Kreisrunder Haarausfall: Foto einer Frau.
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Kreisrunder Haarausfall: Was hilft bei Alopecia areata?

Von: Lydia Klöckner (Medizinredakteurin), Jessica Rothberg (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 01.09.2022

Kreisrunder Haarausfall ist eine entzündliche Erkrankung, die vor allem das Kopfhaar betrifft: Die runden, kahlen Stellen breiten sich plötzlich und zusehend aus. Für Betroffene ist der Haarverlust meist mit einem hohen Leidensdruck verbunden. Welche Ursachen verbergen sich hinter kreisrundem Haarausfall und was hilft?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was ist kreisrunder Haarausfall?

Von kreisrundem Haarausfall, in der Fachsprache auch als Alopecia areata bezeichnet, ist die Rede, wenn auf dem Kopf, seltener auch im Bartbereich oder am Körper, runde kahle Flecken entstehen, die sich ausbreiten. Kreisrunder Haarausfall lässt sich meist leicht von anderen Formen des Haarausfalls unterscheiden: Anders als beim verbreiteten erblich bedingten Haarausfall werden die Haare nicht allmählich lichter, sondern fallen plötzlich aus. Runde, örtlich begrenzte, kahle Flecken treten in Erscheinung.

In Deutschland leiden etwa eine Million Menschen unter kreisrundem Haarausfall – weltweit sind es etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung. Männer und Frauen sind dabei gleichermaßen betroffen. Zudem beginnt der kreisrunde Haarausfall nicht erst im höheren Lebensalter, sondern trifft vor allem jüngere Menschen: Er beginnt in der Regel vor dem 40. Lebensjahr, oft schon im Kindes- oder Jugendalter.

Bei den meisten Betroffenen stoppt der Haarausfall von selbst und lässt stetig nach. Häufig wachsen die Haare innerhalb der nächsten drei Jahre wieder spontan nach. Jedoch verläuft die Erkrankung oftmals in Schüben, kann also immer wieder auftreten.

Alopecia areata: Mögliche Formen

Fachleute unterscheiden je nach Verlauf und Ausmaß zwischen drei verschiedenen Formen des kreisrunden Haarausfalls:
  • Alopecia circumscripta: Unter dieser häufigsten Form des kreisrunden Haarausfalls leiden etwa 80 von 100 der Betroffenen. Der Haarausfall beschränkt sich überwiegend auf den Kopf – Gesichtsbehaarung wie Wimpern, Augenbrauen und Bart bleibt häufig erhalten.
  • Alopecia totalis: Diese Form tritt bei etwa 10 bis 20 von 100 Erkrankten auf. Bei den Betroffenen schwindet das gesamte Kopfhaar.
  • Alopecia universalis:  Der Haarausfall tritt am gesamten Körper auf. Bei etwa 10 von 100 Betroffenen entwickelt sich ein derartig schwerer Verlauf.

Kreisrunder Haarausfall: Symptome

Kreisrunder Haarausfall ruft charakteristische Symptome hervor: Besonders am Kopf bilden sich innerhalb kurzer Zeit runde, scharf begrenzte kahle Flecken unterschiedlicher Größen. Im Randbereich finden sich häufig kurze, dicke Haare, die sich leicht herausziehen lassen. Typisch sind auch sogenannte Ausrufezeichenhaare: Diese werden aufgrund einer gestörten Verhornung zur Wurzel hin schmaler. Auch diese Haare fallen im weiteren Verlauf der Erkrankung aus, sodass sich kahle Stellen ausbreiten.

Die Haut der kahlen Flecken wirkt gesund, es sind also keine Rötungen oder Vernarbungen zu sehen. Da die Haut zuvor behaart und somit vor der Sonne geschützt war, ist sie in der Regel sehr hell.

Kreisrunder Haarausfall betrifft vor allem den Kopf, mitunter aber auch andere behaarte Körperstellen, zum Beispiel

  • im Intimbereich,
  • den Bart,
  • die Augenbrauen und Wimpern.

In der stärksten Ausprägung kann kreisrunder Haarausfall zum Verlust der gesamten Körperbehaarung führen (Alopecia areata universalis). Bei etwa 20 von 100 Betroffenen kommt es zu Nagelveränderungen: Es bilden sich Grübchen oder Längsrillen.

