Schlafmittel

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 27.09.2007

auch bezeichnet als:
Hypnotika; Sedativa

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Schlafmittel" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Mit Schlafmitteln werden in erster Linie Störungen des Einschlafens und Durchschlafens behandelt. Solche Schlafstörungen können sowohl gelegentlich als auch regelmäßig auftreten. Dementsprechend kann eine Behandlung kurzfristig oder für einen längeren Zeitraum erforderlich sein, um die Folgezustände von mangelndem Schlaf wie anhaltende Müdigkeit und Konzentrationsschwäche zu vermeiden. Schlafmittel können das Krankheitsbild der Schlafstörung wirksam bekämpfen, beseitigen aber in der Regel nicht die eigentlichen Ursachen.

Schlafstörungen werden in vielen Fällen durch ungünstige äußere Einflüsse wie schlechte Schlafbedingungen hervorgerufen. Hierzu gehören Schlafzimmer, die zu hell oder laut sind, vom Schichtdienst diktierte Schlafzeiten und ständige äußerlich veranlasste Schlafunterbrechungen zum Beispiel durch ein schreiendes Baby oder während einer Rufbereitschaft.

Schlafstörungen können aber auch innerliche Ursachen haben wie Stress, Schilddrüsenüberfunktion und Herzjagen. Manche Arzneimittel, Schilddrüsenhormone und tri- und tetrazyklische Antidepressiva, können als Nebenwirkung den Schlaf stören. Aber auch am Spätnachmittag oder Abend getrunkene Genussmittel wie Schwarztee, Grüner Tee, Kaffee, andere Coffein-haltige Getränke sowie die Einnahme schwerer Mahlzeiten halten wach. Alkoholika haben vordergründig zwar einen müde machenden Effekt. Trinkt man aber regelmäßig Alkohol, kann dies auf Dauer auch eine Schlaflosigkeit herbeiführen. Oft gerät der Betroffene dann in den Teufelskreis, mit Alkohol den ersehnten Schlaf herbeiführen zu wollen.

Bevor Schlafstörungen mit Arzneimitteln behandelt werden, sollte herausgefunden werden, auf welche Weise die Schlafstörung entstanden ist. Sind äußere Einflüsse wie ungünstige Schlafbedingungen, die Lebensführung oder die Einnahme bestimmter Arzneimittel Ursache der Schlafstörungen, sollten diese Ursachen so weit wie möglich beseitigt werden. Eine Entspannungstherapie kann Unruhezustände und Stressgefühle bessern und somit oftmals zu ruhigem Schlaf verhelfen.

Es ist sinnvoll (auch in Kombination mit dem Einsatz von Schlafmitteln), Regeln für einen ungestörten und gesunden Schlaf einzuhalten. Zu diesen Schlafregeln gehören:
  • die Einhaltung eines vernünftigen Schlafrhythmus
  • der Verzicht auf abendlichen Konsum von Alkohol, Coffein-haltigen Getränken, Kaffe und Tee
  • die Vermeidung schwer verdaulicher abendlicher Mahlzeiten
  • das Einüben von Entspannungstechniken, wenn direkt nach stressigen Situationen geschlafen werden soll.

Wirkung

Zur Behandlung der Schlaflosigkeit sind viele Wirkstoffe gebräuchlich. Je nach dem Maß der möglichen Nebenwirkungen sind sie zum Teil frei verkäuflich, zum Teil aber auch verschreibungspflichtig.

