Erschöpfte Sportlerin
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Fünf Zeichen, dass Sie es mit dem Sport übertreiben

Von: Lydia Klöckner (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 20.01.2022 - 12:46 Uhr

Der Körper braucht Trainingspausen, um sich zu regenerieren. Ist das Sportpensum zu hoch, droht nicht nur Muskelkater. Überlastung kann sich auch ganz anders bemerkbar machen – durch teilweise überraschende Symptome.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Fünf Zeichen, dass Sie es mit dem Sport übertreiben

Für viele Athleten ist Sport wie eine Droge. Sie lieben das berauschende Gefühl, eine neue Bestleistung erbracht zu haben, genießen geradezu den Schmerz, den extreme Anstrengung oft nach sich zieht und sind so süchtig danach, ihren Körper an seine Grenzen zu treiben, dass sie das Gefühl für seine Bedürfnisse und Signale verlieren – oder einfach ignorieren.

Gesund ist das natürlich nicht. Anders als ein leichter Muskelkater kann ständiges Übertraining ernste Konsequenzen für die Gesundheit haben, auch für die seelische. In der Sportmedizin spricht man auch vom "Übertrainingssyndrom". Es geht mit Beschwerden einher, die man teils gar nicht mit Sport in Verbindung bringt.

1. Sie sind ständig erkältet

Sport ist gesund. Trotzdem erkranken viele Leistungssportler ausgerechnet während der intensiven Phase der Wettkampfvorbereitungen an Erkältungen. Warum, ist noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich hat es etwas mit dem sogenannten Open-Window-Effekt zu tun: Während des Trainings werden im Körper Stresshormone freigesetzt, die das Immunsystem vorübergehend hemmen. Das ist auch gut so: Sonst würde der Körper auf die winzigen Verletzungen, die durch die Anstrengung in den Muskeln entstehen, mit einer übertriebenen Entzündung reagieren.

Die kurzfristige Lücke in der Abwehr, das Open Window, schließt sich normalerweise nach ein paar Stunden – vorausgesetzt, man gibt dem Körper ausreichend Gelegenheit zur Erholung. Studien deuten daraufhin, dass mehr Stresshormone freigesetzt werden und die Funktion der Immunzellen stärker beeinträchtigt wird, wenn die Pausen zwischen zwei Trainingseinheiten zu kurz ausfallen.

2. Sie schlafen schlecht und wachen unerholt auf

Ausreichend Bewegung am Tag ist eine wichtige Voraussetzung für guten Schlaf. In Studien hat sich sogar gezeigt, dass Sport gegen Schlafstörungen helfen kann – vermutlich auch indirekt, etwa durch seine stimmungsaufhellende Wirkung und seine positiven Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System.

Allerdings scheint es auch hier auf das richtige Maß anzukommen. Viele Leistungssportler haben in intensiven Trainingsphasen Schlafprobleme. Sie kommen nicht zur Ruhe, schlafen spät ein und fühlen sich nach dem Schlafen nicht ausreichend erholt. Eine Rolle spielen dabei wohl nicht nur die körperlichen Folgen der Überlastung, sondern auch der emotionale Stress, der mit der Vorbereitung auf einen Wettkampf verbunden ist.

3. Sie fühlen sich traurig, ausgelaugt oder sind reizbar

Nicht nur die Muskeln brauchen Erholung vom Training. Ein allzu strapaziöses Sportpensum kann auch den Geist auslaugen. Wer immer wieder unausgeruht weitertrainiert, gerät schlimmstenfalls in einen Teufelskreis aus Erschöpfung, schlechten Leistungen, Frust, zusätzlichem Stress und Schlafstörungen, der in ein Burnout führen kann – ähnlich wie Überforderung im Job.

Ob man anfällig für ein sportbedingtes Burnout ist, hängt auch davon ab, wie man die Pausen gestaltet. Wer sich in seiner Freizeit mit anderen Athleten trifft, um sich mit ihnen über sportliche Erfolge und Misserfolge auszutauschen, läuft Gefahr, sich allzu stark darauf zu fixieren und im eigenen Ehrgeiz zu verlieren.

Gesünder sind Pausen, in denen nicht nur die Muskeln ruhen dürfen, sondern auch der Geist mit etwas anderem als Sport beschäftigt ist. Optimal für die seelische Erholung sind (nicht allzu aktive) Unternehmungen mit Freunden, zum Beispiel ein Spieleabend, ein Kaffeetrinken oder ein Saunabesuch.

4. Sie handeln unüberlegt und treffen unvernünftige Entscheidungen

Zwei verschiedene Netzwerke im Gehirn wirken an der Entscheidungsfindung mit: das limbische System und der präfrontale Kortex.

