Eine nachdenklich aussehende junge Frau sitzt auf dem Fußboden an der offenen Terassentür.
© Getty Images

Dysthymie

Von: Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education)
Letzte Aktualisierung: 18.01.2022

Eine Dysthymie ist eine anhaltende (chronische) depressive Verstimmung. Die Symptome sind weniger stark ausgeprägt als bei einer Depression, aber sehr belastend – denn sie halten über Jahre hinweg an. Lesen Sie, wie man eine Dysthymie behandeln kann und wie sie sich von einer Depression unterscheidet.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Dysthymie

Von einer Dysthymie (auch: Dysthymia, dysthyme Störung) spricht man, wenn

  • Symptome einer depressiven Verstimmung auftreten,
  • die über mindestens zwei Jahre hinweg nahezu permanent vorhanden sind.

Menschen mit einer Dysthymie fühlen sich an den meisten Tagen niedergeschlagen, antriebslos und unzulänglich. Sie neigen zu Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsgefühlen. Sie empfinden nur selten Freude. Selbst kleinere Tätigkeiten sind für sie anstrengend und sie fühlen sich häufig geschwächt. Hinzu kommen unspezifische körperliche Beschwerden wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder Kopfschmerzen.

Schätzungen zufolge haben etwa 3 bis 5 von 100 Personen eine Dysthymie. Frauen erhalten diese Diagnose etwas häufiger als Männer. Oft zeigen sich erste Symptome bereits in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Grundsätzlich können aber Menschen jedes Alters erkranken. Ältere Personen entwickeln eine Dysthymie häufiger nach einer Depression oder einer starken psychischen Belastung.

Bis heute sind die Ursachen einer Dysthymie noch nicht abschließend erforscht. Wissenschaftler gehen davon aus, dass verschiedene Faktoren im Zusammenspiel die Erkrankung auslösen. Dazu zählen psychosoziale Einflüsse wie zum Beispiel soziale Isolation. Auch lernpsychologische Faktoren spielen eine Rolle – etwa Unselbstständigkeit durch ein überfürsorgliches Elternhaus und daraus hervorgehende Selbstabwertung. Genetische Faktoren könnten ebenfalls von Bedeutung sein.

Übrigens: Der Begriff Dysthymia kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Missmut.

Dysthymie: Symptome

Die Symptome einer Dysthymie/Dysthymia ähneln denen der Depression. Sie sind jedoch milder ausgeprägt und halten länger an.

Mögliche Symptome sind:

  • Niedergeschlagenheit
  • Gefühle von innerer Leere und/oder Hoffnungslosigkeit
  • Freudlosigkeit
  • Energielosigkeit, Erschöpfung
  • Angstgefühle, Versagensängste
  • Empfindlichkeit
  • Grübeln
  • eingeschränkte Leistungsfähigkeit
  • Selbstwertprobleme; Gefühl, unzulänglich zu sein
  • Antriebslosigkeit
  • Konzentrationsprobleme
  • sozialer Rückzug
  • Schlafstörungen, z. B. Probleme mit dem Einschlafen, Schlaflosigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis
  • anhaltende Müdigkeit
  • unspezifische körperliche Beschwerden
  • mangelndes sexuelles Verlangen
  • Gewichtszunahme oder -abnahme; Appetitlosigkeit oder gesteigerter Appetit

In der Regel gibt es Phasen von Tagen oder Wochen, in denen es den Betroffenen gut geht. Die meiste Zeit über erleben sie jedoch Beschwerden in unterschiedlichem Ausmaß.

Dysthymie und Depressionen

Auch wenn es ihnen schwerfällt, sind Personen mit einer Dysthymie normalerweise in der Lage, ihren Alltag zu bewältigen. Sie können zum Beispiel in den meisten Fällen einer Arbeit nachgehen. Dennoch ist die Dysthymia mit einem hohen Leidensdruck verbunden – vor allem, weil die Beschwerden nahezu kontinuierlich über einen sehr langen Zeitraum hinweg anhalten und sich in ihrer Intensität kaum verändern.

Eine Depression geht dagegen mit stärkeren Symptomen einher. Zudem verläuft sie oft in Phasen (sog. Episoden). Das bedeutet, dass es den Betroffenen nach einer gewissen Zeit – meist Wochen oder Monaten – wieder besser geht. Eine depressive Episode kann einmalig auftreten, aber auch in Abständen wiederkehren. Bei einer Dysthymie halten die Beschwerden hingegen mehr oder weniger permanent, aber schwächer an.

