#}
  • Sie können sich hier registrieren, um Beiträge zu schreiben. Registrierte Nutzer können sich oben rechts anmelden.

Mutter will mich (30 J.) bevormunden, weil ich draußen barfuß gehen möchte

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Mutter will mich (30 J.) bevormunden, weil ich draußen barfuß gehen möchte

    Guten Tag,

    ich schreibe wegen eines vielleicht bagatellhaft wirkenden Problems, aber es setzt mir psychisch momentan ziemlich zu, das es meine psychosoziale Entwicklung gerade stark behindert.


    --- Vorab ein paar Sätze zu meinen Lebensumständen + familiären Hintergrund, die ihr gern überspringen könnt, wenn euch mein Text zu lang ist:

    Ich lebe am Rande Ostwestfalens in der Vorstadt einer Arbeiterstadt und wohne mit 30 Jahren noch bei meinen Eltern, habe zum Vater einen unterkühlten Kontakt, zur Mutter wegen ihres launisch-sprunghaften Gemüts einen spannungsgeladenen, mal harmonisch, mal zum Wahnsinnigwerden. Seit Ende Oktober 2014 befinde ich mich in verhaltenstherapeutischer Behandlung, da ich u.a. wegen familiären Psychoterrors (Vater war bis vor knapp 2 Jahren Alkoholiker und machte uns zahllose Lebenstage zur Hölle) psychisch erkrankt bin, u.a. an Depressionen, starken Erwartungsängsten, Sozialer Phobie. Momentan geht es langsam mit der Therapie in ganz kleinen Schritten bergauf, da ich mich in bestimmten Situationen ein wenig mehr gegenüber Menschen öffnen kann. Mein Studium musste ich jedoch kurz vor Abschluss wg. psychischer Überforderung abbrechen, habe noch nie gearbeitet und bin grad in der Warteschleife vor meinem ersten Berufsberatungstermins meines Lebens. ---


    Nun zum eigentlichen Thread-Thema:

    - Im April dieses Jahres habe ich das Barfußgehen für mich entdeckt, nachdem ich einen Barfußpark in meiner Stadt aufgesucht und dieses Erlebnis als befreiend empfunden habe. Ich bin von den gesundheitlichen Vorteilen des Barfußgehens überzeugt, habe mit dem Mitgestalter des Barfußparks (der seit 25 Jahren fast ausschließlich barfuß geht und auch Führungen dazu veranstaltet) sogar ein längeres Gespräch geführt und besuchte den Barfußpark regelmäßig.
    Da ich seit Ende September nicht mehr Student bin, ist die Anreise zum Park jedoch finanziell etwas problematisch und ich möchte das Barfußgehen auch auf die direkte Umgebung meines Wohnortes ausdehnen, quasi im Sinne von "Die ganze Welt ist ein Barfußpark". Außerdem ist es für mich eine hervorragende Konfrontationsübung, um mehr Selbstsicherheit zu erlangen und mich meinen Erwartungsängsten zu stellen, "was denn die anderen von mir denken könnten".

    - Seit einigen Tagen versucht jedoch meine Mutter, mit der ich gezwungenermaßen noch unter einem Dach lebe, mir mein Vorhaben zu verleiden: Sie setzt mich psychisch unter Druck, verweist darauf, dass das krank und unnormal sei, da ich dann der Einzige hier von Tausenden sei, der so etwas mache.
    In einer größeren Stadt, wo andere das machen, könne man das machen, aber doch nicht hier. Was sollen denn die Nachbarn von mir denken? Was solle sie denn dann den Nachbarn sagen, wenn sie sie auf meine Barfüßigkeit ansprechen? Außerdem könne man das nur im Sommer machen, aber doch nicht im Herbst. Das sehe bescheuert aus, lange Hosen und oben lange Kleidung und unten keine Schuhe. Ich würde mich lächerlich machen und solle bitte damit aufhören, da ich sie damit krank mache.
    Dieses Gerede stresst mich psychisch sehr und vermiest mir die Freude daran, barfuß nach draußen zu gehen. Ich fühle mich dadurch bevormundet wie ein kleines Kind.

