Turner-Syndrom (Erbkrankheit bei Frauen): X-Chromosomen
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Turner-Syndrom (Ullrich-Turner-Syndrom): Typische Symptome

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 08.12.2022

Das Turner-Syndrom (Ullrich-Turner-Syndrom) ist eine genetische Erkrankung, die nur bei Frauen auftritt. Eine Besonderheit im Erbgut führt zu Unfruchtbarkeit und Kleinwuchs. Ist die Chromosomenanomalie vererbbar? Und welche Folgeerkrankungen und Komplikationen können auftreten?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was ist das Turner-Syndrom?

Der Begriff Turner-Syndrom beziehungsweise Ullrich-Turner-Syndrom bezeichnet ein bestimmtes Krankheitsbild, das als Folge einer Abweichung (Anomalie) im Erbgut entsteht:

  • Im Zellkern jeder Körperzelle finden sich fadenförmige Gebilde, die das Erbgut tragen: sogenannte Chromosomen.
  • Normalerweise besitzt jeder Mensch 23 Chromosomenpaare, von denen eins aus den beiden Geschlechtschromosomen besteht (XX bei Frauen, XY bei Männern).
  • Beim Ullrich-Turner-Syndrom enthalten die Körperzellen in der Regel statt der üblicherweise doppelt vorhandenen Geschlechtschromosomen nur ein Chromosom X.

Diese als Monosomie X bezeichnete Abweichung ist nicht erblich. Menschen mit Turner-Syndrom sind immer weiblichen Geschlechts – ihre Geschlechtsentwicklung ist jedoch durch das fehlende oder fehlgebildete zweite X-Chromosom gestört.

Mosaikform

Die für das Turner-Syndrom verantwortliche Chromosomenanomalie muss nicht zwingend in allen Körperzellen vorhanden sein: Dann besitzen die Betroffenen neben den Zellen mit nur einem X-Chromosom auch Zellen mit zwei X-Chromosomen. Dazu kommt es bei etwa 20 Prozent der Erkrankungsfälle. Ein solches Nebeneinander von verschiedenen Zellen bezeichnet man als Mosaik. Die mögliche Folge eines solchen Mosaiks ist, dass das Ullrich-Turner-Syndrom schwächer ausgeprägt ist.

In seltenen Fällen kann ein Turner-Syndrom auch dann entstehen, wenn in allen Zellen zwar zwei X-Chromosomen vorhanden sind, eins davon jedoch in seiner Struktur verändert ist.

Ein anderes Syndrom, das durch ähnliche Symptome wie das Ullrich-Turner-Syndrom gekennzeichnet ist, aber beide Geschlechter betrifft und bei dem man keine Chromosomenstörung nachweisen kann, ist das sogenannte Noonan-Syndrom oder auch Pseudo-Turner-Syndrom.

Häufigkeit

Das Turner-Syndrom tritt mit einer Häufigkeit von weniger als 1:3.000 bei weiblichen Neugeborenen auf. In Deutschland leben schätzungsweise 15.000 Mädchen und Frauen mit dem Ullrich-Turner-Syndrom.

Dies sagt allerdings nichts darüber aus, wie verbreitet die dem Turner-Syndrom zugrunde liegende Abweichung am Erbgut ist. Die Häufigkeit dieser Erbgutveränderung tritt deshalb nicht zutage, weil die vorgeburtliche Sterblichkeit beim Ullrich-Turner-Syndrom ausgesprochen hoch ist: 98 Prozent der Schwangerschaften, bei denen die Embryonen in manchen oder allen Körperzellen nur ein X-Chromosom statt zwei Geschlechtschromosomen haben (sog. Monosomie X), enden während der ersten zwölf Schwangerschaftswochen mit einer Fehlgeburt.

Turner-Syndrom: Symptome

Für das Turner-Syndrom sind zwei Symptome besonders typisch:

  • Die Betroffenen sind kleinwüchsig.
  • Die Periode bleibt aus (sog. Amenorrhö).

