HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP)
Die HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) ist eine Notfallbehandlung, die das Risiko einer möglichen HIV-Infektion um bis zu 80 Prozent senken kann. Diese Notfallmaßnahme ist sinnvoll, wenn das begründete Risiko einer HIV-Übertragung besteht – etwa nach einer Kondompanne mit einem HIV-positiven Partner. Eine Alternative für Safer Sex ist die Postexpositionsprophylaxe jedoch nicht!
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Überblick
Mit der Postexpositionsprophylaxe sollten Sie so früh wie möglich nach einer anzunehmenden HIV-Infektion beginnen. Bis zu 48 Stunden nach dem Vorfall kann noch mit einer HIV-PEP begonnen werden, besser jedoch innerhalb der ersten 2 Stunden. Begeben Sie sich deshalb am besten so rasch wie möglich – auch nachts – in die HIV- oder Notfallambulanz einer Klinik oder in eine HIV-Schwerpunktpraxis.
Im Rahmen der Postexpositionsprophylaxe nehmen Sie vier Wochen lang eine Kombination aus zwei bis drei Medikamenten ein. Der Erfolg der HIV-PEP muss nach dieser Zeit mit einem HIV-Test geprüft werden. Danach folgen im Abstand von jeweils vier Wochen noch drei weitere Tests. Fallen alle diese Tests negativ aus – sind also keine HI-Viren nachzuweisen – konnte eine HIV-Infektion verhindert werden.
Besteht nach Ansicht des Arztes beim Betroffenen kein HIV-Infektionsrisiko, darf der Arzt die Durchführung einer Postexpositionsprophylaxe auch ablehnen. Die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht verpflichtet, die Nebennierenhormonmangel für die HIV-PEP zu übernehmen – tut dies jedoch in vielen Fällen dennoch ganz oder teilweise. Je nachdem kann es also möglich sein, dass Sie die Kosten selbst tragen müssen.
Wann ist eine HIV-PEP angebracht?
Eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) ist angebracht, wenn:
- beim Sex mit einem HIV-positiven Partner beim Vaginal- oder Analverkehr das Kondom geplatzt, gerissen oder abgerutscht ist bzw. im Eifer des Gefechts vergessen wurde.
- ungeschützter Oralverkehr stattgefunden hat und die Samenflüssigkeit des HIV-positiven Partners in die Mundhöhle gelangt ist.
- beim Drogengebrauch das Spritzenbesteck mit einem HIV-positiven Partner geteilt wurde.
- sich bei Bluttransfusionen oder Organtransplantationen herausstellt, dass das verwendete Material HIV-positiv war.
- es im beruflichen Alltag zu einem Zwischenfall kommt, bei dem eine HIV-Infektion zu befürchten ist (wie z.B. einer Stichverletzung mit einer frisch benutzen Kanüle eines HIV-positiven Patienten).
Ist unklar, ob der Sexualpartner HIV-positiv ist und deshalb ein Infektionsrisiko besteht, sollte dieser möglichst im Krankenhaus einen HIV-Schnelltest machen. Bei solch einem Schnelltest hat man das Ergebnis bereits nach ein bis zwei Stunden und könnte mit einer Postexpositionsprophylaxe noch rechtzeitig beginnen.
Beginn der HIV-Postexpositionsprophylaxe
Besteht eindeutig ein Risiko, dass es zu einer HIV-Infektion gekommen sein könnte, sollten Sie so rasch wie möglich mit der HIV-Postexpositionsprophylaxe beginnen. Denn je früher Sie damit beginnen, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Die ersten PEP-Medikamente sollten Sie innerhalb der ersten 48 Stunden nach dem Risikokontakt einnehmen, idealerweise jedoch innerhalb der ersten 2 bis 24 Stunden. Sind mehr als 72 Stunden vergangen, wird eine Postexpositionsprophylaxe im Allgemeinen nicht mehr begonnen. Nur in Ausnahmefällen wird sie auch nach diesem Zeitraum empfohlen, zum Beispiel wenn sich herausstellt, dass ein Patient HIV-positive Blutkonserven erhalten hat.
Dauer der HIV-Postexpositionsprophylaxe
Die Medikamente der HIV-Postexpositionsprophylaxe müssen Sie über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen einnehmen. Achten Sie darauf, dass Sie die Tabletten regelmäßig und genau wie vorgeschrieben einnehmen.
