Frau mit hervortretenden Augen
© Miriam Funk/Midjourney

Endokrine Orbitopathie: Augenkrankheit durch Morbus Basedow

Von: Pauline Zäh (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 04.04.2024 - 15:45 Uhr

Endokrine Orbitopathie ist eine Augenerkrankung, ausgelöst durch die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow, welche die Schilddrüse betrifft. Typisch für eine endokrine Orbitopathie ist ein Hervortreten der Augäpfel. Lesen Sie hier, welche weiteren Symptome möglich sind und wie die Behandlung abläuft.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen zur endokrinen Orbitopathie

Endokrine Orbitopathie ist eine Erkrankung, die mit Veränderungen der Augen (z. B. Schwellungen oder Entzündungen) einhergeht. Ursache hierfür ist in der Regel die Autoimmunkrankheit Morbus Basedow.

Typisch für die Augenerkrankung ist unter anderem das Hervortreten der Augäpfel. Betroffene leiden zudem oft unter weiteren Beschwerden, wie trockenen Augen, einem Fremdkörpergefühl oder Sehstörungen.

Im Vordergrund stehen die Behandlung des zugrunde liegenden Morbus Basedow und eine Regulation der Schilddrüsenfunktion. Ergänzend gibt es medikamentöse und chirurgische Maßnahmen zur Besserung der Augenbeschwerden.

Der individuelle Verlauf ist verschieden. Die entzündliche Phase, während der sich Augenbeschwerden schnell verändern, hält ungefähr eineinhalb bis zwei Jahre an.

Was ist endokrine Orbitopathie?

Bei einer endokrinen Orbitopathie kommt es zu krankhaften Veränderungen an den Augen. Meist sind die Augenlider, die Augenmuskeln und das Gewebe rund um die Augenhöhlen betroffen. Durch eine vermehrte Bildung von Muskel-, Fett- und Bindegewebe in der Augenhöhle sowie aufgrund von Schwellungen und Entzündungen treten die Augen von Betroffenen oft deutlich erkennbar nach vorne. 

In der Regel ist der Grund für die Veränderung der Augen die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow, welche zu einer Überfunktion der Schilddrüse führt. Etwa die Hälfte der Menschen mit der Schilddrüsenerkrankung ist davon betroffen, Frauen häufiger als Männer. Weitere Bezeichnungen für die Augenerkrankung sind endokrine Ophthalmopathie oder endokriner Exophthalmus.

Symptome einer endokrinen Orbitopathie

Häufig sind beide Augen von den Veränderungen betroffen. Diese können jedoch an einem Auge stärker ausfallen. In vielen Fällen sind die Beschwerden zudem äußerlich kaum sichtbar und fallen eher mild aus, dennoch können Betroffene damit zu kämpfen haben.

Neben dem typischen Hervortreten der Augen beziehungsweise der Augäpfel (Exophthalmus) sind weitere Symptome möglich, unter anderem:

  • trockene, brennende, tränende und/oder gerötete Augen
  • Entzündungen der Augen
  • verringerter Lidschlag
  • Schwellungen an den Augenlidern
  • hochgezogene Augenlider
  • Fremdkörpergefühl im Auge (als wäre Sand im Auge)
  • Druckgefühl oder Schmerzen der Augen
  • erhöhte Lichtempfindlichkeit
  • Sehstörungen, wie Sehen von Doppelbildern oder veränderte Farbwahrnehmung
  • verringerte Sehfähigkeit (selten, bei einer Schädigung des Sehnervs)

Solche teils unspezifischen Augenbeschwerden der endokrinen Orbitopathie können erste Anzeichen für einen Morbus Basedow sein. Die Augensymptome können aber auch zeitgleich mit der Erkrankung oder etwas verzögert auftreten.

Durch die zugrunde liegende Autoimmunerkrankung leiden Menschen mit endokrinem Exophthalmus oft unter typischen Beschwerden einer Schilddrüsenüberfunktion, wie einem beschleunigten Herzschlag, Durchfall oder Nervosität. Auch kann bei Morbus Basedow die Schilddrüse sichtbar vergrößert sein (Struma; umgangssprachlich Kropf) und von außen geschwollen aussehen.

Endokrine Orbitopathie: Morbus Basedow als Ursache

Eine endokrine Orbitopathie tritt in der Regel in Zusammenhang mit der Autoimmunkrankheit Morbus Basedow auf. Die genauen Auslöser hierfür sind unklar, vermutlich ist es aber eine genetische Veranlagung in Verbindung mit weiteren Einflüssen (z. B. starker Stress, Rauchen oder Virusinfektionen), die die Erkrankung begünstigen.

