Eine Frau fasst sich mit der linken Hand an den hinteren oberen Bereich des Oberschenkels.
© Getty Images

Hamstring-Schmerzen (Schmerzen im Oberschenkel hinten)

Von: Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 21.01.2022

Schmerzen in den rückseitigen Oberschenkelmuskeln (den sogenannten Hamstrings) treten meist plötzlich auf. Wer Sport treibt, bei dem man schnell die Richtung wechseln oder abrupt bremsen muss, hat mit Hamstring-Problemen vielleicht schon Erfahrung gemacht. Erfahren Sie, welche Ursachen hinter den Schmerzen stecken und welche Behandlung hilft.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was sind Hamstring-Schmerzen?

Treten Schmerzen im Oberschenkel hinten auf, kann das auf Muskelverletzungen im hindeuten. Der Fachausdruck für die Muskelgruppe im hinteren Oberschenkel lautet ischiocrurale Muskulatur. Viele Sportler haben jedoch den englischen Ausdruck dafür übernommen und sprechen von Hamstrings.

Als Hamstrings bezeichnet man einen Verband aus rückseitigen Oberschenkelmuskeln, der von der Hüfte bis unterhalb des Kniegelenks verläuft. Zu diesem zählen die folgenden Muskeln:

  • Musculus biceps femoris (zweiköpfiger Oberschenkelmuskel)
  • Musculus semitendinosus (Halbsehnenmuskel) und
  • Musculus semimembranosus (Plattsehnenmuskel).

Ob beim Rennen, Springen oder Klettern: Mithilfe der Hamstrings können wir die Knie beugen, die Hüfte strecken und das Becken stabilisieren. Insbesondere bei Bewegungen, die Schnellkraft erfordern, wie etwa schnelle Sprints, wird die ischiocrurale Muskulatur beansprucht. Beim Laufen oder Stehen sind die Oberschenkelmuskeln dagegen nicht aktiv.

Kommt es zu einer Hamstring-Verletzung, wie einer Zerrung oder einem Muskel(faser)riss, macht sich diese meist mitten in der Bewegung bemerkbar – etwa durch plötzliche Schmerzen oder auch eine Art schnappendes oder platzendes Gefühl im Oberschenkel hinten. Die ursächliche Aktivität muss meist sofort abgebrochen werden.

Möglicherweise fühlt sich der Muskelbereich dann wund oder empfindlich an oder schwillt an. In manchen Fällen können auch Blutergüsse sichtbar werden.

Verletzungen treten dabei vor allem im oberen Abschnitt der Hamstrings auf. Zu Schmerzen kommt es deshalb meist unterhalb des Gesäßes beziehungsweise in Nähe der Sitzbeinhöcker. Beugt man das Knie oder streckt die Hüfte, können die Schmerzen stärker werden.

Hamstring-Verletzungsgrade

Grad 1

Bei einer leichten Hamstring-Verletzung vom Grad 1 handelt es sich nur um eine Zerrung. Es treten zwar plötzliche Schmerzen im Oberschenkel hinten auf, die Muskelkraft bleibt jedoch bestehen. Auch Gehen ist noch möglich, wenn auch mit Schmerzen verbunden.

Grad 2

Bei einer Hamstring-Verletzung zweiten Grades sind die rückseitigen Oberschenkelmuskeln teilweise gerissen. Die Schmerzen sind stärker. Auf der Oberschenkelrückseite tritt möglicherweise eine Schwellung oder auch ein blauer Fleck auf. Die Muskelkraft hat abgenommen.

Grad 3

Liegt eine Hamstring-Verletzung dritten Grades vor, besteht ein vollständiger Muskelabriss. Dieser geht mit sehr starken Schmerzen, deutlicher Schwellung und Blutergüssen einher. Während der Verletzung war möglicherweise eine Art knallendes Geräusch zu hören. Das Bein lässt sich nicht mehr belasten.

Schmerzen im Oberschenkel hinten: Ursachen

Eine der häufigsten Ursachen für Hamstring-Schmerzen ist Überlastung, in der Regel durch Sport. Vor allem eine Überdehnung oder Zerrung der ischiocruralen Muskeln kommt relativ oft vor – insbesondere bei Menschen, die Sportarten betreiben, bei denen es zu schnellen Richtungswechseln oder plötzlichem Abbremsen kommt.

Diese schlagartige Aktivierung der Muskeln kann die Hamstrings schnell überlasten. Typische Sportarten hierfür sind beispielsweise Fußball, Tennis oder Laufen mit schnellen Sprints. Ebenso können Ausrutschbewegungen Hamstring-Verletzungen hervorrufen.

Aber nicht nur schnelle, plötzliche Bewegungen können die Hamstrings überlasten. Auch manche Sportarten, bei denen die hinteren Oberschenkelmuskeln einer langen Dehnung mit gleichzeitig starkem Bewegungsumfang ausgesetzt sind (wie z. B. beim Ballett), können Verletzungen hervorrufen.

Zu Verletzungen wie einer Zerrung oder einem Riss in den hinteren Oberschenkelmuskeln kann es im Prinzip kommen, wenn die Muskeln

  • gedehnt werden, während sie sich zusammenziehen (sog. exzentrische Kontraktion), oder
  • zu stark gedehnt werden oder
  • zu plötzlich belastet werden.

Video: Muskelzerrung oder Muskelfaserriss?

Was das Risiko für Hamstring-Verletzungen erhöht

Verschiedene Umstände können das Risiko für Hamstring-Verletzungen erhöhen, wie etwa ungenügend trainierte oder ermüdete rückseitige Oberschenkelmuskeln. Auch ein muskuläres Ungleichgewicht oder eine erhöhte Muskelspannung in den Oberschenkelmuskeln kann Hamstring-Verletzungen begünstigen. Wer bereits einmal eine Hamstring-Verletzung hatte, hat zudem ein höheres Risiko für eine erneute Verletzung.