Zur Selbstmedikation stehen als leichteste Schlafmittel eine Reihe von Wirkstoffen teils pflanzlichen, teils chemischen Ursprungs zur Verfügung:
  • Die pflanzlichen Wirkstoffe kommen entweder alleine oder in Kombination zur Anwendung. Sie haben allesamt eine den Schlaf anstoßende und beruhigende Wirkung. Die Wirkmechanismen sind sehr unterschiedlich und nur wenig bekannt. In der Regel können die pflanzlichen Stoffe bei leichten Schlafstörungen erfolgreich eingesetzt werden und bleiben auch über einen längeren Zeitraum als vier Wochen ohne erhebliche Nebenwirkungen. Zu den bekanntesten Vertretern zählen Baldrian, Johanniskraut oder die Wirkstoffkombination Baldrian und Hopfen. Nur von Johanniskraut weiß man sicher, dass es einen Einfluss auf die Botenstoffe im Gehirn hat, die bei Erregung der Nervenzellen freigesetzt werden. Indem die wirksamen Bestandteile des Johanniskrauts die Effekte dieser Botenstoffe abdämpfen, ergibt sich ein beruhigender Einfluss auf die Psyche. Diese typische Johanniskraut-Wirkung wird auch zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Depressionen genutzt.
  • Um Schlaflosigkeit kurzfristig zu überbrücken, können für einige Tage die Wirkstoffe Doxylamin oder Diphenhydramin eingenommen werden. Hierbei handelt es sich um H1-Antihistaminika, die ursprünglich bei Allergien eingesetzt wurden und die Wirkung des Botenstoffs Histamin vermindern. Histamin ist ein körpereigener Botenstoff mit vielen Wirkungen. Im Gewebe bindet sich Histamin an spezielle Rezeptoren und setzt bei Allergien Substanzen frei, die die Nerven reizen und die Blutgefäße durchlässiger machen. So kommt es zu den typischen allergischen Erscheinungen des Juckreizes und der Schwellungen durch Austritt von Wasser in das Gewebe. An Rezeptoren im Gehirn gebunden, bewirkt Histamin erhöhte Aufmerksamkeit und Wachsein. H1-Antihistaminika heben die beschriebenen Wirkungen des Histamins auf. Daher können H1-Antihistaminika insbesondere allergische Beschwerden lindern. Ältere H1-Antihistaminika wie Doxylamin und Diphenhydramin überwinden die Blut-Hirn-Schranke. So gelangen sie auch an Bindungsstellen des Histamins im Gehirn. Die Aufhebung der Histamin-Wirkung zeigt sich dann in starker Müdigkeit, Abdämpfung und Beruhigung. Aufgrund dieser Eigenschaften nutzt man Doxylamin und Diphenhydramin heute nicht mehr als Antiallergika, sondern nur noch als Schlafmittel.
Neben den rezeptfreien Schlafmitteln gibt es noch viele, die vom Arzt verschrieben werden müssen und den starken Schlafstörungen vorbehalten sind:
  • Benzodiazepine wie Diazepam oder Flurazepam hemmen im Gehirn die Erregbarkeit von Nervenzellen. Sie ahmen dabei die Wirkungen des körpereigenen Botenstoffs Gamma-Aminobuttersäure (GABA) nach. Indem sich die Benzodiazepine an die gleichen Rezeptoren wie GABA binden, wirken sie insgesamt beruhigend, erregungs- und aggressionsdämpfend, entspannend, angstlösend und schlafanstoßend. Allerdings lösen Benzodiazepine schon nach kurzer regelmäßiger Anwendung eine Medikamentenabhängigkeit aus. Sie dürfen daher nur über einen kurzen Behandlungszeitraum und unter entsprechender ärztlicher Überwachung eingenommen werden.
  • Über einen ähnlichen Mechanismus im Gehirn wie die Benzodiazepine wirken Zolpidem, Zaleplon und Zopiclon. Auch sie ahmen die Wirkung von GABA nach. Allerdings sollen sie eine geringere Gefahr der Abhängigkeit haben als die Benzodiazepine.
  • Chloralhydrat hemmt die Aldehyd-Dehydrogenase, ein Enzym, das anscheinend benötigt wird, damit der Botenstoff Acetylcholin im Gehirn wirksam werden kann. Acetylcholin bindet sich an Rezeptoren im Gehirn, fördert so die Nerventätigkeit und damit das Bewusstsein. Wird die Bindung von Acetylcholin an die Rezeptoren durch Chloralhydrat verhindert, tritt eine Funktionseinschränkung des Gehirns ein, die sich als Müdigkeit zeigt. Chloralhydrat ist eines der ältesten Schlafmittel, wird aber wegen seiner schnell nachlassenden Wirkung nur noch gelegentlich genutzt. Man setzt es besonders bei älteren Patienten ein, weil es im Gegensatz zu den Benzodiazepinen bei dieser Patientengruppe nur selten unerwünschte Erregungszustände auslöst.
  • Die früher häufig verwendeten Barbiturate werden heute nicht mehr zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Sie machen in zu hohem Maße abhängig und der geringe Abstand von therapeutischer zu tödlicher Dosis führte zu vielen Todesfällen.