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Tiere als Überträger

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    Aus der Pharmazeutischen Zeitung:

    Tollwut

    Vor Fernreise impfen Stichwort:
    Tiere als Überträger
    von Brigitte M. Gensthaler, München

    Das Risiko, bei einer Fernreise an Tollwut zu erkranken, ist äußerst gering. Doch wenn dieser Fall eintritt, kommt jede Hilfe zu spät. Eine Erkrankung führt immer zum Tod. Den besten Schutz bietet eine Impfung vor Antritt der Reise.

    Das Tollwutvirus ist nahezu weltweit verbreitet. Dank intensiver Bekämpfung ist es in vielen europäischen Ländern jedoch fast ausgerottet. Die größte Gefahr, sich zu infizieren, besteht derzeit in Asien, Afrika, Mittel- und Südamerika, wo das Virus noch häufig vorkommt. Auch beliebte Reiseländer wie Indien, Nepal, Thailand, die Philippinen, China, Mexiko und Äthiopien zählen zu Hochrisikogebieten. Etwa 2,6 Milliarden Einwohner in mehr als 100 Ländern sind einer potenziellen Infektionsgefahr ausgesetzt. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben an Tollwut (Rabies) weltweit jährlich 50.000 bis 60.000 Menschen, davon allein 30.000 in Indien.

    Tierkontakt meiden

    Die Erreger der Tollwut werden bei Biss- oder Kratzverletzungen durch den Speichel eines infizierten Tieres auf den Menschen übertragen (siehe Stichwort). Daher sei der Rat, einen großen Bogen um streunende Tiere zu machen, unbedingt sinnvoll, schütze aber nicht immer zuverlässig vor einem unliebsamen Kontakt, sagte Dr. Christian Schönfeld, der die Reisemedizinische Ambulanz im Berliner Institut für Tropenmedizin leitet, bei einem Pressegespräch von Chiron Behring in München.

    Infizierte Tiere begegnen nicht nur Rucksacktouristen, Campern und Abenteurern, sondern leben auch in Städten und Hotelanlagen. Gerade Kinder sind gefährdet, da sie einerseits gerne Tiere streicheln und andererseits leicht ins Gesicht gebissen werden. Infizierte Hunde und Katzen sind in der Regel drei bis sieben Tage vor dem Auftreten klinischer Symptome und während der gesamten Erkrankungsphase infektiös.

    Durch intakte Haut kann das Virus nicht eindringen. Allerdings bieten Schleimhäute und geschädigte Haut eine Eintrittspforte. Neben den Bissen werden derzeit noch andere Arten der Übertragung, zum Beispiel durch Inhalation der Erreger in Fledermaushöhlen, diskutiert. Ob der Kontakt mit attenuierten Viren aus Tollwutimpfködern für den Menschen eine Gefahr darstellt, ist nicht sicher nachgewiesen. Daher werden Personen, die mit dem im Köder vorhandenen Lebendimpfstoff in Berührung kamen, in der Regel behandelt.

    Von der Wunde ins Gehirn

    An der Bissstelle vermehren sich die Viren und wandern dann im Nervengewebe bis zum Gehirn. Erst wenn die Viren das Zentralnervensystem erreicht haben, beginnen die typischen Enzephalitis-Symptome, die nach drei bis maximal sieben Tagen immer zum Tod führen. Auch mit intensivmedizinischen Maßnahmen können Erkrankte nicht mehr gerettet werden.

    Die Inkubationszeit beträgt 20 bis 90 Tage – selten ist sie kürzer, kann in Einzelfällen aber einige Jahre betragen. In dieser Zeit lässt sich eine Infektion nicht nachweisen. Ob eine nicht geimpfte Person erkrankt, hängt wesentlich von der eingebrachten Virusmenge und der Entfernung der Wunde zum ZNS ab. So erkranken bei mehreren, tiefen Bissen ins Gesicht bis zu 60 Prozent der Betroffenen, bei oberflächlichen Bissen ins Gesicht jeder Zehnte und bei leichten Verletzungen an der Hand jeder Zwanzigste. Nach heutiger Kenntnis bricht bei 20 bis maximal 50 Prozent der tatsächlich Infizierten die Tollwuterkrankung aus, berichtete Schönfeld.

