Ein Mann fasst sich an den Steißbeinbereich.
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Steißbeinfistel: Ursachen, Symptome und OP-Methoden

Von: Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin), Miriam Funk (Medizinredakteurin und Redaktionsleitung)
Letzte Aktualisierung: 23.12.2021

Unter einer Steißbeinfistel versteht man eine akute oder chronische Entzündung im oberen Bereich der Gesäßfalte. Vor allem Männer sind davon betroffen. Woran man Steißbeinfisteln erkennt und wann operiert werden muss.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Übersicht: Steißbeinfistel

Steißbeinfisteln (Pilonidalsinus oder Sinus pilonidalis) haben nur indirekt etwas mit dem Steißbein zu tun, denn eigentlich umfasst die Bezeichnung alle entzündlichen Abszesse im Unterhautfettgewebe in dem Bereich rund um das Steißbein, meist in der Pofalte.

Die Häufigkeit nimmt in den letzten Jahren aus unbekannten Gründen zu. In Deutschland treten etwa 50 Fälle pro 100.000 Einwohner auf. Von Steißbeinfisteln betroffen sind vor allem Männern zwischen 20 und 40 Jahren, die eine starke Körperbehaarung im Gesäßbereich haben. Insgesamt sind Männer etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Frauen.

Wie zeigt sich eine Steißbeinfistel?

Wenn sich ein Pilonidalsinus infiziert, entwickelt sich aus der zuvor meist unbemerkten Zyste ein (teilweise recht großer) Abszess. Das kann sich durch verschiedene Symptome bemerkbar machen, wie zum Beispiel:

  • (starke) Schmerzen im oberen Steißbeinbereich
  • betroffener Bereich und Umgebung reagieren schmerzhaft auf Druck
  • Hautrötung am oberen Ende der Gesäßfalte
  • (eventuell überwärmte) weiche Schwellung am oberen Ende der Pofalte
  • aus einer kleinen Hautöffnung am oberen Ende der Gesäßfalte rinnt Eiter oder Blut
  • fauliger Geruch durch den ausfließenden Eiter
  • erschwertes Sitzen oder Liegen auf dem Rücken durch die Schmerzen

Diese Symptome einer akuten Steißbeinfistel mit Abszess entwickeln sich häufig innerhalb weniger Tage.

Bei der chronischen Form sondert die Steißbeinfistel zeitweise oder ständig eine eitrig-blutige Flüssigkeit aus den Öffnungen der Fisteln ab. Schmerzen oder Schwellungen treten hierbei in der Regel nicht auf. Manche Betroffene bemerken ein wechselnd starkes Druckgefühl.

Eine Steißbeinfistel kann auch ohne Symptome vorliegen (sog. asymptomatischer Pilonidalsinus) und ist häufig ein Zufallsbefund.

Ursachen und Risikofaktoren einer Steißbeinfistel

Als Steißbeinfistel bezeichnet man einen Hohlraum (Zyste), der sich in der Haut gebildet hat. In dieser Hauttasche befinden sich in der Regel Haare und tote Hautzellen. Ein Pilonidalsinus bildet sich meistens oberhalb des Steißbeins am oberen Ende der Pofalte. Infiziert sich die Steißbeinfistel, entsteht in der Folge meist ein sehr schmerzhafter, eitriger Abszess, der sich häufig durch einen Fistelgang nach außen entleert.

Ursache dafür ist in der Regel ein abgebrochenes Haar. Durch die schräge Bruchfläche in der Nähe der Haarwurzel und die als Widerhaken wirkende Haarschuppung wird es durch Druck und die Bewegung der Gesäßbacken wie ein Bohreinsatz bis in die Unterhaut der Gesäßfalte eingetrieben.

Die Haut reagiert auf das eingetriebene Haar wie auf einen Fremdkörper: Sie startet Entzündungsprozesse und bildet eine etwa haselnussgroße Hauttasche, die Zyste, um das Haar herum (Pilonidalsinus bzw. Sinus pilonidalis bedeutet etwa so viel wie "Haarnestgrübchen"). Die Zyste enthält außer dem Haar auch abgestorbene Hautzellen. Der Abszess kann dabei durchaus größere Ausmaße annehmen (teils pflaumen- oder mandarinengroß). Die tatsächliche Größe ist von außen meist nicht zu erkennen.

Bricht der Abszess spontan auf, entstehen Fistelgänge. Diese können blind enden oder weitere, etwas seitlicher gelegene Öffnungen (sog. Sekundäröffnungen) in der Gesäßfalte bilden, über die sich der blutig-eitrige Inhalt des Abszesses nach außen entleeren kann. Häufig liegt bei den Betroffenen ein fuchsbauartiges System aus mehreren Fisteln und Gängen vor.