Danach überprüft der Arzt mit einem HIV-Test den Erfolg der Postexpositionsprophylaxe und wiederholt den Test weitere dreimal im Abstand von jeweils vier Wochen. Erst wenn alle diese Tests negativ ausfallen, steht sicher fest, ob man eine HIV-Infektion verhindern konnte.
Wie funktioniert die HIV-PEP?
Hält der Arzt eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) für angebracht, erhalten Sie eine Medikamenten-Kombination aus mindestens zwei verschiedenen Wirkstoffen. Diese Wirkstoffe sind virenhemmende Mittel und sollen die Virenzahl im Körper verringern. Dadurch hat das Immunsystem bessere Chancen, die mögliche HIV-Infektion zu bekämpfen.
In der Regel kommen zwei verschiedene Arten von Medikamenten zum Einsatz:
- Reverse-Transkriptase-Hemmer und
- HIV-1-Proteasehemmer.
Wirkstoffgruppe/Reverse-Transkriptase-Hemmer verhindern, dass die HI-Viren die Zellen des Betroffenen "umprogrammieren" und diese dazu bringen, neue HI-Viren zu produzieren. Eine typische Kombination solcher Reverse-Transkriptase-Hemmer sind zum Beispiel die Wirkstoffe Lamivudin und Zidovudin oder Tenofovir und Emtricitabin.
Als drittes Medikament kommt häufig ein Wirkstoffgruppe/HIV-1-Proteasehemmer hinzu. Das sind Wirkstoffe, die ein spezielles Enzym des HI-Virus blockieren: die sogenannte HIV-1-Protease. Diese Wirkstoffe verhindern, dass HIV-befallene Zellen, die bereits umprogrammiert worden sind, neue Virusteile herstellen. Auch dies erschwert eine Vermehrung der HI-Viren beziehungsweise verringert das Risiko, dass die HI-Viren weitere Zellen befallen können.
HIV-Übertragung: Risiken
Eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) kann die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion nach einem Risikokontakt um circa 80 Prozent senken. HIV wird vor allem durch Körperflüssigkeiten wie Blut, Samen- oder Vaginalflüssigkeit übertragen. In diesen Flüssigkeiten ist die Virenzahl besonders hoch – und damit auch die Infektionswahrscheinlichkeit. Küssen oder das gemeinsame Trinken aus einem Glas ist dagegen ungefährlich.
Ob eine HIV-Übertragung stattfindet, hängt aber von mehreren Faktoren ab, wie zum Beispiel:
- der Menge der HI-Viren, die in den Körper des Betroffenen gelangen – je mehr es sind, desto wahrscheinlicher ist eine Infektion.
- bestimmten Eigenschaften der HI-Viren: Manche haben eine höhere Virulenz als andere, das heißt, sie sind gewissermaßen aggressiver und führen eher zu einer Infektion.
- dem Gesundheitszustand des Betroffenen. Ist das Immunsystem bereits geschwächt (z.B. durch eine andere Erkrankung), ist das Risiko einer HIV-Infektion höher.
- auf welche Art es zu einer HIV-Übertragung gekommen ist (z.B. Stichverletzung mit einer Spritze, ungeschützter Geschlechtsverkehr, ...).
Wie hoch das Risiko für eine HIV-Infektion durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem HIV-positiven Partner genau ist, ist schwer abzuschätzen. Ein einziger Risikokontakt kann ausreichen, um zu einer HIV-Infektion zu führen. Andererseits muss es auch nach jahrelangem ungeschütztem Verkehr mit einem HIV-positiven Partner nicht zu einer Übertragung kommen. Statistisch gesehen geht man von 1 bis 10 Infektionen pro 1.000 Risikokontakten aus.
Rangfolge der Übertragungswege, bei denen die Gefahr einer HIV-Infektion besteht (Infektionswahrscheinlichkeit nimmt von Platz 1 nach 4 ab) |
1. Teilen von Spritzbestecken mit HIV-positiven Drogenabhängigen. |
2. Ungeschützter empfangender Analverkehr mit HIV-positivem Partner |
3. Ungeschützter eindringender Analverkehr oder empfangender / eindringender Vaginalverkehr mit HIV-positivem Partner |
4. Oralsex, wenn Sperma in den Mund gelangt |
Außerdem gibt es Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr erhöhen können, wie zum Beispiel:
- bestehende Geschlechtskrankheit, wie
- Gonorrhö (Tripper)
- Trichomonaden-Infektion
- Chlamydien-Infektion
- Genitalherpes (Herpes genitalis)
- unbeschnittener Penis (Vorhaut noch vorhanden)
- hohe Virenzahl (sog. Viruslast) im Blut des HIV-positiven Sexualpartners
Nebenwirkungen
Während einer HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) kann es zu Nebenwirkungen kommen. Bei ansonsten gesunden Menschen sind diese jedoch in der Regel gering und hören wieder auf, sobald die Einnahme der Medikamente beendet ist.
