Reisekrankheit (Kinetose)
Übelkeit, Erbrechen, Schwindel – die sogenannte Reisekrankheit (Kinetose) kann das Reisevergnügen deutlich trüben – auch wenn sie keine Krankheit im eigentlichen Sinn ist. Man versteht darunter alle Symptome, die als Reaktion des Körpers auf ungewohnte Bewegungen und Beschleunigungen auftreten.
Überblick
Vor allem auf Schiffen (sog. Seekrankheit), im Auto, in der Bahn oder (seltener) in Flugzeugen (sog. Flugkrankheit) kann sie bei manchen zu Beschwerden führen. Fast jeder ist in seinem Leben einmal von Reisekrankheit betroffen. In etwa 90 Prozent der Fälle verschwinden die Symptome von selbst, sobald man der ungewohnten Bewegung nicht mehr ausgesetzt ist. Meist gewöhnt man sich zudem nach einer Weile an die ungewohnte Bewegung, wodurch die Symptome in der Regel nachlassen. Um einer Kinetose vorzubeugen, reichen oft schon einfache Maßnahmen.
Seekrankheit
Von Seekrankheit sind viele Schiffsreisende betroffen. Während einige Schiffpassagiere und Seeleute nie seekrank sind, werden es manche plötzlich noch nach vielen Jahren. Andere werden praktisch bei jeder Reise erneut seekrank. Bei Beschwerden auf Seereisen setzt in der Regel spätestens nach drei bis vier Tagen eine Gewöhnung ein und die Seekrankheit bessert sich von selbst.
Nicht alle Menschen sind gleich empfindlich für Auftreten der Reisekrankheit:
- Etwa 5 bis 10 Prozent aller Menschen sind sehr empfindlich,
- etwa 75 Prozent gelten als "normal" anfällig und
- 5 bis 15 Prozent als relativ unempfindlich.
Frauen sind insgesamt häufiger von der Reisekrankheit betroffen als Männer, besonders zu Beginn der Menstruation oder in der Schwangerschaft. Vermutlich spielen hier hormonelle Einflüsse eine Rolle.
Auch die Psyche hat einen Einfluss: Wer Angst vor davor hat, dass er von Kinetose betroffen sein könnte, geht mit einer gewissen Erwartungshaltung auf die Reise. Das kann mögliche Reisebeschwerden fördern.
Säuglinge sind gewöhnlich nicht von Reisekrankheit betroffen, weil bei ihnen das Gleichgewichtsorgan im Innenohr noch nicht vollständig entwickelt ist. Am häufigsten ist die Kinetose bei 2- bis 12-Jährigen zu beobachten. Ab dem 50. Lebensjahr kommt sie eher selten vor.
Pseudokinetose
Auch 3D-Kinofilme, Flugsimulatoren oder Computerspiele können Beschwerden wie bei einer Reisekrankheit auslösen. Hier spricht man jedoch von einer sogenannte Pseudokinetose ("Scheinkinetose"), da sie ausschließlich über die optische Wahrnehmung und nicht durch Bewegung ausgelöst wird.
Ursachen
Die Ursache der Reisekrankheit (Kinetose) sind ungewohnte Bewegungen und Beschleunigungen. Diese treten beispielsweise bei kurvenreichen Autofahrten, Turbulenzen im Flugzeug oder Wellengang auf Schiffen auf und wirken über verschiedene Reize auf das Gleichgewichtsorgan im Innenohr. Verfolgt man Bewegungsänderungen nicht ständig mit den Augen, kann das Gehirn die Bewegungen im Innenohr nicht zuordnen. Die Bewegungen werden als Fehlermeldung registriert und lösen dadurch die typischen Symptome einer Reisekrankheit aus.
Das Zusammenspiel von Gleichgewichtsorgan, optischer Wahrnehmung sowie Nerven und Rezeptoren der Muskeln ist notwendig für den aufrechten Gang des Menschen. Durch dieses Zusammenspiel sowie durch Erfahrungswerte entsteht im Gehirn ein Bewegungsmodell, das eine schnelle Auswertung und Kontrolle der Bewegungen ermöglicht. Auf diese Weise ist dem Gehirn eine Vorausberechnung dieses Bewegungsmodells möglich. So erkennt das Gehirn zum Beispiel eine bestimmte Lage des Gleichgewichtsorgans im Innenohr, die Anspannung in der Beinmuskulatur und die Information "keine Bewegung" von den Augen als das Bewegungsmodell "Stillstehen".
