Eine Ärztin zeigt einer Patientin ihre Aufzeichnungen.
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Kraniopharyngeom

Von: Onmeda-Redaktion, Astrid Clasen (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 24.07.2020

Ein Kraniopharyngeom ist ein langsam wachsender, gutartiger Hirntumor, der oft bei Kindern und Jugendlichen auftritt.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Überblick

Das Kraniopharyngeom entsteht als Fehlbildung im Bereich der Hirnanhangdrüse (Hypophyse): Hier bildet sich vor der Geburt beim Embryo ein Gang (= Ductus craniopharyngeus), der im weiteren Verlauf der Embryonalentwicklung wieder verschwindet. Es können jedoch Zellüberreste bleiben und zu wuchern beginnen – die Folge ist ein Kraniopharyngeom: ein von einer festen Kapsel umhüllter und mit Flüssigkeit gefüllter Gehirntumor, in dessen festen Teilen Kalkeinlagerungen zu finden sind. Die Ursache für die Entstehung von Kraniopharyngeomen ist weitgehend unbekannt.

Mit zunehmender Größe bedrängt das Kraniopharyngeom die benachbarten Strukturen: Es kann auf die Sehnerven, die Hirnanhangdrüse und den Hypothalamus drücken. Dadurch kann der Hirntumor schwerwiegende Symptome verursachen und die Lebensqualität der Betroffenen einschränken – trotz seiner Gutartigkeit.

Die wichtigsten Anzeichen für das Kraniopharyngeom sind:

Darüber hinaus können bei einem Kraniopharyngeom als weitere Symptome unter anderem morgendliches Erbrechen, eine gestörte Bildung sekundärer Geschlechtsmerkmale (z.B. Behaarung), eine Schilddrüsenunterfunktion, Fresssucht und Fettleibigkeit (Adipositas) auftreten. Da all diese Beschwerden wenig kennzeichnend sind, kann einige Zeit vergehen, bis es gelingt, den Gehirntumor zu diagnostizieren.

Zur Diagnose sind beim Kraniopharyngeom bildgebende Verfahren (Magnetresonanztomographie und Computertomographie) nötig; wichtig sind beispielsweise auch eine Labordiagnostik (v.a. um die Hormonspiegel zu bestimmen) und eine gründliche Augenuntersuchung.

Die optimale Therapie besteht bei einem Kraniopharyngeom darin, den Hirntumor in einer Operation vollständig zu entfernen, ohne die Funktionen der benachbarten Strukturen zu beeinträchtigen. Da es selten möglich ist, den Gehirntumor ganz rauszuoperieren, kann anschließend eine Strahlentherapie zum Einsatz kommen, um die Heilungschancen zu erhöhen. Ob und welche Medikamente zur Behandlung nötig sind, hängt von den vorliegenden Beschwerden ab. Oft (z.B. bei Schilddrüsenunterfunktion oder Wachstumshormonmangel) erfolgt eine Hormonersatztherapie.

Definition

Ein Kraniopharyngeom (griech. kranion = Schädel, pharynx = Schlund) ist ein gutartigerHirntumor mit folgenden typischen Merkmalen:

  • Die Geschwulst ist von einer festen Kapsel umhüllt,
  • meist gekammert und
  • mit Flüssigkeit gefüllt, die Cholesterin enthält;
  • in den festen Teilen der Zyste ist Kalk eingelagert.
  • Die Geschwulst wächst langsam und
  • bildet keine Tochtergeschwulste (Metastasen).

Das Kraniopharyngeom wächst im Gehirn oberhalb vom sogenannten "Türkensattel" (Sella turcica), einer Vertiefung der Schädelhöhlenbasis. An dieser Stelle befindet sich die Hirnanhangdrüse (Hypophyse). Vor der Geburt (embryonal) entsteht in diesem Bereich ein Gang, der im Lauf der Hirnreifung wieder verschwindet: der Ductus craniopharyngeus (auch Rathke-Tasche genannt). Aus den Restzellen dieses Gangsystems kann durch krankhafte Wucherungen ein Kraniopharyngeom entstehen.

