Zytokinsturm (Hyperzytokinämie)
Kommt der Körper mit Erregern in Kontakt, reagiert das Immunsystem, um diese zu bekämpfen. Manchmal gerät das jedoch außer Kontrolle. Als Zytokinsturm bezeichnet man eine Überreaktion, die lebensbedrohlich werden kann. Was passiert dabei?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Zytokinsturm: Was passiert dabei?
Um auf Erreger wie Bakterien oder Viren zu reagieren und diese bekämpfen, setzt die körpereigene Abwehr (Immunsystem) verschiedene Mechanismen in Gang. Eine wichtige Rolle spielen dabei bestimmte Signalproteine: die Zytokine.
Zytokine wirken als Botenstoffe und haben unterschiedliche Aufgaben. So tragen sie etwa dazu bei, die passenden Zellen des Immunsystems zu aktivieren und diese an den Infektionsort zu lotsen. Die Botenstoffe können die Immunantwort steigern oder auch hemmen.
Ist die Gefahr gebannt und die Erregersituation im Griff, fährt das Immunsystem normalerweise wieder runter. Aus noch unbekannten Gründen passiert das jedoch manchmal nicht – es werden im Gegenteil sehr rasch immer größere Mengen an Zytokinen freigesetzt, die das Immunsystem anregen. Das aktiviert immer mehr Immunzellen und löst heftige Entzündungsprozesse aus.
Solch ein Zytokinsturm kann lebensbedrohliche Folgen haben. Die eigentlich gegen den Erreger gerichteten entzündlichen Prozesse führen rasch auch im körpereigenen Gewebe zu Schäden – in schweren Fällen bis hin zum Organversagen. Im beschädigten Gewebe können sich Erreger zudem leichter ausbreiten.
Mögliche Anzeichen für eines Zytokinsturm:
- hohes Fieber
- Gewebe rötet sich oder schwillt an
- extreme Erschöpfung und Müdigkeit
- Übelkeit
- einzelne oder mehrere Organe beginnen zu versagen
Zytokinsturm bei Covid-19?
Bekannt wurde das Phänomen Zytokinsturm vor allem seit der SARS-Pandemie 2003 sowie 2005, als es mehrere Ausbrüche von Vogelgrippe gab. Bei diesen Virusinfektionen kam es in vielen Fällen zu einer übermäßig hohen und lang andauernden Zytokin-Freisetzung, welche nur schwer in den Griff zu bekommen war – und deshalb oft einen tödlichen Ausgang nahm.
Auch bei der Coronavirus-Erkrankung Covid-19 scheint der Zytokinsturm eine Rolle zu spielen. Bei schwerem Krankheitsverlauf mit möglichem Lungenversagen kommt es ebenfalls zu einer übermäßigen Zytokin-Freisetzung. Meist passiert das bei älteren oder gesundheitlich beeinträchtigten Menschen.
Bei jüngeren Kindern mit Covid-19 verläuft die Erkrankung häufig mild – ein Zytokinsturm entwickelt sich eher selten. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass bei kleinen Kindern das Immunsystem noch nicht vollständig entwickelt ist und die körpereigene Abwehr dadurch vergleichsweise wenig Zytokine freisetzt.
Außer als Reaktion auf Krankheitserreger tritt ein Zytokinsturm mitunter im Rahmen von Autoimmunkrankheiten (wie Rheuma) oder anderen Erkrankungen auf. Auch bei sogenannten Immuntherapien, bei denen Betroffene mit Wirkstoffen behandelt werden, die das Immunsystem beeinflussen (z. B. bei Krebs), kann es hin und wieder zu solch einer Überreaktion kommen.
Video: Hilft ein Krebsmittel gegen Covid-19?
Inzwischen gibt es verschiedene Ansätze, um einen Zytokinsturm in den Griff zu bekommen. Bei schweren Fällen von Covid-19 beispielsweise scheint unter anderem ein Medikament hilfreich zu sein, dass eigentlich gegen Krebs entwickelt wurde: der Wirkstoff Ruxolitinib. Das Krebsmittel hemmt bestimmte Enzyme, die an der überschießenden Immunreaktion beteiligt sind. In klinischen Studien soll nun der Einsatz des Krebsmittels bei drohendem Lungenversagen durch Covid-19 näher untersucht werden.