Risikofaktoren

Steißbeinfisteln bilden sich vor allem bei Männern. Neben dem Geschlecht gibt es weitere Risikofaktoren, die das Auftreten begünstigen können:

  • starke Körperbehaarung
  • Übergewicht
  • dickere Unterhautfettgewebe-Schicht
  • tiefere Gesäßfalte
  • starke Schweißproduktion
  • enge, luftundurchlässige Kleidung
  • überwiegend sitzender Alltag/Beruf
  • ungewohnte körperliche Belastungen
  • Akne inversa

Zwar macht sich ein Pilonidalsinus meist erst im Alter zwischen 20 und 30 Jahren durch Symptome bemerkbar, wahrscheinlich entsteht die Ursache – das in die Haut eingetriebene Haar – aber bereits in der Pubertät. Manche Fachleute vermuten außerdem ein Zusammenspiel mit erblichen Faktoren, die jedoch noch nicht genauer bekannt sind.

Behandlung der Steißbeinfistel

Welche Therapie bei einer Steißbeinfistel infrage kommt, hängt davon ab, ob Symptome auftreten.

  • Asymptomatischer Pilonidalsinus: Solange sich ein Pilonidalsinus nicht infiziert und er beschwerdefrei bleibt, ist keine Therapie erforderlich. Wenn bereits bekannt ist, dass ein Pilonidalsinus vorliegt, dieser aber bislang keine Beschwerden verursacht, sollte man darauf achten, den betroffenen Bereich möglichst sauber und trocken zu halten. Bei stärkerer Körperbehaarung kann eine Haarentfernung (am besten dauerhaft, per Laserepilation) empfehlenswert sein.
  • Akuter Pilonidalsinus: Sobald sich eine Steißbeinfistel infiziert und zu einem Abszess entwickelt, muss dieser operativ behandelt werden. Meist erfolgt die Operation als rasch durchzuführender, notfallmäßiger Eingriff, bei dem die Steißbeinfistel chirurgisch ausgehoben wird. Je nach Situation öffnen Mediziner*innen den Abszess zuerst, um den Eiter abfließen zu lassen (sog. Drainage). Erst einige Tage später erfolgt der eigentlich operative Eingriff. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die Entzündung etwas abklingen kann und das Gewebe abschwillt. Auf diese Weise soll es seltener zu Rückfällen kommen. Ist der Abszess relativ klein, kann es ausreichen, ihn nur zu eröffnen und den Eiter abfließen zu lassen.
  • Chronischer Pilonidalsinus: Bei einem chronischen Pilonidalsinus ist ebenfalls eine operative Behandlung notwendig, um den Abszess und die Fistelgänge zu entfernen. Im Unterschied zur akuten Form kann der Eingriff jedoch geplant vorgenommen werden und muss nicht notfallmäßig erfolgen.

OP bei Steißbeinfistel

Zur operativen Behandlung einer Steißbeinfistel gibt es zahlreiche Verfahren. Häufige Methoden sind zum Beispiel:

  • minimal-invasiv:
    • Pit-Picking:  eignet sich vor allem bei bisher nicht-operierten Personen und einem eher kleinen Abszess
    • Sinusektomie: eignet sich ebenfalls eher bei Betroffenen, bei denen der Pilonidalsinus ein kleineres Ausmaß hat
  • invasiv:
    • Herausschneiden des Fistelsystems und offene Wundheilung
    • Herausschneiden des Fistelsystems und geschlossene Wundheilung (z. B. nach Karydakis oder Limberg)

Herausschneiden des Fistelsystems mit offener Wundheilung

Diese operative Methode kommt weltweit am häufigsten bei Steißbeinfisteln zum Einsatz. Hierbei werden die Fistelgänge zuerst eingefärbt, um sie besser sichtbar zu machen, und dann das komplette Fistelsystem herausgeschnitten. Dabei können je nach Ausmaß größere Wundflächen entstehen.

Im Anschluss lässt man den Wundbereich offen heilen. Das hat den Vorteil, dass danach ein breiter, haarfreier Bereich entsteht. Auf diese Weise soll das Risiko, dass durch abgebrochene Haare in der Gesäßfalte neue Fisteln entstehen, verringert werden.

Viele empfinden die offene Wundheilung als sehr belastend, da sie viel Zeit in Anspruch nimmt: Es dauert etwa 1,5 bis 3 Monate (teilweise auch länger), bis die Wunde komplett heilt und sich schließt. In dieser Zeit ist Sitzen und auf dem Rücken liegen unter Umständen schwierig. Betroffene sollten von einer mindestens vierwöchigen Arbeitsunfähigkeit ausgehen.

