Eine Schale mit Microgreens steht neben einem Teller mit Broten, die mit dem Grünzeug garniert sind
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Gesunde Microgreens und Sprossen selbst ziehen

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 27.12.2021 - 15:34 Uhr

Microgreens oder Sprossen selbst zu ziehen ist einfach und bringt gerade im Winter Pep in Form von frischem Grün auf den Teller. Vor allem aber sind die Keimpflanzen und Sprossen wegen ihrer geballten Ladung an Nährstoffen echte Superfoods. Wir erklären, was der Unterschied zwischen Microgreens und Sprossen ist und wie Sie selbst zu Hause auch ohne Garten zum Mini-Gärtner werden.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Microgreens und Sprossen: Unterschied und Nährstoffe

Auch, wenn sich einige Pflanzenarten eher für Sprossen, andere eher für Microgreens eignen, können viele Pflanzen in beiden Formen gegessen werden. Microgreens und Sprossen können also der gleichen Pflanzenart angehören. Sie unterscheiden sich lediglich in der Art, wie sie herangezogen und in dem Zeitpunkt, zu dem sie geerntet werden.

Für Microgreens, was übersetzt sowas wie "kleines Grünzeug“ heißt, kann man beispielsweise Radieschensamen in einen Topf mit Anzuchterde säen und nach rund 10 Tagen die jungen Keimpflanzen ernten. Dabei handelt es sich um Mini-Pflanzen mit nur 2-3 Blättern, die oberhalb der Wurzeln abgeschnitten werden.

Radieschensprossen dagegen benötigen keine Erde, denn sie sollen keine Wurzeln schlagen. Die Samen keimen auf Küchenpapier oder im Keimglas und werden bereits nach rund drei bis fünf Tagen als Schösslinge verspeist. Egal, für welche Methode Sie sich entscheiden: Beide machen auf der Stulle oder im Salat optisch was her und sind wahre Vitaminbomben. Auch die Anzucht ist sehr einfach. Allerdings müssen Sie einige Dinge beachten, damit Sprossen und Keimpflanzen wirklich gesund sind und nicht krank machen.

Wie gesund sind Microgreens und Sprossen?

Samen enthalten alles, was die Pflanze zum Wachsen braucht – die geballte Energie an Nährstoffen sozusagen. Deshalb sind Sprossen und Microgreens auch so gesund. Sie haben wenig Masse, aber eine hohe Nährstoffdichte. Sie enthalten Vitamine, Mineralstoffe, Betacarotin und sekundäre Pflanzenstoffe – je nachdem, was auch im großen Gemüse enthalten ist. Und das meist in mindestens doppelter Menge. Hinzu kommt, dass die meisten Sprossen und Microgreens (bis auf Hülsenfrüchte) roh verzehrt werden und so keine Nährstoffe beim Kochen verloren gehen.

Allerdings ist nicht grundsätzlich jeder Nährstoff in höherer Konzentration enthalten als in der ausgewachsenen Pflanze. Außerdem ist die Masse an Microgemüsen und Sprossen geringer als die des ausgewachsenen Gemüses. Sie enthalten aufgrund ihrer geringeren Masse weniger Ballaststoffe und können nicht langanhaltend sättigen. Sie sind also kein Ersatz für Gemüse, sondern eine gesunde Ergänzung unserer Nahrung.

Bis zu vierzigmal mehr Nährstoffe

Es gibt bislang nur wenige Studien, die sich mit den Nährwerten von Sprossen und Microgreens befassen. Eine amerikanische Studie zum Beispiel untersuchte in 25 verschiedenen Arten von Microgreens wie Rotkohl, Rucola und Basilikum den Gehalt an Nährstoffen wie Vitamin C, K, E und Beta-Carotin. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die Minipflänzchen durchschnittlich rund vier bis vierzigmal mehr der Nährstoffe enthalten als die ausgewachsene Pflanze.

