Nahaufnahme eines verletzten Knies mit großflächigem blauen Bluterguss.
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Hämophilie: Symptome und Behandlung der Bluterkrankheit

Von: Julia Heidorn (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 06.06.2025

Schon kleine Verletzungen können für Menschen mit Hämophilie gefährlich sein. Die sogenannte Bluterkrankheit führt dazu, dass das Blut nur sehr langsam oder gar nicht gerinnt. Welche Symptome können sich zeigen und wie sieht die Behandlung aus?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufig gestellte Fragen und Antworten zu Hämophilie

Bei Hämophilie fehlt ein Gerinnungsfaktor, der notwendig ist, um Blutungen zu stoppen. So können auch bei kleinen Verletzungen oder sogar ohne Anlass starke Blutungen auftreten. Wie stark die Beschwerden sind, hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab.

Was ist Hämophilie (Bluterkrankheit)?

Als Hämophilie oder Bluterkrankheit wird eine Störung der Blutgerinnung bezeichnet. Dabei liegt durch genetische Veränderungen (Mutation) ein Mangel an bestimmten Gerinnungsfaktoren vor, die normalerweise helfen, Blutungen zu stoppen. Fehlen diese Stoffe, kann es zu ungewöhnlich starken oder spontanen Blutungen kommen. 

In den meisten Fällen ist Hämophilie erblich bedingt. Die Erkrankung tritt bei etwa 1 von 10.000 Menschen auf und wird in verschiedene Formen unterschieden. 

Welche Symptome treten bei Hämophilie auf?

Betroffene mit Hämophilie haben häufig eine ungewöhnlich starke Blutungsneigung. Oft kommt es zu starken, langanhaltenden Blutungen oder Spontanblutungen. Weitere Symptome können sein:

  • spontane Blutungen ohne äußeren Anlass
  • große blaue Flecken (Hämatome) oder Blutergüsse unter der Haut
  • erneut einsetzende Blutungen, obwohl die Wunde bereits gestillt war
  • verstärkte Nabelschnurblutung beim Säugling
  • häufiges Nasenbluten oder verlängerte Blutungen nach Impfungen (im Kindesalter)
  • Bewegungseinschränkungen

Wie stark sind die Symptome bei Hämophilie ausgeprägt?

Wie stark bei der Bluterkrankheit die Symptome ausgeprägt sind, hängt von der vorliegenden Form und dem Schweregrad ab. Die Blutungsneigung kann zudem im Verlauf des Lebens mal stärker und mal schwächer sein. Manche Betroffene haben außerdem nur bei Verletzungen Probleme, während andere auch ohne erkennbare Ursache (spontan) bluten können. 

Betroffene Kinder können bereits im Säuglingsalter Symptome wie eine verstärkte Nabelschnurblutung zeigen. Im Kindesalter sind die Beschwerden zumeist stärker als bei Erwachsenen. Der eigentliche Schweregrad der Hämophilie bleibt jedoch ein Leben lang bestehen.

Komplikationen bei schwerer Hämophilie

Mitunter kann es nach leichten Verletzungen zu einem Kompartmentsyndrom kommen, einer Flüssigkeitsansammlung im Muskelgewebe. Im schlimmsten Fall kann dies zum Absterben des betroffenen Muskels führen.

Bei schweren Verlaufsformen können auch Einblutungen in die Gelenke auftreten, insbesondere wenn Betroffene sich viel bewegen. Dies kann Entzündungen hervorrufen, die langfristig Gelenkschäden, Bewegungseinschränkungen und Fehlstellungen verursachen.

Blutungen an den inneren Organen führen mitunter zu schweren Organschäden führen, wie beispielsweise Nierenversagen. Besonders gefährlich sind Blutungen im Mund- und Rachenraum, da sie die Atemwege blockieren können. Hirnblutungen gehören zu den häufigsten Todesursachen bei schwerer Hämophilie.

Hämophilie A und B: Formen der Bluterkrankheit

Die beiden häufigsten Formen sind Hämophilie A und B – sie zählen zu den sogenannten X-chromosomal vererbten Varianten der Erkrankung. Beide werden meist von der Mutter auf den Sohn vererbt, weil das dafür verantwortliche Gen auf dem X-Chromosom liegt – also einem der beiden Geschlechtschromosomen. Deshalb sind vor allem Jungen oder Männer betroffen. 