Entsprechend der Stelle, an dem sich die Rathke-Tasche befindet, wächst ein Kraniopharyngeom typischerweise oberhalb der Sella turcica beziehungsweise der Hypophyse oder in der Nähe des Hypophysenstiels.

Die Hypophyse ist für die Bildung verschiedener Hormone zuständig. Diese beeinflussen unter anderem das Wachstum, die Pubertätsentwicklung, die Gewichts- und Flüssigkeitsregulation des Körpers. Da ein Gehirntumor mit zunehmender Größe die benachbarten Strukturen bedrängt, kann ein Kraniopharyngeom in all diesen Bereichen Störungen verursachen. Zudem kreuzen sich in der Nähe der Hypophyse die Sehnerven, weshalb es beim Kraniopharyngeom auch zu Sehstörungen kommen kann.

Häufigkeit

Das Kraniopharyngeom tritt mit einer Häufigkeit von jährlich 0,5 bis 2 neuen Fällen pro 1.000.000 Einwohnern auf. Bis zu jeder zweite derartige Hirntumor bildet sich bei Kindern – überwiegend zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr. Dadurch machen Kraniopharyngeome bis zu vier Prozent aller Hirntumoren im Kindesalter aus.

Bei Erwachsenen tritt ein Kraniopharyngeom am häufigsten zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr auf. Da der Gehirntumor nur langsam wächst, löst er oft erst spät Beschwerden aus. Darum erfolgt die Diagnose bei Kraniopharyngeomen häufig zufällig.

Ursachen

Ein Kraniopharyngeom hat seine Ursachen in einer Fehlbildung: Der gutartige Hirntumor entsteht im Bereich der Hirnanhangdrüse aus Überresten der sogenannten Rathke-Tasche beziehungsweise des Ductus craniopharyngeus – dies ist ein beim Embryo angelegter Gang, der im weiteren Verlauf der Embryonalentwicklung wieder verschwindet.

Warum die übrig gebliebenen Zellen zu wuchern beginnen, sodass sich ein Kraniopharyngeom bildet, ist unbekannt.

Die mit dem Kraniopharyngeom verbundenen Symptome haben ihre Ursachen ...

  • teils in dem steigenden Hirndruck infolge der gestörten Zirkulation des Hirnwassers,
  • teils in örtlichen Reizungen des Hirngewebes durch den Gehirntumor selbst.

Symptome

Bis ein Kraniopharyngeom Symptome verursacht, kann viel Zeit vergehen: Der gutartige Hirntumor macht sich erst dann bemerkbar, wenn er mit zunehmender Größe die benachbarten Strukturen bedrängt – und das kann dauern, weil Kraniopharyngeome oft sehr langsam wachsen.

Dass ein wachsendes Kraniopharyngeom Symptome hervorruft, hat unterschiedliche Gründe. Für manche Beschwerden ist ein gestiegener Hirndruck verantwortlich: Wenn der Gehirntumor die dritte Hirnkammer (Ventrikel) zusammendrückt, ist die Zirkulation des Hirnwassers (= Liquor) behindert, sodass der Hirndruck steigt. Andere vom Hirntumor ausgelösten Symptome sind darauf zurückzuführen, dass das umliegende Hirngewebe durch den Tumor örtlich gereizt ist.

Die mit dem Kraniopharyngeom verbundenen Symptome sind – wie bei jedem Hirntumor – teils wenig kennzeichnend. Die wichtigsten Anzeichen für den Gehirntumor sind:

Dass beim Kraniopharyngeom oft Kopfschmerzen vorherrschen, liegt an dem gestiegenen Hirndruck. Als weiteres Anzeichen für den erhöhten Hirndruck kann es bei dem Gehirntumor zu Erbrechen kommen (v.a. morgens auf nüchternen Magen).