Die Kleinwüchsigkeit tritt bei Kindern mit Turner-Syndrom durch entsprechende Symptome schon bei der Geburt zutage: Neugeborene Mädchen mit Ullrich-Turner-Syndrom haben ein etwas niedrigeres Gewicht und eine geringere Körperlänge als Kinder ohne die entsprechende Veränderung im Erbgut. Unbehandelt erreichen die Frauen im Durchschnitt lediglich eine Körpergröße von knapp eineinhalb Metern.

Das zweite typische Leitsymptom für das Turner-Syndrom – das Ausbleiben der Menstruation – ist auf die unterentwickelten Eierstöcke (Ovarien) zurückzuführen. An ihrer Stelle haben die betroffenen Mädchen bindegewebige Stränge (engl. streak gonads). Der hiermit verbundene Mangel an weiblichem Geschlechtshormon beim Ullrich-Turner-Syndrom hat zur Folge, dass Betroffene nicht in die Pubertät kommen. Das bedeutet:

  • Die Regelblutung setzt nicht spontan ein (primäre Amenorrhoe),
  • die Brust entwickelt sich nicht und
  • die Betroffenen sind unfruchtbar.

Später kann es bei den Frauen zur Osteoporose (Knochenschwund) kommen. Bei dieser Erkrankung nimmt die Knochenmasse mit der Zeit so stark ab, dass das Skelett instabil wird und Knochen leichter brechen. Osteoporose kann mit starken Schmerzen und Muskelverspannungen einhergehen. 

Zusätzlich treten beim Turner-Syndrom häufig folgende äußere Symptome auf:

  • Lymphödeme (Schwellungen) an Hand- und Fußrücken der Neugeborenen
  • kurze Finger, teilweise einzelne kürzere Finger oder Zehen
  • atypische Finger- und Fußnägel (weich und nach oben gewölbt)
  • ein tiefer Haaransatz im Nacken
  • hängende Oberlider (Ptosis), weiter Augenabstand (Hypertelorismus)
  • Fehlstellungen der Zähne
  • eine flügelartige Hautfalte beidseits am Hals (Halsfalte, Pterygium colli)
  • kurzer und breiter Hals
  • ein schildförmiger, breiter Brustkorb (Thorax) mit weit auseinanderliegenden Brustwarzen
  • ein etwas gedrungener Körperbau, teilweise Übergewicht (Adipositas)
  • Leberflecken (Pigmentnävi) der Haut

Außerdem können neben den Eierstöcken weitere innere Organe beim Turner-Syndrom Fehlbildungen aufweisen, etwa das Herz: Die Patientinnen weisen eine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität auf. So hat zum Beispiel jede fünfte Frau mit Ullrich-Turner-Syndrom an einer bestimmten Herzklappe – der Aortenklappe – statt drei Klappensegel nur zwei. Mögliche Folgen sind eine Gefäßerweiterung (sog. Aortenaneurysma), hoher Blutdruck, Herzfehler und rissige Gefäße.

Weitere mögliche Komplikationen:

In ihren intellektuellen Fähigkeiten unterscheiden sich Mädchen mit dem Ullrich-Turner-Syndrom häufig nicht von anderen Mädchen. In einigen Fällen kommt es jedoch zu:

Wie entsteht das Turner-Syndrom?

Das Turner-Syndrom hat seine Ursache in einer angeborenen Besonderheit im Erbgut: Der Zellkern jeder Körperzelle enthält fadenförmige Gebilde, die das Erbgut tragen. Normalerweise besitzt jeder Mensch 23 Chromosomenpaare, von denen eins aus den beiden Geschlechtschromosomen besteht:

  • XX bei Frauen
  • XY bei Männern

Beim Ullrich-Turner-Syndrom weist das Geschlechtschromosomenpaar eine Abweichung auf. Diese sogenannte Chromosomenanomalie kann unterschiedlich ausgeprägt sein:

  • Fehlendes Chromosom: Häufigste Ursache für das Turner-Syndrom ist, dass in allen Körperzellen ein Geschlechtschromosom fehlt – es ist jeweils nur ein X-Chromosom vorhanden (sog. Monosomie X). Statt der üblicherweise 46 Chromosomen enthalten die Zellen demnach nur 45 Chromosomen.

