Kleines Mädchen sitzt am Tisch und leidet unter Schielen.
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Schielen (Strabismus): Formen, Ursachen und Behandlung

Von: Jessica Rothberg (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 20.02.2023

Schielen kann je nach Ausprägung eine starke Sehbehinderung bedeuten und vor allem bei Babys langfristig Schaden anrichten. Welche Ursachen hinter Schielen stecken können und weshalb eine Behandlung unerlässlich ist. 

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Zusammenfassung

  • Definition: Beim Schielen liegt eine Fehlstellung der Augensehachse vor, sodass die Augen in verschiedene Richtungen blicken.
  • Formen: Je nach Ursache, Blickrichtung etc. teilen Fachleute Strabismus in unterschiedliche Formen ein.
  • Symptome: Neben der unterschiedlichen Blickrichtung der Augen sind vor allem Sehbeeinträchtigungen, aber auch begleitende Symptome wie Kopfschmerzen, Lesebeeinträchtigung und Kopfschiefhaltung möglich.
  • Behandlung: Abhängig von der Ursache kommen verschiedene Maßnahmen zum Einsatz, wie eine Brille, zeitweises Abkleben des gesunden Auges oder eine Schieloperation.
  • Diagnose: Neben der ärztlichen Befragung (Anamnese) werden vor allem verschiedene Sehtests durchgeführt.
  • Verlauf & Prognose: Frühzeitig diagnostiziert und behandelt meist guter Verlauf und Prognose; unbehandelt drohen vor allem bei Babys und Kindern bleibende Sehbeeinträchtigungen. 

Was ist Schielen (Strabismus)?

Schielen, medizinisch Strabismus, bezeichnet eine Fehlstellung eines Auges oder beider Augen. Dabei weicht eine Augenachse von der Parallelstellung ab, sodass die Augen in verschiedene Richtungen blicken. Die Augenachse kann in alle Richtungen abweichen, in den meisten Fällen ist jedoch die horizontale Achse betroffen: Ein Auge schielt somit nach innen oder außen. 

In Mitteleuropa schielen etwa vier bis sechs Prozent der Bevölkerung. Strabismus ist für Betroffene oftmals eine seelische Belastung. Doch Schielen ist nicht nur ein äußerlicher Makel, sondern kann auch mit einer starken Sehbehinderung einhergehen. Bei Babys und Kindern kann unbehandeltes Schielen eine dauerhafte Sehschwäche (Amblyopie) zur Folge haben. Umso wichtiger ist es, ein Schielen beim Baby oder Kleinkind frühzeitig zu behandeln.

Wichtig: Wer bei sich oder einer anderen Person ein plötzliches Schielen bemerkt, sollte umgehend den Notruf kontaktieren. Es kann sich dabei um einen medizinischen Notfall wie einen Schlaganfall handeln. 

Unterschiedliche Formen von Strabismus

Fachleute teilen Strabismus in verschiedene Schielformen ein, je nach Richtung der Abweichung, Ursache, Zeitpunkt und nach Abhängigkeit der Blickrichtung.

Manifestes Schielen (Hetroporie)

Heteroporie (auch verstecktes beziehungsweise latentes Schielen genannt) ist die häufigste Form. Abhängig davon, welche Sehachse verschoben ist, wird bei der Hetrophorie unterschieden in: 

  • Strabismus convergens (Esotropie, von innen nach außen schielen)
  • Strabismus divergens (Exotoropie, von außen nach innen schielen)
  • Höhenschielen (Vetrikaltropie; linkes Auge höher als rechtes (Hypotropie); rechtes Auge höher als linkes (Hypertropie)

Latentes Schielen (Heterophorie) 

Beim latenten beziehungsweise versteckten Schielen (Heterophorie) ist das Augenmuskelgleichgewicht gestört, aber das Gehirn kann diese Störung in der Regel ausgleichen. Betroffene schielen dann nur unter bestimmten Bedingungen, beispielsweise bei starker Müdigkeit oder infolge von Alkoholkonsum. Bei etwa 70 Prozent der Menschen kommt es zu Hetrerophorie, jedoch führt sie nur bei etwa 10 Prozent zu Beschwerden.