Schmerzen im Oberschenkel hinten: Was hilft?

Wie lange es dauert, bis eine Hamstring-Verletzung ausheilt, kommt darauf an, wie schwer diese ist. In leichten Fällen gehen die Schmerzen meist nach einigen Tagen von selbst weg, wenn man das Bein schont.

Bei einer schwereren Hamstring-Verletzung kann die Heilung jedoch langwierig sein und Wochen bis Monate dauern. Möglicherweise ist es dann auch notwendig, das Bein vollständig zu entlasten (etwa mit Krücken).

Prinzipiell gilt: Bessern sich die Schmerzen nicht nach ein paar Tagen oder werden sie sogar schlimmer, ist ein Arztbesuch ratsam.

PECH-Regel

Wenn plötzlich Schmerzen im Oberschenkel hinten auftreten, gilt die ersten 2 bis 3 Tage die PECH-Regel. Die Buchstaben stehen für die wichtigsten Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einer akuten Hamstring-Verletzung:

  • Pause
  • Eis (Kühlen)
  • Compression (Druckverband)
  • Hochlagern

Pause

Unterbrechen Sie, was Sie gerade tun, und legen Sie eine Pause ein. Versuchen Sie, das Bein nach Möglichkeit zu entlasten.

Kühlen

Kühlen lindert Schmerzen und wirkt Schwellungen entgegen. Hierfür eignen sich zum Beispiel Kühlpackungen aus dem Kühlschrank (möglichst nicht aus dem Eisfach).

Falls Sie doch mit Eis kühlen: Legen Sie ein Tuch oder Ähnliches dazwischen, damit das Eis nicht direkt auf der Haut liegt. Denn das könnte zu Erfrierungen führen.

Stundelanges Kühlen ohne Unterbrechungen ist zudem weder ratsam noch notwendig. Kühlen Sie jeweils nur für höchstens 20 bis 30 Minuten und legen Sie dann eine Pause von etwa 2 bis 3 Stunden ein.

Kompression

Je nach Situation kann ein Druckverband ratsam sein. Sofern Sie einen anlegen, achten Sie darauf, dass der Verband elastisch ist und die Durchblutung nicht stört. Tape-Band eignet sich hierfür nicht.

Hochlagern

Lagern Sie das betroffene Bein hoch, um eine Schwellung zu vermeiden.

Schmerzmittel

Gegen akute Hamstring-Schmerzen helfen entzündungshemmende Schmerzmittel in Form von Tabletten (z. B. mit Ibuprofen) oder Gels zum Auftragen (z. B. mit Diclofenac). Ohne ärztliche Absprache sollten Sie Schmerzmittel jedoch nicht länger als ein paar Tage einnehmen.

Physiotherapie

Mithilfe von Physiotherapeuten lassen sich sanfte Dehnübung erlernen sowie Übungen, die die Oberschenkelmuskeln stärken und ein muskuläres Ungleichgewicht zwischen vorderen und rückseitigen Oberschenkelmuskeln ausgleichen.

Operation

Ist die Ursache der Hamstring-Schmerzen ein Muskelabriss, kann dieser operativ behandelt werden.

Wann wieder Sport?

Wann man nach einer Hamstring-Verletzung wieder Sport treiben kann, hängt von mehreren Faktoren an ­­– wie etwa der Schwere der Verletzung und der Art des Sports. In den meisten Fällen kann nach etwa 6 Wochen wieder allmählich mit Sport begonnen werden. In schweren Fällen muss man jedoch unter Umständen eine längere Pause von etwa 6 bis 12 Monaten eingelegen.

Schmerzen im Oberschenkel hinten: Vorbeugen

Wer regelmäßig Kraft und Beweglichkeit trainiert, kann das Risiko für Hamstring-Verletzungen senken. Vor dem Sport sollte man sich am besten aufwärmen.

Da das Verletzungsrisiko steigt, wenn die Oberschenkelmuskeln ermüden, sollte man sich zudem nicht überfordern, sondern beim Sport rechtzeitig Pausen einlegen oder aufhören.

Nordic Hamstring Exercise

Zusätzlich zu Kraft- und Beweglichkeitstraining können spezielle Übungen wie die Nordic Hamstring Exercise (auch Nordic Hamstring Curls genannt) beim Vorbeugen helfen. Mithilfe dieser exzentrischen Kraftübung lassen sich die rückseitigen Oberschenkelmuskeln stärken. Da es bei falscher Ausübung aber auch zu Verletzungen kommen kann, sollte man sich die Übung von einem Trainer oder Physiotherapeuten zeigen lassen, ehe man damit beginnt.

Bei der Nordic Hamstring Exercise startet man im Kniestand, während eine zweite Person hinter einem die Unterschenkel am Boden festhält. Während der Oberkörper gerade bleibt, der Rücken also gestreckt und auch die Hüfte gerade ist, beugt man sich langsam nach vorn in Richtung Boden.

Sobald die rückseitigen Oberschenkelmuskeln das Gewicht nicht mehr halten können, bricht man die Übung ab, lässt sich nach vorne fallen und fängt sich mit den Armen am Boden ab.

Damit die Nordic Hamstring Exercise vorbeugend wirken kann, sollte man diese regelmäßig ausüben: am besten ein- bis zweimal pro Woche mit drei Serien und je 8 bis 12 Wiederholungen. Zwischen den Serien sind Pausen von 2 bis 3 Minuten einzulegen.