Eine Frau fährt Fahrrad.
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Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie)

Von: Onmeda-Redaktion, Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 19.01.2022

Steißbeinschmerzen kommen relativ selten vor, können aber sehr stark sein und den Alltag belasten. Erfahren Sie mehr über die Ursachen der Schmerzen und wie sie sich behandeln lassen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was sind Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie)?

Unter Steißbeinschmerzen (Fachausdruck: Kokzygodynie) versteht man Schmerzen im untersten Bereich der Wirbelsäule: dem Steißbein. Das Steißbein und/oder die Weichteile dieser Region reagieren mit scharfen, stechenden oder ziehenden Schmerzen, wenn Druck ausgeübt wird.

Dabei müssen die Symptome nicht auf die Steißbeinregion begrenzt sein, sondern können auch bis in den Anal- und Lendenbereich sowie in die Hüfte ausstrahlen.

Häufig nehmen Schmerzen am Steißbein im Sitzen oder auch beim Aufstehen aus einer sitzenden Position zu. Zum Teil machen sie das Sitzen sogar unmöglich.

In manchen Fällen kommt es durch Steißbeinschmerzen auch zu Schmerzen beim Stuhlgang oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.

Die Bezeichnung Kokzygodynie leitet sich von der wissenschaftlichen Bezeichnung der betroffenen Knochengruppe ab: dem Os coccygis. Dazu zählen die Knochen des Wirbelsäulenbereichs, den man auch Steißbein oder Kuckucksbein nennt. Der Wortteil -dynie wiederum bedeutet so viel wie Schmerz.

Steißbeinschmerzen: Ursachen

Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie) können verschiedene Ursachen haben. Weshalb die Schmerzen genau auftreten, lässt sich nicht in jedem Fall sicher feststellen. Frauen sind insgesamt häufiger von Steißbeinschmerzen betroffen als Männer.

Mögliche Auslöser für Steißbeinschmerzen sind winzige Gewebeverletzungen (sog. Mikrotraumata), die über einen längeren Zeitraum entstehen. Solche Mikrotraumata bilden sich unter Umständen bei mechanischen Belastungen wie langem Sitzen (z. B. bei sitzender Tätigkeit), insbesondere auf härteren Unterlagen (wie bei harten Stühlen, hartem Fahrradsattel, Ruderbank).

Aber auch langes Sitzen auf weicheren Unterlagen (etwa auf dem Sofa) kann bei manchen Menschen zu Schmerzen am Steißbein führen.

In der Schwangerschaft kommt es häufig zu Steißbeinschmerzen, wenn sich infolge der hormonellen Veränderungen der knöcherne Beckenring lockert.

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Weitere mögliche Ursachen für Steißbeinschmerzen sind:

  • Steißbeinprellung
  • Steißbeinstauchung
  • überbewegliches oder verrenktes/verlagertes Steißbein
  • Steißbeinbruch
  • Fehlstellungen des Steißbeins
  • Verletzungen im Beckenbereich
  • Lumbalgien (z. B. Hexenschuss)
  • Wurzelreizsyndrom (Lumboischialgie)
  • Bandscheibenvorfall
  • Schleimbeutelentzündung (Bursitis)
  • Steißbeinfisteln
  • Piriformis-Syndrom
  • Entbindungen
  • gynäkologische Erkrankungen
  • Nervenschmerzen (Neuralgie) im Bereich mehrerer Nerven im Steißbeingeflecht (der Nervi anococcygei) – also Schmerzen, die sich auf das Ausbreitungsgebiet derjenigen Nerven beschränken, die die Haut zwischen Steißbein und After versorgen
  • posttraumatische Arthrose (Gelenkverschleiß, der sich einige Zeit nach einer Verletzung einstellen kann)
  • Tumoren im Bereich des Steißbeins
  • chirurgische Eingriffe
  • starkes Übergewicht (Adipositas)

Unter Umständen können Steißbeinschmerzen auch psychosomatische Ursachen haben. Dann lösen psychische Belastungen Steißbeinschmerzen aus, etwa wenn als Folge von anhaltendem Stress der Muskeltonus steigt und zu schmerzhaften Verspannungen beiträgt. Ständiger Schmerz wiederum kann auch die Nerven im betroffenen Bereich empfindlicher werden lassen.

Steißbeinschmerzen: Diagnose

Bei Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie) stellt der Arzt oder die Ärztin in der Regel zuerst einige Fragen zu den genauen Beschwerden. Im Anschluss folgt meist eine körperliche Untersuchung. Druck auf die Steißbeinspitze oder den Übergang von Steiß- und Kreuzbein löst in der Regel eine schmerzhafte Reaktion aus.