    Alle positiven Argumente für das Barfußgehen wiegelte sie ab, obwohl ich mit meinem Barfußgehen doch im Vergleich zu vielen Menschen, die ihre Füße in ungesunde Schuhe stopfen, doch etwas für mich Gutes tue und damit obendrein niemandem schade. Es gibt ja kein Gesetz, wonach Menschen gezwungen wären, Schuhe zu tragen. Selbst das Autofahren ist barfuß legal, obwohl ich davon sowieso nicht betroffen bin, da ich keinen Führerschein besitze.

    Ich möchte euch nun, um mein Menschenbild etwas ins Positive zu rücken, fragen:

    - Würdet ihr es auch für unnormal und krank halten, wenn ihr einen ansonsten unauffällig gekleideten Typen draußen barfuß in der Stadt sehen würdet?

    - Findet ihr, dass sich jemand lächerlich macht, wenn er barfuß draußen unterwegs ist, obwohl er selbst gar nicht darunter leidet?

    - Wie kann ich den Einfluss meiner Mutter auf meine Psyche herunterschrauben, damit ich auch hinsichtlich meiner Therapie nicht wieder in ein Loch falle und meine Selbstsicherheit weiter stärken kann?


    Bei den bisherigen Temperaturen über 10 Grad friere ich barfuß übrigens überhaupt nicht, im Gegenteil wärmt es mich sogar auf, da ich ja nicht starr herumstehe, sondern mich bewege. Ich fühle mich dadurch abgehärteter und sehe das Barfußgehen als eine Art gesunden Alltagssport, der nichts kostet und mich wach hält für die Reize um mich herum.
    Außerdem bin ich im bayerischen Ingolstadt schon mal 4 Tage am Stück barfuß unterwegs gewesen, in Geschäften (Drogerien, Supermärkte, Buchhandlungen ... ) und habe noch kein negatives Feedback erhalten.

    Auch in meiner Stadt war ich schon barfuß in der Stadt (sogar im Bus) und erhielt sogar von einigen sporttreibenden Männern positive Resonanz. In einem Forum von erfahrenen Barfußgehern tauschte ich mich auch schon aus und weiß also, warum ich das tue und was ich beachten sollte. Zudem bestärkte mich das Buch "Auf freiem Fuß" von Sabrina Fox, die auch im Alltag barfuß unterwegs ist.

    Hier ein schönes und sehr lesenswertes Plädoyer von ihr für das Barfußgehen:
    http://sabrinafox.com/warum-ich-barfuss-gehe/


    Ich hoffe, ihr könnt auf meine Fragen kurz eingehen und mir helfen, den negativen Einfluss meiner Mutter irgendwie zu kompensieren.


    Mit besten Grüßen,

    Elis





  • Re: Mutter will mich (30 J.) bevormunden, weil ich draußen barfuß gehen möchte

    Hi

    - Würdet ihr es auch für unnormal und krank halten, wenn ihr einen ansonsten unauffällig gekleideten Typen draußen barfuß in der Stadt sehen würdet?
    Nein, wir sind in ein starres gesellschaftlichen Korsett gezwängt und so etwas wie Barfußgehen sind die kleinen Freiheiten, die man sich nehmen noch darf.

    Sicher ist es ein Unterschied ob du das in einer Großstadt machst, oder in einem Dorf, wo die "Macken" der Mitmenschen viel weniger akzeptiert und argwöhnischer beobachtet werden.
    Da muss man drüber stehen und der einzige Grund warum deine Mutter so reagiert ist ihre Angst das "sie selber" in ein schiefes Licht rücken könnte, sie sagt das nicht weil sie Angst um dich hat, denn da sie weiß das es dir wichtig ist und gut tut sollte sie dich doch eher unterstützen, als dich noch mehr zu belasten.

    Versuch das weitgehend zu ignorieren, sag einfach der Arzt hats verordnet, oder deine Schuhe müssen geschont werden.
    Versuch ihre Argumente mit Humor und Gleichmut abzuschmettern, wenn du eine Zeit lang barfuß gegangen bist, dann wird sie sich dran gewöhnen und wenn ihre Sticheleien immer nur an dir abprallen wird sie auch irgendwann keine Lust mehr haben etwas zu sagen nur um damit wieder ins Leere zu laufen.
    Wenn dich Nachbarn darauf ansprechen dann reagiere auch humorvoll, sag etwas das sie zum lächeln bringt und schon wird das Ganze auf sie einen wesentlich sympathischeren Eindruck machen.

