Frau mit Zöliakie fasst sich an schmerzenden Bauch.
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Zöliakie: Symptome, Diagnose und Therapie

Von: Jessica Rothberg (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 29.11.2022

Zöliakie ist viel mehr als nur eine Glutenunverträglichkeit. Besonders bei Kindern kann die gestörte Dünndarmfunktion mit Spätfolgen verbunden sein. Welche Symptome sind bei Zöliakie möglich und wie erfolgt die Diagnose?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was ist Zöliakie?

Zöliakie, häufig auch einheimische Sprue oder Sprue genannt, ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Dünndarmschleimhaut, verursacht durch eine Glutenunverträglichkeit. Gluten ist ein Klebereiweiß, das in Getreide wie Roggen, Weizen, Gerste, Grünkern und Dinkel enthalten ist.

Zöliakie zählt zu den Autoimmunerkrankungen, da das Immunsystem Antikörper gegen das Gluten bildet. Diese Antikörper gehen gegen das Klebereiweiß im Dünndarm vor. Verzehren Betroffene glutenhaltige Lebensmittel, ist die Folge eine chronische Entzündung der Darmschleimhaut und eine Zerstörung der Darmzotten. Aufgrund dieser Symptomatik ist Zöliakie stark abzugrenzen von einer Glutenunverträglichkeit und einer Weizenallergie oder Weizensensitivität.

Zöliakie: Häufigkeit

In Deutschland sind rund zwei bis zehn von 1.000 Personen an Zöliakie erkrankt – Frauen deutlich häufiger als Männer. Die Dunkelziffer und somit die Häufigkeit der Autoimmunkrankheit sind laut Fachleuten jedoch deutlich höher. Zöliakie kann in jedem Alter auftreten und kommt gleichermaßen bei Erwachsenen und Kindern vor. 
Aufgrund der genetischen Komponente gibt es eine familiäre Häufung, eineiige Zwillinge erkranken mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent beide an Zöliakie.

Zöliakie: Welche Symptome sind möglich?

Zöliakie kann sich durch viele Beschwerden äußern. Dabei müssen nicht alle Symptome auftreten, das Vollbild der Erkrankung mit sämtlichen Beschwerden zeigt sich nur in etwa zehn bis 20 Prozent der Fälle. Bei 80 bis 90 Prozent der Betroffenen mit Zöliakie sind unspezifische, versteckte Symptome typisch, weshalb sie von ihrer Erkrankung oft erst spät erfahren.

Bei Zöliakie sind diese Symptome möglich: 

Aufgrund der Veränderungen der Dünndarmschleimhaut können Nährstoffe oftmals schlechter aufgenommen werden. Dann sind aufgrund verschiedener Mangelzustände folgende Symptome bei Zöliakie möglich:

Darüber hinaus kann sich Zöliakie auch mit Symptomen an der Haut äußern. Oftmals kommt es zu Ausschlag und Entzündungen der Haut mit erhabenen, rötlichen und juckenden Stellen. Mitunter entwickelt sich eine Dermatitis herpetiformis Duhring, eine chronische Hautkrankheit, die mit Blasenbildung und Juckreiz einhergeht.

Zöliakie: Weitere Symptome bei Kindern möglich

Zöliakie kann sich bei Kindern zudem in weiteren Symptomen äußern. Oft kommt es zu einer Mangelernährung, die wiederum mit

  • Entwicklungsverzögerungen,
  • Minderwuchs,
  • verspätetem Einsetzen der Pubertät,
  • Zahnschmelzdefekten und Karies
  • schlechten Leistungen in der Schule und
  • psychischen Auffälligkeiten verbunden sein können.

Zöliakie: Wie erfolgt die Diagnose?

Essenziell für die Diagnose bei Zöliakie ist, dass bei bloßem Verdacht nicht auf Gluten verzichtet wird. Denn nur durch die Aufnahme von Gluten bilden sich bestimmte Antikörper, die im Rahmen der Diagnostik essenziell sind. Zunächst stellt die*der Ärztin*Arzt Fragen zu den genauen Beschwerden, Vorerkrankungen und Erkrankungen in der Familie.

