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Chorea Huntington (Huntington-Krankheit)

Von: Onmeda-Redaktion, Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education)
Letzte Aktualisierung: 24.10.2022 - 11:34 Uhr

Charakteristische Symptome von Chorea Huntington (Huntington-Krankheit) sind unkontrollierte Bewegungen von Armen und Beinen, Gesicht, Hals und Rumpf. Aber auch psychische Beschwerden, Verhaltensauffälligkeiten und nachlassende geistige Fähigkeiten sind typisch.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Chorea Huntington: Überblick

Was ist Chorea Huntington?

Chorea Huntington (auch: Huntington-Krankheit) ist eine vererbbare Nervenkrankheit. Durch eine Genveränderung sterben Nervenzellen in bestimmten Hirnbereichen ab.

Hauptmerkmal der Huntington-Krankheit ist die sogenannte Chorea. Unter einer Chorea versteht man plötzliche, schnelle und unregelmäßige Bewegungen verschiedener Muskeln – typischerweise von

  • Armen und Beinen,
  • Gesicht,
  • Hals und
  • Rumpf.

Die Betroffenen können diese Bewegungen nicht willentlich steuern. So haben sie beispielsweise einen torkelnden Gang oder schneiden Grimassen.

Erblicher Veitstanz

Die Bezeichnung Chorea (griechisch: Choreia = Tanz) geht darauf zurück, dass die typischen unwillkürlichen Bewegungen, die bei Chorea Huntington auftreten, an einen Tanz erinnern können. Daher nannte man Chorea Huntington früher auch erblicher Veitstanz. Ursprünglich war mit Veitstanz jedoch nicht die Huntington-Krankheit gemeint, sondern die sogenannte Tanzwut. Die Tanzwut wurde im 14. und 15. Jahrhundert als ein Phänomen umschrieben, bei dem Menschengruppen so ausgedehnt und geradezu ekstatisch tanzten, dass sie in starke Erregungszustände gerieten. Die genauen Ursachen dieses Verhaltens sind unklar. Möglicherweise ist es durch Vergiftung des Mutterkornpilzes zustande gekommen, der in Getreide enthalten war.

Vorbeugen lässt sich Chorea Huntington nicht: Wer das für diese Erbkrankheit verantwortliche Erbmerkmal in sich trägt, entwickelt die Erkrankung früher oder später zwangsläufig.

Chorea Huntington: Symptome

Chorea Huntington (Huntington-Krankheit) kann sich durch unterschiedliche Symptome äußern. Je nachdem, wie weit der "erbliche Veitstanz" vorangeschritten ist, sind die Beschwerden unterschiedlich stark ausgeprägt.

In der Regel bricht die Huntington-Krankheit erst im Erwachsenenalter aus. Nur selten treten bereits vor dem 20. Lebensjahr Symptome auf.

Typische Symptome von Chorea Huntington sind vor allem:

  • körperliche Symptome wie z.B. unwillkürliche Bewegungen,
  • psychische Symptome und Verhaltensauffälligkeiten und
  • schwindende geistige Fähigkeiten.

Neurologische Symptome

Bei Chorea Huntington sterben in bestimmten Gehirnbereichen Nervenzellen ab, was zu verschiedenen neurologischen Symptomen führt.

Typisch für Chorea Huntington sind unkontrollierbare Bewegungen. Die Betroffenen haben zum Beispiel das Gefühl, Arme, Beine, Kopf oder Rumpf nicht stillhalten zu können. Diese Bewegungsunruhe nimmt immer weiter zu. Schließlich entstehen sogenannte choreatische Hyperkinesien: Darunter versteht man unwillkürliche Bewegungen verschiedener Muskeln – etwa, wenn die Erkrankten plötzlich die Zunge herausstrecken, ohne es zu wollen. Auch die Augenbewegungen können gestört sein.

Zunächst versuchen die Betroffenen meist, die Bewegungsstörungen zu verbergen beziehungsweise zu überspielen. Zum Beispiel streichen sie sich nach einer plötzlichen Beugebewegung des Arms über das Haar.

Im weiteren Verlauf von Chorea Huntington steigern sich die neurologischen Symptome so sehr, dass sie sich nicht mehr verbergen lassen: Die Betroffenen schneiden Grimassen oder schleudern Arme und Beine in die Höhe.

Je weiter die Krankheit voranschreitet, desto schwerwiegender die Symptome. Im fortgeschrittenen Stadium können Sprechen und Schlucken zunehmend schwerer fallen (Dysarthrophonie und Dysphagie). Auch kann es passieren, dass die Gliedmaßen minuten- bis stundenlang in einer schmerzhaften Fehlstellung verharren. Menschen mit fortgeschrittener Huntington-Krankheit oft nicht mehr in der Lage, durch Mimik, Gestik und Sprache zu reagieren (Mutismus). Die Beschwerden beim Schlucken und Atmen verstärken sich immer mehr und können zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Bei seelischer und körperlicher Belastung verstärken sich die neurologischen Symptome. Auch vor dem Einschlafen sind die Symptome besonders ausgeprägt, da die Muskelspannung bei Ermüdung erhöht ist. Während des Schlafs bleiben die unkontrollierten Bewegungen hingegen aus.