Mögliche Nebenwirkungen einer HIV-PEP sind zum Beispiel:
Schwangere, Stillende und Diabetiker
Bei manchen Personengruppen muss vor einer HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) einiges berücksichtig werden:
- Bei Frauen, die keine sichere Verhütung praktizieren, darf eine Postexpositionsprophylaxe zwar begonnen werden, es muss jedoch ein Schwangerschaftstest gemacht werden, um sicherzugehen, dass keine Schwangerschaft vorliegt.
- Prinzipiell kann auch bei Schwangeren eine HIV-Postexpositionsprophylaxe begonnen werden. Hier ist jedoch wichtig, dass Wirkstoffe gewählt werden, die das Ungeborene möglichst nicht gefährden. Der Arzt muss die Schwangere über mögliche Nebenwirkungen und Risiken informieren.
- Die bei der HIV-Postexpositionsprophylaxe eingenommenen Medikamente gelangen auch in die Muttermilch. Stillende Frauen sollten deshalb für den Zeitraum der HIV-PEP entweder vorübergehend auf das Stillen verzichten oder nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt abstillen.
- Diabetiker sollten während einer HIV-Postexpositionsprophylaxe unbedingt eine enge Überwachung durch den Arzt wahrnehmen, da bei ihnen bei Einnahme eines HIV-1-Proteasehemmers der Stoffwechsel entgleisen kann.
Wo erhält man die HIV-PEP?
Um eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) zu erhalten, begeben Sie sich am besten so rasch wie möglich (innerhalb von 2 bis 48 Stunden) in die HIV- oder Notfallambulanz einer Klinik oder in eine HIV-Schwerpunktpraxis.
Doch nicht alle Kliniken oder Schwerpunktpraxen sind auf eine HIV- Postexpositionsprophylaxe vorbereitet und haben die Medikamente vorrätig beziehungsweise kennen sich damit aus. Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. bietet deshalb im Internet eine Klinik-Suche an, die die Medikamente für eine Postexpositionsprophylaxe vorrätig haben sollten. Auch bei der Telefonberatung der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) können Sie erfahren, wo sich die nächste Spezialambulanz oder -klinik befindet, die eine HIV- Postexpositionsprophylaxe anbietet.
Um keine wertvolle Zeit zu verlieren, sollten Sie in der Klinik deutlich machen, dass Sie eine HIV-PEP wünschen. In vielen Kliniken ist es zudem sinnvoll, gleich nach dem diensthabenden Internisten zu fragen, da dieser sich in der Regel am besten mit der HIV-PEP auskennt.
Am besten bringen Sie Ihren HIV-positiven Partner mit in die Klinik. Je nachdem, welche Blutwerte bei ihm vorliegen und welche Medikamente er einnimmt beziehungsweise eingenommen hat, kann dies ein Hinweis für den Arzt sein, ob eine HIV-Postexpositionsprophylaxe notwendig ist und welche Medikamentenkombination am sinnvollsten ist.
Ist Ihrem Sexualpartner unbekannt, ob er HIV-positiv ist, aber befürchtet er dies begründet, kann ein HIV-Schnelltest Klarheit schaffen. Dieser liefert schon nach ein bis zwei Stunden ein Ergebnis.
Sollen Sie selbst die HIV-Postexpositionsprophylaxe erhalten, wird bei Ihnen ebenfalls zuerst ein HIV-Schnelltest durchgeführt. Das soll sicherstellen, dass nicht bereits eine HIV-Infektion besteht, denn dann wäre eine HIV-PEP ohne Wirkung.
Die Medikamente, die bei einer HIV-Postexpositionsprophylaxe zum Einsatz kommen, sind formal gesehen für diesen Einsatz nicht zugelassen. Damit trotzdem eine Behandlung erfolgen kann, ist der Arzt verpflichtet, Sie darüber zu informieren und von Ihnen eine Unterschrift einzuholen, die besagt, dass man Sie aufgeklärt hat.
Kosten
Kommt es im Beruf zu einem Kontakt mit HIV-infiziertem Material, der eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) erfordert, übernehmen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (also Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen) die Kosten, sofern eine Unfallanzeige erfolgt ist.
In allen anderen Fällen übernimmt in der Regel die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten ganz oder teilweise, sofern tatsächlich das Risiko einer HIV-Infektion besteht. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, die Kosten zu übernehmen. Darüber muss der Arzt den Betroffenen informieren. Die anfallenden Kosten müssen also unter Umständen selbst getragen werden – für eine vierwöchige HIV-PEP wären das etwa 1.500 bis 1.800 Euro.
Im Notfall
Bei Sexpannen
Geht beim Safer Sex mit dem HIV-positiven Partner etwas schief – reißt zum Beispiel das Kondom –, sollten Sie so schnell wie möglich Notfallmaßnahmen ergreifen. Diese Notfallmaßnahmen können das Infektionsrisiko jedoch nur etwas senken. Im Anschluss sollte Sie deshalb so rasch wie möglich (am besten innerhalb von 2 bis 24 Stunden) ein Krankenhaus aufsuchen, um eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (HIV-PEP) zu beginnen.
Notfallmaßnahmen:
- Waschen Sie nach ungeschütztem eindringendem Geschlechtsverkehr den Penis unter fließendem Wasser gut mit Seife ab. Ziehen Sie dabei die Vorhaut zurück und reinigen Sie auch (sanft) die Eichel und die Innenseite der Vorhaut. Üben Sie nicht zu viel Druck auf die Schleimhäute aus, damit Sie diese nicht verletzen und eventuell vorhandenen HI-Viren eine Eintrittspforte bieten.
- Verzichten Sie bei ungeschütztem empfangenden Vaginal- oder Analverkehr auf Scheiden- oder Darmspülungen! Hierbei besteht die Gefahr, dass kleine Verletzungen der Schleimhaut entstehen und HI-Viren leichter eindringen können.
- Haben Sie Samenflüssigkeit eines HIV-positiven Partners in den Mund aufgenommen, spucken Sie diese möglichst rasch aus. Spülen Sie danach den Mund vier- bis fünfmal kurz (circa 15 Sekunden) mit Wasser aus. Das Wasser muss ebenfalls ausgespuckt werden (nicht schlucken).
- Ist Samenflüssigkeit eines HIV-positiven Partners ins Auge gelangt, spülen Sie das Auge so rasch wie möglich mit Wasser aus.
Im Beruf
In manchen Berufen besteht die Gefahr, sich durch das Blut eines HIV-positiven Patienten zu infizieren, etwa im Krankenhaus. Zum Beispiel weil es beim Handhaben einer gerade benutzten Kanüle oder bei einer Blutabnahme zu einer Verletzung der eigenen Haut kommt. Nach so einem Zwischenfall sollten Sie möglichst innerhalb von Sekunden reagieren und Notfallmaßnahmen ergreifen.
Notfallmaßnahmen:
- Fördern Sie nach einer Stich- oder Schnittverletzung den Blutfluss, indem Sie etwa eine Minute lang oder länger auf das umliegende Gewebe drücken, jedoch nicht direkt auf den Einstichbereich. Behandeln Sie die Verletzung danach mit antiseptischen Mitteln oder auch einem Händedesinfektionsmittel. Je nach Hersteller muss dieses einige Sekunden bis Minuten einwirken.
- Ist verletzte Haut oder beschädigtes Gewebe des Auges oder der Mundhöhle mit HIV-infiziertem Material in Kontakt gekommen, reinigen Sie die Haut gründlich mit Wasser und Seife und spülen Sie sie danach intensiv mit einem antiseptischen Mittel. Spülen Sie das Auge mit der am schnellsten erreichbaren, geeigneten Flüssigkeit, z.B. mit Kochsalzlösung oder Leitungswasser. Ist infiziertes Material in die Mundhöhle gelangt, spucken Sie dieses sofort aus und spülen Sie den Mund mehrfach kurz (ca. vier- bis fünfmal für je 15 Sekunden) mit Wasser gründlich aus. Schlucken Sie das Wasser nicht, sondern spucken Sie es ebenfalls aus.
Danach ist zu entscheiden, ob eine HIV-Postexpositionsprophylaxe notwendig ist oder nicht.