  • Mosaike: Mitunter betrifft die Chromosomenanomalie beim Ullrich-Turner-Syndrom nicht alle, sondern nur einen Teil der Körperzellen, während die anderen Zellen vollständige Chromosomenpaare (XX oder XY) enthalten. Es ergibt sich also ein als Mosaik bezeichnetes Nebeneinander von Zellen mit 45 und 46 Chromosomen.

  • Strukturveränderung: Selten sind beim Turner-Syndrom in den Zellen zwar zwei X-Chromosomen vorhanden, doch eins davon ist so in seiner Struktur verändert, dass sich die Veränderung negativ auswirkt.

Die für das Turner-Syndrom verantwortlichen Chromosomenanomalien entstehen infolge einer Fehlverteilung der Chromosomen während der Keimzellbildung oder in den ersten Zellteilungen nach der Befruchtung der Eizelle. Die genaue Ursache für diese spontane Veränderung der Chromosomen ist nicht bekannt. Fest steht jedoch, dass das Ullrich-Turner-Syndrom:

  • nicht erblich ist und
  • (im Gegensatz zur Trisomie 13, Trisomie 18 oder dem Down-Syndrom) ein erhöhtes Alter der Mutter bei der Monosomie X nicht für die fehlerhafte Verteilung der Chromosomen von Bedeutung ist.

Wie wird das Turner-Syndrom diagnostiziert?

Das Turner-Syndrom macht sich bereits bei der Geburt bemerkbar. Allein anhand des Krankheitsbildes ist eine sichere Diagnose aber nicht möglich.

Um die Abweichung am Erbgut festzustellen, die dem Ullrich-Turner-Syndrom zugrunde liegt, ist eine sogenannte Chromosomenanalyse geeignet. Mithilfe dieser kann der Karyotyp bestimmt werden: Bei einem Karyotyp von 45, XO statt des normalen 46, XX liegt das Turner-Syndrom vor. Auch eine Untersuchung der Blutwerte kann zur Diagnose beitragen.

Mitunter gelingt es auch schon während der Schwangerschaft, das Turner-Syndrom festzustellen: Manche Frauen entscheiden sich zu einer Pränataldiagnostik in Form einer vorgeburtlichen Chromosomenanalyse – wenn etwa aufgrund ihres erhöhten Alters ein Risiko für andere Erbgutanomalien beim Kind (wie Trisomie 21) besteht. Dabei kann die für das Ullrich-Turner-Syndrom verantwortliche Erbgutveränderung zufällig zutage kommen.

Aus dieser frühen Diagnose kann zunächst eine schwere Konfliktsituation für die schwangere Frau entstehen. Die Entscheidung, ob aufgrund des Turner-Syndroms ein Schwangerschaftsabbruch erfolgen soll, bleibt letztendlich der Frau beziehungsweise dem Elternpaar überlassen.

Wie wird das Turner-Syndrom behandelt?

Betroffene Mädchen sollten vom Moment der Diagnose an fachärztlich betreut werden, damit sich Komplikationen – etwa innerer Organe – rechtzeitig feststellen und behandeln lassen. Verläuft die Erkrankung weitgehend komplikationslos, beginnt die aktive Therapie des Ullrich-Turner-Syndroms etwa ab dem sechsten Lebensjahr: Zunächst kommen Wachstumshormone zum Einsatz, um dem Minderwuchs der betroffenen Mädchen entgegenzuwirken.

Wie die Mädchen auf diese Behandlung ansprechen, ist jedoch von Fall zu Fall unterschiedlich: Nicht immer führen die Wachstumshormone beim Turner-Syndrom zum gewünschten Erfolg.

Ab dem zwölften Lebensjahr erhalten die Mädchen weibliche Geschlechtshormone: Diese Hormonbehandlung dient dazu, die beim Ullrich-Turner-Syndrom typischerweise ausbleibende Pubertät einzuleiten. Die Hormone bewirken, dass:

  • sich die Brust entwickelt,
  • die monatliche Regelblutung einsetzt und
  • sich die kleinen Schamlippen, die Scheide und die Gebärmutter besser ausbilden.

