Frau leidet unter Schwindel.
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Lagerungsschwindel: Schwindelattacken durch Bewegung

Von: Dr. rer. nat. Brit Neuhaus (Medizinautorin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 18.07.2023

Beim Lagerungsschwindel lösen bestimmte Kopfbewegungen ein kurzes Schwindelgefühl aus. Vor allem Frauen sind von den unangenehmen, aber harmlosen Schwindelattacken betroffen. Was die Ursache ist und was hilft, erfahren Sie hier.

Zusammenfassung

  • Definition: Beim gutartigen Lagerungsschwindel kommt es durch bestimmte Kopfbewegungen zu kurzen Schwindelattacken, die meist nur wenige Sekunden anhalten.
  • Symptome: Betroffene haben während der Schwindelattacken das Gefühl, dass sich alles dreht, manchmal kommt es zu Übelkeit und Erbrechen.
  • Ursachen: Ursache der Schwindelform ist eine kurzfristige Funktionsstörung im Gleichgewichtsorgan, in deren Folge fehlerhafte Bewegungsinformationen an das Gehirn weitergeleitet werden, die sich nicht mit den von anderen Sinnesorganen einlaufenden Informationen decken.
  • Diagnose: Ein Verdacht ergibt sich meist aufgrund der typischen Symptome. Er lässt sich mit einfachen Tests bestätigen, bei denen der Schwindel durch bestimmte Bewegungen gezielt ausgelöst wird.
  • Behandlung: Der Lagerungsschwindel lässt sich mehrheitlich erfolgreich mit Lagerungsmanövern behandeln. Das sind festgelegte Bewegungsabfolgen, die unter ärztlicher Anleitung durchgeführt werden.
  • Verlauf: Oft verschwindet der Lagerungsschwindel nach einigen Wochen von allein. Lagerungsmanöver beschleunigen den Prozess und werden auch bei Rückfällen angewendet.

Was ist Lagerungsschwindel?

Der Lagerungsschwindel wird von Fachleuten auch als gutartiger Lagerungsschwindel oder BPLS (für benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel) bezeichnet. Dabei kommt es zu kurzen Schwindelattacken, die meistens nicht länger als einige Sekunden, höchstens aber wenige Minuten anhalten. Das Schwindelgefühl entsteht niemals in Ruhe, sondern wird durch bestimmte, meist rasche Kopfbewegungen ausgelöst, beispielsweise wenn Betroffene

  • ihren Kopf drehen oder in den Nacken legen
  • sich hinlegen, im Liegen umdrehen oder aus dem Liegen heraus aufstehen
  • sich nach vorne beugen oder sich bücken

Der gutartige Lagerungsschwindel ist eine verhältnismäßig häufige Erkrankung: Etwa 2 von 100 Menschen sind im Laufe ihres Lebens davon betroffen, Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer. Die Schwindelattacken können in jedem Alter, im Einzelfall auch bei Kindern, auftreten. In der Regel treten sie jedoch erst nach dem 40. Lebensjahr in Erscheinung. Die Schwindelattacken sind harmlos, Betroffene empfinden sie jedoch oft als sehr unangenehm.

Welche Symptome verursacht Lagerungsschwindel?

Bei Menschen mit gutartigem Lagerungsschwindel kommt es bei bestimmten Bewegungen des Kopfes zu heftigen Schwindelanfällen, zum Teil mit Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüchen und Angstgefühlen. Betroffene haben während eines Anfalls das Gefühl, dass sich alles um sie herum dreht (Drehschwindel). Typisch für den gutartigen Lagerungsschwindel ist, dass die Attacken in der Regel nur wenige Sekunden, maximal wenige Minuten, andauern. Im Ruhezustand haben die Betroffenen keine Beschwerden.

Was ist die Ursache für Lagerungsschwindel?

Der Lagerungsschwindel ist Folge einer kurzfristigen Funktionsstörung des im Innenohr liegenden Gleichgewichtsorgans. Es besteht aus drei rechtwinkelig zueinanderstehenden, flüssigkeitsgefüllten bogenförmigen Gängen, den Bogengängen, und zwei Vorhofsäckchen, in denen sich die sogenannten Ohrsteinchen (Otolithen) befinden.

Während die Vorhofsäckchen auf Beschleunigung reagieren, registrieren die Bogengänge die Richtung einer Bewegung: Einer der Gänge ist für die Wahrnehmung von Rechts- und Linksneigungen des Kopfes verantwortlich, ein anderer für Beugebewegungen nach oben oder unten und der dritte für Drehbewegungen zur Seite. Über spezialisierte Sinneszellen wird die Bewegungsinformation aus Bogengängen und Vorhofsäckchen an das Gehirn weitergeleitet und dort ausgewertet.

