Braunhaarige Ärztin mit Brille erklärt ihrem Patienten den Befund auf einem Tablet in der Hand
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Neuroendokriner Tumor (NET): Lebenserwartung und Symptome

Von: Dagmar Schüller (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 04.09.2025

Neuroendokrine Tumoren (NET) sind seltene Tumore, die aus hormonbildenden Zellen entstehen. Diese Zellen kommen fast überall im Körper vor, weshalb NETs an verschiedenen Organen auftreten können – am häufigsten im Magen-Darm-Trakt. Ein neuroendokriner Tumor wächst oft langsam und bleibt lange unentdeckt. Doch früh erkannt sind die Heilungschancen meist gut.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zu NET

Neuroendokrine Tumoren werden nach ihrem Ursprungsort eingeteilt – am häufigsten treten sie im Magen-Darm-Trakt (z. B. Pankreas, Dünndarm) oder in der Lunge auf.

Ja, wenn der Tumor früh erkannt und vollständig operativ entfernt wird, bestehen gute Heilungschancen. Bei fortgeschrittenem Stadium ist eine Heilung im klassischen Sinne nicht mehr möglich.

Die Gefährlichkeit hängt vom Ursprungsort, der Wachstumsrate (Grading) und dem Stadium ab. Langsam wachsende NET können lange stabil bleiben, während aggressive Formen schneller streuen.

Wichtige Marker im Blut sind unter anderem Chromogranin A und NSE (Neuronenspezifische Enolase). Auch Urinwerte wie Serotonin-Abbauprodukte (5-HIAA) sind bei hormonell aktiven Tumoren entscheidend.

Was ist ein neuroendokriner Tumor?

Neuroendokrine Tumoren (NET) sind gutartige oder bösartige Wucherungen von spezialisierten Zellen, die sowohl hormonelle als auch nervenspezifische Eigenschaften besitzen. Diese sogenannten "neuroendokrinen Zellen" befinden sich fast überall im Körper, sodass NET in einer Vielzahl von Organen auftreten können. Am häufigsten entwickeln sie sich jedoch im Magen-Darm-Trakt oder in der Bauchspeicheldrüse.

In vielen Fällen produziert ein neuroendokriner Tumor Hormone oder hormonähnliche Substanzen, die unterschiedliche Beschwerden hervorrufen können. Aufgrund ihrer Fähigkeit, Hormone abzugeben, werden NET auch funktionelle Tumoren genannt.

Typische Begriffe im Zusammenhang mit NET

  • Karzinoid: älterer Begriff für neuroendokrine Tumoren, häufig verwendet für Tumoren des Magen-Darm-Trakts

  • GEP-Tumoren: Sammelbezeichnung für NET des Magen-Darm-Trakts und der Bauchspeicheldrüse (GEP = gastroenteropankreatisch)

  • Karzinoid-Syndrom: ein Symptomkomplex, der auftritt, wenn NET große Mengen Serotonin produzieren

Neuroendokriner Tumor: Wie hoch ist die Lebenserwartung?

Die Lebenserwartung bei einem neuroendokrinen Tumor hängt stark vom Tumortyp, Wachstumsgrad, Stadium und von möglichen Metastasen ab. Bei NET mit geringer Aggressivität und ohne Metastasen ist die Lebenserwartung oft nahezu normal, während aggressive und metastasierte Formen die Prognose deutlich verschlechtern. Wichtig sind in jedem Fall regelmäßige Kontrollen.

Welche Symptome können bei NET auftreten?

In der frühen Phase verursachen neuroendokrine Tumoren häufig keine spezifischen Beschwerden. Deshalb werden sie oftmals erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Die Symptome hängen davon ab, ob der Tumor Hormone produziert und wo im Körper er sich befindet.

NET, die nicht aktiv Hormone produzieren, führen häufig erst dann zu Symptomen, wenn sie aufgrund ihres Wachstums benachbarte Organe oder Gewebe verdrängen. Möglich sind dann:

Hormonbedingte Beschwerden

Ist ein neuroendokriner Tumor hormonell aktiv, können die freigesetzten Substanzen zu spezifischeren Symptomen führen:

  • Serotoninüberproduktion: verursacht das sogenannte Karzinoid-Syndrom mit Gesichtsrötung (Flush), Herzrasen, Schweißausbrüchen und wiederkehrendem Durchfall

  • Gastrinüberproduktion: löst häufig Sodbrennen oder wiederkehrende Magengeschwüre aus (Zollinger-Ellison-Syndrom)

  • Überproduktion von Insulin: führt zu Unterzuckerung (Hypoglykämie) mit Zittern, Schwitzen und in schweren Fällen Bewusstlosigkeit

Hinweis: Neuroendokrine Tumoren können auch lange ohne eindeutige Symptome bestehen und werden oft zufällig entdeckt, z. B. im Rahmen einer Routineuntersuchung.

Ursachen für neuroendokrine Tumoren

Die genauen Ursachen, die zur Entstehung eines neuroendokrinen Tumors führen, sind bislang nicht vollständig bekannt. Es handelt sich in den meisten Fällen um spontan auftretende Erkrankungen, bei denen keine erbliche Veranlagung nachgewiesen werden kann.