Durch seine Lage nahe am Sehnerv, an der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und am Hypothalamus verursacht das Kraniopharyngeom als weitere wichtige Symptome , und :

  • Sehstörungen
  • Gesichtsfeldausfälle
  • hormonelle Ausfälle (betroffen sind: das Wachstumshormon, die keimdrüsenstimulierenden Geschlechtshormone, das in der Hirnanhangdrüse gebildete Hormon ACTH und das schilddrüsenstimulierende Hormon TSH)

Durch den beim Kraniopharyngeom herrschenden Hormonmangel ist das Wachstum bei Kindern und Jugendlichen deutlich verzögert: Die Wachstumsrate kann durch den Hirntumor schon bei Kindern um den ersten Geburtstag nachweislich gestört sein. Auch eine beeinträchtigte Bildung sekundärer Geschlechtsmerkmale (z.B. Behaarung) ist typisch für das Kraniopharyngeom.

Außerdem können die hormonellen Ausfälle beim Kraniopharyngeom eine Unterfunktion der Nebennieren und Schilddrüse hervorrufen. Der Wasserhaushalt ist durch den Hirntumor gestört: Es entsteht ein Diabetes insipidus, dessen Merkmale große Urinmengen und starker Durst sind. Die Betroffenen fühlen sich müde und weniger leistungsfähig. Durch die beeinträchtigte Hypophyse kann es außerdem zu einer Fresssucht kommen; allerdings ist die Gewichtszunahme eher ein späteres Symptom des Kraniopharyngeoms.

Obwohl das Kraniopharyngeom ein meist gutartiger Hirntumor ist, können seine Auswirkungen die Lebensqualität also stark einschränken.

Diagnose

Beim Kraniopharyngeom kann bis zur richtigen Diagnose einige Zeit vergehen, weil die Beschwerden wenig kennzeichnend sind. Die Verdachtsdiagnose auf den gutartigen Hirntumor ergibt sich vor allem, wenn folgende Anzeichen kombiniert auftreten:

Um ein Kraniopharyngeom zu diagnostizieren, ist eine Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels unverzichtbar.

In der Computertomographie ist das Kraniopharyngeom als Raumforderung an der Schädelbasis zu erkennen, die dazu neigt, zu verkalken und Zysten zu bilden. In den festen Teilen des Kraniopharyngeoms und in der Wand von Zysten reichert sich Kontrastmittel an. Da in CT-Bildern vom Bereich der Schädelbasis häufig – bedingt durch die zahlreichen knöchernen Strukturen – Fehldarstellungen auftreten, ist die Magnetresonanztomographie bei einem Kraniopharyngeom besser zur Diagnose geeignet. Dies gilt besonders für kleine Kraniopharyngeome, die sich in Richtung des Hirnstamms ausdehnen. Um mögliche Verkalkungen festzustellen, ziehen Ärzte die CT allerdings der MRT vor und setzen sie manchmal zusätzlich ein.

Neben der bildgebenden Untersuchung spielen die Bestimmung der Hormonspiegel im Blut und Urin sowie eine augenärztliche Untersuchung beim Kraniopharyngeom eine wichtige Rolle. Bei einem Gehirntumor wie dem Kraniopharyngeom untersucht der Augenarzt den Augenhintergrund durch eine Augenspiegelung (sog. Ophthalmoskopie), bestimmt die Sehschärfe durch einen Sehtest (sog. Visusbestimmung) und misst das Gesichtsfeld (sog. Perimetrie).

