Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata)
Zuletzt bearbeitet von Lydia Klöckner • Medizinredakteurin
Geprüft von Prof. Dr. Wolf-Ingo Worret • Dermatologe
Kreisrunder Haarausfall ist eine Erkrankung, die in der Regel vor allem das Kopfhaar betrifft: Dort bilden sich runde kahle Stellen, die sich immer weiter ausbreiten. Gefährlich ist das nicht. Für die Betroffenen ist der plötzliche Haarverlust jedoch häufig emotional belastend. Was hilft?

Inhaltsverzeichnis
Was ist kreisrunder Haarausfall?
Von kreisrundem Haarausfall (Alopecia areata) spricht man, wenn auf dem Kopf (seltener auch im Bartbereich oder am Körper) runde kahle Flecken entstehen, die sich ausbreiten.
Kreisrunder Haarausfall lässt sich deshalb leicht von anderen Formen des Haarausfalls unterscheiden. Anders als beim verbreiteten erblich bedingten Haarausfall werden die Haare nicht allmählich lichter, sondern fallen plötzlich aus, wodurch sich runde, örtlich begrenzte kahle Flecken bilden.
Zudem beginnt der kreisrunde Haarausfall nicht erst im höheren Lebensalter, sondern trifft vor allem jüngere Menschen: Er beginnt in der Regel vor dem 40. Lebensjahr, oft schon im Kindes- oder Jugendalter.
Je nach Verlauf und Ausmaß unterscheidet man zwischen drei verschiedenen Formen des kreisrunden Haarausfalls:
- Alopecia circumscripta ist die häufigste Form, etwa 80 von 100 Erkrankte sind von ihr betroffen. Bei ihnen beschränkt sich der Haarausfall auf den Kopf, wobei die Gesichtsbehaarung (Wimpern, Bart und Augenbrauen) häufig erhalten bleiben.
- Alopecia totalis: Bei den Betroffenen schwindet das gesamte Kopfhaar. Diese Form tritt bei etwa 10 bis 20 von 100 Erkrankten auf.
- Alopecia universalis bedeutet, dass der Haarausfall am gesamten Körper auftritt. So einen schweren Verlauf nimmt die Erkrankung nur bei etwa 10 von 100 Betroffenen.
Bei den meisten Erkrankten lässt der Haarausfall von selbst nach. Die Haare beginnen innerhalb von drei Jahren spontan wieder zu wachsen. Allerdings verläuft die Krankheit häufig in Schüben, tritt also immer wieder in Erscheinung.
Gewisse Erkrankungen treten häufig gemeinsam mit kreisrundem Haarausfall auf:
- Neurodermitis
- chronisch entzündliche Schilddrüsenerkrankungen
- Morbus Addison
- Vitiligo
Zudem erkrankt jeder zehnte Mensch mit Down-Syndrom im Laufe seines Lebens an kreisrundem Haarausfall.
Video: Haarausfall: Formen & Behandlung
Kreisrunder Haarausfall: Ursachen
Die Ursache des kreisrunden Haarausfalls ist nicht endgültig geklärt. Experten gehen davon aus, dass eine Störung des körpereigenen Abwehrsystems für die Entstehung verantwortlich ist: Immunzellen greifen Haarfollikel an und diese entzünden sich. Dadurch kommt das Haarwachstum zum Stillstand und die Haare fallen aus.
Wie genau es zu dieser Autoimmunreaktion kommt, weiß man noch nicht. Klar ist, dass die erbliche Veranlagung eine Rolle spielt: Etwa 20 von 100 Betroffenen haben ein Familienmitglied oder mehrere Verwandte, die an kreisrundem Haarausfall erkrankt sind oder waren.
Einige Mediziner sind zudem davon überzeugt, dass auch psychische Einflüsse die Entstehung der Krankheit begünstigen können. Dafür spricht, dass kreisrunder Haarausfall häufig nach emotional belastenden Lebensereignissen auftritt. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen scheint oft Stress der Auslöser der Erkrankung zu sein. Der Zusammenhang zwischen Stress und Alopecia areata ist allerdings sehr umstritten.
