Arzt zeigt ISG-Gelenk am Modell.
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ISG-Syndrom: Wenn der untere Rücken schmerzt

Von: Anna Besson (Medizinautorin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 12.07.2023 - 10:45 Uhr

Bei einem Iliosakralgelenksyndrom (ISG-Syndrom) verkanten sich die namengebenden Gelenke. Dies führt zu stechenden, schnell einschießenden Schmerzen im unteren Rücken und an der rückseitigen Hüfte, welche die Bewegung einschränken. Wie es zu einem ISG-Syndrom kommt und was hilft, lesen Sie hier.

FAQ: Die häufigsten Fragen zum ISG-Syndrom

Schmerzen im Kreuz und am Gesäß, die bis zu den Oberschenkeln und Waden runterziehen. Es kann auch zu Schmerzen beim Gehen und Sitzen aber auch zu einem kribbelnden Gefühl in einem oder beiden Beinen kommen.

Bei akuten Schmerzen helfen Wärme, und Bewegung. In der Physiotherapie werden verschiedene Übungen gezeigt, welche die Schmerzen lindern können.

Was ist das ISG-Syndrom?

Auch als Kreuz-Darmbein-Gelenke bezeichnet, verbinden die Iliosakralgelenke das Darmbein (Os ilium), zwei schaufelförmige große Knochen des Beckens, mit beiden Seiten des Kreuzbeins (Os sacrum), einem Teil der Wirbelsäule. Sie sind fest mit Bändern gesichert und erlauben nur kleine Bewegung zwischen Kreuz- und Darmbein – beispielsweise damit das Becken bei Frauen während des Geburtsvorgangs kippen kann. Sie sind nicht aktiv beweglich. Diese Art von Gelenken wird als Amphiarthrosen bezeichnet.

Fachleute gehen davon aus, dass es zum ISG-Syndrom kommt, wenn die Gelenkplatten gegeneinander verrutschen, sich verkanten und dadurch eine Blockade entsteht. Ursache ist zum Beispiel eine dauerhafte Fehlbelastung der Bänder und Muskulatur, die das Gelenk umgeben. Als Folge kommt es zu Verspannungen und Verhärtungen (Triggerpunkte), wodurch wiederum die dort verlaufenen Nerven eingeengt werden. So entstehen die für das ISG-Syndrom typischen Schmerzen im unteren Rücken.

Das ISG-Syndrom ist gut behandelbar, wenn die auslösenden Ursachen für die Rückenschmerzen zeitnah beseitigt werden.

Welche Symptome treten bei einem ISG-Syndrom auf?

Das ISG-Syndrom ist oft sehr schmerzhaft. Die Schmerzen treten in erster Linie am unteren Rücken im Bereich der Hüfte auf. Die Beschwerden in der Muskulatur werden oft als bohrend, brennend oder stechend beschrieben. Sie können von der Hüfte ausgehend über Strukturen wie die Gesäßmuskulatur, den Beckenboden, den Hüftbeuger, den Rückenstrecker und die Rückseite des Oberschenkels bis zur Wade ausstrahlen.

Durch die Blockade im Iliosakralgelenk sind Bewegungen des Alltags ab der Hüfte in der Regel eingeschränkt. Das heißt, dass Bücken, Heben oder eine Drehbewegung des Rumpfes schwerer möglich ist und der Versuch, diese Bewegungen auszuführen, plötzliche Schmerzen auslöst. Diese werden stärker, je länger die Bewegung andauert. Gleichzeitig nimmt der Bewegungsradius ab und die Schmerzen zwingen Betroffene oft dazu, eine Schonhaltung einzunehmen.

Häufig machen sich auch Empfindungsstörungen bemerkbar, die für einen Bandscheibenvorfall typisch sind. Diese entstehen dadurch, dass die Nerven, die am Kreuzbein aus dem Wirbelkanal austreten, von der verspannten Muskulatur komprimiert werden. Dies macht sich durch ein kribbelndes Gefühl entlang der Beine bemerkbar.

Wie entsteht das ISG-Syndrom?

Ursächlich für das ISG-Syndrom ist eine dauerhafte oder wiederholte Fehlbelastung der betroffenen knöchernen, sehnigen oder muskulären Strukturen. So kommt es zu schmerzhaften Entzündungen durch unter anderem

  • häufiges schweres Heben,
  • fehlerhaft ausgeführte Bewegungen beim Sport,
  • Fehlbelastungen durch langes Stehen und Sitzen,
  • starkes Übergewicht,
  • Sturz auf das Gesäß,
  • Fehlstellungen der Hüfte, wie sie durch ungleich lange Beine entstehen können,
  • schwächliche Rückenmuskulatur,
  • Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose),
  • Operation am Rücken,
  • Infektion,
  • Entzündung der Iliosakralgelenke (Sakroilitis) oder eine
  • degenerative Gelenkerkrankung der kleinen Wirbelgelenke (Spondylarthrose)

ISG-Syndrom in der Schwangerschaft

Auch durch eine Schwangerschaft kann es zu einem ISG-Syndrom kommen, wenn Hormone wie Östrogen und Relaxin die Muskulatur und Bänder auf die neue Situation einstellen. Durch den Einfluss von Relaxin lockern sich die Bänder, die das Iliosakralgelenk festigen. Dadurch wird es beweglicher. Wächst der Fötus mit der Zeit, lastet mehr Gewicht auf dem Becken. In der Folge können Darm- und Kreuzbein auseinanderdriften und sich gegeneinander verschieben. Die aus dem Wirbelkanal austretenden Nerven geraten in den entstandenen Gelenkspalt und werden so bei jeder Bewegung gereizt.

