Eine nachgebildete Vagina aus Perlen auf einem rosa Hintergrund.
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Vaginismus: Schmerzen beim Geschlechtsverkehr

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 29.12.2021

Einigen Frauen ist penetrativer Geschlechtsverkehr nicht oder nur unter großen Schmerzen möglich. Eine mögliche Ursache ist Vaginismus. Dabei handelt es sich um eine sexuelle Funktionsstörung, die psychisch bedingt ist. Viele Betroffene scheuen sich davor, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dabei lässt sich Vaginismus gut behandeln. Lesen Sie hier, wie sich Vaginismus äußert und welche Therapien infrage kommen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was ist Vaginismus?

Bei Frauen mit Vaginismus verkrampft sich die Beckenbodenmuskulatur während des Geschlechtsverkehrs unwillkürlich, ohne, dass die Betroffenen Einfluss darauf nehmen können. Neben den krampfartigen Schmerzen kann es zu einem Brennen und Stechen in der Vagina kommen. Auch das Einführen von Menstruationsprodukten oder eine gynäkologische Untersuchung können für Frauen mit Vaginismus schmerzhaft sein.

Vaginismus wird nicht durch körperliche Ursachen wie Verletzungen oder Infektionen ausgelöst. Stattdessen handelt es sich um eine sexuelle Funktionsstörung, die psychisch bedingt ist. Oft geht Vaginismus mit einem hohen Leidensdruck einher. So kann die Funktionsstörung Scham und Frust auslösen. Viele Betroffene sind beispielsweise unsicher, ob sie jemals penetrativen Geschlechtsverkehr haben und schwanger werden können.

Vaginismus kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Einigen Frauen ist es gar nicht möglich, etwas in die Vagina einzuführen. Dann kann bereits eine leichte Berührung mit einem Tampon Schmerzen verursachen. Bei anderen Betroffenen beschränken sich die Beschwerden ausschließlich auf Geschlechtsverkehr oder andere sexuelle Aktivitäten.

Gynäkolog*innen unterscheiden zwischen zwei Formen des Vaginismus:

Primärer Vaginismus

Beim primären Vaginismus lässt sich kein Anfangspunkt feststellen. Die Funktionsstörung besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit schon immer, fällt den Betroffenen aber erst auf, wenn sie Geschlechtsverkehr haben möchten, ihre Periode einsetzt oder sie sich gynäkologisch untersuchen lassen.

Sekundärer Vaginismus

Von sekundärem Vaginismus spricht man, wenn sich die Beschwerden erst im Laufe des Lebens entwickeln. Vorher waren sexuelle Aktivitäten, das Einführen von Menstruationsprodukten oder gynäkologische Untersuchungen schmerzfrei möglich. Diese Form des Vaginismus lässt sich also auf einen konkreten Auslöser zurückführen. Dabei kann es sich um traumatische Erlebnisse wie ein Geburtstrauma, eine Operation oder eine Vergewaltigung handeln. Zwischenzeitlich können auch immer wieder schmerzfreie Phasen auftreten.

Wie viele Frauen sind betroffen?

Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Sexualforschung in Hamburg haben rund 10 Prozent der Frauen Schmerzen beim penetrativen Geschlechtsverkehr. Wie viele Frauen speziell von Vaginismus betroffen sind, ist unklar. Zum einen wurde zu der sexuellen Funktionsstörung bisher wenig geforscht. Aufgrund der dünnen Studienlage fehlt es daher häufig an Wissen rund um die Störung. Zum anderen ist Vaginismus häufig mit Scham behaftet, sodass sich einige betroffene Frauen womöglich gar nicht in Behandlung begeben.

Dyspareunie und Vulvodynie

Eine weitere sexuelle Funktionsstörung, die Schmerzen beim penetrativen Sex beschreibt, heißt Dyspareunie. Wo Vaginismus aufhört und Dyspareunie anfängt und sich die Störungen gegenseitig bedingen können, ist schwer zu differenzieren. Deswegen werden Vaginismus und Dyspareunie in der Medizin derzeit auch offiziell zusammengefasst, und zwar als Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung.