Autosomale Hämophilien

Liegt die Veränderung nicht auf einem Geschlechtschromosom, spricht man von sogenannten autosomalen Hämophilien. Diese Formen sind sehr selten. Dazu zählen unter anderem:

  • Stuart-Prower-Defekt (Faktor-X-Mangel)
  • Hypoproakzelerinämie (Faktor-V-Mangel)
  • Hypoprokonvertinämie (Faktor-VII-Mangel)
  • Von-Willebrand-Syndrom (VWS)
  • PTA-Mangelsyndrom (Faktor-XI-Mangel, Hämophilie C)

Ursachen und Vererbung: Woher kommt Hämophilie?

Hämophilie ist in den meisten Fällen eine Erbkrankheit. Durch Veränderungen in bestimmten Genen fehlen wichtige Gerinnungsfaktoren, die der Körper benötigt, um Blutungen zu stoppen. Wie dieser Gendefekt weitergegeben wird, hängt von der Form der Hämophilie ab. Hämophilie A und B werden über das X-Chromosom vererbt, also über die Geschlechtschromosomen. Die Erbanlagen liegen dabei immer paarweise vor:

  • Biologisch weibliche Personen tragen zwei X-Chromosomen, jeweils eines von der Mutter und eines vom Vater. Ein gesundes X-Chromosom kann einen Defekt auf dem anderen meist ausgleichen. Daher können Frauen zwar ein defektes Gen tragen und an ihre Kinder weitergeben, erkranken in der Regel aber nicht selbst. Diese Frauen werden als Konduktorinnen bezeichnet. Jede dritte Überträgerin stellt jedoch eine leicht erhöhte Blutungsneigung fest, etwa bei der Monatsblutung.

  • Biologisch männliche Personen haben ein X- und ein Y-Chromosom. Liegt bei ihnen ein entsprechender Fehler auf dem X-Chromosom vor, tritt die Erkrankung auf.

In gut einem Drittel der Fälle wurde die Mutation nicht von einem Elternteil übertragen, sondern ist neu aufgetreten.

Sonderfall Hemmkörperhämophilie

Selten tritt Hämophilie erstmalig in späteren Lebensjahren auf. Dann sind sogenannte Hemmkörper dafür verantwortlich. Das sind Antikörper, mit denen das Immunsystem eigene Gerinnungsfaktoren angreift. Die Hemmkörperhämophilie ist daher eine Autoimmunerkrankung.

Sie kann ohne erkennbaren Grund auftreten, aber auch auf andere Erkrankungen zurückgehen, etwa Tumoren, Infektionen, eine Schwangerschaft oder die Einnahme bestimmter Medikamente. Zudem kann die Hemmkörperhämophilie infolge einer Behandlung gegen die Bluterkrankheit auftreten.

Diagnose: Wie stellt man Hämophilie fest?

Um Hämophilie zu diagnostizieren, sind zunächst eine körperliche Untersuchung und ein ärztliches Gespräch angezeigt. Da die Erkrankung zumeist im Kindesalter diagnostiziert wird, findet das Gespräch mit den Eltern statt. Eine wichtige Rolle spielt die Familienanamnese, also die Abklärung, ob bereits andere Familienmitglieder betroffen sind. 

Erhärtet sich der Verdacht, sind im weiteren Verlauf Bluttests notwendig, bei denen die Gerinnungsfähigkeit des Bluts sowie die Gerinnungsfaktoren untersucht werden. Gegebenenfalls können auch Gentests stattfinden, um eventuelle Mutationen festzustellen.

Welche Behandlung erfolgt bei Hämophilie?

Die Behandlung der Hämophilie richtet sich nach der Form und dem Schweregrad der Erkrankung. Wichtig ist, dass die Therapie in spezialisierten Zentren erfolgt – dort betreuen Fachleute verschiedener Disziplinen die Patient*innen gemeinsam und abgestimmt.

Im Notfall, etwa bei starken Blutungen nach einer Verletzung, kann die Gabe von Faktorpräparate über Plasmakonzentrate ("Blutkonserven") notwendig sein.

Bei mittelschwerer Hämophilie erhalten Betroffene häufig eine Bedarfsprophylaxe, zum Beispiel vor geplanten Operationen. Diese Maßnahme soll Blutungen gezielt verhindern.