Die Schmerzen entstehen dadurch, dass das entzündete Gewebe Schmerzbotenstoffe ausschüttet. Diese binden an spezialisierte Nervenzellen, die Nozizeptoren, welche die Information in Form eines elektrischen Signals an das Gehirn weiterleiten.

Wie erfolgt die Diagnose bei ISG-Syndrom?

Bei Schmerzen im Rücken ist eine orthopädische Praxis die richtige Anlaufstelle. Zunächst führt der Arzt oder die Ärztin ein ausführliches Gespräch (Anamnese) durch, in welchem zu der Dauer und Häufigkeit der Beschwerden, den einzelnen Symptome gefragt und sich nach Verletzungen in dem Bereich, beispielsweise durch einen Sturz, erkundigt wird.

Bei der körperlichen Untersuchung wird die betroffene Person zunächst entlang der Wirbelsäule abgetastet, um auszuschließen, dass die Schmerzen von den Wirbeln herrühren. Bei einem ISG-Syndrom treten auf diese Weise keine Schmerzen auf, sondern erst seitlich davon auf Höhe des Kreuzbeins.

Funktionstests

Daneben stehen verschiedene Funktionstests zur Verfügung, die allerdings nur Hinweise auf ein ISG-Syndrom geben, aber gleichzeitig eine andere Erkrankung nicht ausschließen können. Erst wenn mindestens drei verschiedene Tests Schmerzreaktionen auslösen, weist dies auf eine Dysfunktion im Bereich des Iliosakralgelenks hin.

Die Funktions- oder Belastungstests unterscheiden sich in den Bewegungsmanövern, welche die betroffene Person entweder aktiv durchführt oder die an ihr durchgeführt werden.

  • Vierer-Zeichen: Die betroffene Person winkelt in Rückenlage zunächst ein Bein so an, dass die Ferse auf Kniehöhe des anderen Beines zum Stehen kommt. Dann wird das Knie so zur Seite gekippt, dass es vom anderen Bein weg zeigt. Lässt sich von oben gesehen so keine 4 erkennen und schmerzt diese Bewegung, weist dies auf ein ISG-Syndrom hin.

  • Mennell-Test: Dabei hebt der Arzt oder die Ärztin das Bein aus der Bauchlage nach oben an, während die andere Hand von oben Druck auf das Darmbein ausübt. Ein so ausgelöster Schmerz weist auf das Syndrom oder aber auch auf die Erkrankung Morbus Bechterew hin.

  • Gänslen-Test: Die betroffene Person liegt in Rückenlage und zieht ein Bein gebeugt bis an die Brust hoch. Tritt ein Schmerz auf, wenn sie das andere Bein von der Liege herunterhängen lässt und darauf von der untersuchenden Person Druck ausgeübt wird, spricht dies für ein ISG-Syndrom.

Wie sieht die Behandlung bei ISG-Syndrom aus?

Bei einem ISG-Syndrom stellt Physiotherapie in Form von manueller Therapie eine Option der Behandlung dar. Durch die von der behandelnden Person vorsichtig ausgeführten Bewegungen sollen die Blockaden in den Gelenken gelöst und durch die Dehnung die Muskulatur und Sehnen entspannt werden. Einige dieser Übungen lassen sich auch zu Hause durchführen. Begleitend empfinden viele Menschen eine Wärmflasche oder ein Wärmepflaster auf der betroffenen Stelle als angenehm und wohltuend. Manchmal hilft es zusätzlich, entzündungshemmende Medikamente wie Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen einzunehmen.

Wie verläuft das ISG-Syndrom?

Das ISG-Syndrom hat das Potenzial, chronisch zu werden – daher ist es sinnvoll, bei Beschwerden beispielsweise gleich mit Wärme zu behandeln und die ärztliche Praxis aufzusuchen, um andere Erkrankungen auszuschließen. Das ISG-Syndrom kann schnell abklingen, allerdings verläuft die Erkrankung individuell unterschiedlich.

Oft ist das ISG-Syndrom auf eine dauerhafte Fehlbelastung zurückzuführen. Liegen diese Faktoren vor, ist es sinnvoll, sie auszumerzen, um ein wiederholtes Auftreten zu vermeiden.

Einen wichtigen Aspekt nimmt dabei Sport oder generell mehr Bewegung im Alltag ein – auch, wenn bereits oder noch Beschwerden bestehen. Bewegung lockert nicht nur die Muskulatur, sie kann sie auch kräftigen. Für Letzteres eignen sich besonders muskelstärkende Übungen, die im Rahmen der Therapie erlernt werden.