Weitere Schritte, um die Diagnose Zöliakie stellen zu können, sind: 

  • Blutuntersuchung: Spezifische Antikörper in den Blutwerten können einen Hinweis geben. Der wichtigste Antikörper ist dabei der sogenannte Gewebs-Transglutaminase-Antikörper (tTG).

  • Endoskopie und Gewebeprobe: Dann folgt in der Regel eine Speiseröhren- und Magenspiegelung, bei der eine Gewebeprobe aus dem Dünndarm (Biopsie) entnommen wird. Die Probe gibt Aufschluss über strukturelle Veränderungen des Schleimhautgewebes und über die bereits vorhandenen Schädigungen der Schleimhaut.

  • glutenfreie Diät: Der nächste Schritt bei der Zöliakie-Diagnose ist eine glutenfreie Diät der Betroffenen. Nach einiger Zeit werden erneut die Blutwerte überprüft. Kommt es zu einem Rückgang der Antikörper, spricht das für die Erkrankung.

  • Gentest: Unter Umständen wird ein Test durchgeführt, der spezielle Gene nachweisen soll, die mit einem erhöhten Risiko für Zöliakie verbunden sind. Bleibt der Nachweis auf die Gene HLA-DQ2 und HLA-DQ8 negativ, ist nicht von der Autoimmunkrankheit auszugehen.

Oftmals werden im Rahmen der Diagnostik auch andere Unverträglichkeiten und Allergien überprüft. Viele Betroffene mit Zöliakie leiden beispielsweise zusätzlich unter einer Fructose- oder Laktoseintoleranz. Zudem werden im Rahmen der Diagnose auch mögliche Begleiterkrankungen ausgeschlossen, wie Diabetes mellitus, Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow.

Zöliakie: Maßnahmen zur Behandlung

Derzeit gibt es keine Therapie, mit der sich Zöliakie behandeln oder heilen lässt. Die einzig wirksame Methode, um die Beschwerden zu lindern und Folgen vorzubeugen, ist ein lebenslanger Verzicht auf glutenhaltige Nahrungsmittel. Bei vielen Patient*innen bessern sich die Symptome innerhalb von zwei Wochen – nach rund drei bis zwölf Monaten regeneriert sich oftmals die Dünndarmschleimhaut und die Antikörperanzahl geht zurück. 

Hat ein Laktosetest ergeben, dass zusätzlich zu Gluten kein Milchzucker (Laktase) vertragen wird, sollten laktosehaltige Produkte vermieden werden, bis die Darmfunktion wiederhergestellt ist. Dann produziert der Darm oft auch wieder ausreichend Laktase. Wurde kein Laktasemangel nachgewiesen, ist es nicht notwendig, auf Milchprodukte zu verzichten.

Zöliakie: Was gilt es bei der Ernährung zu beachten?

Gluten steckt vor allem in Getreidesorten wie Roggen, Weizen, Gerste und Dinkel sowie in daraus hergestellten Produkten wie Brot, Kuchen, Nudeln, Paniermehl, Müsli oder aber Bier. Besondere Vorsicht ist bei Fertigprodukten wie Soßen, Suppen, Konserven oder Wurstwaren geboten, die häufig versteckten Gluten enthalten.

Glutenfrei sind beispielsweise Mais und Maismehl, Hirse, Soja, Reis, Amaranth, Quinoa sowie reine Stärke. Mittlerweile gibt es auch viele glutenfreie Produkte in Reformhäusern und Supermärkten, etwa glutenfreie Nudeln oder glutenfreies Brot. In der Regel sind diese Nahrungsmittel speziell gekennzeichnet. Eine professionelle Ernährungsberatung kann bei der Ernährungsumstellung helfen. 

Leben mit Zöliakie: Tipps für Betroffene

Schon kleinste Spuren von Gluten können bei Betroffenen mit Zöliakie Beschwerden hervorrufen. Deshalb ist es unumgänglich, auch im Alltag einige Maßnahmen zu beherzigen, um die Aufnahme des Klebereiweißes zu verhindern: 

  • Küchenhygiene: Bereits vorhandene Küchenutensilien sollten gründlich gereinigt, besser jedoch durch neue ersetzt werden. Schon kleinste Brotkrümel und Glutenreste sind kritisch. 

  • gemeinsamer Haushalt: Wer mit Menschen zusammenwohnt, die nicht an Zöliakie leiden, sollte bestenfalls auf getrennte Küchenutensilien setzen. Gemeinsame Töpfe, Pfannen, Toaster und auch Fritteusen sind zu vermeiden.

