Acrylamid-Richtlinie: Pommes dürfen nicht mehr so knusprig sein
Ob Pommes, Chips, Brot oder Kaffee: Wenn solche Lebensmittel bei hohen Temperaturen hergestellt werden, entsteht Acrylamid. Und das steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Ab sofort müssen Lebensmittelhersteller daher bestimmte EU-Vorgaben umsetzen. Was bedeutet das für den Verbraucher?

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So mancher liebt Brot mit besonders dunkler Kruste. Oder sehr knusprige Pommes. Oder Kartoffelpuffer, die schon einen Tick zu lang in der Pfanne gebraten haben. Gesund ist das allerdings nicht: Je höher der "Bräunungs- und Knusprigkeitsfaktor", desto höher sind die Temperaturen bei der Herstellung gewesen – und desto mehr Acrylamid ist entstanden.
Im Dezember 2017 trat eine neue EU-Verordnung in Kraft. Das Ziel: Der Acrylamidgehalt in Lebensmitteln soll deutlich sinken. Vier Monate hatten Unternehmen seitdem Zeit, um ihre Herstellungsmethoden an die strengeren Vorgaben anzupassen. Seit dem 11. April 2018 müssen sie die EU-Empfehlungen nun auch umsetzen.
Kurz erklärt: Was ist Acrylamid und warum ist es schädlich?
Acrylamid entsteht, wenn man bestimmte Lebensmittel so stark erhitzt, dass sie einen bräumlichen Farbton annehmen. Zu dieser sogenannten Bräunungsreaktion kommt es etwa beim Braten, Frittieren, Rösten, Grillen und Backen. Insbesondere in stärkehaltigen Produkte wie Pommes, Chips oder Backwaren bilden sich dann hohe Mengen an Acrylamidgehalt. Auch geröstete Kaffeebohnen können viel Acrylamid enthalten. Vor allem ab Temperaturen von etwa 170 Grad steigen die freigesetzten Acrylamidmengen stark an.
In Tierversuchen hat sich Acrylamid als krebserregend herausgestellt. Inwieweit der Stoff für den Menschen gefährlich ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Jedoch gilt Acrylamid als "wahrscheinlich krebserregend".
Worauf müssen Hersteller künftig achten?
Die neuen Vorgaben gelten für Lebensmittel, bei deren Herstellung oder Verarbeitung besonders viel Acrylamid entsteht. Dazu zählen vor allem:
- Kartoffelerzeugnisse, z.B. Kartoffelchips, Pommes frites
- Brot
- Frühstückscerealien, z.B. Müsli
- Feinbackwaren, z.B. Cracker, Waffeln, Kekse, Knäckebrot, Lebkuchen
- gerösteter Kaffee, Kaffeeersatzprodukte
- Nahrung für Säuglinge und Kleinkinder wie Zwieback oder Kekse
Der Acrylamidgehalt der Waren sollte unter dem Richtwert der EU-Verordnung liegen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die Hersteller unter anderem Folgendes beachten:
- Die Ware sollte so niedrig wie möglich und nur so lang wie nötig erhitzt werden. Temperaturen von 175 Grad Celsius sollten etwa beim Frittieren nicht überschritten werden.
- Nach Möglichkeit sollten Kartoffeln mit niedrigem Stärkegehalt verwendet werden.
- Die Stärke in Kartoffeln sollte vor der Verarbeitung reduziert werden. Dies gelingt z.B. durch Einweichen oder Blanchieren.
Werden die Richtwerte überschritten, müssen die Unternehmen ihre Herstellungsmethoden entsprechend anpassen.
Darüber müssen die Hersteller auf den Verpackungen gut sichtbar erklären, wie der Verbraucher das Produkt zubereiten sollte. So soll gewährleistet werden, dass die empfohlenen Richtwerte auch beim häuslichen Backen, Braten oder Frittieren nicht überschritten werden.
Was passiert, wenn Hersteller die Vorgaben nicht einhalten?
Größere Unternehmen müssen nachweisen und dokumentieren, dass sie die Vorgaben umgesetzt haben.