Eine Dyspareunie kann, anders als Vaginismus, aber auch physische Ursachen haben. Bei

  • Erkrankungen der Vulva,
  • erblich- oder operationsbedingten Fehlbildungen oder Verengungen,
  • einem genitalem Herpes simplex,
  • einer Fibrose (krankhafte Vermehrung des Bindegewebes, etwa nach einer Bestrahlungstherapie)

sprechen Mediziner*innen von einer oberflächlichen Dyspareunie. Davon abzugrenzen ist die tiefe Dyspareunie, die unter anderem durch Erkrankungen der Gebärmutter oder der Eierstöcke ausgelöst wird. Dabei handelt es sich zum Beispiel um

  • Myome (gutartige Wucherungen bzw. Tumoren),
  • chronische Adnexitis (chronische Eileiter- und Eierstockentzündung),
  • oder Endometriose.

Vulvodynie: Chronische Schmerzen im Bereich der Vulva

Eine weitere Störung, die zu Schmerzen während des penetrativen Geschlechtsverkehrs führen kann, ist die Vulvodynie. Anders als bei Vaginismus und Dyspareunie verkrampft sich hier allerdings nicht die Vagina. Vielmehr handelt es sich um chronische Schmerzen, Juckreiz oder Brennen entweder

  • im gesamten Intimbereich,
  • oder nur an einer Stelle.

Betroffene empfinden bereits leichte Berührungen oder das Tragen von Unterwäsche als unangenehm. Ähnlich wie bei Vaginismus lässt sich oft keine erkennbare Ursache für die Beschwerden finden. Noch ist umstritten, ob es sich um ein eigenständiges Krankheitsbild handelt. Auch ordnen Mediziner*innen die Vulvodynie nicht ausschließlich der Gynäkologie zu, sondern siedeln sie gleichermaßen auch in den Fachbereichen Dermatologie und Psychosomatik an.

Ursachen

Vaginismus ist psychisch bedingt. Während die sekundäre Form des Vaginismus laut Ansicht von Expertinnen*Experten auf traumatische Erfahrungen zurückzuführen ist, lassen sich die Ursachen des primären Vaginismus nur schwer identifizieren. Gynäkolog*innen gehen von folgenden möglichen Gründen aus:

  • Angst vor Schmerz oder Verletzungen beim penetrativen Geschlechtsverkehr,
  • Probleme in der Partnerschaft,
  • emotionaler Stress,
  • psychische Erkrankungen, z. B. Depression,
  • Perfektionismus,
  • Somatisierungsstörungen (anhaltende Beschwerden, für die sich trotz genauer Untersuchungen keine körperlichen Ursachen feststellen lassen),
  • ein allgemein hohes Schmerzempfinden

Die Angst vor körperlich oder seelisch schmerzhaften Folgen kann sich zu einer phobischen Angststörung entwickeln. Betroffene verspüren dann eine unangemessen große Angst, die sich in körperlichen Beschwerden äußert.

Diagnose bei Vaginismus

Da es schwierig ist, Vaginismus von anderen Beschwerdebildern wie Dyspareunie oder Vulvodynie abzugrenzen, dauert es oft lange, bis eine Diagnose gestellt wird. Das liegt auch daran, dass zu sexuellen Funktionsstörungen wie Vaginismus bisher noch nicht viel geforscht wurde und es entsprechend wenig Expert*innen auf dem Gebiet gibt.

Wenn Sie Symptome bei sich feststellen, die auf Vaginismus hindeuten könnten, sollten Sie zunächst untersuchen lassen, ob womöglich eine körperliche Erkrankung oder eine anatomische Ursache hinter Ihren Beschwerden steckt. In diesem Fall würde man nicht von Vaginismus sprechen. Betroffene nehmen gynäkologische Untersuchungen zum Teil als beängstigend oder sogar traumatisierend wahr, da diese bereits mit starken Schmerzen verbunden sein kann. Daher ist es wichtig, dass die*der Ärztin*Arzt besonders einfühlsam vorgeht.

Wird bei dieser körperlichen Untersuchung keine Auffälligkeit festgestellt, wird der*die Gynäkolog*in wissen wollen,

  • ob die Problematik dauerhaft oder nur phasenweise auftritt,
  • ob nur penetrativer Geschlechtsverkehr und andere sexuelle Aktivitäten Schmerzen verursachen,
  • oder die Beschwerden auch beim Einführen von Tampons, Menstruationstassen oder Ähnlichem auftreten.