    In meinem Umkreis ist einer jahrzehntelang vollkommen nackt herum gelaufen, zu jeder Jahreszeit, nur im tiefsten Winter hat er sich ein paar Sandalen angezogen.
    Der war stadtbekannt und nach einer gewissen Gewöhnungsfrist haben sich die Leute gefreut wenn sie ihn gesehen haben, sich Sorgen gemacht wenn er eine Weile nicht zu sehen war und sind auf die Barrikaden gegangen wenn ihm irgendwo der Zutritt verweigert wurde, weil er nackt war.
    Er ist zu einem allseits beliebten Wahrzeichen des Stadtviertels geworden, zwar anders als die meisten Menschen aber doch gemocht weil er eben genau das repräsentierte was sich jeder gerne mal trauen würde: Sich von auferlegten Zwängen zu befreien und zu tun wonach einem ist.

    Ich denke aber das es wichtig ist, das du dich von deiner Mutter abnabelst.
    Hole dir Unterstützung vom Amt bei der Wohnungssuche und sicher bekommst du da auch Zuschüsse, oder volle Kostenübernahme, wenn du was gefunden hast und ausziehst.

    Kommentar


    • Re: Mutter will mich (30 J.) bevormunden, weil ich draußen barfuß gehen möchte

      - Würdet ihr es auch für unnormal und krank halten, wenn ihr einen ansonsten unauffällig gekleideten Typen draußen barfuß in der Stadt sehen würdet?

      - Findet ihr, dass sich jemand lächerlich macht, wenn er barfuß draußen unterwegs ist, obwohl er selbst gar nicht darunter leidet?

      - Wie kann ich den Einfluss meiner Mutter auf meine Psyche herunterschrauben, damit ich auch hinsichtlich meiner Therapie nicht wieder in ein Loch falle und meine Selbstsicherheit weiter stärken kann?
      Hallo Elis,

      zu erstens: Im ersten Moment eventuell etwas merkwürdig und ungewohnt, aber keinesfalls unnormal oder krank.

      Zu zweitens: Mittlerweile nicht mehr. Es gab Zeiten, da habe ich in Ansätzen so gedacht. Aber meine eigene Erkrankung und die Beschäftigung mit der Psychologie und dem Selbst hat mir da die Augen geöffnet: Solange Du nicht darunter leidest oder besser noch, Dich dabei wohlfühlst - warum solltest Du Dich lächerlich machen? Du kannst Dich nur lächerlich machen, wenn Du Dich lächerlich fühlst - was der Rest der Welt denkt, kann Dir egal sein.
      Deine eigene Erfahrung aus Ingolstadt dürfte Dir sogar gezeigt haben, daß Du Dich damit nicht lächerlich machst.

      Zu drittens: Geduld, Gelassenheit, Durchhalten, Nicht-einknicken, Nicht-nachgeben. Behaupte Deinen Standpunkt, mache ihr jedes Mal wieder klar, daß es Dir wichtig ist damit. Halte Du Dir gleichzeitig vor Augen, daß Deine Mutter eben auch ein Individuum mit eigenen Ängsten und Sorgen ist und sie dazu auch das Recht hat (!). Entscheidend ist allerdings, daß sie Dir nicht ihre Sicht der Dinge aufindoktriniert: Sie darf ihre eigene Meinung haben, ebenso wie Du, aber sie darf nicht erwarten, daß Du ihrem Willen folgst - erst recht nicht mit 30. Je nachdem, wie gut Du das hinbekommst, kannst Du ihr das auch versuchen, klipp und klar so zu sagen: "Mama, ich habe es verstanden, und Du hast da Deine eigene Meinung zu. Die ist auch vollkommen in Ordnung. Aber ich sehe das anders, und das ist auch in Ordnung. Deshalb sei so nett und bring das Thema nicht mehr dauernd auf den Tisch, ok? Du lebst so, wie Du es möchtest, ich lebe so, wie ich es möchte."

      Ist zugegebenermaßen nicht ganz so einfach, solange da noch eine Form der Abhängigkeit besteht. Und Blut ist ohnehin immer dicker als Wasser...
      Aber es hilft nichts: Bei aller Familien- und Nächstenliebe ist jeder von uns auch Mensch und Individuum, und als solcher hat man Rechte.