Kreisrunder Haarausfall: Ursachen

Die Ursachen des kreisrunden Haarausfalls sind nicht endgültig geklärt. Expert*innen gehen davon aus, dass eine Störung des körpereigenen Immunsystems für die Entstehung verantwortlich ist: Immunzellen greifen Haarfollikel an und diese entzünden sich. Haarfollikel sind Strukturen, welche die Haarwurzel umgeben und sie so in der Kopfhaut verankern. Dadurch kommt das Haarwachstum zum Stillstand und die Haare fallen aus.

Über die genaue Entstehung dieser fehlerhaften Reaktion des Immunsystems gegen die Haarfollikel ist sich die Wissenschaft nicht einig. Möglicherweise scheint eine genetische Veranlagung bei kreisrundem Haarausfall ein wichtiger Faktor zu sein. Leiden etwa Frauen oder Männer in der Familie darunter, ist es wahrscheinlich, dass auch deren Kinder zu Haarverlust neigen. Expert*innen sind sich jedoch sicher, dass kreisrunder Haarausfall nicht Folge einer Mangelernährung oder von äußeren Einflüssen wie Luftverschmutzung ist. 

Einige Fachleute sind zudem davon überzeugt, dass auch psychische Einflüsse die Entstehung der Krankheit begünstigen können. Kreisrunder Haarausfall entsteht häufig nach emotional belastenden Lebensereignissen. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen scheint oft Stress die Ursache der Alopecia areata zu sein. Der Zusammenhang zwischen Stress und Alopecia areata ist allerdings umstritten und nicht abschließend geklärt.

Gewisse Autoimmunerkrankungen treten häufig gemeinsam mit kreisrundem Haarausfall auf:

Zudem erkrankt jeder zehnte Mensch mit Down-Syndrom im Laufe seines Lebens an kreisrundem Haarausfall.

Video: Haarausfall: Formen & Behandlung

Kreisrunder Haarausfall: Diagnose

Die*der Ärztin*Arzt stellt die Diagnose vor allem anhand des typischen Aussehens der haarlosen Areale auf der Kopfhaut. Sie*er achtet dabei auch auf die Haare am Rand der betroffenen Stellen. Charakteristisch für Alopecia areata sind Ausrufezeichenhaare, die Richtung Wurzel und Haarfollikel schmaler werden. Aber auch dicke, kurze Haare, die schnell ausfallen und einfach herausgezogen werden können. Darüber hinaus kontrolliert die*der Ärztin*Arzt auch die Fingernägel auf typische Längsrillen und Grübchen.

Weitere wichtige Hinweise erhält sie*er im Gespräch mit der betroffenen Person. Erfragt werden zum Beispiel, seit wann der Haarverlust besteht. Zudem erkundigt er sich nach anderen Erkrankungen, etwa Neurodermitis, Psoriasis oder Asthma, die oftmals gemeinsam mit kreisrundem Haarausfall auftreten.

Wichtig ist, dass andere für den Haarausfall denkbare Auslöser ausgeschlossen werden. Kahle Stellen können zum Beispiel auch Symptom einer Pilzinfektion der Kopfhaut sein, der sogenannten Tinea capitis. Vor allem bei jungen Betroffenen sollte auch eine sogenannte Trichotillomanie als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden. Das ist eine psychische Störung, die sich dadurch äußert, dass sich die Betroffenen die Haare ausreißen.

Behandlung von kreisrundem Haarausfall: Wie lässt er sich stoppen?

Der kreisrunde Haarausfall ist nicht heilbar. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Behandlung, die aber – wenn überhaupt – nur kurzfristig helfen. Das heißt: Meist tritt der Ausfall der Haare nach Absetzen der Therapie erneut auf. Daher raten Fachleute den Betroffenen häufig, erst einmal abzuwarten, ob der Haarausfall von selbst nachlässt.

Der älteste Therapieansatz bei einer Alopecia areata ist eine Behandlung mit Medikamenten, welche die Entzündung an den Haarwurzeln lindern. Dazu zählen zum Beispiel Cremes, Haarwasser, Tabletten oder Injektionen mit Kortison (Wirkstoff aus der Gruppe der Glukokortikoiden). Die Wirkung ist jedoch vorübergehend und Kortison eignet sich aufgrund einiger Nebenwirkungen nicht für eine Dauertherapie.

Vor allem Kindern und Jugendlichen mit Alopecia areata verordnen Mediziner*innen daher häufig Tabletten mit Zink. Diese rufen kaum Nebenwirkungen hervor und haben ebenfalls eine antientzündliche Wirkung. Bisherigen Beobachtungen zufolge reicht diese aber meist nicht aus, um den Haarverlust zu stoppen.

