durchblutungsstörungen absterben.
Verstirbt jemand während der Langzeitnarkose, liegt das meist an der Grunderkrankung oder Komplikationen wie Organversagen, Infektionen oder Kreislaufproblemen. Das künstliche Koma selbst führt nicht zum Tod.
Was ist ein künstliches Koma?
Der Begriff "künstliches Koma" ist medizinisch gesehen nicht korrekt: Eigentlich handelt es sich dabei um eine kontrollierte Langzeitnarkose, bei der Patient*innen mithilfe von Medikamenten gezielt in eine Art Tiefschlaf versetzt werden. Das soll die Betroffenen vor äußeren Stressfaktoren und Schmerzen bewahren, damit sie sich nach einem Unfall oder einer Operation besser erholen können.
Die Langzeitnarkose dient also vor allem der Entlastung des Körpers und fördert so den Heilungsprozess. In manchen Fällen wird der Körper zusätzlich auf etwa 32 bis 34 Grad Celsius heruntergekühlt. Dies verlangsamt den Stoffwechsel und trägt ebenfalls zur Stabilisierung bei.
Wie wird man in ein künstliches Koma versetzt?
Um ein künstliches Koma einzuleiten, wird eine Kombination aus Narkose- und Schmerzmitteln verwendet. Diese werden über einen venösen Zugang kontinuierlich in den Blutkreislauf gegeben. Die Dosierung der Medikamente richtet sich nach dem individuellen Zustand und bestimmt, ob die Sedierung eher flach oder tief ausfällt. Grundsätzlich versuchen Fachleute, das künstliche Koma so leicht wie möglich zu halten, um das spätere Aufwachen zu erleichtern.
Während der Langzeitsedierung liegt die betroffene Person auf der Intensivstation und wird kontinuierlich überwacht. Organe wie Herz und Leber arbeiten in der Regel selbstständig weiter. Die Atmung erfolgt meist über ein Beatmungsgerät, die Versorgung mit Nährstoffen über eine Magensonde oder direkt über die Blutbahn.
Wann ist ein künstliches Koma nötig?
Das künstliche Koma ist eine wichtige Maßnahme, um den Körper zu entlasten und lebenswichtige Therapien wie künstliche Beatmung zu ermöglichen.
Es kann in vielen Fällen zum Einsatz kommen – etwa bei:
- schweren Verletzungen nach einem Unfall
- nach schweren Operationen
- bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung, etwa akutem Lungenversagen (ARDS)
Stürze – etwa beim Skifahren – führen beispielsweise häufig zu schweren Kopfverletzungen wie einem Schädel-Hirn-Trauma. Dabei steigt der Druck im Inneren des Schädels, wodurch Blutgefäße und Nervenzellen abgeklemmt werden können. Durch ein künstliches Koma werden die Gehirnaktivität sowie der Sauerstoff- und Nährstoffbedarf im Gehirn gezielt heruntergefahren. So sinkt der Hirndruck, das Gehirn wird entlastet und hat bessere Chancen, sich von der Verletzung zu erholen.
Langzeitsedierung nach Herzinfarkt und bei künstlicher Beatmung
Auch nach einem Herzinfarkt (Myokardinfarkt) kann es nötig sein, die betroffene Person in ein künstliches Koma zu versetzen. Beim Infarkt verstopft eines der Herzkranzgefäße, wodurch ein Teil des Herzmuskelgewebes abstirbt. Im künstlichen Koma kann sich das geschwächte Herz nach der Operation besser erholen.
Darüber hinaus versetzen Fachleute Patient*innen häufig in ein künstliches Koma, wenn diese künstlich beatmet werden müssen – zum Beispiel bei:
- Störungen der Lungenfunktion (z. B. bei Lungenentzündungen, einer Lungenembolie oder einem Lungenödem)
- mehreren Rippenbrüchen
- einer Blutvergiftung (Sepsis)
Bei einer künstlichen Beatmung liegt ein Schlauch (Tubus) in der Luftröhre, über den die Luft in die Lungen gepumpt und wieder abgezogen wird. Im Wachzustand wäre dieser Beatmungsschlauch sehr unangenehm – die betroffene Person würde husten und sich dagegen wehren.
Wie lange dauert das künstliche Koma?
Wie lange jemand im künstlichen Koma liegen muss, ist unterschiedlich – die Dauer hängt vor allem von der Grunderkrankung beziehungsweise der Schwere der Verletzungen ab und davon, wie schnell der Körper sich erholt. Wenige Tage, mehrere Wochen, aber auch Monate sind möglich.
Theoretisch könnte das künstliche Koma sogar mehrere Jahre aufrechterhalten werden. Generell gilt jedoch: Je länger jemand im künstlichen Koma liegt, desto höher ist das Risiko für Komplikationen wie zum Beispiel eine Lungenentzündung. Die Langzeitnarkose erfolgt daher so flach und so kurz wie möglich, aber so tief und so lang wie nötig.
