Antiöstrogene

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 22.09.2011

auch bezeichnet als:
Antiestrogene; Östrogen-Antagonisten

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Antiöstrogene" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Antiöstrogene sind Substanzen, die die Wirkung des weiblichen Sexualhormons Östrogen aufheben (antagonisieren). Je nach eingesetztem Antiöstrogen betrifft diese Wirkungsaufhebung nur spezielle Aspekte der Östrogenwirkung, während andere erhalten bleiben. So eröffnen die Antiöstrogene ein recht breites Spektrum von Einsatzgebieten.

Antiöstrogene werden immer dann eingesetzt, wenn das körpereigene weibliche Sexualhormon Östrogen eine unerwünschte Wirkung im Körper entfaltet. Zu diesen unerwünschten Wirkungen zählen:
  • Bestimmte Formen von Brustkrebs, die durch Östrogen zum Wachstum angeregt werden. Neben der Hemmung des Tumorwachstums vermindern Antiöstrogene dabei zusätzlich die Ausstreuung von Krebszellen in den übrigen Körper. So verkleinern sie das Risiko einer Bildung von Tochtergeschwulsten (Metastasierung). Zum Einsatz kommen hier Östrogenrezeptor-Antagonisten wie Fulvestrant, Tamoxifen und Toremifen. Sollte sich der Brustkrebs nicht mit den genannten Wirkstoffen behandeln lassen, kommen Substanzen aus der Gruppe der Aromatasehemmer zum Einsatz. Ihre Wirkung beruht nicht wie bei den Antiöstrogenen auf der Hemmung der Östrogen-Effekte, sondern darauf, dass sie schon die Bildung von Östrogenen im Körper verhindern.
  • Unerfüllter Kinderwunsch, der auf einer Störung im hormonellen Regelkreis zwischen Eierstock, Hirnanhangdrüse und Zwischenhirn beruht. Durch diese Störung erfolgt kein Eisprung, kein Ei nistet sich in die Gebärmutterschleimhaut ein. So haben die Frauen zwar eine Monatsblutung, sind aber dennoch unfruchtbar. Hier können Antiöstrogene wie Clomifen die Empfängnis begünstigen. Sie bewirken nämlich im Zwischenhirn die Ausschüttung des Hormons Gonadoliberin, das über die Hirnanhangdrüse die Eireifung und den Eisprung auslöst.
  • Beschwerden durch Knochenschwund (Osteoporose) bei Frauen in und nach den Wechseljahren. Hier können Antiöstrogene wie Raloxifen vorbeugend wirken oder Symptome lindern.

Wirkung

Alle Antiöstrogene heben die Wirkung von Östrogenen zumindest teilweise auf. Sie werden aufgrund ihrer Wirkmechanismen prinzipiell in vier Gruppen eingeteilt:

1. Östrogenrezeptor-Antagonisten blockieren die Bindungsstellen (Rezeptoren) für Östrogen an den Zielorganen, wie zum Beispiel den Zellen des Brustgewebes. Dadurch wird das durch Östrogen geförderte Größenwachstum und die unkontrollierte Zellteilung bei Brustkrebs verhindert. Zusätzlich können weniger Tumorzellen in das umgebende Gewebe oder die Gefäße einwandern. Das Risiko für die Bildung von Tochtergeschwulsten verringert sich deutlich. Zu den Östrogenrezeptor-Antagonisten gehören Fulvestrant, Tamoxifen und Toremifen.

2. Antiöstrogene mit teilweise erhaltener Östrogen-Wirkung (partielle Antagonisten) wirken sowohl dem weiblichen Hormon entgegengesetzt wie auch leicht Östrogen-ähnlich. Um ihre Wirkung bei unerfülltem Kinderwunsch zu verstehen, muss man wissen, wie der hormonelle Regelkreis funktioniert:
  • Um einen Eisprung auszulösen, muss das Zwischenhirn das Hormon Gonadoliberin ausschütten.
  • Gonadoliberin bewirkt in der Hirnanhangdrüse die Produktion anderer Hormone, der Gonadotropine.
  • Die Gonadotropine wiederum werden mit dem Blut an die Eierstöcke getragen und lösen dort die Ausschüttung von Östrogenen und die Wanderung eines Eis in die Gebärmutter (Eisprung) aus.
  • Steigt die Östrogenkonzentration im Blut dann über einen bestimmten Wert an, bindet das Östrogen an Rezeptoren des Zwischenhirns und der Hirnanhangsdrüse, was die Produktion an Gonadrotropin und Gonadoliberin stoppt. Bei dauerhaft erhöhtem Östrogenspiegel kann dann kein Eisprung mehr erfolgen.
Der Wirkstoff Clomifen bindet nun wie Östrogen an den Rezeptor im Zwischenhirn, löst aber nicht die östrogen-typischen Wirkungen aus. Der Wirkmechanismus ist immer noch nicht eindeutig geklärt, man vermutet aber, dass der Wirkstoff der Hirnanhangsdrüse "vorgaukelt", dass im Körper zu wenig Östrogen produziert wird. Die Reaktion der Hirnanhangsdrüse darauf besteht in der vermehrten Ausschüttung von Hormonen. Sie fördern die Ausreifung der Eier im Eierstock und den Eisprung.

3. Selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERMs) wie Bazedoxifen, Raloxifen und Tamoxifen sind relativ neue antiöstrogen wirkende Substanzen. Sie haben ähnliche Effekte wie Östrogene, aber nicht die Nebenwirkungen auf Brust und Gebärmutter. Sie rufen kein Brustspannen hervor und stimulieren auch nicht die Gebärmutterschleimhaut. Grundsätzlich sollten sie erst nach der allerletzten Monatsblutung (Menopause) verabreicht werden. Die SERMs hemmen wie Östrogen den Knochenabbau und sind daher zur Prophylaxe und Behandlung der Osteoporose zugelassen.

4. Eine weitere große Gruppe an Antiöstrogenen sind die Aromatasehemmer. Durch die Hemmung des Enzyms Aromatase wird direkt die Bildung (Produktion) von Östrogenen eingeschränkt. So werden die gleichen Effekte wie bei den anderen Antiöstrogenen hervorgerufen. Aromatasehemmer werden vor allem in der Brustkrebs-Therapie eingesetzt, wenn eine Therapie mit den anderen hier beschriebenen Antiöstrogenen nicht oder nur unzureichend anschlägt.

Alle Antiöstrogene führen durch den künstlichen Östrogenmangel zu teilweise erheblichen Nebenwirkungen. Es können Hitzewallungen, Spannungsgefühl in der Brust und Trockenheit sowie Juckreiz im Scheidenbereich auftreten. Außerdem erhöht sich das Risiko für Blutgerinnsel oder Veränderungen an der Gebärmutterschleimhaut. Daher sind regelmäßige Kontrollen beim Frauenarzt erforderlich.