Ursache des gutartigen Lagerungsschwindels sind Ohrsteinchen, die sich aus den Vorhofsäckchen in die Bogengänge verirren. Bei Lageänderungen des Kopfes reizen die umherschwimmenden Steinchen die empfindlichen Sinneszellen des betroffenen Bogengangs – allerdings unabhängig von der tatsächlichen Bewegungsrichtung.

Die fehlerhaften Bewegungsinformationen, die daraufhin an das Gehirn weitergeleitet werden, stimmen nicht mit denen anderer Sinnesorgane, insbesondere der Augen, überein. Das Gehirn kann die widersprüchlichen Sinneseindrücke nicht miteinander in Einklang bringen, und es entsteht ein meist starkes, in der Regel aber nur wenige Sekunden andauerndes Schwindelgefühl.

Weitere mögliche Ursachen

Weitere, aber seltenere Ursachen für den gutartigen Lagerungsschwindel sind beispielsweise Verletzungen im Bereich des Schädels, Ohrenentzündungen, Durchblutungsstörungen oder andere Erkrankungen des Innenohrs (z. B. Morbus Menière).

Diagnostik bei Lagerungsschwindel

Meist ist die Diagnose dieser Schwindelform bereits aufgrund der charakteristischen Symptome möglich. Typisch ist auch, dass der Schwindel in der Regel nach bestimmten Bewegungen und in bestimmten Situationen auftritt, beispielsweise beim Zubettgehen.

Mit einfachen Bewegungstests lässt sich der Verdacht bestätigen und zudem herausfinden, welcher der drei Bogengänge betroffen ist. Beim Dix-Hallpike-Test, der den hinteren und vorderen Bogengang anspricht, sitzt die betroffene Person auf der Untersuchungsliege, dreht den Kopf zu einer Seite und legt sich danach mit gedrehtem Kopf schnell auf den Rücken. Beim gutartigen Lagerungsschwindel lässt sich durch dieses Bewegungsmuster eine Schwindelattacke auslösen. Begleitet wird der Lagerungsschwindel durch typische, ruckartige Pendelbewegungen der Augen nach rechts und links. Fachleute bezeichnen diese unwillkürlichen Augenzuckungen auch als Nystagmus.

Der horizontale Bogengang lässt sich mit dem sogenannten Supine-Head-Roll-Test prüfen. Dabei liegen die Betroffenen auf dem Rücken, während die Ärztin oder der Arzt ihren Kopf abwechselnd auf beide Seiten dreht.

Wie wird Lagerungsschwindel behandelt?

In der Regel verschwindet der gutartige Lagerungsschwindel nach einiger Zeit von allein. Da Betroffene die Attacken aber oft als sehr unangenehm empfinden, kommen häufig sogenannte Befreiungsmanöver zur Anwendung. Dazu zählt beispielsweise das Epley-Manöver für den hinteren oder das Gufoni-Manöver für den horizontalen Bogengang. Bei allen Befreiungsmanövern handelt es sich um festgelegte Bewegungsabfolgen, die unter ärztlicher Anleitung durchgeführt werden. Ziel ist es, die Ohrsteinchen in einen Teil des Innenohrs zu befördern, wo sie keine Probleme hervorrufen.

Manchmal ist es notwendig, das Befreiungsmanöver mehrfach zu wiederholen, um die Otolithen zu verlagern. Zudem können zu einem späteren Zeitpunkt erneut Ohrsteinchen in die Bogengänge geraten. Daher ist es für die Betroffenen sinnvoll, sich in der Arztpraxis ein vereinfachtes Lagerungsmanöver zeigen zu lassen, das sie bei Bedarf eigenständig zu Hause durchführen können.

Viele Betroffene empfinden die Lagerungsmanöver als unangenehm, da sie zunächst ein starkes Schwindelgefühl mit Übelkeit auslösen können. Bei erfolgreicher Durchführung reduzieren sie die Häufigkeit der Schwindelattacken bei den meisten Menschen aber erheblich.

Eine medikamentöse Therapie erfolgt beim Lagerungsschwindel in der Regel nicht. Kommt es in der Anfangszeit zu starken Beschwerden, lässt sich der Schwindel aber kurzzeitig durch Medikamente unterdrücken.

Wie verläuft Lagerungsschwindel?

Ein Schwindelanfall dauert bei Menschen mit gutartigem Lagerungsschwindel meist nur einige Sekunden, manchmal wenige Minuten. Zwar können die Attacken für einige Zeit gehäuft auftreten, in vielen Fällen klingen die Beschwerden aber im Laufe weniger Wochen von allein ab. Rückfälle sind zwar keine Seltenheit, durch Lagerungsmanöver lässt sich der Schwindel aber bei fast allen Betroffenen gut behandeln und die Zahl der Schwindelattacken erheblich senken.