Schwere Krankheit und Job: Rechtliche und psychologische Tipps
Eine schwere Erkrankung ist nicht nur emotional, sondern oft auch rechtlich eine Herausforderung. Gerade in Bezug auf die Arbeit ergeben sich häufig Unsicherheiten: Welche Rechte gelten bei Krankheit? Wann droht eine Kündigung? Auch die Rückkehr nach längerer Arbeitsunfähigkeit wirft Fragen auf. Antworten zu Teilzeitlösungen, Kündigungsschutz und Schwerbehinderung im Job und Tipps für den Umgang mit der Erkrankung gibt es hier.
FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Thema Krankheit und Job
Ja, eine Kündigung wegen Krankheit ist auch bei einem unbefristeten Vertrag möglich – allerdings nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Etwa bei häufiger oder lang andauernder Arbeitsunfähigkeit mit negativer Gesundheitsprognose und erheblichen betrieblichen Auswirkungen.
Das Entgeltfortzahlungsgesetz regelt, dass Arbeitnehmende bei Krankheit bis zu sechs Wochen ihren Lohn vom Arbeitgeber weiter erhalten. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen besteht und die Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt ist.
Krankengeld wird in der Regel bis zu 78 Wochen innerhalb von drei Jahren für dieselbe Erkrankung gezahlt – ab dem Tag, an dem die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber endet.
Nein, Selbstständige haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Krankengeld. Sie können jedoch privat vorsorgen, um im Krankheitsfall abgesichert zu sein. Freiwillig gesetzlich Versicherte können etwa Krankengeld optional mitversichern.
Wer krankgeschrieben ist, darf sich im Rahmen der ärztlichen Empfehlung frei bewegen – etwa spazieren gehen oder einkaufen. Entscheidend ist, dass die Aktivitäten die Genesung nicht behindern.
Schwer krank: So gelingt die Kommunikation am Arbeitsplatz
Die Diagnose einer schweren oder chronischen Erkrankung kann das Leben grundlegend verändern. Wer schwer erkrankt ist, steht früher oder später auch vor der Frage, ob und wie die Diagnose im Arbeitsumfeld thematisiert werden sollte.
Eine offene Kommunikation kann die erkrankte Person entlasten und das Verständnis von Vorgesetzten und Kolleg*innen fördern. Gleichzeitig besteht jedoch oft die Sorge vor Stigmatisierung oder Benachteiligung. Zum Beispiel befürchten Betroffene, aufgrund der Erkrankung als weniger belastbar zu gelten, Karrierechancen zu verlieren oder im Team ausgegrenzt zu werden.
Diagnose muss nicht mitgeteilt werden
Wichtig zu wissen: Eine eventuelle Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer müssen Arbeitgebenden zwar unverzüglich mitgeteilt werden. Es besteht jedoch keine generelle Pflicht, die genaue Diagnose offenzulegen.
Ratsam ist ein ehrlicher, aber gut überlegter Umgang mit der Situation – etwa im Gespräch mit der Personalabteilung oder dem direkten Team, sofern ein Vertrauensverhältnis besteht. Betroffene, die offen über die Erkrankung sprechen wollen, sollten sich vorher gut überlegen, wie viel sie preisgeben möchten und in welchem Rahmen.
Tipps für das Gespräch
Es ist ratsam, sich vor dem Gespräch Zeit zu lassen, um sich zu überlegen, was man genau braucht, möchte und ansprechen will. Hilfreich können dabei beispielsweise folgende Punkte sein:
Notizen machen: Was ist das Ziel des Gesprächs? Was soll mitgeteilt werden und was lieber nicht?
den richtigen Rahmen wählen: Es ist sinnvoll, einen Termin für das Gespräch auszumachen, damit es ungestört und ohne Zeitdruck stattfinden kann.
Erwartungen formulieren: Es ist wichtig, klar zu formulieren, welche Unterstützung nötig ist. Zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, Entlastung im Arbeitsalltag oder Rücksichtnahme bei bestimmten Belastungen.
Rechte kennen: Vor dem Gespräch sollte klar sein, welche Rechte bestehen – etwa im Hinblick auf Kündigungsschutz, Schweigepflicht, Entgeltfortzahlung oder mögliche Unterstützungsangebote am Arbeitsplatz.
Vertrauensperson einbeziehen: Falls Unsicherheit besteht, kann eine Begleitung durch eine*n Vertreter*in des Betriebsrats oder eine andere Vertrauensperson helfen.
In vielen Fällen ist auch ein Gespräch mit der*dem Betriebsarzt*ärztin sinnvoll – vor allem, wenn es um Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung, Anpassungen am Arbeitsplatz oder eine stufenweise Rückkehr geht. In einigen Branchen oder bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten ist dies sogar Pflicht.
Arbeitsrecht bei Krankheit: Entgeltfortzahlung und Krankengeld
Wer schwer erkrankt ist, sollte den Fokus auf die Genesung legen können, und sich nicht um die finanzielle Situation und die berufliche Zukunft sorgen müssen. Das Arbeitsrecht bietet hierfür klare Regelungen.
Entgeltfortzahlung und Krankengeld
Wer arbeitsunfähig ist, hat für bis zu sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Danach springt die gesetzliche Krankenversicherung mit Krankengeld ein.
Das Krankengeld beträgt in der Regel 70 Prozent des Bruttogehalts, höchstens aber 90 Prozent des Nettogehalts. Es wird nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 4.987,50 Euro monatlich berechnet. Das bedeutet: Mehr Geld gibt es nicht, auch wenn man mehr verdient. Es ist auf 78 Wochen innerhalb von drei Jahren für dieselbe Erkrankung begrenzt – einschließlich der Zeit der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.