Aufwachphase nach dem künstlichen Koma
Hat sich die Grunderkrankung gebessert und der Kreislauf stabilisiert, kann die Sedierung langsam aufgehoben werden. Dazu wird die Dosierung der Narkosemittel vorsichtig reduziert, um den Körper nicht zu überfordern.
Dieses schrittweise Absetzen der Medikamente nennt sich auch Ausschleichen. Dabei wird der Gesundheitszustand der Patient*innen kontinuierlich überwacht – insbesondere der Hirndruck. Die Dosierung kann gegebenenfalls angepasst werden. Wird die Narkose zu schnell ausgeschlichen, können Entzugserscheinungen wie Verwirrtheit auftreten.
Wie lange dauert die Aufwachphase?
Die Aufwachphase nach einem künstlichen Koma kann einige Tage, aber auch mehrere Wochen andauern – je nach:
- Dauer des künstlichen Komas
- Alter der betroffenen Person
- allgemeinem Gesundheitszustand
- Abbau der Medikamente im Körper
Die künstliche Beatmung bleibt in der Aufwachphase meist noch eine Weile bestehen. Der Grund: Die Atemmuskulatur hat sich je nach Dauer des künstlichen Komas unter Umständen zurückgebildet und kann womöglich zunächst nicht selbständig arbeiten.
Betroffene müssen Schritt für Schritt von dem Beatmungsgerät entwöhnt werden und ihre Atemmuskulatur trainieren – Fachleute bezeichnen diese Phase als "Weaning" (engl. to wean = entwöhnen). Wie lange diese Entwöhnung dauert, ist unterschiedlich – unter Umständen vergehen mehrere Monate, bis die Betroffenen wieder selbstständig atmen können.
Künstliches Koma: Probleme beim Aufwachen und Folgeschäden
Vor allem bei älteren Menschen, die längere Zeit im künstlichen Koma lagen, kann die Aufwachphase zu Problemen führen. Einige Betroffene leiden zum Beispiel unter:
- Verwirrtheit (Delir)
- Angststörungen
- Schlafstörungen
- Schmerzen
- Halluzinationen oder Wahnvorstellungen
- selten: Krampfanfällen im Gehirn
Nach einer tiefen Sedierung können zudem neurologische, psychische und muskuläre Folgen auftreten, weshalb frühe Mobilisation und Reha wichtig sind.
Delir: Häufige Komplikation nach künstlichem Koma
Das Delir ist eine sehr häufige Folge von Langzeitsedierungen. Die Bewusstseinsstörung geht mit Symptomen einher, wie:
- Desorientierung
- Gedächtnisproblemen
- Halluzinationen
- Unruhe
- Sprach- und Denkstörungen
Das Risiko für ein Delir steigt mit:
- höherem Alter der betroffenen Person
- längerer Dauer des künstlichen Komas
- vorliegender Demenz
- Stoffwechselstörungen
Für den Körper bedeutet ein Delir enormen Stress. Um zu verhindern, dass der Blutdruck der Person schnell steigt oder sie sich durch unkontrolliertes Entfernen von Kathetern und Drainagen selbst gefährdet, können in der Aufwachphase Schmerz- und Beruhigungsmittel zum Einsatz kommen.
Künstliches Koma: Einem Delir vorbeugen
Um dieser Komplikation vorzubeugen, ist es wichtig, den Tag-Nacht-Rhythmus wiederherzustellen. Zum Beispiel durch den Einsatz von:
- Tageslicht
- Uhren
- Jalousien
- ggf. Schlafmasken und Ohrstöpseln
Angehörige können zur Reorientierung beitragen, indem sie vertraute Gerüche, Musik, alte Fotos oder bekannte Gegenstände mitbringen. Berührungen und vertraute Stimmen wirken sich ebenfalls positiv auf die Aufwachphase aus.
Künstliches Koma: Wie hoch sind die Überlebenschancen?
Ein künstliches Koma kann die Chancen auf Genesung erhöhen – ausschlaggebend bleibt aber immer die zugrunde liegende Erkrankung. Es kann daher passieren, dass jemand aus einem künstlichen Koma nicht wieder aufwacht. Das liegt dann allerdings nicht an der Sedierung.
Wie hoch die Überlebenschancen sind, hängt stark von verschiedenen Faktoren ab, darunter:
- Alter
- Vorerkrankungen
- Schwere der Grunderkrankung bzw. Verletzung
- Dauer der Intensivbehandlung
Statistisch gesehen sind die Aussichten besser, wenn die Sedierung möglichst kurz und so flach wie möglich gehalten wird.