Psychische Beschwerden, Verhaltensauffälligkeiten und Demenz

Noch bevor Chorea Huntington (Huntington-Krankheit) zu körperlichen Symptome wie etwa Bewegungsstörungen führt, können psychische Beschwerden, Verhaltensauffälligkeiten und erste Anzeichen einer Demenz auftreten. Es ist aber auch möglich, dass sich psychische Beschwerden erst im weiteren Verlauf zeigen.

Zu ersten möglichen Symptomen zählen Verhaltensauffälligkeiten wie unbedachtes und impulsives Verhalten. Menschen mit Chorea Huntington sind im Umgang mit anderen Menschen enthemmt und reizbar. Weil sie ihre Gesichtsmuskeln nicht kontrollieren können, kann es außerdem passieren, dass ihre Mitmenschen sie falsch beurteilen. Psychische Beschwerden wie Depressionen können die Folge sein.

Ebenso wie die Bewegungsstörungen können diese Symptome einerseits darauf zurückzuführen sein, dass im Verlauf der Krankheit Gehirnzellen absterben. Andererseits können gerade psychische Beschwerden und Verhaltensauffälligkeiten auch dadurch bedingt sein, dass die Betroffenen erleben müssen, wie die Huntington-Krankheit unaufhaltsam fortschreitet.

Intellektuelle Fähigkeiten und Gedächtnisfunktionen sind im Frühstadium von Chorea Huntington nur leicht beeinträchtigt. Im Spätstadium der Huntington-Krankheit verlieren jedoch alle Betroffenen ihre geistigen Fähigkeiten. Ihre Sprache ist verarmt und sie können sich nicht mehr orientieren. Manchmal entwickeln sie starke psychische Beschwerden in Form von Wahnvorstellungen.

Chorea Huntington: Ursachen

Chorea Huntington (Huntington-Krankheit) ist eine Erbkrankheit. Dabei ist ein bestimmtes Gen verändert (mutiert). Diese Veränderung ist meist angeboren.

Das betroffene Gen auf dem Chromosom 4 ist für die Bildung eines bestimmten Eiweißes namens Huntingtin verantwortlich. Da das Gen mutiert ist, ist das Eiweiß in seiner Struktur verändert. Dies wiederum führt dazu, dass in bestimmten Bereichen des Gehirns Nervenzellen absterben.

So wird Chorea Huntington vererbt

Elternteile, die die Genveränderung aufweisen, geben diese an ihre Nachkommen weiter. Dabei reicht es aus, dass nur ein Elternteil die Genveränderung in sich trägt.

Chorea Huntington wird über einen sogenannten autosomal-dominanten Erbgang an die Kinder übertragen. Das bedeutet:

  • Die Kinder erben das veränderte Gen und somit die Erbkrankheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent.
  • Jungen und Mädchen sind gleichermaßen betroffen.

Selten tritt die Huntington-Krankheit auf, ohne dass eines der leiblichen Eltern die entsprechende Genveränderung trägt. In diesen Fällen ist die Krankheit nicht vererbt worden, sondern durch eine sogenannte Neumutation entstanden. Eine Neumutation ist eine Genveränderung, die in der Verwandtschaft bisher nicht vorhanden war und sich bei einer Person neu gebildet hat. Die Betroffenen können die Erkrankung dann allerdings wiederum an ihre eigenen Kinder weitervererben.

Chorea Huntington: Diagnose

Im Frühstadium von Chorea Huntington (Huntington-Krankheit) sind die Symptome nur schwach ausgeprägt. Darüber hinaus ist Chorea Huntington eine seltene Erkrankung. Daher kann viel Zeit vergehen, bis der Arzt die Diagnose stellt.

Da Chorea Huntington in den meisten Fällen vererbt wird, wird der Arzt wissen wollen, ob die Erkrankung innerhalb der Familie vorkommt. Gegebenenfalls wird er seinen Patienten an ein spezielles Huntington-Zentrum verweisen.

Anhand einer neurologischen Untersuchung kann der Arzt die Funktionsfähigkeit des Nervensystems prüfen. Dabei können ihm bereits Störungen der Aussprache und der Augenbewegung auffallen. Bei ausgeprägten typischen Bewegungsstörungen kann sich der Verdacht auf Chorea Huntington erhärten.

Gewissheit bringt schließlich ein Gentest: Mit seiner Hilfe lässt sich die Genveränderung nachweisen.

Zusätzlich können bestimmte neurophysiologische und bildgebende Verfahren sinnvoll sein, so zum Beispiel die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine Computertomographie (CT).

DNA-Diagnostik

Ein Gentest kann bei Verdacht auf Chorea Huntington die Diagnose sichern. Diese sogenannte DNA-Diagnostik darf nur nach Einwilligung und sorgfältiger Aufklärung der Betroffenen durchgeführt werden. Für den Gentest ist eine Blutprobe nötig. Durch deren genetische Analyse kann man feststellen, ob tatsächlich Chorea Huntington vorliegt. In diesem Fall ist ein bestimmtes Gen auf dem Chromosom 4 verändert.