Ungewohnte Bewegungen und Beschleunigungen können das Gehirn durcheinanderbringen. Beim Autofahren zum Beispiel registrieren Nerven und Rezeptoren in den Muskeln keine Bewegung, da der Körper stillsitzt. Die Augen melden dem Gehirn jedoch schnelle Fortbewegung. Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr wiederum liefert Informationen über Kurven, Beschleunigungen oder Steigungen, die den ersten beiden Meldungen widersprechen. Diese nicht übereinstimmende Flut von Informationen führt im gesunden Gleichgewichtssinn zu einer Überlastung, die das Gehirn als Gefahrensituation interpretiert. Als Folge werden Stresshormone ausgeschüttet, die wiederum Symptome wie Schwindel und Übelkeit bewirken.
Die Reisekrankheit ist somit keine Krankheit im eigentlichen Sinn, sondern eine ganz natürliche Reaktion auf ungewöhnliche Einflüsse. Psychische Faktoren, wie zum Beispiel eine ängstliche Erwartungshaltung, können ebenfalls eine große Rolle bei der Entstehung einer Kinetose spielen beziehungsweise diese verstärken.
Wird das Gehirn solchen ungewohnten Bewegungen dauerhaft oder regelmäßig ausgesetzt, ist eine Gewöhnung (bzw. genaugenommen eine Anpassung des Bewegungsmodells im Gehirn) möglich. Sind die Abweichungen zu diesem Bewegungsmodell im Gehirn jedoch zu groß, kann man erneut reisekrank werden. Durch aktives Eingreifen in die Bewegung (z.B. selbst fahren) lässt sich das Gehirn aber überlisten und der Reisekrankheit damit vorbeugen.
Symptome
Unter Reisekrankheit (Kinetose) leidet vor allem, wer ein empfindlicheres Gleichgewichtsorgan hat. Je nachdem, wie stark die ungewohnten Bewegungen sind, kann sie früher oder später jedoch bei jedem auftreten. Die Symptome können dabei individuell verschieden sein und auch je nach Schweregrad der Reisekrankheit variieren:
Mögliche Symptome bei leichter Reisekrankheit:
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit
- häufiges Gähnen
- Schweißausbrüche
- vermehrter Speichelfluss
Mögliche Symptome bei mittelschwerer Reisekrankheit:
Mögliche Symptome bei schwerer Reisekrankheit:
- Erbrechen
- subjektiv schweres Krankheitsgefühl
- Apathie
Eine länger andauernde Reisekrankheit ist durchaus ernst zu nehmen, da bei Erbrechen durch den Flüssigkeitsverlust das Risiko eines lebensbedrohlichen Kreislaufkollapses besteht. Das gilt insbesondere für Betroffene mit bereits bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Therapie
Beschwerden durch die sogenannte Reisekrankheit (Kinetose) lassen sich auf unterschiedliche Weise behandeln. Reagieren Sie am besten bereits bei den ersten Anzeichen.
Für jede Art der motorisierten Fortbewegung gibt es einfache Verhaltensregeln, durch die eine Reisekrankheit weniger wahrscheinlich auftritt:
Fortbewegungsmittel | Verhaltensmaßnahme |
Auto | Fahren Sie möglichst selbst. Als Beifahrer halten Sie den Blick auf die Straße bzw. auf einen festen Punkt am Horizont gerichtet. Lesen Sie nicht während der Fahrt. Legen Sie regelmäßige Pausen ein, in denen Sie sich bewegen und frische Luft schnappen können. |
Bus | Sitzen Sie möglichst mittig, da der Bus hier weniger schwankt, oder wählen Sie einen Sitzplan vorne und richten Sie den Blick auf einen festen Punkt am Horizont. |
Bahn | Sitzen Sie möglichst in Fahrtrichtung und fixieren Sie beim Blick aus dem Fenster einen festen Punkt am Horizont. Laufen Sie häufiger im Gang auf- und ab. |
Flugzeug | Sitzen Sie möglichst am Gang und nah an der Tragfläche. Laufen Sie häufiger im Gang auf- und ab. |
Schiff | Wählen Sie einen Platz oder eine Kabine im Mittelteil des Schiffes; entweder dicht über dem Wasserspiegel (tiefe Kabinen: ruhigerer Wellengang) oder auf Deck (Frischluft, Möglichkeit, sich zu bewegen und einen Punkt am Horizont zu fixieren). Bewegen Sie sich mit dem Schiff, nicht gegen die Bewegung lehnen. |
Bei akutem Auftreten von Reisekrankheit:
Legen Sie sich flach auf den Rücken, halten Sie den Kopf ruhig und schließen Sie die Augen (so schließen Sie optische Reize aus Ihrer Wahrnehmung aus und verringern die miteinander in Konflikt stehenden Reize). Ist dies nicht möglich, setzen Sie sich hin und fixieren Sie einen Punkt am Horizont.