      Ich stimme Tired zu, daß ein Auszug aus der elterlichen Wohnung Deinen Abstand da nur begünstigen kann! Das wäre in jedem Fall ein konkreter Schritt in die richtige Richtung, den ich an Deiner Stelle baldmöglichst anleiern würde.

      Bis dahin nicht unterkriegen lassen, okay? Du machst das genau richtig: Du lebst Dein Leben so, wie Du es für richtig hältst.

      Kommentar


      • Re: Mutter will mich (30 J.) bevormunden, weil ich draußen barfuß gehen möchte


        - Würdet ihr es auch für unnormal und krank halten, wenn ihr einen ansonsten unauffällig gekleideten Typen draußen barfuß in der Stadt sehen würdet?

        - Findet ihr, dass sich jemand lächerlich macht, wenn er barfuß draußen unterwegs ist, obwohl er selbst gar nicht darunter leidet?

        - Wie kann ich den Einfluss meiner Mutter auf meine Psyche herunterschrauben, damit ich auch hinsichtlich meiner Therapie nicht wieder in ein Loch falle und meine Selbstsicherheit weiter stärken kann?



        Zu Ihren Fragen: ganz einfach - alles in Ordnung aus Ihrer Sicht. Und dass Barfußgehen gesund ist, kann ich Ihnen als Mediziner ausdrücklich bestätigen.

        Ihrer Mutter Bedenken "wegen der Nachbarn" kann man natürlich verstehen, aber das ist nicht Ihre Sache.
        Seien Sie selbstbewusst, nehmen Sie es heiter - mit ein wenig Ironie, wenn Sie das schaffen. Auf jeden Fall nützt keinem Konfrontation.
        Vermitteln Sie Ihrer Mutter das Gefühl, dass Sie sie verstehen, aber Ihr eigenes Leben leben werden.

        Kommentar



        • Re: Mutter will mich (30 J.) bevormunden, weil ich draußen barfuß gehen möchte

          Hallo Tired,
          hallo Alex,
          hallo Herr Dr. Riecke,


          ich danke euch bzw. Ihnen sehr für die freundlichen und hilfreichen Rückmeldungen. :-)

          Eure Beiträge haben mir wirklich sehr gut getan und mich aufgemuntert und motiviert, weiterhin zu mir selbst und meinen Überzeugungen bzw. Interessen zu stehen.

          @ Tired:

          "Da muss man drüber stehen und der einzige Grund warum deine Mutter so reagiert ist ihre Angst das "sie selber" in ein schiefes Licht rücken könnte [...]"

          Das ist wirklich wahr und ich bin erstaunt, wie sehr sich ein Mensch betroffen fühlen kann, nur weil jemand Verwandtes barfuß geht. Als wäre man ein Schandfleck, weil man sich nicht anpasst und tut, was alle anderen tun. (Abgesehen davon sehen viele Schuhe in meinen Augen unmöglich aus, aber das ist ja auch nur ein subjektives Werturteil).
          Dabei ziehen die meisten Menschen ihre Schuhe vermutlich meist nur aus Gewohnheit und Mode an und weniger aus dem Grund, weshalb sie erfunden wurden. Schuhe werden gar nicht infrage gestellt, sie werden einfach selbstverständlich angezogen, ohne nachzuspüren, ob man sich damit wirklich besser fühlt, als wenn man sie nicht trüge.

          Danke dir außerdem für deinen Rat, es mit Gleichmut zu probieren, das hat gestern auf Anhieb gut geklappt und ich bin ganz ruhig geblieben, ohne argumentativ auszuholen und ging aus der Wohnung, obwohl meine Mutter es mitbekam und mich dann aus dem Haus gehen sah. Ich kaufte kurz eine Kleinigkeit ein, machte einen schönen Herbstspaziergang bei angenehm milden Wetter und ging zurück nachhause. Dort angekommen hat meine Mutter mir dann nur mitgeteilt, dass sie sich erstmal dachte, sich an diesen Anblick nicht gewöhnen zu können und es selbst nie nachahmen würde, sich vielleicht aber mit der Zeit damit arrangieren könne. Diese Reaktion hat mich sehr überrascht, aber immerhin mal ein positives Zeichen. Ich sagte ihr auch, sie brauche sich keine Sorgen machen, da ich den Nachbarn schon erklären würde, warum ich das tue, falls mich jemand darauf anspricht.
          (Meinem Vater könnte ich das allerdings nicht ansatzweise erklären, da er mich schon anmaulte, als ich nur einmal ganz kurz barfuß den Müll rausbrachte. Daher kann ich das Haus barfuß nur verlassen/betreten, wenn mein Vater nicht zuhause ist.)