Liegt die Schilddrüsenerkrankung vor, richtet sich das Immunsystem fälschlicherweise gegen den eigenen Körper, in diesem Fall gegen das Schilddrüsengewebe. Das Immunsystem produziert bei Morbus Basedow spezielle Abwehrstoffe, die TSH-Rezeptor-Antikörper. Diese lösen eine Entzündungsreaktion in der Schilddrüse aus, regen das Wachstum der Schilddrüse und auch die Schilddrüsenhormonproduktion an. Als Folge kommt es zu einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose). Bei einigen Menschen greifen die TSH-Rezeptor-Antikörper zusätzlich das Muskel- und Fettgewebe der Augenhöhlen an. Eine endokrine Orbitopathie entsteht, die mit entzündlichen Prozessen einhergeht und unterschiedliche Augenbeschwerden hervorrufen kann. 

Behandlungen bei endokriner Orbitopathie

Einige Betroffene leiden nicht nur körperlich, sondern auch psychisch unter den Symptomen, wenn beispielsweise die Augen stark hervortreten. Eine entsprechende Therapie der krankhaft veränderten Augen ist daher wichtig, um Beschwerden zu lindern und eine Verschlimmerung zu vermeiden.

In erster Linie geht es darum, die erhöhte Schilddrüsenfunktion zu normalisieren. Denn auch wenn die Schilddrüsenerkrankung als Grunderkrankung nicht heilbar ist, so ist die Autoimmunkrankheit doch gut behandelbar. Und liegen die Schilddrüsenwerte wieder im Normalbereich, bessern sich dadurch in der Regel die Augensymptome.

Regulation der Schilddrüsenfunktion

Die Therapie umfasst zunächst für ein bis eineinhalb Jahre die tägliche Einnahme von Tabletten, sogenannten Thyreostatika, welche die Schilddrüsenhormonproduktion hemmen. Eine längere Anwendung von Thyreostatika ist nicht üblich, da diese Nebenwirkungen (z. B. Blutbildveränderungen) als Folge haben können. In etwa der Hälfte der Fälle reicht die zeitlich begrenzte Medikamenteneinnahme aus, um die Schilddrüsenwerte langfristig in einem gesunden Bereich zu halten.

Bei der anderen Hälfte der Patient*innen kommt es jedoch nach Beendigung der Tabletteneinnahme erneut zur Schilddrüsenüberfunktion. Für diese Personen kann eine operative Entfernung der Schilddrüse oder eine Radiojodtherapie (Tabletten mit radioaktivem Jod) infrage kommen. Beide Therapien haben das Ziel, Schilddrüsengewebe zu zerstören beziehungsweise zu entfernen und so die (Über-)Funktion der Schilddrüse dauerhaft zu unterbinden. Der Körper kann dann keine Schilddrüsenhormone mehr herstellen, weswegen zum Ausgleich eine lebenslange Einnahme von L-Thyroxin-Tabletten notwendig ist.

Medikamente gegen Augenbeschwerden

Ergänzend zur Behandlung der Schilddrüsenerkrankung lassen sich die Augensymptome mit verschiedenen Medikamenten lindern:

  • Bei trockenen Augen können spezielle Gels, Salben oder Augentropfen Anwendung finden, die Feuchtigkeit spenden. Die meist rezeptfreien Präparate sollten frei von Konservierungsmitteln sein.

  • Treten die Augäpfel stark nach vorne und liegen Schwellungen sowie Entzündungen im Augenbereich vor, kann die ärztliche Verordnung von entzündungshemmendem Kortison (als Tabletten oder intravenös über einen Venenzugang) sinnvoll sein.

  • Reicht eine Behandlung mit Kortison nicht aus, können zudem Medikamente eingesetzt werden, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva). Für diese braucht es ebenfalls eine ärztliche Verschreibung.

  • Zudem soll die Einnahme von Selen als Nahrungsergänzungsmittel einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf bei leichter bis mittelschwerer endokrinen Orbitopathie haben.

Bitte beachten: Welche Präparate individuell hilfreich sind, sollte vorab ärztlich abgestimmt werden – auch bei rezeptfreien Mitteln.

Augen-OP bei endokriner Orbitopathie: Wann ist sie notwendig?

Reichen andere Behandlungsmethoden nicht aus und ist die Augenerkrankung bereits fortgeschritten, sodass starke Einschränkungen bestehen, stellen Augenoperationen eine Option dar. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass akute Entzündungen am Auge abgeklungen sind. Bei endokriner Orbitopathie gibt es folgende Operationsmöglichkeiten:

  • Durch den stark hervortretenden Augapfel kann es passieren, dass sich die Form der Augenlider verändert oder sie sich zurückgezogen haben. Ist dies sehr störend, können bei einer Operation die Augenlider umgeformt beziehungsweise gestrafft oder verlängert werden.

  • Sind die Augenlider stark geschwollen, ist während einer OP die Entfernung von Fett aus den Unter- und Oberlidern denkbar.

  • Kommt es durch die endokrine Orbitopathie zum Sehen von Doppelbildern, können bei einer Operation die Augenmuskeln am Augapfel versetzt werden, um dies zu korrigieren.