Eine andere Studie hat sich speziell mit Rotkohl-Microgreens befasst. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Micro-Rotkohl mehr Polyphenol und Glucosinolat enthält als das ausgewachsene Gemüse. Beides soll sich positiv auf die Herzgesundheit auswirken und krebsvorbeugend wirken. Außerdem sollen die Mini-Rotkohlpflänzchen dazu beitragen, den Cholesterinspiegel zu senken.

Welches Saatgut eignet sich für Microgreens und Sprossen?

Während es einige Sprossen im Handel zu kaufen gibt, sind Microgreens jenseits von Kresse kaum zu kriegen. Ganz einfach und günstig können sie jedoch selbst gezogen werden. Im Handel erhältlich ist spezielles Saatgut für Sprossen. Es ist auch ratsam, dieses (am besten in Bio-Qualität) zu verwenden und nicht einfach normales Saatgut. Denn Saatgut für Sprossen unterliegt den Richtlinien zur Lebensmittelhygiene und ist zum Beispiel auf EHEC getestet. Herkömmliches Saatgut ist außerdem häufig mit Pflanzenschutzmitteln und Fungiziden behandelt. Anders als bei ausgewachsenen Pflanzen können sich diese Schadstoffe bei den Winzlingen noch nicht "auswachsen“.

Ungeeignet für Sprossen und Microgreens sind Nachtschattengewächse wie Tomaten, Kartoffeln, Paprika und Auberginen. Da das Solanin in den grünen Teilen der Pflanze unverträglich ist, gilt das auch für die Keimlinge.

Diese Pflanzen eignen sich zum Beispiel für Microgreens:

  • Dill
  • Kresse
  • Rote Bete
  • Radieschen
  • Brokkoli
  • Fenchel
  • Minze
  • Senf
  • Koriander
  • Rettich
  • Rotkohl
  • Basilikum

Diese Pflanzen eignen sich zum Beispiel für Sprossen:

  • Radieschen
  • Brokkoli
  • Linsen
  • Zwiebel
  • Alfalfa
  • Mungobohnen
  • Amaranth
  • Bockshornklee
  • Rettich
  • Rote Bete
  • Senf
  • Rucola
  • Kohlrabi

Achtung: Sprossen von Linsen, Soja- und Mungobohnen müssen aufgrund des Lektingehalts vor dem Verzehr blanchiert werden.

Lesetipp:Wie schädlich sind Lektine für unsere Gesundheit?

Vom Geschmack her sind die Sprossen und Keimpflanzen der verschiedenen Arten sehr unterschiedlich. Sehr mild sind zum Beispiel Mungo- und Sojabohnen. Scharf und würzig sind dagegen Senf, Rettich und Radieschen. Microgreens sind intensiver im Geschmack als Sprossen – und auch als die ausgewachsenen Pflanzen. Sie haben ein frisches, kräftiges Aroma. Am besten probieren Sie sich durch und finden so Ihre liebsten Sorten heraus. Verschiedene Pflänzchen bringen auch Farbvielfalt auf den Teller: Die Farben variieren je nach Art von weißlich, grün über rot und violett.

Verwendung: Microgreens und Sprossen machen sich gut auf Stullen und im Salat. Sie können aber auch ins Essen gegeben werden. Bockshornklee eignet sich zum Beispiel sehr gut für Currys. Auch als Topping für Suppen und als Zutat in Smoothies eignen sich die Microkräuter und Sprossen.

Microgreens und Sprossen selbst ziehen

So zieht man Microgreens heran

Microgreens benötigen in der Regel Erde, da sie länger wachsen als Sprossen. Die Nährstoffe, die dafür nötig sind, entnehmen sie der Erde. Sprossen dagegen bekommen für ihre kurze Keimzeit alles was sie benötigen aus dem Samen.

Verwenden Sie für die Anzucht der Microgreens in jedem Fall Anzuchterde. In dieser befindet sich weniger Dünger als in normaler Blumenerde. Zu viel Dünger würde die feinen Wurzeln der kleinen Pflänzchen überfordern. Nehmen Sie auch keine Gartenerde, da sich darin Samen von Unkräutern befinden können.