          Zitat Tired:
          "Er ist zu einem allseits beliebten Wahrzeichen des Stadtviertels geworden, zwar anders als die meisten Menschen aber doch gemocht weil er eben genau das repräsentierte was sich jeder gerne mal trauen würde: Sich von auferlegten Zwängen zu befreien und zu tun wonach einem ist."


          Das ist für mich ein prima Beispiel dafür, wie aus anfänglicher Ablehnung aufgrund Konfrontation mit dem Unbekannten plötzlich eine Art Faszination entstehen kann. Nahezu alle Menschen haben aus meiner Sicht ein Potential, ganz anders zu leben, als sie es bisher taten, welches jedoch eben wie du schon sagst durch ein gesellschaftliches Korsett eingedämmt wird. Man versucht sich quasi gegenseitig zu bestätigen, indem man sich anpasst, um von der Gemeinschaft nicht verstoßen zu werden. Da ich jedoch sowieso sozial nicht integriert bin und hier in meinem Wohnort keine Freunde habe, spüre ich diese Verlustangst vermutlich nicht so. Vielmehr trennt sich so quasi die Spreu vom Weizen bzw.: Menschen, die mich wegen meines Barfußgehens ablehnen und lächerlich, kommen für mich als potentielle Freunde ohnehin nicht in Frage.


          @Alex:

          "Solange Du nicht darunter leidest oder besser noch, Dich dabei wohlfühlst - warum solltest Du Dich lächerlich machen? Du kannst Dich nur lächerlich machen, wenn Du Dich lächerlich fühlst"

          Ein schöner Satz, vor allem der zweite. Dem stimme ich vollkommen zu und um diese Selbstsicherheit, so in sich ruhen zu können, ringe ich mit mir selbst. Das hat etwas Stoisches, wenn man potentieller Ablehnung mit Gleichmut begegnen kann. Das hast du auch unter "drittens" gut ausgeführt. Man braucht einfach einen langen Atem, wenn man etwas tun möchte, was andere als völlig seltsam ansehen, bis man sich von dieser gefühlten Ablehnung von außen nach und nach freimachen kann.

          "Bis dahin nicht unterkriegen lassen, okay? Du machst das genau richtig: Du lebst Dein Leben so, wie Du es für richtig hältst."

          Okay :-)

          PS:
          Dein Rat (ebenso wie der von Tired), sich von der elterlichen Wohnung zu befreien, ist wirklich überfällig. Ich habe leider noch ziemliche Behördenangst und keinen Plan, wie ich meinen Lebensunterhalt finanzieren soll. Hoffentlich kann ich da irgendwas in die Wege leiten, wenn ich den Erst-Termin bei der Reha-Berufsberaterin von der Arbeitsagentur bekomme. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie man ohne Einkommen eine eigene Wohnung bekommt.


          @Dr. Riecke:

          Vielen Dank auch für Ihren Rat und die wohlwollenden Worte. Ironie und Heiterkeit sind sicherlich sehr nützliche Strategien, vor allem im Umgang mit Unbekannten, weswegen ich auch immer versuche, Leute anzulächeln, um einer möglichen ablehnenden Haltung entwaffnend freundlich zu begegnen. Gestern ist mir das auch gelungen, eine Frau im Park, die gerade mit ihrem kleinen Kind auf dem Arm spielte, grüßte mich herzlich zurück und schien nicht im Geringsten irritiert über mich zu sein.


          Mit besten Grüßen,

          Elis

          Kommentar


          • Re: Mutter will mich (30 J.) bevormunden, weil ich draußen barfuß gehen möchte

            "..und keinen Plan, wie ich meinen Lebensunterhalt finanzieren soll. "

            Aus Ihren Beiträgen sprechen Intelligenz und Einfühlungsvermögen.
            Woran liegt es denn, dass Sie mit 30 Jahren Ihren Lebensunterhalt noch nicht allein verdienen können?

            In der virtuellen Anonymität eines Forums darf man solche Fragen sicher stellen...