Da Vaginismus psychisch bedingt ist, kann neben einer gynäkologischen Untersuchung auch ein Gespräch mit einem*einer Therapeut*in zur Diagnose beitragen. So lässt eine therapeutische Sitzung womöglich weitere Rückschlüsse auf die Ursache des Vaginismus zu.

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Therapie bei Vaginismus

Ist Vaginismus bei Ihnen diagnostiziert worden, gibt es mehrere Möglichkeiten zur weiteren Vorgehensweise. Sexualität ist eine sehr persönliche Angelegenheit, die zwar an gesellschaftliche Erwartungen geknüpft ist, aber für jeden Menschen einen unterschiedlichen Stellenwert haben kann.

Ob Vaginismus überhaupt behandlungsbedürftig ist, hängt daher von Ihrem individuellen Leidensdruck sowie Ihren persönlichen Vorstellungen und Anforderungen ab, die Sie an die eigene Sexualität stellen. Wichtig ist zunächst, dass Betroffene versuchen, sich selbst keinen Druck zu machen und ihre Beschwerden ernst nehmen. Falls die Thematik für Sie mit Unsicherheit und Scham behaftet ist, kann zudem der Austausch mit einer Vertrauensperson bereits ein erster hilfreicher Schritt sein.

Psychotherapie

Eine Psychotherapie ist dann eine mögliche Behandlungsform, wenn die Beschwerden chronisch (d. h. länger als sechs Monate) bestehen und Leidensdruck verursachen.

Auch eine Sexualtherapie kann sich anbieten, um die Beschwerden von Vaginismus zu lindern. Dabei handelt es sich um eine Psychotherapie mit dem Schwerpunkt Sexualität. Diese Form der Therapie kann als Einzel- oder Paartherapie stattfinden. Eine Paartherapie empfiehlt sich allerdings nur, wenn sich Betroffene überhaupt in einer Partnerschaft befinden und die Beschwerden nur im sexuellen Kontext auftreten. Wenn weitere individuelle Beschwerden im Vordergrund stehen, sollten diese am besten erst einmal in einer Einzeltherapie besprochen werden.

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Imaginationsverfahren

Das Imaginationsverfahren kommt in der Psychologie zur Anwendung. Ziel ist es, mentale Vorstellungen herbeizuführen, etwa das Öffnen einer Blume. Dadurch sollen Empfindungen ausgelöst werden, die Betroffene in einen Entspannungszustand versetzen. Die imaginativen Übungen werden auch in der Verhaltens- und Psychotherapie eingesetzt.

Übungen der Beckenbodenmuskulatur

Die Schmerzen beim Vaginismus entstehen dadurch, dass sich die Beckenbodenmuskulatur verkrampft. Diese Muskulatur können Sie zum Beispiel spüren, wenn Sie einen Urinstrahl zurückhalten. Einigen Frauen hilft es, das gezielte Anspannen und Loslassen im Alltag zu üben. So bekommen Sie ein Gefühl dafür, wie sich entsprechende Verkrampfungen bewusst lösen lassen. Anschließend können Sie versuchen, die Methode auch in akuten Situationen, etwa beim penetrativen Geschlechtsverkehr, anzuwenden.

Daneben können Sie auch eine professionelle Beckenbodentherapie in einer physiotherapeutischen Praxis durchführen. Hier führen Sie gezielte Übungen durch, die die Körpermitte kräftigen und Ihre körperliche Wahrnehmung allgemein verbessern.

Vaginaltraining mithilfe von Dilatoren

Dilatoren sind medizinische Geräte, die zur Anwendung kommen, um Körperöffnungen zu weiten oder Muskeln zu trainieren. Sie bestehen aus Silikon oder Kunststoff und sind leicht gebogen, um besser eingeführt werden zu können.

Vaginal-Dilatoren sind in verschiedenen Größen erhältlich. In der Regel werden sie als Set verkauft.

Sie beginnen zunächst mit dem kleinsten Dilator, um sich erst einmal an das Gefühl zu gewöhnen und die Übungen schmerzfrei zu gestalten. Dann können Sie sich langsam vortasten. Die Selbsttherapie mit Dilatoren hat den Vorteil, dass Sie selbst die Kontrolle behalten und entscheiden, wie weit Sie gehen. Das kann den Druck nehmen, den viele Betroffene bei einem*einer potenziellen Sexualpartner*in verspüren.