  • Lagerung der Lebensmittel: Glutenfreie Lebensmittel sollten streng getrennt von glutenhaltigen Nahrungsmitteln gelagert werden, um eine Kontamination zu vermeiden.

  • Inhaltsstoffe überprüfen: Betroffene mit Zöliakie sollten sämtliche Inhaltsstoffe lesen und bei Unsicherheiten auf den Verzehr verzichten. Bereits bei Spuren von Gluten sollten Lebensmittel besser nicht verzehrt werden. Wichtig: Auch in Getränken, Medikamenten oder Kosmetika kann Gluten stecken. 

Den Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen empfinden viele Menschen mit Zöliakie als besonders hilfreich. Auch das Gespräch mit Angehörigen und Menschen im selben Haushalt ist wichtig, um ein Verständnis für die Krankheit und mögliche Folgen zu schaffen.

Zöliakie: Welche Ursachen stecken dahinter?

Bei Zöliakie kommt es aufgrund einer Unverträglichkeit gegenüber Gluten beziehungsweise dessen Bestandteil Gliadin zu einer Antigen-Antikörper-Reaktion, ähnlich wie bei einer Allergie. Dabei geht bei Menschen mit Zöliakie das Immunsystem fälschlicherweise gegen Gluten vor, da es als potenziell schädlich eingestuft wird. 

Durch eine glutenhaltige Ernährung nehmen die Zellen der Dünndarmschleimhaut Gluten auf. An dieser Stelle wird das Immunsystem aktiviert, das gegen das Gluten vorgeht. Die Immunantwort ruft eine Entzündung in den Zellen der Dünndarmschleimhaut hervor, die in der Folge absterben. Daraufhin verschwinden zunehmend die Schleimhautausstülpungen (Zotten), welche die Darmoberfläche vergrößern und die Nährstoffaufnahme steigern. Dadurch kann es wiederum zu Magen-Darm-Beschwerden und weiteren Symptomen der Zöliakie kommen.

Fachleute gehen davon aus, dass die Ursache für diese Autoimmunreaktion eine genetische Veranlagung ist. Als weitere mögliche Ursachen für Zöliakie steht ein Enzymdefekte in der Dünndarmschleimhaut in der Diskussion.

Zöliakie: Verlauf und Komplikationen

Zöliakie verläuft bei konsequenter glutenfreier Ernährung gut und hat keine Auswirkung auf die Lebenserwartung. Betroffene Kinder entwickeln sich bei entsprechender Therapie körperlich und geistig völlig normal.

Schon kleine Ausnahmen von der glutenfreien Diät können jedoch schnell erneut Symptome auslösen und auf Dauer das Risiko für Darmkrebs und andere Krebserkrankungen, insbesondere von bösartigen Lymphknotenvergrößerungen (malignen Lymphomen), erhöhen. Bei Zöliakie ist das Krebsrisiko aber nur gering erhöht, wenn die glutenfreie Ernährung konsequent eingehalten wird. Auch Osteoporose gilt als mögliche Spätfolge einer inkonsequenten Ernährung bei Zöliakie.

Lässt sich einer Zöliakie vorbeugen?

Einer Zöliakie lässt sich nicht vorbeugen. Zudem ist es nicht sinnvoll, sich grundsätzlich glutenfrei zu ernähren. Wer keine diagnostizierte Zöliakie hat, kann glutenhaltige Lebensmittel zu sich nehmen, ohne damit das Risiko einer Erkrankung zu erhöhen.

Den Spätfolgen von Zöliakie lässt sich allerdings vorbeugen, indem nach der Diagnose eine konsequent glutenfreie Ernährung eingehalten wird. Außerdem gibt es einige Empfehlungen, mit denen Eltern bei Säuglingen möglicherweise einen schweren Verlauf der Krankheit verhindern können. Dazu zählen:

  • Stillen bis mindestens zum sechsten Lebensmonat
  • stufenweise Einführung von glutenhaltigen Lebensmitteln nach der 17. und vor der 26. Lebenswoche, während das Kind noch gestillt wird
  • dabei beobachten, ob es zu Verdauungsstörungen beim Baby kommt