Die mit dem Turner-Syndrom verbundene Unfruchtbarkeit bleibt allerdings trotz der verabreichten Geschlechtshormone bestehen, da die Eierstöcke der Mädchen nicht ausreichend ausgebildet sind.

Liegen Ödeme vor, sind zu deren Therapie Lymphdrainagen sinnvoll. Durch das Ullrich-Turner-Syndrom verursachte Herzfehler oder Nierenprobleme erfordern gegebenenfalls eine Operation.

Weitere Tipps, die Betroffenen helfen können

Für heranwachsende Mädchen mit Turner-Syndrom und deren Eltern ist es hilfreich, sich mit einer begleitenden Psychotherapie unterstützen zu lassen. Selbsthilfegruppen, Kompetenzzentren und Sprechstunden bieten die Möglichkeit, sich von erfahrenen Fachleuten beraten zu lassen, sich mit anderen Patientinnen auszutauschen und den richtigen Umgang mit dem Syndrom zu erlernen. Spezialisierte Kinderkliniken bieten oft derartige Angebote an. Zusätzlich sollten Betroffene:

  • Kontrolluntersuchungen wahrnehmen, um körperliche Veränderungen und Folgeerkrankungen frühzeitig erkennen und behandeln zu können.
  • Sport in ihren Alltag einbauen: Bewegung unterstützt die Herzgesundheit und kann sich positiv auf Knochen, Gewicht und das psychische Wohlbefinden auswirken. 
  • Bei veränderten Blutgefäßen sollte eine starke körperliche Belastung jedoch vermieden werden. 

Fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen

Da es bei Betroffenen des Turner-Syndrom meist schon im frühen Krankheitsverlauf zu einem Funktionsverlust der Ovarien und damit zu Unfruchtbarkeit kommt, haben es Frauen mit Kinderwunsch häufig besonders schwer. Die Möglichkeit einer Schwangerschaft ist in den meisten Fällen sehr gering. Zwar ist es möglich,

  • schwanger zu werden, wenn die Periode trotz Erkrankung ohne medizinische Hilfe einsetzt,
  • oder die Eierstöcke zu stimulieren, Eizellen daraus zu gewinnen und diese für eine künstliche Befruchtung einfrieren zu lassen.

Diese Möglichkeiten funktionieren jedoch nur sehr selten. Alternativ können Betroffene eine Adoption in Erwägung ziehen.

Turner-Syndrom: Verlauf

Beim Turner-Syndrom hängt der Krankheitsverlauf von der Ausprägung der Chromosomenanomalie sowie dem Behandlungserfolg ab: Gelingt es, den bestehenden Hormonmangel auszugleichen, entwickeln sich die betroffenen Mädchen im Wesentlichen normal.

Doch auch mit Wachstumshormon und Östrogen behandelte Frauen mit Turner-Syndrom erreichen im Durchschnitt nur eine Größe von 1,47 Metern und können in den meisten Fällen keine leiblichen Kinder bekommen. Das kann einen hohen Leidensdruck verursachen. Außerdem ist die Behandlung mit Geschlechtshormonen ein Leben lang notwendig, um zu verhindern, dass das Ullrich-Turner-Syndrom zu Osteoporose führt.

Des Weiteren sind Fehlbildungen (wie ungewöhnliche Herz- und Gefäßausprägungen) beim Turner-Syndrom nicht selten und können im weiteren Verlauf Komplikationen nach sich ziehen. 

Lässt sich dem Turner-Syndrom vorbeugen?

Einem Turner-Syndrom lässt sich nicht vorbeugen, da die konkreten Auslöser der ursächlichen Anomalie unbekannt sind. 

Eine vorausgegangene Fehlgeburt aufgrund der Erbgutanomalie oder ein schon vorhandenes Kind mit Turner-Syndrom bedeutet nicht, dass das Risiko für ein weiteres betroffenes Kind in der nächsten Schwangerschaft erhöht ist. Auch ein höheres Alter stellt kein erhöhtes Risiko dar, ein Kind mit Ullrich-Turner-Syndrom zu bekommen – anders als bei den Trisomien 13, 18 und 21.