  • Das stammesgeschichtlich sehr alte limbische System kann impulsive und unbewusste Handlungen in Gang setzen und ermöglicht es uns somit, täglich zahllose gewohnte Handgriffe auszuführen, ohne darüber erst nachdenken zu müssen.
  • Der präfrontale Kortex hingegen ist quasi die Stimme der Vernunft: Er wägt bewusst zwischen den Vor- und Nachteilen einer Entscheidung ab und berücksichtigt dabei auch deren langfristige Konsequenzen.

Welche dieser beiden Systeme das Sagen hat, hängt unter anderem von der Situation ab, und von der Persönlichkeit des Entscheiders. Wie eine aktuelle Studie nahelegt, kann jedoch auch das Sportpensum eine Auswirkung auf die Entscheidungsfindung haben.

Für die Studie ließen die Forscher eine Gruppe von männlichen Triathleten drei Wochen lang deutlich härter trainieren als sonst. Eine andere Gruppe von Triathleten durfte derweil das gleiche Sportpensum absolvieren wie sonst. Anschließend bekamen alle Teilnehmer Geld angeboten: entweder 80 Euro sofort oder 100 Euro in zwei Wochen.

Dieser Test ist in der Psychologie eine beliebte Methode, um zu ermitteln, ob eine Person vernunftgetrieben oder eher impulsiv entscheidet: Nimmt sie die 80 Euro, handelt sie offenbar impulsiv, zieht also die sofortige Belohnung dem langfristigen Gewinn vor. Wartet sie auf die 100 Euro, verhält sie sich hingegen vernünftig, weil sie langfristig einen höheren Gewinn erzielt.

Es zeigte sich: Die Sportler, die besonders heftig trainiert hatten, entschieden sich eher für die 80 Euro. Den Athleten, die sich nicht überanstrengt hatten, fiel es offenbar leichter, zugunsten des höheren Gewinns auf die sofortige Belohnung zu verzichten. "Übermäßiges Training führt zu einer Ermüdung der kognitiven Kontrolle", so das Fazit der Forscher. Wer es mit dem Sport übertreibt, neigt folglich zu impulsiveren Entscheidungen.

5. Ihre Periode bleibt aus oder wird unregelmäßig

Der Menstruationszyklus wird vom Gehirn gesteuert, genauer gesagt vom Hypothalamus. Dieses Nervennetzwerk kommuniziert über verschiedene Botenstoffe mit den Eierstöcken (Ovaren) und sorgt bei fruchtbaren Frauen jeden Monat dafür, dass ein Eisprung stattfindet.

Zugleich empfängt der Hypothalamus permanent Signale aus dem gesamten Körper. Er ist jederzeit darüber informiert, ob ausreichend Energie und Wasser verfügbar sind und wie stark der Körper gerade beansprucht wird. Kurzfristige Strapazen sind kein Problem: Der Hypothalamus sorgt dann über die Ausschüttung von Stresshormonen dafür, dass gespeicherte Energie mobilisiert wird und in Form von Zucker zur sofortigen Verwertung bereitsteht.

Wird der Stress allerdings zum Dauerzustand und sind obendrein zu wenig Energiereserven vorhanden, kann es passieren, dass der Hypothalamus gewissermaßen den Notstand ausruft und nicht lebenswichtige Vorgänge wie Eisprung und Menstruation vorerst abschaltet – vermutlich um Energie zu sparen.

"Hypothalamische Ovarialinsuffizienz" wird diese Form der weiblichen Unfruchtbarkeit auch genannt. Früher ging man davon aus, dass sie nur bei sehr schlanken Leistungssportlerinnen und essgestörten Frauen vorkommt. Inzwischen weiß man aber, dass auch normalgewichtige Hobbysportlerinnen Zyklusstörungen entwickeln können. Hoch ist das Risiko vor allem, wenn sie

  • Sport treiben, ohne ihren Körper zuvor mit ausreichend energiereicher Nahrung und Wasser versorgt zu haben,
  • zu häufig und zu heftig trainieren, und/oder
  • zusätzlich emotionalem Stress ausgesetzt sind.

Tipps bei sportlicher Überlastung

Was tun? Tipps bei sportlicher Überlastung

Wer eines der genannten Symptome bei sich bemerkt, sollte zum Arzt gehen. Er kann dabei helfen, das Sportpensum besser auf den eigenen Gesundheits- und Trainingszustand abzustimmen. Darüber hinaus kann er die gesundheitlichen Beschwerden, die sich als Folge der Überlastung entwickelt haben, behandeln.

Hier ein paar allgemeine Tipps, um Überlastung vorzubeugen:

  • Legen Sie mindestens einen trainingsfreien Tag pro Woche ein. (Je nach Sportart und Trainingsintensität können auch mehrere Pausentage nötig sein.)
  • Nehmen Sie ausreichend Nährstoffe und Mineralstoffe zu sich. Eine Ernährungsberatung kann dabei hilfreich sein.
  • Achten Sie darauf, dass Sie genug und erholsam schlafen.
  • Suchen Sie sich Beschäftigungen, Interessen, Freunde, die Sie vom Sport ablenken.