Habe ich die Genmutation geerbt?

Auch bei bislang gesunden Menschen, bei denen mindestens ein Elternteil von Chorea Huntington betroffen ist, kann eine DNA-Diagnostik infrage kommen. Der Test gibt Auskunft darüber, ob sie das Erbmerkmal geerbt haben, sodass die Erkrankung irgendwann ausbricht. Wann erste Beschwerden einsetzen werden, lässt sich anhand des Tests jedoch nicht voraussagen.

Das Wissen, Träger der Erkrankung zu sein, kann eine erhebliche psychische Belastung für die Betroffenen darstellen. Daher sollten sie sich, wenn keine Symptome vorliegen, im Vorfeld gut überlegen, ob sie den Gentest durchführen lassen möchten. Die zu untersuchende Person muss volljährig sein, psychisch entsprechend stabil sein und vorab ausführlich über die Erkrankung aufgeklärt worden sein.

Die sogenannte pränatale Diagnostik ist bei Erkrankungen, die sich erst im Erwachsenenalter zeigen, in Deutschland gesetzlich verboten. Demnach ist es nicht möglich, vor der Geburt testen zu lassen, ob das Kind später Chorea Huntington bekommen wird.

Chorea Huntington: Therapie

Chorea Huntington (Huntington-Krankheit) ist bislang nicht heilbar. Daher zielt die Therapie darauf ab, die einzelnen Symptome zu lindern. Da die Beschwerden von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein können, muss die Therapie individuell auf den Betroffenen zugeschnitten sein.

Medikamente

Bei bestimmten Symptomen können Medikamente Linderung verschaffen: Gegen die typischen Bewegungsstörungen kommen beispielsweise häufig Neuroleptika (Antipsychotika) wie Sulpirid oder Wirkstoffe wie Tiaprid oder Tetrabenazin zum Einsatz. Bei Depressionen, die im Rahmen von Chorea Huntington auftreten, kann der Arzt Neuroleptika wie Sulpirid oder Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) verschreiben.

In der Regel ist ein Neurologe für die Medikamentengabe zuständig. Er kann die richtige Dosis ermitteln und bei möglichen Nebenwirkungen gegebenenfalls auf andere Medikamente ausweichen.

Ernährung

Menschen mit Chorea Huntington haben einen sehr hohen Energieverbrauch und verlieren rasch an Gewicht. Daher müssen sie im Rahmen der Therapie auf eine geeignete Ernährung achten. Gegebenenfalls sind sechs bis acht 8 kalorienreiche Mahlzeiten am Tag nötig, um den Energiebedarf zu decken. Unter Umständen sind auch entsprechende Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll.

Wenn die Huntington-Krankheit zu Schluckstörungen geführt hat, sollten die Betroffenen keine dünnflüssigen Mahlzeiten zu sich nehmen, da sie diese leicht verschlucken können. Besser geeignet ist eine breiige Nahrung.

Genussmittel wie Kaffee, Nikotin und Alkohol können die Beschwerden verstärken und die Wirkung der Medikamente abschwächen. Wenn das Schlucken sehr schwer fällt oder nicht möglich ist, kann eine Magensonde nötig sein.

Begleitende Behandlung

Neben der medikamentösen Therapie von Chorea Huntington sind begleitende Maßnahmen wichtig. Hierzu zählen etwa

In einer Psychotherapie können nicht nur der Patient selbst, sondern auch die Angehörigen lernen, mit der Erkrankung umzugehen. Zudem kann es hilfreich sein, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen.

Chorea Huntington: Verlauf

Chorea Huntington (Huntington-Krankheit) ist nicht heilbar. Die ersten Symptome zeigen sich meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Die Beschwerden nehmen dabei nach und nach zu.

Der Verlauf der Erkrankung hängt auch vom Zeitpunkt des Ausbruchs ab: Oft schreitet die Erbkrankheitumso langsamer voran, je später sie ausbricht. Die Erkrankung führt im Durchschnitt etwa 10 bis 20 Jahre nach den ersten Symptomen zum Tod.

Komplikationen

Die unkontrollierten Bewegungen können mit Schluckstörungen und Atemstörungen einhergehen. Es besteht die Gefahr, dass sich Erkrankten verschlucken und Luftnot bekommen. Atemstörungen und Lungenentzündungen (Pneumonie) durch Verschlucken zählen zu den häufigsten Todesursachen bei Chorea Huntington.

Häufig entwickeln Betroffene im Verlauf der Huntington-Krankheit schwerwiegende depressive Verstimmungen. Depressive Symptome können eine Folge der gestörten Nervenfunktion sein. Viele Betroffene werden aber auch depressiv, weil sie wissen, dass sie an einer unheilbaren Krankheit leiden. Die Selbstmordrate ist bei Personen mit Chorea Huntington im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung erhöht.