Fachleute unterscheiden die Heterophorie in:

  • latentes Außenschielen (Exophorie)
  • latentes Innenschielen (Esophorie)
  • latentes Höhenschielen (Hypo- und Hyperphorie)

Begleitschielen (Strabismus concomitans)

Beim Begleitschielen (Strabismus concomitans) ist es Betroffenen nicht möglich, ein bestehendes Ungleichgewicht der Augenmuskeln zu überwinden. In der Folge kann sich die Sehachse beider Augen nicht auf dasselbe Objekt richten. Auch wenn sich die Augen bewegen, bleibt der Winkel der Sehachsen gleich.

Diese Art des Strabismus betrifft meistens Kinder in den ersten beiden Lebensjahren. Auch ist es möglich, dass Babys mit diesem Schielen auf die Welt kommen. Die häufigste Form des Begleitschielens ist das sogenannte frühkindliche Einwärtsschielen, das sich bei Babys innerhalb der ersten sechs Lebensmonate entwickelt. Dieses Schielen bei Babys muss in der Regel behandelt werden, um möglichen Komplikationen vorzubeugen.

Lähmungsschielen (Strabismus paralyticus)

Ein plötzliches Schielen kann die Folge sein, wenn einer oder mehrere Augenmuskeln nicht mehr richtig funktionieren. Dieses Lähmungsschielen (Strabismus paralyticus) kann sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen auftreten. Je nach Blickrichtung kann der Schielwinkel beim Lähmungsschielen unterschiedlich sein.

Schielen bei Babys und Kindern 

Bei Babys und Kindern ist Schielen häufig angeboren. Das Gehirn von Babys und Kindern reagiert auf das Schielen, indem es die Seheindrücke eines Auges unterdrückt. Unbehandelt sind deshalb schwerwiegende Komplikationen möglich, wie eine Sehschwäche des nicht genutzten Auges.

Das Schielen bei Babys und Kindern kann jedoch auch sehr unauffällig sein (Mikrostrabismus). Deshalb ist es unerlässlich, dass Eltern auch Kinder ohne sichtbare Augenfehlstellung im Alter von 30 bis 42 Monaten augenärztlich untersuchen lassen. Nur so kann einer drohenden Sehschwäche vorgebeugt werden.

Durch welche Symptome kann sich Schielen äußern?

Schielen kennzeichnet sich durch eine Fehlstellung der Augen: Ein Auge oder beide Augen blicken in verschiedene Richtungen. Grundsätzlich kann die Abweichung in alle Richtungen erfolgen, besonders häufig ist jedoch

  • Einwärtsschielen und
  • Auswärtsschielen. 

Darüber hinaus kann es durch eine teils starke Sehbehinderung beim Schielen zu weiteren Symptomen kommen: 

Weitere Beschwerden bei Heterophorie 

Im Zuge einer Heterophorie kann es zu weiteren Symptomen kommen. Etwa zehn Prozent der Betroffenen entwickeln Beschwerden wie: 

  • Sehen von Doppelbildern (Diplopie)
  • verschwommenes Sehen
  • schnelle Ermüdung
  • Kopfschmerzen

Beschwerden bei Begleitschielen (Strabismus concomitans)

Beim Begleitschielen entwickelt sich oftmals eine leichte Weitsichtigkeit – bei einem einseitigen Schielen ist das betroffene Auge meist schwachsichtig. 

Anzeichen von Lähmungsschielen

Beim Lähmungsschielen (Strabismus paralyticus) kommt es in der Regel zu einem plötzlichen Schielen. Betroffene sehen deshalb schlagartig Doppelbilder, was mit Schwindel und Übelkeit verbunden sein kann. Mitunter halten Patient*innen ihren Kopf schief in Richtung des betroffenen Auges, um den gelähmten Augenmuskel zu entlasten. 

Schielen: Ursachen und Risikofaktoren

Hinter Schielen können verschiedene Ursachen und Risikofaktoren stecken. Dazu zählen zum Beispiel: 

  • familiäre Vorbelastung: mitunter leiden Kinder ebenso unter Schielen, wenn ein Elternteil ebenso betroffen ist oder deshalb behandelt wurde

  • organische Veränderungen der Augen: etwa eine Linsentrübung, Verletzung wie Schädigung des Sehnervs oder seltener Augentumor wie ein Retinoblastom

  • unbehandelte Weitsichtigkeit oder unterschiedliche Fehlsichtigkeit: wenn etwa keine notwendige Brille oder Kontaktlinsen getragen werden

  • Schwächung des Körpers: etwa durch Kinderkrankheiten mit hohem Fieber, Infektionskrankheiten, Unfälle oder emotionale, psychisch belastende Krisen

  • Risikofaktoren während Geburt: beispielsweise aufgrund von Problemen der Sauerstoffversorgung des Babys

  • Risikofaktoren während der Schwangerschaft: Studien zufolge leiden Kinder von Raucherinnen häufiger unter Strabismus

Schielen: Wie erfolgt die Behandlung?