Das benötigen Sie:

  • ein flaches Anzuchtgefäß (es gibt spezielle Anzucht-Sets zu kaufen, Sie können jedoch auch einfach einen Untertopf oder ein flaches Schälchen nehmen)
  • eventuell Kokosfasern
  • Anzuchterde
  • Saatgut
  • eine Sprühflasche mit Wasser
  • ggf. Frischhaltefolie

Schritt 1: Weichen Sie die Samen je nach Anleitung ein. Große und harte Kerne sollten über Nacht einweichen.

Schritt 2: Füllen Sie das Anzuchtgefäß etwa zwei Zentimeter hoch mit Anzuchterde. Wenn Sie eingeweichte Kokosfasern daruntermischen, macht es das Substrat luftdurchlässiger und es kann mehr Wasser speichern. Kokosfaser gibt es zum Beispiel in Form von Quelltabletten im Pflanzencenter zu kaufen.

Schritt 3: Verteilen Sie das Saatgut auf der Erde. Sie können Sie viel dichter säen, als Sie es tun würden, wenn sie darauf große Pflanzen ziehen wollten.

Schritt 4: Besprühen Sie Erde und Samen vorsichtig mit frischem Wasser aus der Sprühflasche. Verwenden Sie keine Gießkanne, da Sie sonst womöglich die Samen wegschwemmen.

Schritt 5: Handelt es sich bei Ihrem Saatgut um Licht- oder Dunkelkeimer? Das ist wichtig, denn bei Lichtkeimern bedecken Sie nun das Anzuchtgefäß mit Frischhaltefolie, die sie mit einem Zahnstocher mehrfach einpieksen, damit Luft hineinkommt. Dunkelkeimer wie Brokkoli und Rote Bete dagegen werden mit einer dünnen Schicht Erde oder einer zweiten Schale bedeckt, bis sie gekeimt haben. Dunkelkeimer haben meist größere Samen.

Schritt 6: Stellen Sie die Anzuchtschale hell und warm an die Fensterbank. Setzen Sie sie aber nicht direkter Sonneneinstrahlung aus, damit sie sich nicht zu sehr erhitzt.

Schritt 7: Bis ihre Keimpflanzen in – je nach Art und Angabe auf der Packung – rund 8-14 Tagen erntereif sind, brauchen sie etwas Pflege. Die Erde sollte gleichmäßig feucht gehalten werden. Ist sie zu trocken, wachsen die Pflänzchen nicht. Ist sie zu nass, können die Keimlinge schimmeln und sind dann ungenießbar. Um das Wasser dosiert aufzutragen und die Pflänzchen nicht zu überschwemmen, nehmen sie auch hierfür am besten die Sprühflasche. Verwenden Sie immer frisches Wasser, da abgestandenes Wasser keimbelastet sein kann.

Schritt 8: Ernten können Sie die Microgreens, wenn neben den Keimblättern auch die ersten "richtigen“ Blättchen zu sehen ist. Dafür schneiden Sie die Pflänzchen oberhalb der Erde ab. Die Wurzeln werden nicht mitgegessen.

So zieht man Sprossen heran

Um Sprossen zu ziehen, eignen sich am besten sogenannte Keimgläser. Diese können Sie kaufen oder einfach selbst machen, etwa mit einem leeren Marmeladenglas. In den Deckel stechen Sie mehrere Löcher. Oder Sie spannen Gazestoff drüber, befestigen ihn mit einem Gummi über der Öffnung und stechen diesen mehrfach ein. Der Deckel sollte als eine Art Sieb fungieren. Am besten wird das Gefäß dann wie im Bild schräg nach unten gerichtet aufgestellt, damit die Samen nicht in der Flüssigkeit stehen.