Double Depression: Depression und Dysthymia im Doppelpack

Menschen mit Dysthymie können zugleich an einer depressiven Episode erkranken. Fachleute sprechen dann auch von einer Doppeldepression oder Double Depression. Die depressive Episode überlagert dann die Symptome der Dysthymie. Klingt die depressive Episode ab, bleibt die depressive Verstimmung zurück.

Dysthymie: Diagnose

Hinter Symptomen wie Antriebslosigkeit, Müdigkeit oder Freudlosigkeit können sich viele Erkrankungen verbergen und sie sind kein Beweis für eine Dysthymia. Wichtig ist daher, mögliche andere körperliche oder psychische Ursachen für die Beschwerden auszuschließen, zum Beispiel

Erster Ansprechpartner kann der Hausarzt sein. Ist er der Ansicht, dass die Beschwerden psychisch bedingt sind, wird er seinen Patienten gegebenenfalls an einen Psychotherapeuten verweisen. Alternativ kann man sich direkt an einen Psychotherapeuten wenden. Vor einer eventuellen Psychotherapie ist jedoch eine ärztliche Untersuchung nötig, damit eine mögliche körperliche Erkrankung nicht übersehen wird.

Eine Dysthymie geht häufig mit anderen psychischen Erkrankungen einher – zum Beispiel mit einer Angststörung –, sodass sie lange Zeit unentdeckt bleiben kann. Im Laufe der Sitzungen gelingt es einem erfahrenden Therapeuten jedoch normalerweise, eine Dysthymie zu erkennen und von einer depressiven Episode abzugrenzen.

Dysthymie: Therapie

Bei einer Dysthymie kann eine Psychotherapie helfen. Welche Therapieform am besten geeignet ist, richtet sich dabei unter anderem nach den Vorlieben des Patienten/Klienten. In einer psychodynamisch orientierten Therapie wie der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie kann es zum Beispiel darum gehen, belastendende Konflikte aus der Kindheit aufzudecken und zu bearbeiten. In einer kognitiven Verhaltenstherapie könnten dagegen ungünstige Denk- und Verhaltensmuster im Vordergrund stehen, die Schritt für Schritt analysiert und umstrukturiert werden.

Begleitend zur Psychotherapie können weitere Angebote hilfreich sein, zum Beispiel eine Bewegungstherapie, Musiktherapie und/oder regelmäßiger Sport.

In bestimmten Fällen kann zusätzlich zur Psychotherapie eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva sinnvoll sein – etwa zu Beginn der Behandlung oder wenn sich der Patient in einer akuten Krise befindet. Auch bei einer Dysthymie, die von einer depressiven Episode überlagert wird (Doppeldepression), wird häufig eine Psychotherapie mit einer medikamentösen Behandlung kombiniert.

Dysthymie: Verlauf

Eine Dysthymie hält über viele Jahre hinweg an. Mit psychotherapeutischer Hilfe können viele Betroffene wieder mehr Lebensfreude entwickeln. Bleibt die Erkrankung dagegen unbehandelt, kann sich daraus eine chronische Depression entwickeln.

Viele Menschen mit Dysthymie haben zugleich eine weitere psychische Erkrankung. Zu psychischen Störungen, die häufig zusammen mit der Dysthymie auftreten, zählen zum Beispiel Angsterkrankungen wie eine soziale Phobie, Agoraphobie oder eine generalisierte Angststörung .

Die Symptome einer Dysthymia führen zu einem hohen Leidensdruck, insbesondere, weil sie über einen langen Zeitraum hinweg anhalten. Das Risiko für Suizid(-gedanken) und Suchterkrankungen ist erhöht.

Hilfe im Notfall

Suizidgedanken sind Teil der Krankheit. Konkrete Suizidgedanken sind ein Notfall. Wer solche Gedanken hat, sollte nicht zögern, sich an die nächste psychiatrische Klinik zu wenden oder den Notruf (112) zu wählen.

Eine weitere Anlaufstelle ist die anonyme und kostenlose Telefonseelsorge.

Für Personen in Deutschland:

Für Personen in Österreich:

Personen in der Schweiz finden bei der Einrichtung "Die Dargebotene Hand" unter der Telefonnummer 143 oder unter www.143.ch Hilfe.