In seltenen Fällen können erbliche Syndrome wie die Multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN1) neuroendokrine Tumoren begünstigen. Ein Zusammenhang zwischen Umwelteinflüssen oder Lebensstilfaktoren und NET ist bislang nicht wissenschaftlich gesichert.

Diagnose bei Verdacht auf einen neuroendokrinen Tumor

Die Diagnose eines NET kann herausfordernd sein, insbesondere bei unspezifischen Beschwerden. Sie erfolgt oft recht spät, da hinweisende Symptome zunächst häufig fehlen.

Um den Verdacht zu bestätigen, werden in der Regel folgende Untersuchungen durchgeführt:

  • Blut- und Urinuntersuchungen: erhöhte Werte von Serotonin oder dessen Abbauprodukt (5-Hydroxyindolessigsäure im Urin) sowie des Tumormarkers Chromogranin A können auf einen NET hinweisen

  • Ultraschall (Sonographie): zur Lokalisierung eines Tumors im Bauchraum

  • Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT): erlaubt die genaue Darstellung der Tumorausbreitung

  • Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie (Octreotid-Scan): nuklearmedizinische Untersuchung, bei der mit radioaktiv markiertem Octreotid Tumorzellen mit spezifischen Zellrezeptoren (Somatostatin-Rezeptoren) im Körper sichtbar gemacht werden

  • Endoskopie: eine Magen- und/oder Darm-Spiegelung ermöglicht die direkte Sichtbarkeit von Tumoren im Verdauungstrakt

  • PET/CT: die moderne Hybridbildgebung kombiniert Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und Computertomographie (CT) in einer Untersuchung; sie soll den Tumor lokalisieren und zeigen, ob er bereits gestreut hat

Tipp: Bleiben Sie bei unklaren Beschwerden hartnäckig. Neuroendokrine Tumoren können schwierig zu erkennen sein, aber spezialisierte Zentren sind hierfür in der Regel ausgestattet.

Therapie von neuroendokrinen Tumoren

Die Therapie eines neuroendokrinen Tumors richtet sich nach dem Stadium und der Art. In den meisten Fällen wird eine Kombination verschiedener Therapien angewendet:

  1. Operation: Die vollständige chirurgische Entfernung eines NET ist die wichtigste Therapieoption. Früh entdeckte Tumoren können durch eine Operation häufig vollständig geheilt werden.

  2. Somatostatin-Analoga: Diese Medikamente hemmen die Hormonausschüttung des Tumors und können damit das Karzinoid-Syndrom lindern. In manchen Fällen lassen sich Tumoren durch diese Arzneimittel sogar verkleinern oder deren Wachstum hemmen. Meist erhalten Betroffene eine monatliche Spritze mit entsprechenden Wirkstoffen.

  3. Chemotherapie: Zytostatika werden bei schnell wachsenden oder metastasierten Tumoren eingesetzt. Eine Chemotherapie kommt jedoch nur selten zum Einsatz, da NET auf die Medikamente nur wenig ansprechen.

  4. Immuntherapie: Sie soll das körpereigene Abwehrsystem aktivieren, um die Tumorzellen gezielt zu bekämpfen.

  5. gezielte Radionuklid-Therapie (PRRT): Radioaktiv markierte Medikamente binden gezielt an Somatostatin-Rezeptoren von Tumorzellen und zerstören diese durch die abgegebene Strahlung.

Die Behandlung eines neuroendokrinen Tumors sollte nur in spezialisierten NET-Zentren durchgeführt werden. Denn diese seltenen Erkrankungen erfordern Fachwissen und eine ganzheitliche Betreuung.

Neuroendokriner Tumor: Verlauf und Prognose

Die Prognose hängt stark davon ab, wie früh der Tumor diagnostiziert wird:

  • Frühstadium: Bei vollständiger Entfernung ist die Aussicht auf Heilung sehr gut.

  • fortgeschrittenes Stadium: Auch bei Metastasen können moderne Behandlungsansätze das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und die Lebensqualität lange erhalten. Eine Heilung im klassischen Sinne ist jedoch nicht mehr möglich.

Karzinoide des Wurmfortsatzes (Appendix) beispielsweise haben oft eine besonders günstige Prognose, da sie nur selten streuen.

Komplikationen

Neuroendokrine Tumoren können im Laufe der Zeit zu Komplikationen führen, insbesondere wenn sie streuen oder umliegendes Gewebe verdrängen. Häufig bilden sich Tochtergeschwulste in der Leber oder den Knochen, seltener auch in der Augenhöhle, im Herzmuskel oder in der Brust.

Größere Tumoren können benachbarte Organe und Strukturen einengen, was schwerwiegende Folgen haben kann. Beispielsweise kann ein Tumor im Darm zu einem Darmverschluss (Ileus) führen, der notfallmedizinisch behandelt werden muss.

Produzieren die Tumoren vermehrt Hormone, können Komplikationen wie etwa Magengeschwüre durch eine übermäßige Gastrinproduktion auftreten.