Ob Unternehmen die von der EU festgelegten Richtwerte überschreiten, soll die EU alle drei Jahre kontrollieren – so sieht es das Gesetz vor. In der Praxis gilt das aber vor allem für größere Unternehmen und weniger um Einzelhändler wie etwa den Bäcker um die Ecke.
Sanktionen haben die Hersteller vorerst nicht zu befürchten, wenn sie die Richtwerte überschritten haben.
Darauf sollten Sie bei der Zubereitung achten
Nicht nur vorbehandelte Produkte können Acrylamid enthalten. Auch zu Hause entsteht es, wenn man mit zu hohen Temperaturen brät, backt oder frittiert.
Grundsätzlich gilt: Lieber goldgelb als dunkelbraun oder gar verkohlt! Je dunkler Ihr Produkt nach der Zubereitung ist, desto höher der Acrylamidgehalt. Halb verbrannte Kartoffelpuffer, steinharte braune Pommes oder eine dunkelbraune harte Kruste am Kuchen sind also nicht zu empfehlen.
Ebenfalls wichtig: Setzen Sie auf Abwechslung – sowohl bei der Wahl der Nahrungsmittel als auch bei der Zubereitung. Hin und wieder ein paar knusprige Fritten oder Kartoffelchips sind dann kein Problem.
Einige Tipps zur Zubereitung:
- Verzichten Sie auf scharfes Anbraten, wenn Sie Kartoffeln oder Getreide zubereiten.
- Frittieren Sie Nahrungsmittel möglichst kurz. Stellen Sie die Temperatur niedrig ein – nicht höher als 175 ° C.
- Verwenden Sie zum Braten Margarine. Aufgrund ihres höheren Wassergehalts entstehen nicht so hohe Temperaturen wie beim Braten mit Butter.
- Backen Sie Pommes nicht zu heiß. Verzichten Sie auf Temperaturen über 200° C bei Ober- und Unterhitze bzw. 180° C bei Umluft. Wenden Sie die Pommes regelmäßig und verteilen Sie sich gleichmäßig auf dem Blech.
- Bevorzugen Sie dickere Pommes.
- Verwenden Sie Backpapier, damit das Nahrungsmittel von unten nicht so stark bräunt.
- Lassen Sie Toastbrot nicht verkohlen. Rösten Sie es nur leicht und gleichmäßig.
- Lagern Sie Kartoffeln nicht im Kühlschrank. Im Kühlschrank steigt der Zuckergehalt der Kartoffeln, sodass mehr Acrylamid entstehen kann.
- Halten Sie sich an die Hinweise zur Zubereitung, die auf den Lebensmittelverpackungen angegeben sind.
Übrigens: Beim Kochen oder Dünsten entsteht kein oder kaum Acrylamid. Wie wäre es zum Beispiel mit frischen Pellkartoffeln anstatt Pommes? Auch Rohkost können Sie bedenkenlos verzehren.
Acrylamid: Unerwünschter Stoff. Online-Informationen der Verbraucherzentrale Niedersachsen: www.verbraucherzentrale-niedersachsen.de (Abrufdatum: 9.4.2018)
Online-Informationen des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: www.bvl.bund.de (Abrufdatum: 9.4.2018)
Weniger Acrylamid in Pommes & Co. Online-Informationen des Bundeszentrums für Ernährung: www.bzfe.de (Stand: 29.11.2017)
Pressemitteilung des Deutschen Ärzteblatts: EU bringt Vorgaben zur Reduzierung von Acrylamid in Lebensmitteln auf den Weg (22.11.2017)
Verordnung (EU) 2017/2158 der Kommission vom 20. November 2017 zur Festlegung von Minimierungsmaßnahmen und Richtwerten für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln
Acrylamid: Problematischer Stoff in Lebensmitteln. Online-Informationen der Verbraucherzentrale NRW e.V.: www.verbraucherzentrale.de (Stand: 19.7.2017)
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Letzte inhaltliche Prüfung: 11.04.2018Letzte Änderung: 30.03.2020