  • Ist die Sehfähigkeit durch eine Belastung des Sehnervs beeinträchtigt, gibt es die Möglichkeit, bei einem chirurgischen Eingriff den Druck auf den Sehnerv zu verringern. Dafür werden Teile der knöchernen Augenhöhlenbegrenzung entnommen.

  • Eine Röntgenbestrahlung der Augenhöhlen wird nur noch in seltenen Fällen zur Behandlung genutzt, wenn beispielsweise Bewegungseinschränkungen der Augen bestehen.

Jede der Operationsmethoden bringt gewisse Risiken mit sich. Vor jedem Eingriff sollten sich Betroffene daher genauestens ärztlich beraten lassen und die Vor- und Nachteile gemeinsam abwägen.

Was sich bei endokriner Orbitopathie noch tun lässt

Gerade bei leichten Augenbeschwerden gibt es einfache Maßnahmen, die diese lindern oder den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können:

  • Nicht rauchen: Zigarettenkonsum kann Entzündungen der Augen verstärken und soll eine endokrine Orbitopathie begünstigen. 

  • Augen schützen: Bei lichtempfindlichen Augen die Augen durch eine getönte Sonnenbrille schützen – vor allem an sonnenintensiven Tagen. Ein Seitenschutz verhindert, dass Dreckpartikel oder Wind die Augen reizen.

  • Prismenfolie: Beim Sehen von Doppelbildern kann vorübergehend auf Brillengläser aufgeklebte Prismenfolie helfen, langfristig sollte jedoch eine Operation erwogen werden.

  • Augenkompressen: Durch den kühlenden Effekt können diese Schwellungen und Druckgefühle lindern. 

  • Erhöhter Oberkörper: Um geschwollene Augenlider am Morgen zu vermeiden, kann mit erhöhtem Oberkörper zu schlafen helfen (z. B. indem ein Kissen unter den Rücken geschoben wird).

  • Augenverband: Treten die Augäpfel stark hervor, sodass sich das Augenlid nicht vollständig schließen lässt, sollte ein Augenverband zum Schlafen angelegt werden. Auch die Anwendung von Augengel am Abend kann sinnvoll sein.

Wichtig: Die genannten Tipps ersetzen keine medizinische Behandlung und dienen vielmehr der Ergänzung. Bei Unsicherheiten sollten sich Patient*innen immer ärztlich beraten lassen.

Wie lässt sich eine endokrine Orbitopathie feststellen?

Ist ein Morbus Basedow als Grunderkrankung bereits bekannt, kann bei Auffälligkeiten der Augen direkt eine augenärztliche Untersuchung erfolgen. Spezialist*innen hierfür sind Augenärzt*innen, die dabei feststellen, wie weit fortgeschritten die endokrine Orbitopathie ist.

Liegt die Diagnose noch nicht vor, deuten die typischen Veränderungen der Augen aber auf eine endokrine Orbitopathie hin, erfolgt in der Regel eine genaue Untersuchung der Schilddrüse. Zu Beginn steht ein ausführliches ärztliches Gespräch, bei welchem Betroffene all ihre Beschwerden beschreiben. Um zu überprüfen, ob die Schilddrüse vergrößert ist, wird diese abgetastet. Gegebenenfalls kann ergänzend dazu eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden.

Entscheidend für die Diagnose Morbus Basedow ist jedoch eine Blutanalyse. Hierbei wird untersucht, ob die für Morbus Basedow charakteristischen TSH-Rezeptor-Antikörper im Blut sind. Zusätzlich werden die Werte der freien Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Levothyroxin/L-Thyroxin) sowie der Wert des schilddrüsenstimulierenden Hormons (TSH) ermittelt. Das zeigt, ob eine Überfunktion der Schilddrüse vorliegt. 

Endokrine Orbitopathie: Wie ist der Verlauf?

Der Verlauf einer endokrinen Orbitopathie lässt sich allgemein in zwei Phasen unterteilen:

  • Die erste, entzündliche Phase dauert etwa eineinhalb bis zwei Jahre an. Während dieser Zeit sind regelmäßige augenärztliche Kontrollen notwendig, da sich die Augenbeschwerden schnell verändern beziehungsweise verschlechtern können. Oft kommen Medikamente oder lokalaufgetragene Mittel zur Linderung der Symptome zum Einsatz.
  • Die zweite, ruhige Phase liegt vor, wenn sich der Zustand der Augen kaum noch oder nicht mehr verändert. Entzündungen sind abgeklungen, eventuelle Beschwerden sind stabil. In dieser Phase können Augenoperationen infrage kommen.

Grundsätzlich bleibt die Ausprägung der Augenerkrankung individuell verschieden und ist schwer vorherzusagen. Bei etwa 25 Prozent der Betroffenen tritt eine schwere Krankheitsform auf. Eine frühzeitige Behandlung wirkt sich jedoch generell positiv auf das Krankheitsgeschehen aus.