            Kommentar


            • Re: Mutter will mich (30 J.) bevormunden, weil ich draußen barfuß gehen möchte

              Hallo Herr Riecke,

              danke für Ihre Nachfrage und ihre schmeichelnden Worte. (Im Alltag wäre ich viel zu aufgeregt, um das rhetorisch so auf die Reihe zu bekommen.)

              Die Beantwortung ihre Frage ist für mich eigentlich so komplex, dass ich es nur anreißen kann, um damit das eigentliche Thema des Threads nicht völlig zu sprengen.

              Die wesentlichen Gründe sind zunächst meine Angst vor Kritik und Ablehnung und folglich Versagensangst im Allgemeinen, da ich kein Vertrauen darin habe, aus eigener Kraft heraus etwas vollständig gut im Sinne von gelungen zu machen. Man nennt das wohl heutzutage mangelnde "Selbstwirksamkeitserwartung".

              Zudem wäre da ein mir unerklärliches Distanz- und Entfremdungsgefühl gegenüber anderen Menschen, weswegen ich auch nur zu einer einzigen, jedoch hunderte Kilometer entfernt lebenden Freundin bezogen bin. An meinem Wohnort habe ich keinerlei Freunde und erst seit meiner Verhaltenstherapie versuche ich, Menschen gegenüber etwas aufgeschlossener aufzutreten. Ich besuchte ab und an Cafes, führt hier und da ein Gespräch, um meine soziale Phobie irgendwie zu therapieren.

              Ein weiteres zentrales Problem ist ein starkes Mangelgefühl dahingehend, dass ich kein intrinsisches Interesse verspüre, irgendetwas "aus meinem Leben zu machen", wie man so schön sagt. Die Menschen in meiner Umwelt wirken - abgesehen von einigen Obdachlosen - irgendwie so betriebsam und ich habe immer das deprimierende Gefühl, dass ich kein wirkliches Ziel habe, welches ich anstreben würde.
              Ich fühle mich identitäts- und heimatos, obwohl ich auch einige Interessen und Überzeugungen hege. Doch ich fühle mich außerstande, irgendwie "Ernst zu machen", da ich mich total verängstigt fühle, wie man diese "Erwachsenen-Angelegenheiten" angeht. Wegen meiner Behördenangst habe ich auch z.B. erst mit 19 meinen ersten Personalausweis beantragt und mit meiner Freundin erst mit etwa 24 Jahren ein Sparkassenkonto eröffnet, da ich vor solchen Angelegenheiten immer schon Angst hatte.

              Die Ursachen für all diese Unzulänglichkeiten liegen mit Sicherheit zu einem Großteil in der prägenden Kindheitsphase, da ich es immer mit einem tyrannischen, unberechenbaren Vater hatte, der unsere Familie psychisch terrorisiert und mich auch einige Male ins Gesicht geschlagen hat. Außerdem hat meine Mutter ihn trotz aller Alkohol-Exzesse immer gedeckt und meinen Wunsch, sich von ihm zu trennen oder zumindest irgendeine Hilfe einzuschalten, immer ignoriert und abgewiesen.

              Ob dazu eine genetische Ursache oder dergleichen kommt, kann ich leider nicht sagen, da ich es schlichtweg nicht weiß. Ich fühle mich wie zum Scheitern verdammt. Am schlimmsten ist es, dass es nie eine Person in meinem Leben gab, die mir wirklich Mut gemacht hätte oder die mich wirklich ernst nimmt und mir bei den wirklich wichtigen Lebensaufgaben helfen würde. Ich fühle mich wie ein Opfer, das auf Erlösung wartet. Auch wenn ich weiß, dass es diese nie geben wird und die einzige Gewissheit ist, dass jeder Mensch irgendwann einmal sterben muss.

              @Elektraa:
              "Noch lebst du in keiner Weise eigenständig, selbstversorgend, autonom und machtvoll auf deinem , von dir geschaffenemTerritorium.
              Es wäre VORHER, bevor du DEINE Spleens ausarbeitest- (seien sie noch so lebenswert für dich) mal dran, dich ganz manierlich unterzuordnen."