Bei einer Röntgenuntersuchung lassen sich bei Menschen mit Steißbeinschmerzen in den meisten Fällen keine Auffälligkeiten am Steißbein feststellen.

Um andere mögliche Ursachen für die Steißbeinschmerzen auszuschließen, können aber bildgebende Untersuchungen wie eine Ultraschalluntersuchung des Beckens, eine Computertomographie (CT) oder eine Magnetresonanztomographie (MRT) für die Diagnose hilfreich sein. Besteht der Verdacht auf eine Entzündung oder einen Tumor, nutzt man für die Untersuchung zudem ein Kontrastmittel, um den Steißbeinbereich noch detaillierter darzustellen.

Steißbeinschmerzen: Behandlung

Um Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie) zu lindern, kommen zur Behandlung häufig mehrere Maßnahmen in Kombination zum Einsatz.

Schmerzmittel

Um die Steißbeinschmerzen erträglicher zu machen, können vorübergehend Schmerzmittel angebracht sein – zum Beispiel Wirkstoffe aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (wie Ibuprofen).

Lokalanästhetika/Glukokortikoide

Gegebenenfalls wird der Arzt oder die Ärztin erwägen, örtliche Betäubungsmittel (Lokalanästhetika) in die betroffene Stelle zu spritzen, um die Schmerzen am Steißbein und in den angrenzenden Weichteilen zu lindern.

Je nach Situation können außerdem Wirkstoffe aus der Gruppe der Glukokortikoide dabei helfen, entzündliche Prozesse in der Steißbeinregion zu hemmen.

Physiotherapie/manuelle Therapie

Bei Steißbeinschmerzen sind physiotherapeutische Maßnahmen (wie Übungen zum Dehnen und Stärken der Muskeln, Massagen und Haltungshinweise) oder auch eine Mobilisation beziehungsweise Manipulation des Steißbeins (z. B. durch eine Manualtherapeutin bzw. einen Manualtherapeuten) oft hilfreich.

Wärme/Kälte

Wärme oder Kälte wirken bei Schmerzen am Steißbein oft lindernd. Was im Einzelfall am besten gegen die Steißbeinschmerzen hilft, müssen Betroffene jedoch ausprobieren.

Lesetipp:Wärme oder Kälte – bei welchen Schmerzen hilft was?

Sitzkissen

Ein weiches Sitzkissen, ein weiches U-förmiges Sitzkissen oder auch ein weicher Sitzkeil mit Aussparung erleichtern bei akuten Schmerzen am Steißbein häufig das Sitzen. Spezielle Kissen dieser Art erhalten Sie zum Beispiel im Sanitätshaus.

Sitzringe helfen hingegen nicht jedem bei Steißbeinschmerzen, da diese unter Umständen zu viel Druck auf das Steißbein ausüben.

Langes Sitzen vermeiden

Langes Sitzen fördert Steißbeinschmerzen unter Umständen. Deshalb kann es helfen, häufiger aufzustehen und herumzulaufen. Schmerzlindernd kann es zudem sein, sich beim Sitzen leicht nach vorn zu neigen.

Schmerzen beim Stuhlgang verringern

Steißbeinschmerzen gehen in manchen Fällen mit Schmerzen beim Stuhlgang einher. Das gilt insbesondere, wenn Betroffene unter Verstopfung leiden. Hier kann es sinnvoll sein, verstärkt auf eine Ernährung zu achten, die den Stuhl weicher macht.

In Absprache mit dem Arzt oder der Ärztin können gegebenenfalls auch Abführmittel zum Einsatz kommen. Diese machen den Stuhl weicher und fördern die Darmentleerung.

Psychotherapeutische Unterstützung

Deutet alles darauf hin, dass die Steißbeinschmerzen psychosomatische Ursachen haben, bietet sich als weiterführende Maßnahme eine Psychotherapie an.

Steißbeinschmerzen: Verlauf

Welchen Verlauf Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie) nehmen, ist von Fall zu Fall verschieden. Meist dauern sie einige Tage bis mehrere Wochen an und heilen dann von selbst aus.

Je nach Ursache (z. B. bei einem Steißbeinbruch) nehmen Schmerzen im Steißbein möglicherweise auch einen chronischen Verlauf und bestehen Monate bis Jahre. In solchen Fällen wird die Behandlung schwieriger.

Steißbeinschmerzen: Vorbeugen

Steißbeinschmerzen kann man nicht im eigentlichen Sinne vorbeugen. Um das Risiko zu verringern, sollten Steißbeinverletzungen (etwa nach einem Sturz) möglichst sofort behandelt werden.

Regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen können außerdem dazu beitragen, etwaige organische Erkrankungen im Beckenbodenbereich früh genug zu erkennen.