Ärztin untersucht ein Kind mit Williams-Beuren-Syndrom.
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Williams-Beuren-Syndrom: Symptome und Lebenserwartung

Von: Paula Vradelis (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 06.08.2025

Das Williams-Beuren-Syndrom (WBS) ist eine seltene genetisch bedingte Erkrankung, die bereits vor der Geburt entsteht. Sie zeigt sich durch eine Kombination aus körperlichen Besonderheiten, kognitiven Einschränkungen und einer auffallend offenen, freundlichen Art.
Was sind weitere Anzeichen des Williams-Beuren-Syndroms und wie ist die Lebenserwartung?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Williams-Beuren-Syndrom

Ja, viele Betroffene haben eine leichte bis mittelschwere intellektuelle Beeinträchtigung. Das Lernen fällt ihnen oft schwerer, insbesondere in Bereichen wie Mathematik oder abstraktem Denken.

Je nach Quelle wird der Intelligenzquotient (IQ) bei Betroffenen mit WBS sehr unterschiedlich angegeben, teils im Bereich zwischen 45 und 80, teils sogar von 20 bis über 100. Meist liegt die Intelligenz unter dem Durchschnitt. Gleichzeitig zeigen viele Betroffene ausgeprägte sprachliche, musikalische oder soziale Fähigkeiten, die sich in klassischen Intelligenztests nicht immer widerspiegeln.

Sofern keine ausgeprägten Herz- oder Stoffwechselstörungen vorliegen, haben Menschen mit WBS eine normale Lebenserwartung.

Was ist das Williams-Beuren-Syndrom?

Das Willams-Beuren-Syndrom, auch bekannt als Willams-Syndrom, WBS oder Elfin-Face-Syndrom, ist eine angeborene Erkrankung, die auf einem Verlust eines kleinen DNA-Abschnitts des Chromosoms 7 beruht. Die betroffenen Gene steuern unter anderem die Entwicklung des Bindegewebes und des Nervensystems. 

Obwohl das Syndrom von Geburt an besteht, zeigen sich erste Anzeichen häufig erst im frühen Kindesalter. Dann kann es etwa zu Entwicklungsverzögerungen, auffälligen Gesichtszügen oder Herzfehlern kommen.

Die Wahrscheinlichkeit, mit einem WBS geboren zu werden, liegt bei circa 1:20.000 bis 1:50.000. Damit handelt es sich um eine seltene Erkrankung.

Was sind die Ursachen des Williams-Beuren-Syndroms?

Das Williams-Beuren-Syndrom entsteht durch eine zufällige genetische Veränderung, bei der ein kleiner Abschnitt auf dem Chromosom 7 fehlt. Diesen Stückverlust bezeichnen Fachleute auch als Mikrodeletion. Sie betrifft mehrere Gene, die wichtige Funktionen im Körper steuern, darunter das ELN-Gen, das für die Bildung von Elastin verantwortlich ist.

Elastin ist ein Strukturprotein, das vor allem in Blutgefäßen, Haut und Bindegewebe vorkommt. Wenn es fehlt, kann das zu einer verringerten Elastizität der Gefäße führen. 
Neben dem ELN-Gen sind auch weitere Gene auf dem betroffenen Abschnitt betroffen – sie spielen eine Rolle für die Gehirnentwicklung, das Lernen und das Sozialverhalten. Daher zeigt das Syndrom neben körperlichen Auffälligkeiten auch kognitive Besonderheiten und eine ausgeprägte soziale Kontaktfreudigkeit.

Das WBS entsteht fast immer zufällig bei der Entstehung der Keimzellen. Deshalb haben Familien ohne betroffene Eltern in aller Regel kein erhöhtes Risiko, ein weiteres Kind mit WBS zu bekommen. Nur wenn ein Elternteil selbst betroffen ist, kann die genetische Veränderung vererbt werden.

Welche Symptome haben Betroffene mit Wiliams-Beuren-Syndrom?

Menschen mit WBS zeigen eine auffällige Kombination körperlicher, geistiger und verhaltensbezogener Besonderheiten. Die Ausprägung ist individuell verschieden, doch es gibt einige typische Merkmale, die häufig auftreten.

Körperliche Merkmale beim WBS

Typisch sind folgende körperliche Merkmale bei Menschen mit WBS:

  • auffällige Gesichtszüge ("elfenhaftes" Gesicht): kleiner Kopf, breite Stirn, kurze Nase mit nach oben gerichteten Nasenlöchern, volle Wangen, große Mundöffnung mit vollen Lippen, oft strahlende, blaue Augen mit sternförmigem Muster in der Iris, geschwollene Oberlider
  • Kleinwuchs und leichtes Untergewicht
  • Muskelschwäche (Hypotonie) im Säuglingsalter
  • Herz-Kreislauf-Probleme, insbesondere eine Verengung der Hauptschlagader (supravalvuläre Aortenstenose), der Lungenarterien (Pulmonalstenosen) und Bluthochdruck
  • Nierenbeteiligung, z. B. Verengungen der Nierenarterien, eingeschränkte Nierenfunktion oder Nierenfehlbildungen wie Hufeisennieren
  • Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), oft schon im Kindesalter, kann zu Müdigkeit, verlangsamtem Wachstum und weiteren unspezifischen Symptomen führen
  • Verdauungsbeschwerden, insbesondere Bauchschmerzen, Verstopfung oder Appetitlosigkeit, häufig schon bei kleinen Kindern
  • erhöhter Calciumspiegel im Blut (Hyperkalzämie), besonders im Säuglingsalter
  • Bindegewebsschwäche, z. B. mit Gelenküberbeweglichkeit oder Leistenbrüchen
  • Hör- und Sehprobleme, etwa Lärmempfindlichkeit oder Schielen

In einigen Fällen treten zusätzlich Zahnfehlstellungen, eine Krümmung der Wirbelsäule (Skoliose) oder epileptische Anfälle auf. Diese Komplikationen sind seltener, sollten aber ärztlich abgeklärt werden.