Auch diese Tipps können dabei helfen, die Reisekrankheit zu bekämpfen:
- Versuchen Sie zu schlafen – im Schlaf ist der Gleichgewichtssinn "ausgeschaltet".
- Achten Sie auf leichte, kohlenhydratreiche und fettarme Kost – sowohl ein überfüllter als auch ein leerer Magen wirken sich ungünstig auf die Kinetose aus
- Verzichten Sie auf Alkohol, Kaffee und Zigaretten.
- Meiden Sie starke Gerüche, z.B. von Diesel oder Essen.
- Hören Sie Musik.
- Lesen Sie nicht während der Reise.
Medikamente
Gegen die Beschwerden, die bei einer Kinetose auftreten, können Sie Medikamente einnehmen – am besten bereits bei den ersten Anzeichen. Bei bekannten Problemen mit Reisekrankheit empfiehlt es sich, diese bereits einige Zeit vor Reiseantritt anzuwenden.
Sowohl zur Behandlung als auch zur Vorbeugung der Reisekrankheit verwendet man Wirkstoffe, die entgegenwirken. Man erhält sie unter anderem in Kaugummi-, Tabletten- oder Zäpfchenform. Während man einige Medikamente bereits am Abend vor dem Reiseantritt anwenden kann (z.B. Scopolamin in Form eines Pflasters), lassen sich andere Medikamente etwas kurzfristiger und bei Bedarf einsetzen (z.B. Dimenhydrinat als Kaugummi, Tablette, Kapsel oder Sirup).
Ingwer gegen Reisekrankheit
Gegen Reisekrankheit kann auch Ingwer zum Einsatz kommen. Er war lange Zeit für Seeleute ein bewährtes Mittel. Sie kauten dafür kleine Stücke der frischen Ingwerwurzel. Aber auch als Tee oder in Pulverform lässt er sich einnehmen. Empfohlen werden 500 Milligramm alle vier Stunden. Einen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirkung bei Kinetose gibt es jedoch bislang nicht.
Verlauf
Bei über 90 Prozent der Betroffenen verschwinden die Symptome der Reisekrankheit (Kinetose) auch ohne Behandlung, sobald die ungewohnte Bewegung nicht mehr vorhanden ist. Bei längeren Seereisen bessern sich die Beschwerden normalerweise in der Regel spätestens nach drei bis vier Tagen von selbst.
Dauert die Reisekrankheit tagelang an und geht mit Erbrechen einher, kann es durch den Flüssigkeitsverlust zu einem Kreislaufkollaps kommen und damit lebensbedrohlich werden. Das gilt insbesondere für Betroffene mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Vorbeugen
Um der Reisekrankheit (Kinetose) gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ist Ihnen bereits bekannt, dass Sie auf bestimmte Reisearten empfindlich reagieren, sollten Sie als Erstes überlegen, ob es nicht andere Reisemöglichkeiten für Sie gibt. Lässt sich das Fortbewegungsmittel nicht vermeiden, suchen Sie sich möglichst einen Sitzplatz, an dem nicht so viel Bewegung zu erwarten ist – im Flugzeug und Bus zum Beispiel möglichst mittig.
Daneben gibt es weitere Maßnahmen, die das Risiko einer Reisekrankheit senken:
- Begeben Sie sich ausgeruht und stressfrei auf die Reise.
- Überlasten Sie Ihren Magen nicht – essen Sie maßvoll, achten Sie auf kohlenhydratreiche, fettarme Kost.
- Trinken Sie vor Reisebeginn und auch während der Fahrt keinen Alkohol.
- Verzichten Sie auf Kaffee und Nikotin.
- Lesen Sie nicht während der Fahrt.
- Fahren Sie bei Autofahrten, wenn möglich, selbst.
Medikamente
Bei bekannten Problemen mit Reisekrankheit kann eine rechtzeitige Einnahme beziehungsweise Anwendung von entsprechenden Wirkstoffen (z.B. Dimenhydrinat, Scopolamin) vor Reiseantritt Beschwerden vorbeugen. Je nach Präparat können zwischen 3 bis 14 Stunden Zeitabstand nötig sein, um eine optimale Wirkung zu gewährleisten.
Alternative Mittel
Auch alternative Mittel können möglicherweise das Risiko einer Reisekrankheit senken. Einen wissenschaftlichen Nachweis über die Wirkung dafür gibt es jedoch bislang nicht. Zu den alternativen Methoden, einer Kinetose vorzubeugen, zählen unter anderem:
- Akupressur- und Magnetarmbänder
- hochdosiertes Vitamin C