Bei der offenen Wundheilung ist zudem die aktive Mitarbeit der Betroffenen erforderlich. Die Wunde sollte anfangs mehrmals täglich ausgeduscht werden, wobei man den Duschkopf beziehungsweise Duschstrahl direkt auf die Wunde richtet. Anfänglich ist es empfehlenswert, nach dem Duschen feuchte Wundkompressen (z. B. Hydrokolloid- oder Alginat-Verbände) in die Wunde einzulegen. So trocknet die Wunde nicht aus und es treten weniger Schmerzen auf.

Herausschneiden des Fistelsystems mit Wundverschluss

Bei der Therapie einer Steißbeinfistel gibt es außerdem verschiedene operative Verfahren, mit denen der Wundbereich nach der Aushebung der verzweigten und vorher angefärbten Fisteln mit Hautlappen verschlossen werden kann. Zu diesen Verfahren zählen zum Beispiel das operative Verfahren nach Karydakis und das Verfahren nach Limberg. Die Arbeitsunfähigkeit nach der OP beträgt bei diesen Methoden im Durchschnitt bis zu drei Wochen.

Verlauf und Prognose bei Steißbeinfistel

Der Verlauf einer Steißbeinfistel kann sehr unterschiedlich sein. Bei manchen Betroffenen bleibt eine Steißbeinfistel ein Leben lang ohne Symptome bestehen und erfordert keine Behandlung. Eine akuter oder chronischer Pilonidalsinus erfordert dagegen immer eine operative Behandlung, da sich sie Fistelgänge normalerweise nicht von selbst zurückbilden.

Die Wundheilung dauert je nach Verfahren Wochen bis Monate. In dieser Zeit können Schmerzen auftreten und die Mobilität ist oft eingeschränkt. 

Steißbeinfisteln treten insgesamt mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 20 Prozent erneut auf (Rezidiv). Ab dem Alter von 40 Jahren bessert sich die Erkrankung und sie kommen nur noch selten vor.

Steißbeinfistel: Diagnose

Um eine mögliche Steißbeinfistel abzuklären, ist eine proktologische Praxis die richtige Anlaufstelle. Zwar ist der Pilonidalsinus genaugenommen keine Erkrankung des Analbereichs, jedoch tritt er in der Nähe des Analbereichs auf. 

Eine entzündete Steißbeinfistel erkennen Fachleute in der Regel bereits anhand des typischen Aussehens und der Symptome sowie durch Abtasten.

Es werden drei Formen der Steißbeinfistel unterschieden:

  • symptomfreier Pilonidalsinus: Hier ist meist nur eine kleine, porenähnliche Vertiefung im oberen Bereich der Gesäßfalte zu sehen.
  • akuter Pilonidalsinus: Hier bildet sich ein Abszess und es treten akute Symptome wie Schmerzen, Schwellung, Eiter- oder Blutabsonderungen auf.
  • chronischer Pilonidalsinus: Bei der chronischen Form bildet sich ebenfalls ein Abszess, es treten jedoch keine akuten Beschwerden auf. In zeitlichen Abständen kann es möglicherweise zu Schmerzen oder einem Druckgefühl kommen. Ein blutig eitriges Sekret fließt immer wieder ab.

Bei einer chronischen Steißbeinfistel rinnt durch das Abtasten beziehungsweise durch Druck ein blutig-eitriges bis klares Sekret aus den Primäröffnungen (und gegebenenfalls den Sekundäröffnungen) im oberen Teil der Gesäßfalte.

Mit einem stabförmigen Instrument, das ein stumpfes, verdicktes Ende hat (sog. Knopfsonde), kann der*die Arzt*Ärztin den Fistelgang bis zur entzündeten Zyste austasten.

Weitere Untersuchungen sind für die Diagnose eines Steißbeinfistel dann in der Regel unnötig.

Steißbeinfistel: Vorbeugen

Einer Steißbeinfistel lässt sich nicht direkt vorbeugen. Das Risiko kann jedoch minimiert werden mit folgenden Maßnahmen:

  • langes Sitzen vermeiden
  • Übergewicht verringern
  • auf ausreichende Hygiene achten
  • übermäßiges Schwitzen im Gesäßbereich vermeiden (z. B. durch luftdurchlässige, lockere Kleidung)
  • starke Körperbehaarung im Steißbeinbereich verringern, gegebenenfalls dauerhaft entfernen