Das benötigen Sie:

  • ein Keimglas (oder ein anderes geeignetes Gefäß)
  • evt. Küchenkrepp
  • 1-2 EL Saatgut
  • eine Sprühflasche mit frischem Wasser

Schritt 1: Saatgut unter fließendem Wasser kalt abspülen.

Schritt 2: Das Saatgut mit der 2-3fachen Menge Wasser einweichen. Die Einweichdauer hängt von der Pflanze ab und steht auf der Packung.

Schritt 3: Das Einweichwasser abgießen, das Saatgut erneut abspülen und gut abtropfen lassen.

Schritt 4: Die Samen in das Keimgefäß geben und an einen hellen Ort ohne direkte Sonneneinstrahlung stellen. Die optimale Keimtemperatur liegt bei 18 bis 22 Grad Celsius.

Schritt 5: Die Sprossen sollten jeden Tag etwa 2-3 Mal gewässert werden, damit sie ausreichend Feuchtigkeit bekommen. Dafür lassen Sie am besten Wasser ins Keimgefäß laufen und durch das Sieb wieder ablaufen. Alternativ können Sie die Samen beziehungsweise Sprossen auch in ein feines Sieb geben, mit Wasser abspülen und anschließend wieder in das Keimgefäß zurückgeben. Geben Sie die Sprossen in ein Sieb und zurück in das Keimglas, besteht allerdings die Gefahr, dass sie in den feinen Löchern des Siebs hängenbleiben. Wichtig ist, dass kein Wasser im Keimgefäß steht.

Schritt 5: Auf der jeweiligen Saatgut-Packung können Sie nachlesen, wann Sie die Sprossen ernten können. Als Faustregel gilt: Die Sprossen können geerntet werden, wenn sie etwa 2-3 mal so lang sind wie der Samen.

Achtung: Vor allem Sprossen sind anfällig für Bakterien und Schimmelpilze. Sie sollten deshalb vor dem Verzehr abgespült und dann rasch verzehrt werden. Auch während des Heranwachsens ist es wichtig, dass Sprossen regelmäßig gespült und Microgreens nicht zu feucht gehalten werden. Schleimbildende Arten wie Kresse sollten noch häufiger gespült werden. Für sie eignen sich auch Kressesiebe als Anzuchtgefäße. Das sind Siebauflagen, die in Schalen aufliegen.

Allerdings lässt sich der feine Flaum an den Wurzeln der Keimlinge leicht mit Schimmel verwechseln. Um echten Schimmel handelt es sich, wenn nicht nur die Wurzeln mit weißem Flaum bedeckt sind, sondern der ganze Samen. Sie erkennen ihn außerdem am Geruch: Falls Sprossen modrig riechen, lassen Sie lieber die Finger davon.

Begünstigt wird Schimmelpilzbildung durch:

  • zu hohe Zimmertemperaturen
  • zu feuchtes Klima
  • schlechte Belüftung
  • zu viele Sprossen in einem Behälter

EHEC: Sind Microgreens und Sprossen gefährlich?

Für viele Menschen haben Sprossen immer noch einen schlechten Beigeschmack – im übertragenen Sinne. Vielleicht erinnern auch Sie sich noch an den Ausbruch von EHEC im Jahr 2011. EHEC sind spezielle Form vonEscherichia coli (E. coli), den normalen Darmbakterien. Vor allem Wiederkäuer wie Rindern scheiden sie mit dem Kot aus. Infektionen mit EHEC-Bakterien können zu blutigen Durchfällen und Nierenversagen führen.

Als Ursache für den Ausbruch 2011 wurden Bockshornklee-Sprossen aus Ägypten ausgemacht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat nach Ende Ausbruchs wieder grünes Licht für den Verzehr von Sprossen gegeben. Immunschwachen Personen und Schwangeren rät es jedoch grundsätzlich davon ab. Saatgut für die Sprossenzucht muss mittlerweile auf EHEC getestet werden.

EHEC-Bakterien können sich jedoch auch auf Gemüse und rohem Fleisch von Wiederkäuern befinden.

Lesetipp:Fragen und Antworten zu EHEC