Ein*e Ärzt*in misst bei jemandem den Blutzucker.
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Prädiabetes: Symptome, Therapie und Verlauf

Von: Dr. rer. nat. Brit Neuhaus (Medizinautorin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 12.10.2021

Weltweit erkranken immer mehr Menschen an der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus Typ 2. Doch diese entsteht nicht von einem Tag auf den anderen: Viele Betroffene leiden zunächst an einer Vorstufe, dem Prädiabetes. Lesen Sie hier, an welchen Symptomen Sie einen Prädiabetes erkennen und wie Sie der Entwicklung zum Typ-2-Diabetes vorbeugen können.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Überblick

Was ist Prädiabetes?

Prädiabetes ist eine Vorstufe des Diabetes mellitus Typ 2, einer Stoffwechselerkrankung, bei der der Blutzuckerwert dauerhaft über 125 Milligramm (mg) pro Deziliter steigt. Bei einem Prädiabetes ist der Wert mit 100 und 125 mg pro Deziliter weniger stark erhöht, liegt aber bereits über dem Normwert von bis zu 99 mg pro Deziliter. Zwar entwickeln Menschen mit Prädiabetes nicht zwangsläufig einen Diabetes mellitus, das Risiko hierfür ist jedoch erhöht.

Ebenso wie Typ-2-Diabetes ist auch Prädiabetes weit verbreitet. In Deutschland leidet jeder fünfte Mensch im Alter von 18 bis 79 an der Diabetes-Vorstufe, Männer sind mit einem Anteil von etwa 24 Prozent häufiger betroffen als Frauen mit einem Anteil von etwa 17 Prozent.

Zwar steigt die Wahrscheinlichkeit eines Prädiabetes mit dem Alter an, aber auch viele jüngere Menschen haben bereits erhöhte Blutzuckerspiegel. So liegt der Anteil der Menschen mit Prädiabetes

  • im Alter von 65 bis 79 Jahren bei 31 Prozent,
  • im Alter von 45 bis 64 Jahren bei 26 Prozent
  • und im Alter von 18 bis 44 Jahren bei knapp zwölf Prozent.

Ursachen

Wie Typ-2-Diabetes entsteht auch Prädiabetes dadurch, dass die Körperzellen nicht mehr angemessen auf das Hormon Insulin ansprechen (Insulinresistenz). Insulin wird nach einer Mahlzeit aus der Bauchspeicheldrüse freigesetzt. Es bindet über sogenannte Insulin-Rezeptoren, also spezialisierte Andockstellen, an die Körperzellen und sorgt dafür, dass diese Glukose aus dem Blut aufnehmen können. Sind die Körperzellen insulinresistent, funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr richtig: Die Glukose bleibt im Blut und der Blutzuckerspiegel steigt.

Dass die Körperzellen insulinresistent werden, liegt häufig an einer übermäßigen Nahrungsaufnahme. Sie treibt den Blutzucker – und damit den Insulinspiegel – in die Höhe. Die Körperzellen reagieren auf den hohen Insulinspiegel, indem sie die Anzahl der Insulinrezeptoren auf ihrer Oberfläche senken und dadurch weniger empfindlich auf das vorhandene Insulin reagieren. Ärzt*innen sprechen in diesem Fall von einem relativen Insulinmangel.

Die Bauchspeicheldrüse versucht zunächst, der Insulinresistenz entgegenzuwirken, indem sie immer mehr Insulin produziert. Nach einigen Jahren erschöpft die Bauchspeicheldrüse jedoch. Sie kann nicht mehr genügend Insulin herstellen und der Blutzuckerspiegel steigt an.

Risikofaktoren für Prädiabetes

Wichtige Risikofaktoren, die eine Insulinresistenz – und damit einen Prädiabetes – begünstigen, sind zum Beispiel

Symptome

Prädiabetes verursacht bei vielen Betroffenen keine Symptome und bleibt deshalb häufig unentdeckt. Bei einigen Menschen können die folgenden Beschwerden auf einen Prädiabetes hinweisen:

Diagnose

Die Diagnose lässt sich bei Verdacht auf Prädiabetes anhand der Blutzuckerwerte stellen. Dafür kommen verschiedene Untersuchungen in Frage.

Messung des Nüchternblutzuckers:

Bei Prädiabetes liegt der Blutzucker nach einer mindestens achtstündigen Fastenzeit zwischen 100 und 125 Milligramm pro Deziliter.