Je früher Strabismus diagnostiziert und behandelt wird, desto besser sind die Chancen einer erfolgreichen Behandlung. Die Therapie richtet sich auch danach, welche Form des Schielens vorliegt. 

Ist etwa eine Weitsichtigkeit ursächlich für das Schielen, erhalten Betroffene eine entsprechende Sehhilfe in Form einer Brille oder von Kontaktlinsen. Manchmal hilft auch eine spezielle Prismenbrille, um den Strabismus bis zu einer gewissen Ausprägung auszugleichen. Weiterhin kann mithilfe eines speziellen Augentrainings das Zusammenführen von Doppelbildern trainiert werden (Fusionsschulung). 

Bei Kindern kommt mitunter die Okklusionstherapie zum Einsatz. Dabei wird mit einem Pflaster das gut sehende Auge zeitweise abgeklebt. So soll das sehschwächere Auge gefördert werden, um dem Schielen gegenzusteuern. 

Erzielen diese Maßnahmen keinen Erfolg, rät die*der Augenärztin*Augenarzt mitunter zu einer Strabismus-OP. Dabei wird der Augenmuskel entsprechend korrigiert, bis die Fehlstellung beglichen ist. Je nachdem, ob eine andere Augenerkrankung wie eine Linsentrübung verantwortlich für das Schielen ist, können weitere Therapieoptionen erforderlich sein. 

Wie lässt sich Strabismus diagnostizieren?

Im Rahmen der Diagnose geben bereits die typische Augenstellung und Begleiterscheinungen wie eine Sehstörung erste Hinweise. Oftmals wird bereits bei den Früherkennungsuntersuchungen U1 bis U9 ein Schielen bei Kindern diagnostiziert.

Zudem kommen verschiedene Sehtests und sogenannte orthoptische Tests (zur Kontrolle beidäugigen Sehens) zum Einsatz, wie: 

  • Abdecktest: Ein Auge wird abgedeckt und dann kontrolliert, ob sich das nicht abgedeckte Auge neu einstellt (Indiz für Begleitschielen)
  • Aufdecktest: Das Auge wird wieder aufgedeckt und überprüft, ob eine langsame Verschmelzungsbewegung erfolgt (Hinweis für latentes Schielen).

Weitere augenärztliche Tests geben zudem Aufschluss darüber, ob andere Augenerkrankungen vorliegen. 

Schielen: Verlauf und Prognose

Prognose und Verlauf bei Strabismus hängen von der zugrunde liegenden Ursache ab. Auch wie schnell eine Diagnose und entsprechende Behandlung erfolgt, ist für den Verlauf entscheidend. Wird etwa eine Fehlsichtigkeit zügig therapiert, kann sich das Schielen oftmals nach einiger Zeit wieder einstellen.

Hingegen kann bei Babys und Kindern Schielen den normalen Entwicklungsverlauf des Sehvermögens in den ersten Lebensjahren beeinträchtigen. Unbehandelt kann ein kindliches Begleitschielen zu einer ausgeprägten Schwachsichtigkeit führen, die sich meist nicht mehr beheben lässt. 

Die Prognose für gutes Stereosehen (räumliches Sehen durch die zu einem Bild zusammengefügten Seheindrücke beider Augen) und für eine gute Sehschärfe ist ebenso umso besser, je früher die Behandlung des Strabismus beginnt. Ideal ist es, schon ein Schielen beim Baby im sechsten Lebensmonat zu behandeln. Die Behandlung einer schielbedingten Sehschwäche erstreckt sich bei Kindern bis etwa zum zwölften Lebensjahr.

Wenn das Schielen durch eine Operation behoben wurde, kann sich danach die Augenstellung erneut ändern. Darum ist es beim Strabismus gelegentlich erforderlich, die Augenmuskeln im weiteren Verlauf mehrfach zu operieren.