Kreisrunder Haarausfall: Symptome
Kreisrunder Haarausfall ruft charakteristische Symptome hervor: Besonders am Kopf bilden sich innerhalb kurzer Zeit runde, scharf begrenzte kahle Flecken unterschiedlicher Größen.
Im Randbereich finden sich häufig kurze, dicke Haare, die sich leicht herausziehen lassen. Typisch sind auch sogenannte "Ausrufezeichenhaare", die zur Wurzel hin schmaler werden, weil die Verhornung gestört verläuft. Auch diese Haare fallen im weiteren Verlauf der Erkrankung aus, sodass die kahlen Stellen größer werden.
Die Haut der kahlen Flecken wirkt gesund, es sind also keine Rötungen oder Vernarbungen zu sehen. Da die Haut zuvor behaart und somit vor der Sonne geschützt war, ist sie in der Regel sehr hell.
Kreisrunder Haarausfall betrifft vor allem den Kopf, mitunter aber auch andere behaarte Körperstellen, zum Beispiel
- die Schambehaarung,
- den Bart,
- die Augenbrauen und Wimpern.
In der stärksten Ausprägung kann kreisrunder Haarausfall zum Verlust der gesamten Körperbehaarung führen (Alopecia areata universalis).
Bei etwa 20 von 100 Betroffenen verändern sich die Fingernägel: Es bilden sich Grübchen oder Längsrillen.
Kreisrunder Haarausfall: Diagnose
Der Arzt stellt die Diagnose vor allem anhand des typischen Aussehens der haarlosen Areale. Er achtet dabei auch auf die Haare am Rand der betroffenen Stellen. Charakteristisch für Alopecia areata sind kurze, dicke Haare, die sich leicht herausziehen lassen und "Ausrufezeichenhaare", die zur Wurzel hin schmaler werden. Zudem untersucht der Arzt die Fingernägel auf Grübchen und Längsrillen.
Weitere wichtige Hinweise erhält der Arzt im Gespräch mit dem Betroffenen. Er fragt ihn zum Beispiel, wann er der Haarausfall bemerkt hat. Zudem fragt er nach anderen Erkrankungen (z.B. Neurodermitis, Psoriasis, allergisches Asthma), die manchmal gemeinsam mit kreisrundem Haarausfall auftreten.
Wichtig ist, dass der Arzt andere Ursachen für den Haarausfall ausschließt. Kahle Stellen können zum Beispiel auch Symptom einer Pilzinfektion der Kopfhaut sein, der sogenannten Tinea capitis.
Vor allem bei jungen Betroffenen sollte der Arzt auch eine sogenannte Trichotillomanie als mögliche Ursache in Betracht ziehen. Das ist eine psychische Störung, die sich dadurch äußert, dass sich die Betroffenen die Haare ausreißen.
Kreisrunder Haarausfall: Wie lässt er sich stoppen?
Der kreisrunde Haarausfall ist nicht heilbar. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die aber – wenn überhaupt – nur kurzfristig helfen. Das heißt: Meist tritt der Haarausfall nach Absetzen der Therapie erneut auf. Daher raten Ärzte den Betroffenen häufig, erst einmal abzuwarten, ob der Haarausfall von selbst nachlässt.
Der älteste Therapieansatz ist eine Behandlung mit Mitteln, die die Entzündung an den Haarwurzeln lindern. Dazu zählen zum Beispiel Cremes oder Injektionen mit Kortison (Glukokortikoiden). Die Wirkung ist jedoch vorübergehend und Glukokortikoiden eignen sich aufgrund ihrer Nebenwirkungen nicht für eine Dauertherapie.
Vor allem Kindern und Jugendlichen mit Alopecia areata verordnen Ärzte daher lieber Zinktabletten. Diese rufen kaum Nebenwirkungen hervor und haben ebenfalls eine antientzündliche Wirkung. Bisherigen Beobachtungen zufolge reicht diese aber meist nicht aus, um den Haarausfall zu stoppen.
Ein relativ neuer Ansatz ist die sogenannte Reiztherapie, zum Beispiel mit dem Wirkstoff DCP (Diphenylcyclopropenon). Ziel dieser Behandlung ist es, eine allergische Reaktion (Kontaktallergie) an der betroffenen Hautstelle hervorzurufen. Dadurch soll das Immunsystem gewissermaßen "abgelenkt" werden, damit es aufhört, die Haarwurzeln anzugreifen.