              - Ich beabsichtige aber nicht, irgendjemanden mit Spleens zu belästigen und sehe Barfußgehen auch nicht als Spleen an, da ich Belege dafür anführen, warum das für mich einen positiven Sinn ergibt, welcher sich nicht in Spleenhaftigkeit erschöpft. Das Barfußgehen ist für mich genau ein Bestandteil dieser Autonomie, die du als unverzichtbar anführst.
              Neurotisch wäre für mich eher, wenn ich weiterhin mein Vermeidungsverhalten aufrechterhalte (wogegen auch mein Therapeut wäre) und meine Ängste nähre. Mit dem Barfußgehen hingegen habe ich eine sehr gute Möglichkeit, Gesundheitsbewusstsein mit Angstkonfrontation zu verbinden.


              "Lerne feste und strebe nach großem Erfolg und wenn du das kleine Elis-Kind erwachsen gemacht hast, dann lass es barfußlaufen, so viel es will."

              - Wie obig bereits erwähnt: Zum Erwachsenwerden gehört für mich die Wiedererlangung von Autonomie dazu. Ich versuche, der zu werden, als der ich mich am authentischsten empfinde. Wenn ich hingegen meinen Wunsch, meine Überzeugung auszuleben, unterdrücke, fühlt sich das wie innerer Verrat an und setzt mich unter Stress und Niedergeschlagenheit inklusive Versagensgefühle. Ich übertreibe wirklich nicht, meine Freundin kennt diese Art von mir nur zu gut, da ich schnell die Kontrolle verliere und mich als scheiternd empfinde.

              Abgesehen davon:

              Meine Eltern haben mir psychisch trotz aller materieller Fürsorge so unglaublich viel Leid zugefügt, dass es sich für mich wie völlige Selbsterniedrigung anfühlte, mich ihren Interessen komplett unterzuordnen. Meine Mutter mag auch nicht, dass ich meinen Jackenkragen nie aufstelle und neckt mich immer damit. Soll ich nun ihr zuliebe meinen Kragen hochstellen im Sinne des häuslichen Friedens?
              Ich musste u.a. mitten in meiner Abiturprüfungsphase nachts mit dem alkoholisch getränkten Psychoterror meines Vaters zurechtkommen und will mir deshalb heute nicht meine Überzeugungen von meinen Eltern diktieren lassen. Die einzige Abhängigkeit ist das Geld, nicht das Blut.

              Was das Fallbeispiel Barfußgehen anbelangt: Ich bin sehr reinlich, bringe keinen Dreck in die Wohnung, wasche mich sofort nachdem ich nachhause komme und dergleichen.

              "Niemandem würde einfallen, sich in eine Schwimmhalle zu begeben mit Straßenschuhen, aber du willst weis machen, das muss möglich sein."

              Nun ja, für Straßenschuhe in Schwimmhallen lassen sich nur schwerlich plausible, vernünftige Gründe anführen. Daher hinkt hier aus meiner Sicht der Vergleich mit dem Barfußgehen.


              Mit besten Grüßen,

              Elis

              Kommentar



              • Re: Mutter will mich (30 J.) bevormunden, weil ich draußen barfuß gehen möchte

                Elis, ich bin mir auf jeden Fall sicher das sich jeder an ungewöhnliche Anblicke gewöhnt sofern sie regelmäßig sind.
                Erst wird sich aufgeregt, dann wird es zähneknirschend toleriert da man eh nichts dagegen machen kann, dann steht dem gelassen gegenüber und irgendwann würde man es auch vermissen.
                Nur wer es gewohnt ist immer seinen Kopf durchzusetzen, kommt mit solchen Besonderheiten nicht so einfach klar, aber das liegt dann weniger an den Besonderheiten, als viel mehr daran das man nicht den gewohnten Willen bekommt.

                Dein Beitrag hat eine Erinnerung aus meiner Kindheit aktiviert, da war mein Bruder der Sonderling.
                Er ist auch nur barfuß aus dem Haus und niemals ohne Zylinder auf dem Kopf, ein sehr lustiges Bild und auch peinlich für die Erziehungsberechtigten.;-)
                Wenn wir schick Essen gegangen sind, dann wurde zur Bedingung gemacht das zumindest der Zylinder zuhause bleibt, ansonsten fällt das Essen für meinen Bruder aus.
                Er hat sich da nicht erpressen lassen und irgendwann hat sich auch keiner mehr aufgeregt, im Gegenteil, es wurde geschaut das er ja seinen Zylinder nicht daheim vergisst, da man sonst nochmal umkehren musste um ihn zu holen, das war ärgerlicher als der nun gewohnte Anblick.:-)

                Kommentar

                Lädt...
                X