Was passiert nach dem Krankengeld?
Wer keinen Anspruch auf Krankengeld mehr hat, dem stehen folgende Optionen zur Verfügung:
Rückkehr in den Job: Wenn die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt ist, kann die Tätigkeit – eventuell stufenweise – wieder aufgenommen werden.
Reha oder Umschulung: Eine medizinische oder berufliche Rehabilitation kann helfen, wieder arbeitsfähig zu werden.
Antrag auf Erwerbsminderungsrente: Wenn keine Rückkehr ins Berufsleben möglich ist, kann bei der Deutschen Rentenversicherung eine Rente beantragt werden.
Arbeitslosengeld: Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach dem Krankengeld kann unter bestimmten Voraussetzungen ALG I gezahlt werden ("Nahtlosigkeitsregelung").
Wiedereingliederung: Zurück in den Job
Die bekannteste Form der beruflichen Rückkehr nach längerer Erkrankung ist die stufenweise Wiedereingliederung, auch "Hamburger Modell" genannt. Sie ist keine Pflicht, sondern ein freiwilliges Angebot zur langsamen Rückkehr in den Job.
In dieser Zeit gilt die Person weiterhin als arbeitsunfähig und erhält kein Gehalt vom Betrieb, sondern Krankengeld oder Übergangsgeld. Sie beginnt mit wenigen Stunden, die dann langsam gesteigert werden. Auf diese Weise kann schonend erprobt werden, ob die Belastbarkeit wieder ausreicht, um in den Job zurückzukehren.
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Ergänzend zur Wiedereingliederung muss der Betrieb bei mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit im Jahr ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten. Ziel ist es, gemeinsam mit der erkrankten Person zu klären, wie sich der Arbeitsplatz erhalten und künftige Ausfälle vermeiden lassen. Die Teilnahme ist für die Beschäftigten freiwillig, das Angebot jedoch gesetzlich vorgeschrieben.
Es sind jedoch auch individuelle Absprachen mit der*dem Arbeitgeber*in möglich, etwa flexible Teilzeitlösungen oder Anpassungen der Tätigkeit, zum Beispiel vorübergehend leichtere Tätigkeiten.
Gilt bei schweren Erkrankungen ein Kündigungsschutz?
Eine Krankschreibung schützt nicht automatisch vor einer Entlassung. Eine Kündigung wegen Krankheit ist jedoch nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Etwa bei häufigen Fehlzeiten mit negativer Gesundheitsprognose und erheblichen betrieblichen Auswirkungen, etwa wenn Abläufe dauerhaft gestört sind oder andere Mitarbeitende regelmäßig überlastet werden. Bei schwerbehinderten Menschen gelten noch einmal strengere Regeln.
Schwerbehinderung
Wer einen anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 hat, gilt als schwerbehindert. Das bringt unter anderem:
- besonderen Kündigungsschutz
- Anspruch auf Zusatzurlaub
- Hilfen zur Arbeitsplatzsicherung wie etwa technische Hilfsmittel
Ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 wird Menschen zugesprochen, deren körperliche, geistige oder seelische Gesundheit dauerhaft beeinträchtigt ist – und zwar in erheblichem Maße. Die Beeinträchtigung muss mindestens sechs Monate bestehen oder voraussichtlich andauern. Den Antrag auf Feststellung des GdB kann beim zuständigen Versorgungsamt gestellt werden.
Behinderung mit Grad 30 oder 40
Mit GdB 30 oder 40 gibt es zunächst keinen Nachteilsausgleich. Mit einer sogenannten Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit können Menschen mit GdB 30 oder 40 rechtlich jedoch schwerbehinderten Personen gleichgestellt werden – etwa um Kündigungsschutz zu erhalten oder den Arbeitsplatz zu sichern.
GdB 30 oder 40 kann beispielsweise bekommen, wer folgende Beeinträchtigungen hat:
- chronische Rückenschmerzen mit Bewegungseinschränkungen
- Diabetes mit Folgeerkrankungen
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Leistungsminderung
- Krebserkrankungen nach erfolgreicher Behandlung (je nach Verlauf und Folgen)
- Depressionen oder Angststörungen mit Alltagseinschränkungen
Arbeiten trotz Krankheit?
Niemand ist verpflichtet, krank zu arbeiten. Die eigene Gesundheit sollte immer Vorrang haben. Manche Menschen entscheiden sich jedoch bewusst dafür, trotz ihrer Erkrankung weiterzuarbeiten. Dabei gibt es jedoch einiges zu beachten, zum Beispiel:
Selbstverantwortung: Wer trotz Krankschreibung arbeiten möchte, sollte dies nur nach Rücksprache mit der*dem Ärztin*Arzt tun, da es sonst zu Problemen mit dem Unfallversicherungsschutz oder der Krankenkasse kommen kann.
Leistungspflicht: Kolleg*innen und Führungskräfte müssen keine Rücksicht nehmen, wenn jemand trotz Krankheit arbeitet. Es gelten die normalen Anforderungen an die Arbeitsleistung.
- rechtliche Unterstützung: Bei wiederholten Konflikten, Diskriminierung oder Streit mit den Vorgesetzten kann rechtliche Hilfe sinnvoll sein. Betroffene sollten sich frühzeitig an den Betriebsrat, eine Gewerkschaft oder Fachanwält*innen für Arbeitsrecht wenden, um ihre Rechte zu schützen und die Situation zu klären.