Alopecia areata: Weitere Maßnahmen zur Behandlung

Ein eher neuer Ansatz ist die sogenannte Reiztherapie, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Diphencypron  (auch Diphenylcyclopropenon oder DCP). Ziel dieser Behandlung ist es, eine allergische Reaktion (Kontaktallergie) an der betroffenen Hautstelle hervorzurufen. Dadurch soll das Immunsystem gewissermaßen abgelenkt werden, um einen weiteren Angriff auf die Haarfollikel zu stoppen. 

Wie sich in Studien gezeigt hat, kann diese lokale, topische Immuntherapie tatsächlich funktionieren. Wenn die Behandlung wirkt und die Haut eine allergische Reaktion aufweist, besteht die Chance, dass die Haare nach ein bis sechs Monaten wieder nachwachsen. Bei etwa der Hälfte ist die topische Immuntherapie erfolgreich. Allerdings muss die*der Patient*in damit rechnen, dass der Haarausfall nach der Therapie erneut auftritt. Zudem sind Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen am ganzen Körper möglich.

Darüber hinaus ist DCP für die Therapie der Alopecia areata nicht offiziell zugelassen. Wird DCP eingesetzt, handelt es sich daher um einen sogenannten individuellen Heilversuch. Bei Kindern wird die Therapie mit DCP nicht durchgeführt.

Des Weiteren können Menschen mit Alopecia areata die betroffenen Stellen mit flüssigem Stickstoff (sogenannte Vereisung) behandeln lassen. Auch UV-Strahlung (PUVA-Therapie) kann zum Einsatz kommen. Ziel dieser Verfahren ist ebenso, die Haut zu sensibilisieren, damit diese mit einer entzündlichen Reaktion reagiert.

Vermeidung von Stress und Selbsthilfegruppen

Menschen mit kreisrundem Haarausfall berichten oftmals von einem hohen Leidensdruck – was meist zusätzlichen Stress bedeutet. Um so wichtiger ist es, dass Stress so gut es geht vermieden wird. Aktive Ruhepausen im Alltag, Entspannungstechniken, Meditation oder Yoga sind nur beispielhafte Maßnahmen. Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe kann dazu beitragen, mit der belastenden Erkrankung besser umgehen zu können.

Kreisrunder Haarausfall: Verlauf und Prognose

Der Verlauf ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Häufig kommt es zu einer Spontangenesung:

  • Bei etwa 30 von 100 Patient*innen wächst das Haar an der betroffenen Stelle innerhalb von sechs Monaten ohne Behandlung wieder nach.

  • Bei ungefähr 50 von 100 Betroffenen beginnt das Wachstum innerhalb eines Jahres wieder.

  • Bei etwa 75 von 100 Erkrankten wachsen die Haare nach fünf Jahren wieder.

Die ersten neuen Haare sind häufig flaumartig, also kurz, zart und hell. Anschließend kommen längere Haare nach, die ebenfalls schwach oder wenig pigmentiert sind. Später wachsen dann Haare in der ursprünglichen Farbe nach.

Bei etwa jedem*jeder zweiten Betroffenen tritt die Erkrankung irgendwann erneut auf. Wie viel Zeit zwischen den Schüben vergeht, ist ganz unterschiedlich. Bei einigen Menschen sind es nur wenige Monate, bei anderen Jahrzehnte. Bei einem Teil der Erkrankten wachsen die Haare nicht wieder nach. Eher schlechte Chancen auf eine Besserung bestehen etwa bei den schwereren Verlaufsformen, bei denen das gesamte Kopfhaar oder sogar die komplette Körperbehaarung ausfällt.

Ungünstig sind die Genesungsaussichten zudem, wenn der Haarausfall

  • bereits im Kindesalter beginnt,
  • große Bereiche betrifft und lange bestehen bleibt,
  • den Nackenbereich betrifft,
  • in der Familie gehäuft vorkommt oder
  • mit Autoimmunerkrankungen, Neurodermitis und Nagelveränderungen einhergeht.

Vor allem der Besuch einer Selbsthilfegruppe scheint sich in Bezug auf den plötzlichen Haarverlust als hilfreich zu erweisen. Auch das Tragen einer Perücke hilft vielen Betroffenen im Alltag.