Oraler Glukose-Toleranz-Test (oGTT):

Bei diesem Test nimmt der Betroffene zunächst eine Lösung mit 75 Gramm Glukose zu sich, wodurch der Blutzuckerspiegel ansteigt. Bei einer gesunden Person sollte der Blutzucker innerhalb von zwei Stunden wieder auf einen Wert unter 140 Milligramm pro Deziliter sinken. Liegen die Werte nach zwei Stunden zwischen 140 und 199 Milligramm pro Deziliter, handelt es sich um Prädiabetes, bei Werten über 200 Milligramm pro Deziliter um einen Diabetes mellitus.

Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c):

Anhand des Blutzucker-Langzeitwertes lässt sich die durchschnittliche Blutzuckerkonzentration im Verlauf der letzten acht bis zwölf Wochen ermitteln. Für die Messung ist eine Blutprobe erforderlich, Betroffene müssen jedoch nicht nüchtern sein. Normal ist ein Wert unter 5,7 Prozent. Liegt der Wert stattdessen zwischen 5,7 und 6,5 Prozent, handelt es sich um Prädiabetes, ab 6,5 Prozent um Diabetes.

Lesetipp: Blutzucker richtig messen – so wird's gemacht

Therapie

Ziel der Prädiabetes-Behandlung ist es, den Blutzuckerwert zu normalisieren und zu verhindern, dass sich langfristig ein Typ-2-Diabetes entwickelt. Eine wichtige Maßnahme besteht in der Anpassung des Lebensstils. Darunter fallen insbesondere eine gesunde, ausgewogene Ernährung und mehr Bewegung, um das Körpergewicht bei Bedarf zu senken. Empfehlenswert sind etwa 30 bis 60 Minuten moderate körperliche Aktivität an fünf Tagen pro Woche. Ziel ist ein BMI unter 25 kg/m2. Für Betroffene ist es außerdem ratsam,

  • möglichst auf das Rauchen zu verzichten,
  • Alkohol nur in Maßen zu genießen,
  • auf ausreichend Schlaf zu achten
  • und Stress zu vermeiden.

Eine medikamentöse Behandlung ist bei Prädiabetes in der Regel nur dann erforderlich, wenn der Blutzuckerspiegel sich durch eine Anpassung des Lebensstils nicht ausreichend senken lässt und aufgrund von Risikofaktoren oder bestimmter Vorerkrankungen eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Typ-2-Diabetes besteht. Entsprechende Wirkstoffe senken den Blutzuckerspiegel, dämpfen zum Teil das Hungergefühl und können die Gewichtsabnahme erleichtern.

Verlauf

Durch eine konsequente Anpassung der Lebensgewohnheiten lässt sich ein Prädiabetes oft vollständig rückgängig machen. Ohne Behandlung entwickelt er sich hingegen innerhalb von drei bis fünf Jahren bei jedem vierten Betroffenen zu einem Typ-2-Diabetes. Über die gesamte Lebenszeit hinweg bekommen etwa 70 Prozent aller Prädiabetiker*innen einen Typ-2-Diabetes.

Das Risiko ist allerdings nicht bei jedem Menschen gleich hoch. So haben Forschende erst Anfang 2021 herausgefunden, dass nicht nur die Höhe des Body-Mass-Index, also das Maß an Übergewicht, sondern auch die Fettverteilung das Risiko für Typ-2-Diabetes beeinflusst. Übergewichtige Menschen mit hohem Bauchfettanteil hatten in der durchgeführten Studie beispielsweise eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, als Menschen mit starkem Übergewicht (Adipositas, Body-Mass-Index über 30), bei denen sich das Fett überwiegend unter der Haut abgelagert hatte. Das größte Diabetes-Risiko wiesen stark übergewichtige Menschen mit einem sehr hohen Fettanteil in der Leber und einer stark ausgeprägten Insulinresistenz auf.

Neben dem Risiko für Typ-2-Diabetes kann Prädiabetes auch verschiedene andere Krankheiten und Schäden an inneren Organen und Geweben hervorrufen. Typische Komplikationen sind zum Beispiel

Da Prädiabetes nur selten Beschwerden verursacht, wissen viele Betroffene nichts von ihrem erhöhten Blutzuckerspiegel. Ist dieser jedoch bekannt, ist es ratsam, regelmäßig etwa alle ein bis zwei Jahre in der Arztpraxis überprüfen zu lassen, ob sich ein Typ-2-Diabetes entwickelt hat.

Vorbeugen

Prädiabetes oder der Entstehung eines Typ 2 Diabetes lässt sich gut vorbeugen. Hierzu bedarf es vor allem einer gesunden, ausgewogenen Ernährung, regelmäßiger Bewegung, einer Gewichtsabnahme (nur bei übergewichtigen Personen), einem maßvollen Alkoholkonsum und – nach Möglichkeit – einem Verzicht auf Nikotin. Schon verhältnismäßig kleine Veränderungen im Lebensstil können den Verlauf des Prädiabetes günstig beeinflussen.