Wie sich in Studien gezeigt hat, kann das tatsächlich funktionieren. Wenn die Behandlung wirkt und die Haut eine allergische Reaktion aufweist, besteht die Chance, dass die Haare nach ein bis sechs Monaten wieder nachwachsen. Allerdings muss der Patient damit rechnen, dass der Haarausfall nach der Therapie erneut auftritt.
Zudem ist DCP für die Therapie der Alopecia areata nicht offiziell zugelassen. Wenn der Arzt DCP einsetzt, handelt es sich daher um einen sogenannten individuellen Heilversuch. Bei Kindern führen Ärzte die Therapie mit DCP nicht durch.
Kreisrunder Haarausfall: Verlauf
Der Verlauf ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei den meisten Betroffenen kommt es zur Spontangenesung:
- Bei etwa 30 von 100 Patienten wächst das Haar an der betroffenen Stelle innerhalb von sechs Monaten ohne Behandlung wieder nach.
- Bei ungefähr 50 von 100 Betroffenen beginnt das Wachstum innerhalb eines Jahres wieder.
- Bei etwa 75 von 100 Erkrankten wachsen die Haare nach fünf Jahren wieder.
Die ersten neuen Haare sind häufig flaumartig, also kurz, zart und hell. Anschließend kommen längere Haare nach, die ebenfalls schwach oder wenig pigmentiert sind. Später wachsen dann Haare in der ursprünglichen Farbe nach.
Bei etwa jedem zweiten Betroffenen tritt die Erkrankung irgendwann erneut auf. Wie viel Zeit zwischen den Schüben vergeht, ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Bei einigen sind es nur wenige Monate, bei anderen Jahrzehnte.
Bei einem Teil der Erkrankten wachsen die Haare nicht wieder nach. Eher schlechte Chancen auf eine Besserung bestehen etwa bei den schwereren Verlaufsformen, bei denen das gesamte Kopfhaar oder sogar die komplette Körperbehaarung ausfällt (Alopecia areata totalis beziehungsweise Alopecia areata universalis).
Ungünstig sind die Genesungsaussichten auch, wenn der Haarausfall
- bereits im Kindesalter beginnt,
- große Bereiche betrifft und lange bestehen bleibt,
- den Nackenbereich betrifft,
- in der Familie gehäuft vorkommt oder
- mit Autoimmunerkrankungen, Neurodermitis und Nagelveränderungen einhergeht (Tüpfel- und Sandpapiernägel).
ICD-10-Diagnoseschlüssel:
Hier finden Sie den passenden ICD-10-Code zu "Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata)":
Onmeda-Lesetipps:
Quellen:
Kreisrunder Haarausfall. Online-Information des Instituts für Humangenetik der Universität Bonn: www.humangenetics.uni-bonn.de (Abrufdatum: 9.1.2019)
Online-Information der Selbsthilfe-Organisation Alopecia Areata Deutschland e.V.: www.kreisrunderhaarausfall.de (Abrufdatum: 9.1.2019)
Online-Informationen der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité: www.derma.charite.de (Abrufdatum: 9.1.2019)
Alopezien. Online-Informationen des medizinischen Nachschlagewerks AMBOSS: www.amboss.miamed.de (Stand: 8.1.2019)
Alopecia areata (Übersicht). Online-Informationen von Altmayers Enzyklopädie: www.enzyklopaedie-dermatologie.de (Stand: 27.12.2018)
Sterry, W.: Kurzlehrbuch Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2018
Trüeb, R. M., et. al.: Alopecia Areata: A Comprehensive Review of Pathogenesis and Management. Clinical Reviews in Allergy & Immunology. Online-Publikation (17.7.2017)
Alopecia areata. Online-Informationen des Pschyrembel: www.pschyrembel.de (Stand: April 2016)
Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2016
Wolff, Hans, et. al.: Diagnostik und Therapie von Haar- und Kopfhauterkrankungen. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 113, Heft 21 (Mai 2016)
Letzte inhaltliche Prüfung: 24.04.2019
Letzte Änderung: 02.12.2019