Eine Frau watet ins Meer.
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Vibrionen: Fleischfressende Bakterien in der Ostsee

Von: Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 05.01.2022

Todesfälle durch Vibrionen in der Ostsee – solche Nachrichten liest man in den letzten Jahren eigentlich in jedem Sommer. Wie gefährlich sind die "fleischfressenden Bakterien" – und wie hoch ist das Risiko wirklich?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Vibrionen in der Ostsee

Wenn von Vibrionen in der Ostsee die Rede ist, geht es um sogenannte Nicht-Cholera-Vibrionen, genauer gesagt um die Art Vibrio vulnificus. Der natürliche Lebensraum dieser Vibrionen sind salzhaltige Gewässer, in Deutschland zum Beispiel Nord- oder Ostsee. Dort kommen sie im Prinzip ganzjährig vor – in den Sommermonaten jedoch teilweise in Massen. Steigt die Wassertemperatur über 18 bis 20 Grad Celsius, können sie sich rasant vermehren.

Die Bakterienart Vibrio vulnificus zählt zu den sogenannten fleischfressenden Bakterien, da sie zu einem raschen Gewebeabsterben führen können.

Was sind Vibrionen?

Als Vibrionen bezeichnet man eine Bakteriengattung, zu der mehr als 20 verschiedene Arten gehören. Bedeutung als Krankheitserreger haben jedoch vor allem 3 Vibrio-Arten:

  • Vibrio cholerae, der Erreger der Cholera,
  • sowie 2 Arten von Nicht-Cholera-Vibrionen, nämlich
    • Vibrio parahaemolyticus, ein Durchfallerreger, der vor allem in Japan vorkommt, und
    • Vibrio vulnificus, ein Erreger, der auch in deutschen Gewässern vorkommt und zu Wundinfektionen führt.

Wird jeder durch Vibrionen krank?

Nein. Ein Erkrankungsrisiko durch Vibrionen in der Ostsee besteht vor allem für:

Zu einer Erkrankung durch Vibrionen kommt es bei diesen Risikogruppen jedoch hauptsächlich, wenn es auch offene Wunden beziehungsweise Hautverletzungen gibt (egal, wie klein oder groß), über die Vibrionen in den Körper gelangen können.

In wärmeren Klimazonen sind zudem auch Erkrankungen möglich, wenn man mit Nicht-Cholera-Vibrionen infizierte Meerestiere verzehrt. Dann entwickeln sich jedoch vor allem Beschwerden im Magen-Darm-Bereich.

Für ansonsten gesunde Menschen besteht in der Regel kein Erkrankungsrisiko durch Vibrionen in der Ostsee.

Vibrionen-Infektion: Symptome

In Deutschland spielen vor allem Hautinfektionen durch Vibrionen eine Rolle. Eine Infektion mit Vibrio vulnificus kann bereits nach wenigen Stunden schwere Wundinfektionen hervorrufen.

An der betroffenen Stelle treten typischerweise Symptome auf, wie

  • Hautrötungen
  • Schwellungen
  • Blasenbildung auf der Haut

Weitere mögliche Beschwerden (in Deutschland jedoch selten) sind außerdem:

Von der infizierten Wunde können sich die Vibrionen rasch auf weitere Körperbereiche ausbreiten und dazu führen, dass Gewebe abstirbt und/oder sich eine lebensbedrohliche Blutvergiftung (Sepsis) entwickelt.

Wie gefährlich ist eine Infektion mit Vibrionen?

Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann eine Infektion mit Nicht-Cholera-Vibrionen bereits nach kurzer Zeit einen ernsten bis lebensbedrohlichen Verlauf nehmen.

Betrachtet man die Jahre 2002 bis 2019, gab es jedoch vergleichsweise wenig Vibrionen-Fälle und diese auch hauptsächlich in Jahren mit wärmerem Sommer (wie 2003, 2006, 2018 oder 2019). Die Fallzahlen bewegten sich hier pro Jahr jeweils zwischen 0 und 20 Fällen.

Statistisch gesehen ist das Erkrankungsrisiko durch Vibrionen also äußerst niedrig. Im Jahr 2018 beispielsweise gab es an der Ostsee Millionen von Badegästen, jedoch nur 17 Vibrionen-Infektionen, von denen 3 tödlich ausgingen.

Vibrionen-Infektion: Therapie

Eine Vibrionen-Infektion lässt sich mit Antibiotika behandeln. Bereits bei Verdacht auf Vibrionen sollte man sofort mit der Behandlung beginnen. Stark befallenen Hautbereiche müssen möglicherweise chirurgisch gesäubert werden. Bei stark befallenen Armen oder Beinen kann es unter Umständen notwendig sein, Gliedmaßen zu amputieren.

Wer in salzhaltigen Gewässern unterwegs war und bei sich eine Wundinfektion feststellt, sollte diese zur Sicherheit so rasch wie möglich von einem Arzt anschauen lassen.

Vibrionen-Infektion: Vorbeugen

Wer Hautverletzungen beziehungsweise offene Wunden hat, sollte den Kontakt mit Salzwasser meiden und auf Baden, Schwimmen oder Wasserwaten verzichten, wenn

  • das Immunsystem bereits geschwächt ist,
  • chronische Vorerkrankungen bestehen oder
  • man bereits älter ist.