Im Erwachsenenalter entwickeln viele Betroffene zudem eine Störung des Zuckerstoffwechsels bis hin zu Diabetes mellitus. Regelmäßige Kontrollen des Blutzuckerspiegels sind daher wichtig.

Kognitive und psychische Symptome beim WBS

Patient*innen mit WBS zeigen mitunter folgende kognitive und psychische Merkmale:

  • intellektuelle Beeinträchtigung, meist im leichten bis mittleren Bereich
  • Stärken im sprachlichen Ausdruck und in der Merkfähigkeit für Gesichter, Musik oder bestimmte Fakten
  • häufig frühzeitige Lesefähigkeit (Hyperlexie)
  • Schwierigkeiten mit abstraktem Denken, räumlicher Orientierung und Zahlenverständnis
  • Konzentrationsstörungen und Aufmerksamkeitsdefizite

Verhaltensmerkmale und Persönlichkeit

Darüber hinaus gibt es einige Verhaltensmerkmale von Menschen mit WBS, wie:

  • außergewöhnlich freundliches, kontaktfreudiges Wesen
  • starke Empathie und emotionale Ausdrucksfähigkeit

Viele Betroffene reagieren außerdem sehr empfindlich auf bestimmte Geräusche (z. B. Sirenen, Staubsauger, Händeklatschen). Diese sogenannte auditive Überempfindlichkeit kann im Alltag belastend sein und Rückzugsverhalten oder sogar Angststörungen fördern.

Wie wird das WBS diagnostiziert?

Fachleute können das WBS zuverlässig mit einem genetischen Bluttest feststellen. Dabei wird im Labor geprüft, ob auf dem Chromosom 7 ein kleiner Abschnitt fehlt.

Die Untersuchung wird meist veranlasst, wenn der*die Arzt*Ärztin aufgrund bestimmter körperlicher oder entwicklungsbezogener Auffälligkeiten einen Verdacht äußert. Je früher der Test durchgeführt wird, desto gezielter kann eine medizinische sowie therapeutische Begleitung und Förderung erfolgen.

Williams-Beuren-Syndrom: Therapie und Förderungsmöglichkeiten

Eine Heilung des Williams-Beuren-Syndroms ist nicht möglich, da die genetische Veränderung dauerhaft besteht. Ziel der Behandlung ist es, die Beschwerden zu lindern, mögliche Komplikationen zu vermeiden und die Entwicklung bestmöglich zu fördern.

Die Therapie richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen und umfasst verschiedene Bereiche:

  • regelmäßige Kontrolluntersuchungen, insbesondere von Herz, Blutdruck, Nieren und Schilddrüse
  • Frühförderung mit Physio- und Ergotherapie 
  • individuelle Förderung im Kindergarten und in der Schule
  • psychologische Begleitung, z.  B. bei Ängsten oder Konzentrationsproblemen
  • bei Bedarf medikamentöse Behandlung, beispielsweise bei Bluthochdruck, Schilddrüsenunterfunktion oder erhöhten Calciumwerten
  • Ernährungsberatung, etwa bei Verdauungsbeschwerden oder Gewichtsproblemen
  • im Erwachsenenalter ggf. Behandlung von Diabetes mellitus

Die Betreuung erfolgt in der Regel durch ein multidisziplinäres Team von Ärzt*innen sowie Heilpädagog*innen, Physio- und Ergotherapeut*innen. Eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern und später mit betreuenden Einrichtungen ist wichtig, um die individuellen Stärken und Fähigkeiten der Kinder bestmöglich zu fördern.

Williams-Beuren-Syndrom: Prognose und Lebenserwartung

Die Lebenserwartung von Menschen mit Williams-Beuren-Syndrom kann bei guter medizinischer Betreuung weitgehend normal sein. Entscheidend ist, ob relevante Begleiterkrankungen auftreten, beispielsweise eine ausgeprägte Gefäßverengung oder Störungen des Stoffwechsels. Insbesondere die Verengung der Hauptschlagader kann medizinisch relevant sein und sollte regelmäßig kontrolliert werden.

Die geistige Entwicklung verläuft in der Regel verzögert, kann aber stark variieren. Viele Menschen mit WBS benötigen im Alltag dauerhafte Unterstützung, etwa durch Angehörige, Fördereinrichtungen oder betreutes Wohnen. Gleichzeitig zeigen sie oft soziale Stärken, emotionale Offenheit und eine gute sprachliche Ausdrucksfähigkeit, die ihnen bei der Integration helfen können.