Personen mit schwerer Hämophilie benötigen zusätzlich eine Dauerprophylaxe. Diese erfolgt im Rahmen einer Substitutionstherapie, bei der sogenannte Faktorkonzentrate über die Vene verabreicht werden. Sie ersetzen die im Blut fehlenden Gerinnungsfaktoren und helfen so, spontane Blutungen zu vermeiden.

Moderne Faktorkonzentrate gelten als sicher, da sie gründlich untersucht und auf bekannte Erreger getestet werden. Die Gefahr der Übertragung von Infektionskrankheiten ist dadurch deutlich gesunken. Dennoch wird empfohlen, sich frühzeitig gegen Hepatitis B impfen zu lassen, da ein Restrisiko besteht – etwa durch bislang unbekannte Erreger, auf die nicht routinemäßig getestet wird.

Wie sieht die Therapie bei Hemmkörperhämophilie aus?

Eine potenzielle Komplikation bei der Therapie mit Faktorkonzentraten ist die Hemmkörperhämophilie. Hier entwickelt der Organismus Antikörper gegen die verabreichten Gerinnungsfaktoren. Das Risiko ist bei Hämophilie A deutlich größer als bei Hämophilie B.

Tritt eine Hemmkörperhämophilie durch die Behandlung auf, können Kortison und Immunglobuline zum Einsatz kommen. Diese Medikamente beeinflussen die Aktivität des Immunsystems.

Zum Ausgleich können andere Gerinnungsfaktoren verabreicht werden als die von Betroffenen eigentlich benötigten. Im Notfall kann eine Plasmapherese („Blutwäsche“) erfolgen.

Der Wirkstoff Emicizumab übernimmt die Aufgabe Funktion des aktivierten Gerinnungsfaktors VIII und bleibt dabei wirksam, selbst wenn der Körper bereits Antikörper gegen den natürlichen Faktor VIII gebildet hat.

Bei Hämophilie A können zudem ADH-Analoga wie der Wirkstoff Desmopressin zum Einsatz kommen. Er führt dazu, dass der Körper mehr Gerinnungsfaktor VIII und Von-Willebrand-Faktor freisetzt, was Blutungen vorbeugen oder stoppen kann.

Welcher Krankheitsverlauf ist bei Hämophilie zu erwarten?

Der Krankheitsverlauf bei der Bluterkrankheit ist abhängig vom vorliegenden Schweregrad der Erkrankung

  • leicht: Hier liegt eine Restaktivität des betroffenen Gerinnungsfaktors zwischen 5 und 24 Prozent vor. Blutungen in Gelenken und in der Muskulatur treten nach schweren Verletzungen auf. Zudem kann es im Anschluss an operative Eingriffe zu Nachblutungen kommen.
  • mittel: Die Restaktivität liegt zwischen einem und vier Prozent. Blutungen können auch ohne Anlass auftreten.
  • schwer: Bei einer Restaktivität von weniger als einem Prozent können sich Blutungen ohne Anlass sowie in den Gelenken und der Muskulatur zeigen.

Betroffene sollten lebenslang in spezialisierten Zentren betreut werden. Sind durch Einblutungen zudem bereits Gelenkschäden entstanden, helfen physiotherapeutische Übungen. Dadurch können Bewegungseinschränken, die mitunter als Folge der Hämophilie auftreten können, oft vermieden werden.

Wie ist die Lebenserwartung mit Hämophilie?

Die Bluterkrankheit ist bisher nicht heilbar. Bei frühzeitiger Diagnose und entsprechender Behandlung können Menschen mit Hämophilie jedoch in vielen Fällen ein relativ normales Leben führen. Die Lebenserwartung ist bei einer angemessenen ärztlichen Betreuung nicht beeinträchtigt.

Wichtig ist der Umgang mit altersbedingten Erkrankungen wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Problemen. Die Behandlung muss immer auf die Hämophilie abgestimmt werden.  So gelten bestimmte Medikamente – etwa Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure oder klassische Blutverdünner – als ungeeignet, da sie das Blutungsrisiko erhöhen können. Auch Injektionen in die Muskulatur sollten vermieden und durch schonendere Alternativen wie Medikamente ersetzt werden.