    Impfstoffe seit 120 Jahren

    Die Geschichte der Tollwutvakzine begann 1885 mit Louis Pasteur, der einen Impfstoff aus mit Tollwutviren infiziertem Rückenmark von Kaninchen herstellte. Das Virus schwächte er durch Hitze und Austrocknung ab. Die Forscher Claudio Fermi und David Semple entwickelten Anfang des 20. Jahrhunderts die Methode weiter und inaktivierten den Erreger mit Phenol. Der Fermi-Impfstoff, der Reste lebender fixierter Rabiesviren enthält, wird seit 1973 nicht mehr hergestellt.

    Dagegen wird der auf Semple zurückgehende Totimpfstoff heute noch weltweit eingesetzt. Er enthält inaktivierte Viren, die auf Schafs-, Ziegen- oder Kaninchenhirn angezüchtet wurden. Der Restgehalt an Hirngewebe liegt je nach Verfahren bei etwa 5 Prozent. Das enthaltene myelinisierte Nervengewebe führt oft zu schweren, neurologischen Nebenwirkungen (Häufigkeit 1:1600). Myelinfrei ist der Fuenzalida-Impfstoff, der auf Mäuse- oder Rattenhirn angezüchtetes, inaktiviertes Virus enthält (auch SMBV genannt, suckling mouse brain vaccine). Er enthält etwa 10 Prozent Hirngewebe. Neurologische Komplikationen treten zwar seltener auf, haben aber häufig tödliche Folgen.

    Nervengewebsimpfstoffe sind preiswert herzustellen und werden nur nach einem Biss eingesetzt. Man schätzt, dass etwa ein Drittel der weltweit postexpositionell applizierten Vakzine – immerhin 20 Millionen Dosen – auf Nervengewebe hergestellt sind. Je nach Impfschema bekommt der Patient 7 bis 15 Dosen (je 2 bis 5 ml) injiziert, was äußerst schmerzhaft ist.

    Kein Nervengewebe enthalten der DEV- und der weiterentwickelte PDEV-Impfstoff (purified duck embryo vaccine). Dieser wird heute noch lokal produziert.

    Impfen vor dem Biss

    Erst in den 1970-er Jahren begann die Ära der modernen Zellkulturimpfstoffe, die hoch wirksam und relativ gut verträglich sind und sich somit für eine prophylaktische Anwendung eignen. Lokale Nebenwirkungen wie Rötung, Schwellung und Schmerzen an der Injektionsstelle sowie systemische Effekte wie Fieber, Kopfschmerzen oder Abgeschlagenheit können auch bei diesen präexpositionell eingesetzten Vakzinen auftreten.

    Die HDC-Vakzine (human diploid cell; zum Beispiel Rabivac®, Tollwut-Impfstoff HDC inaktiviert, Rabies-Vaccine®) wird aus menschlichen Fibroblasten gewonnen, der PCEC-Impfstoff dagegen aus gereinigten Hühnerembryozellen (purified chick embryo cell; zum Beispiel Rabipur®). Eine weitere Vakzine, der PVR-Impfstoff (PVR: purified verocell vaccine; zum Beispiel Verorab®), wird in Verozellen, einer Zelllinie der Grünen Meerkatze, produziert. Firmen in Lateinamerika und Asien stellen zudem eine preiswertere Variante dieser Verozellvakzine (verocell rabies vaccine copies) und einen aus Hamsternierenzellen gewonnenen Impfstoff (PHKCV: primary hamster kidney cell vaccine) her. Dieser wird millionenfach in China und Russland verwendet.

    Das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin empfiehlt die präexpositionelle Immunisierung für Tierärzte, Jäger, Forstpersonal und Personen, die mit Tieren in Gebieten mit Wildtollwut umgehen, zum Beispiel Fledermausforscher. Außerdem sollten sich Personal in Laboratorien mit Infektionsrisiko und Reisende in Regionen mit hoher Tollwutgefährdung prophylaktisch impfen lassen.

    Die Grundimmunisierung erfordert drei intramuskuläre Injektionen (1 ml) am Tag 0, 7 und 21 (oder 28). Wenn die Zeit vor Last-minute-Reisen drängt, könne man das Schema auf eine Woche verkürzen, räumte Schönfeld ein. Aus Kostengründen wird der Zellkulturimpfstoff in vielen Ländern intradermal (0,1 ml) appliziert, was die WHO ebenfalls als sicher und wirksam einstuft. Nehmen Reisende gleichzeitig Chloroquin als Malariaprophylaxe ein, muss immer intramuskulär gespritzt werden, da das Medikament die Immunantwort schwächen kann. Der schützende Antikörpertiter beginnt bei 0,5 IE/ml Serum. Alle zwei bis fünf Jahre wird eine Auffrischung empfohlen.

    Nach dem Biss sofort handeln

    Wird ein Mensch von einem verdächtigen Tier gebissen, ist Eile geboten. Alle Wunden müssen sofort und gründlich mit Seife und Wasser gewaschen, ausgespült und mit 70-prozentigem Alkohol oder Iodlösung desinfiziert werden.

    Das Robert-Koch-Institut hat klare Regeln aufgestellt, bei welcher Exposition eine Impfung angezeigt ist. Kontraindikationen gibt es keine, auch nicht Schwangerschaft, Stillzeit oder Alter. Beim Expositionsgrad III erhält der nicht vorgeimpfte Betroffene eine passive sowie eine aktive Immunisiserung - er bekommt den Tollwutimpfstoff und zugleich ein Rabies-Immunglobulin (20 IE/kg Körpergewicht) injiziert. Weitere Dosen des Aktivimpfstoffs folgen an den Tagen 3, 7, 14 und 28. Rechtzeitig appliziert, liegt die Schutzrate bei peripheren Verletzungen bei 100 Prozent. Zudem sollte auch an eine Tetanusimpfung gedacht werden.

    Während diese Behandlung in Industrieländern meist sofort möglich ist, stehen Reisende in Entwicklungsländern oft vor enormen Problemen. In vielen Ländern gibt es weder das Immunglobulin noch moderne Vakzine. Im Ernstfall sollten Betroffene den behandelnden Arzt genauestens befragen, rät Schönfeld: Sind nur Nervengewebsimpfstoffe vorrätig, sollten sie die Praxis besser verlassen. Glück im Unglück hat der Tourist in Thailand. Hier sind landesweit nur Zellkulturimpfstoffe verfügbar. In anderen Ländern findet man diese meist in Ballungszentren.

    Minimales Risiko

    Wichtig für die Beratung: Das Risiko einer Tollwut-Erkrankung ist für einen Touristen statistisch gesehen minimal, aber letztlich gibt nur eine vorbeugende Impfung Sicherheit. Dies gilt auch für eine unbemerkte Exposition, zum Beispiel durch Kratzer auf der Haut, oder wenn Kinder den Kontakt zu Tieren verschweigen. In dem „Konsensuspapier zur Tollwutimpfung für Reisende“ raten Experten daher, diese Vorbeugung großzügig zu empfehlen, wenn die Reise in Länder mit ungenügenden, postexpositionellen Behandlungsmöglichkeiten führt.

    Zudem vereinfacht eine präexpositionelle Impfung im Ernstfall die Therapie. Wer einmal vollständig immunisiert wurde, braucht nie mehr Rabies-Immunglobuline und nur noch zwei bis drei Dosen eines Zellkulturimpfstoffs.

    Stichwort: Tiere als Überträger
    Füchse, Dachse, Marder, Rehe, Hirsche, Wildschweine, Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde, Hunde und Katzen: Alle Säugetiere können an Tollwut (Rabies) erkranken. Die Zoonose kommt nahezu weltweit vor. Füchse sind in Europa das Hauptreservoir des Erregers aus der Familie der Rhabdoviren (Genus Lyssaviren). Dank systematischer Bekämpfung, vor allem durch die orale Immunisierung der Füchse, ist die Tollwut in Deutschland fast vollständig ausgerottet. Dies gilt auch für Belgien, Luxemburg, Frankreich und die Schweiz. Dagegen wird die Krankheit in Osteuropa, der Türkei und den GUS-Staaten noch bei Tieren und Menschen beobachtet.
    Neben der so genannten terrestrischen Tollwut gewinnt die Fledermaustollwut an Bedeutung. Dies ist eine eigenständige Erkrankung, aber die verursachenden Viren sind auch für Menschen pathogen. In den USA gehen neun von zehn Erkrankungen auf die fliegende Säuger zurück. Weltweit betrachtet ist jedoch der Hund für 90 Prozent der Infektionen verantwortlich.

    © 2004 GOVI-Verlag


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