Darüber hinaus ist es bei Verdacht auf ein Kraniopharyngeom ratsam, die Netzhaut des Auges und die Sehbahn durch sogenannte visuell evozierte Potentiale (VEP) auf Schädigungen zu untersuchen: Hierbei misst man, wie beim Elektroenzephalogramm (EEG), über auf den Kopf geklebte Elektroden die Hirnströme – aber nur die der Sehrinde –, während man die Augen gezielt (z.B. durch Lichtblitze oder Muster) reizt. So kann der Arzt unter Umständen früher als im MRT-Bild erkennen, ob das Kraniopharyngeom die Sehbahn schädigt.

Therapie

Bei einem Kraniopharyngeom besteht die Therapie meist in einer Operation: Ihr Ziel ist es, den gutartigen Hirntumorvollständig zu entfernen – ohne die Funktionen der benachbarten Strukturen (Sehnerven, Hypophyse, Hypothalamus) zu beeinträchtigen.

In etwa 70 bis 80 Prozent der Fälle ist es allerdings nicht möglich, das Kraniopharyngeom vollständig mit der Kapsel auszuschälen, da bereits Nachbarstrukturen betroffen sind. Dies trifft besonders dann zu, wenn sich der Gehirntumor im Bereich des Hypothalamus ausgebreitet hat, weil hier Tumor und gesundes Gewebe nur schwer voneinander zu unterscheiden sind. Selbst wenn es scheinbar gelungen ist, das Kraniopharyngeom radikal zu entfernen, kann es erneut auftreten (d.h. ein Rezidiv bilden). Dann kann der Hirntumor eine zweite Operation notwendig machen. Bildet das (erneut entstandene) Kraniopharyngeom eine große, nicht gekammerte Zyste, kann auch deren Punktion zur Therapie reichen.

Wenn der Operateur das Kraniopharyngeom nur unvollständig entfernen konnte oder die Therapie nur aus einer Punktion bestand, kann sich eine Strahlentherapie anschließen. Diese soll ein Rezidivwachstum vermeiden. Die bei Kindern verwendete Strahlendosis ist geringer als bei Erwachsenen. Die Strahlenbehandlung zieht sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen hin.

Ob und welche Medikamente bei einem Kraniopharyngeom zur Therapie nötig sind, hängt davon ab, welche Symptome der Hirntumor auslöst. Oft machen Kraniopharyngeome eine Hormonersatztherapie erforderlich: So kann man zum Beispiel eine Schilddrüsenunterfunktion mit Levothyroxin und einen Wachstumshormonmangel durch Wachstumshormone behandeln; und bei einer Unterfunktion der Hoden oder Eierstöcke helfen Testosteron- beziehungsweise Östrogen/Gestagen-Präparate.

Verlauf

Das Kraniopharyngeom kann im Verlauf seines Wachstums die benachbarten Strukturen zunehmend bedrängen und so schwerwiegende Symptome verursachen, welche die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken.

Obwohl das Kraniopharyngeom als gutartigerHirntumor gilt, ist daher eine Behandlung notwendig. Deren Prognose ist überwiegend gut!

Die erste Operation übersteht fast jeder. Wenn es dabei gelingt, das Kraniopharyngeom vollständig zu entfernen, besteht eine fast 90-prozentige Chance, dass im Verlauf der nächsten fünf Jahre kein Rückfall auftritt. Allerdings kann der Gehirntumor nach einer Operation erneut auftreten (d.h. ein Rezidiv bilden). Eine zweite Operation bei einem solchen Rückfall ist vor allem für Erwachsene mit einem höheren Risiko verbunden – dennoch überstehen mindestens 90 Prozent der Betroffenen auch den zweiten Eingriff.

Vorbeugen

Einem Kraniopharyngeom können Sie nicht vorbeugen, da die genaue Ursache für diesen gutartigen Gehirntumor weitgehend unbekannt ist. Es ist jedoch allgemein ratsam, unnötige Strahlung (v.a. bei Kindern) und Chemikalien zu meiden. Außerdem ist eine gesunde Lebensweise erstrebenswert, um die Körperabwehr zu unterstützen und das allgemeine Krankheitsrisiko zu senken – das bedeutet: