Ein verschwitzter Jogger macht eine Atempause.
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Androgenetische Alopezie

Von: Astrid Clasen (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 28.09.2021

Die androgenetische Alopezie ist ein erblich bedingter Haarausfall, der bei Männern und Frauen vorkommt: Bei beiden Geschlechtern macht er 95 Prozent aller Fälle von Haarausfall aus. Im Alter ab 70 Jahren sind rund 80 Prozent der Männer und über 40 Prozent der Frauen betroffen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Androgenetische Alopezie: Häufigste Form von Haarausfall

Was ist androgenetische Alopezie?

Androgenetische Alopezie (auch Alopecia androgenetica genannt) ist ein durch die Erbanlage festgelegter und durch Alterung ausgelöster Haarausfall im Bereich der Kopfhaut: Bei entsprechend veranlagten Männern und Frauen werden die Haare an bestimmten Stellen immer dünner, sodass sich meist ein typisches Haarausfallsmuster bildet.

Übrigens: Ein gewisses Maß an Haarverlust ist völlig natürlich, da sich die einzelnen Haare ständig erneuern. Für die Haarbildung sind die unter der Haut liegenden Haarfollikel zuständig, an deren unterem Ende sich die Haarwurzel befindet. Jede Haarwurzel durchläuft einen Zyklus aus

  • 2- bis 6-jähriger Wachstumsphase (Anagenphase), in der das Haar über die Wurzel Nährstoffe erhält,
  • kurzer Übergangsphase (Katagenphase), in der die Versorgung des Haars stoppt, und
  • 2- bis 4-monatiger Ruhephase (Telogenphase), an deren Ende das Haar ausfällt.

Ein Ausfall von bis zu 100 Haaren täglich ist normal. Nur wenn täglich mehr als 100 Haare ausfallen und ein erheblicher Unterschied zwischen der Anzahl abgestoßener und nachwachsender Haare besteht, kann das ein Anzeichen für übermäßigen Haarausfall wie die androgenetische Alopezie sein. Haarausfall kann zudem stressbedingt sein.

Androgenetische Alopezie: Was sind die Ursachen?

Ursache für die androgenetische Alopezie ist eine erblich bedingte Überempfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber männlichen Hormonen, den Androgenen. Diese erbliche Veranlagung kann durch mehrere Gene (Träger der Erbanlage) festgelegt sein: Fachleute bezeichnen das als Polygenie. Dabei können die jeweiligen Gene einzeln oder zusammen zu Haarausfall führen.

Meist reagieren die Haarfollikel bei der androgenetischen Alopezie schon auf den normalen Androgenspiegel überempfindlich. Die Folge: Die Haarfollikel, die für die Bildung der Kopfhaare zuständig sind, verkleinern sich. Dadurch ist die Haarbildung eingeschränkt und die Haare fallen schneller aus.

Bei Männern ist eine Glatze also kein Zeichen für besonders viele männliche Hormone im Blut. Bei manchen Frauen ist die androgenetische Alopezie allerdings mit einem gestörten Gleichgewicht des Androgenspiegels verbunden. Mögliche Ursachen hierfür sind zum Beispiel:

Auch das Lebensalter spielt beim erblich bedingten Haarausfall eine wichtige Rolle: Mit steigendem Alter führt die androgenetische Alopezie in der Regel zu fortschreitendem Haarausfall.

Die wichtigsten Ursachen für die androgenetische Alopezie im Überblick:

  • erbliche Veranlagung
  • Androgene
  • Alter

Androgenetische Alopezie: Welche Symptome sind typisch?

Die androgenetische Alopezie betrifft vor allem ältere Menschen. Die ersten Symptome für den erblich bedingten Haarausfall treten jedoch üblicherweise schon im Teenageralter auf. Bei Frauen macht sich der Haarausfall oft auch erst nach der Wechseljahre (Klimakterium) (also nach der letzten Regelblutung) bemerkbar.

Mit zunehmendem Alter schreitet die androgenetische Alopezie fort, wobei die Haare ein bestimmtes Verteilungsmuster bilden. Dabei kann jedes Muster grundsätzlich sowohl bei Männern als auch bei Frauen vorkommen. Doch meistens verläuft erblich bedingter Haarausfall in einem typisch männlichen und typisch weiblichen Muster.

Männliches Muster (nach Hamilton-Norwood-Schema)

Bei Männern verläuft die androgenetische Alopezie am häufigsten nach dem Hamilton-Norwood-Schema. Dieses männliche Muster führt als Erstes meist zu Geheimratsecken: Das heißt, die vordere Haarlinie weicht in Form von Dreiecken zurück. Dann dünnen die Haare im Bereich des oberen Hinterkopfs aus. Ist die Stelle kahl, spricht man von einer Tonsur.

Im weiteren Verlauf kann sich der Haarausfall – anfangs schnell, später langsamer – über den Scheitelbereich ausdehnen, bis die kahlen Stellen zusammenlaufen und nur noch ein Haarkranz übrig bleibt. Eine solche Glatze bildet sich jedoch nicht immer. Wie die androgenetische Alopezie verläuft, hängt maßgeblich von der individuellen Veranlagung und vom Alter der Betroffenen ab.

Insgesamt kann die androgenetische Alopezie nach dem Hamilton-Norwood-Schema sieben Stadien durchlaufen:

  • Stadium I: Normalzustand
  • Stadium II: leichte Geheimratsecken
  • Stadium III: stärkere Geheimratsecken
  • Stadium IV-VI: zunehmende Lichtung am Oberkopf (meist am Wirbel beginnend)
  • Stadium VII: maximal ausgeprägte Glatze

Weibliches Muster (nach Ludwig-Schema)

Bei den meisten Frauen verläuft die androgenetische Alopezie nach dem Ludwig-Schema. Dieses weibliche Muster des erblich bedingten Haarausfalls ist dadurch gekennzeichnet, dass die Haare im Scheitelbereich ausdünnen, wobei eine ein bis drei Zentimeter breite Haarlinie am Haaransatz stehenbleibt.

Beim weiblichen Muster bleiben die Haare typischerweise länger erhalten als beim männlichen: Die androgenetische Alopezie nach dem Ludwig-Schema verursacht in der Regel keine vollständig kahlen Stellen.

Bei der androgenetischen Alopezie nach Ludwig unterscheidet man drei Stadien:

  • Stadium I: beginnende Haarlichtung im Scheitelbereich (nur sichtbar beim Scheiteln der Haare), Haarsaum am Haaransatz bereits erkennbar
  • Stadium II: auffällige Haarlichtung im Scheitelbereich mit deutlichem Haarsaum am Haaransatz
  • Stadium III (selten): ausgeprägte Glatzenbildung vorn und oben seitlich, der Haarsaum am Haaransatz bleibt bestehen

Christmas-Tree-Muster

Oft bildet die androgenetische Alopezie bei der Frau auch ein Muster, dessen Form von oben gesehen an einen Weihnachtsbaum erinnert: Beim diesem Christmas-Tree-Muster lichten sich die Haare – ähnlich wie beim Ludwig-Schema – im Bereich des Mittelscheitels und seitlich davon. Zudem ist die Haarlinie am Haaransatz unterbrochen. Der betroffene Bereich ist vorne (über der Stirn) am breitesten und verschmälert sich zunehmend in Richtung Hinterkopf.

Folgen von Haarausfall

Die androgenetische Alopezie wirkt sich nicht nur optisch aus – sie kann auch die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen: Viele Betroffenen haben durch den Haarausfall Probleme mit dem Selbstbewusstsein und fühlen sich weniger attraktiv. Zu den möglichen Folgen gehören beispielsweise depressive Symptome.

Video: Haarausfall: Formen & Behandlung

Androgenetische Alopezie: Welche Therapie hilft?

Mittel gegen Haarausfall

Wenn die androgenetische Alopezie mit einem starken Leidensdruck verbunden ist, ist eine Therapie mit einem Mittel gegen Haarausfall angebracht. Das Ziel der Behandlung besteht darin,

  • den Haarausfall zu stoppen und
  • das Nachwachsen der Haare anzuregen.

Dabei ist es wichtig, frühzeitig etwas gegen die androgenetische Alopezie zu tun. Denn schon in einem frühen Stadium ist es schwer genug, einen neuen Wachstumsschub herbeizuführen. Bei einer ausgeprägten Glatze ist es nahezu unmöglich, die Haare wieder sprießen zu lassen.

Je früher die Behandlung beginnt, desto größer ist die Chance auf Erfolg.

Heilbar ist die androgenetische Alopezie allerdings nicht. Wenn man die Therapie abbricht, geht der Haarausfall nach einer Weile unvermindert weiter.

Auch wenn immer wieder für vermeintliche Wundermittel gegen Haarausfall geworben wird – eine nachweisbare Wirkung haben nur die wenigsten Mittel. Als wirksam haben sich die Wirkstoffe Finasterid und Wirkstoffe/Minoxidil erwiesen. Daher gelten sie bei androgenetischer Alopezie als Therapie der ersten Wahl. Trotzdem lässt sich für den Einzelfall nur schwer vorhersagen, wie gut die Behandlung anschlägt.

Minoxidil

Männer und Frauen über 18 Jahren können eine androgenetische Alopezie mit Minoxidil behandeln. Das Mittel ist rezeptfrei erhältlich. Gegen Haarausfall kommt es als Lösung oder Schaum zum Einsatz, die man zweimal täglich auf die Kopfhaut aufträgt (topische Therapie). Für Männer ist die 5-prozentige Konzentration vorgesehen, für Frauen die 2-prozentige.

Frauen dürfen Minoxidil während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht anwenden.

Minoxidil kann den Haarverlust bei androgenetischer Alopezie in 80 bis 90 Prozent der Fälle stoppen. Bei etwa 50 Prozent der Behandelten verdichtet sich das Haarkleid sichtbar. Mögliche Nebenwirkungen sind:

  • Juckreiz
  • Rötung der Kopfhaut
  • Schuppung der Kopfhaut
  • vereinzelt Kontaktdermatitis
  • v.a. bei Frauen übermäßige Behaarung (Hypertrichose), meist im Schläfenbereich

Zudem kommt es in manchen Fällen in den ersten acht Wochen der Behandlung zu einem verstärkten Haarausfall. Dieses als Shredding bezeichnete Phänomen weist darauf hin, dass Minoxidil gut wirkt: Shedding tritt nämlich auf, wenn ruhende Haarfollikel wieder aktiv werden. Die nachwachsenden Haare stoßen dann die in der Ruhephase befindlichen Haare aus – man verliert vermehrt Haare.

Verstärkter Haarausfall zu Beginn der Therapie ist vorübergehend und kein Grund, das Mittel abzusetzen.

Finasterid

Bei Männern über 18 Jahren ist die androgenetische Alopezie auch mit Finasterid-Tabletten behandelbar. Das Mittel ist rezeptpflichtig. Gegen Haarausfall nimmt man täglich eine Tablette mit einem Milligramm Wirkstoff ein.

Für Frauen ist Finasterid nicht zugelassen, denn:

  • eine Behandlung in der Schwangerschaft kann bei männlichen Föten zu Fehlbildungen führen und
  • bei Frauen in den Wechseljahren ist das Mittel unwirksam gegen die androgenetische Alopezie.

Bei Männern hilft Finasterid gegen androgenetische Alopezie hingegen ähnlich gut wie Minoxidil. Zudem ist Finasterid recht gut verträglich. Zu den seltenen Nebenwirkungen gehören:

  • vorübergehendes Nachlassen des sexuellen Verlangens
  • leichtes Anschwellen der männliche Brustdrüse (Gynäkomastie)

Ob Finasterid gegen die androgenetische Alopezie hilft, lässt sich erst nach sechs Monaten beurteilen. Bei manchen Männern kann es auch 12 Monate dauern, bis sich ein sichtbarer Erfolg zeigt.

Um die Wirksamkeit der Therapie gegen die androgenetische Alopezie zu verbessern, kann man Finasterid auch mit Minoxidil kombinieren (d.h. 1-mal täglich 1 Finasterid-Tablette plus 2-mal täglich 2- oder 5%iges Minoxidil).

Hormonbehandlung

Bei Frauen, deren Androgenspiegel aus dem Gleichgewicht geraten ist (z.B. beim adrenogenitalen Syndrom ), kann gegen die androgenetische Alopezie auch eine Hormonbehandlung infrage kommen. Hierfür geeignet sind Antiandrogene wie Cyproteronazetat, Chlormadinonazetat oder Dienogest.

Haartransplantation

Bei Männern und Frauen, deren androgenetische Alopezie weit fortgeschritten ist, kann zudem eine Haartransplantation (bzw. Follikeltransplantation) in Betracht kommen. Hierbei entnimmt man Haare aus dem Bereich der Kopfhaut, der nicht vom Haarausfall betroffen ist, und verpflanzt sie in die kahlen Stellen.

Bei Männern mit androgenetischer Alopezie kann man die Haartransplantation mit einer Finasterid-Therapie (1 Tablette pro Tag) kombinieren: So lässt sich das Erscheinungsbild oft weiter verbessern.

Als Alternative zur Haartransplantation können sich Menschen mit sehr weit fortgeschrittener androgenetischer Alopezie auch für ein Toupet oder eine Perücke entscheiden.