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Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?

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  • Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?

    Guten Tag,

    ich habe bereits im Forum für Reizdarm und Durchfall geschrieben und die Empfehlung bekommen, gegen mein Problem mit Autogenem Training anzusteuern.

    Zu meiner Geschichte:
    Ich bin 21 Jahre alt und weiblich. Nach einer Darminfektion vor einem Jahr, von der ich mich körperlich nur langsam -aber vollständig- erholt habe, habe ich auf der psychischen Ebene ein für mich furchtbar großes Problem zurückbehalten. Während der Infektion hatte ich über Wochen Durchfall und konnte mein Studium nur mit einer Menge Imodium akut durchziehen. Aber auch, nachdem mein Darm sich wieder vollständig erholt hatte, hatte ich plötzlich Angst, aus dem Haus zu gehen. Ich hatte und habe Angst, mit dem Auto im Stau zu stehen und keine Toilette in der Nähe zu haben; ich habe Angst, wenn es an der Supermarktkasse nicht voran geht und ich entwickelte rasend schnell das Gefühl von Durchfall; ich habe Angst, im Restaurant zu essen und so lange "rumzusitzen", wenn es um mich herum still ist und man meine Darmgeräusche hören kann. Das Problem: Zu Hause ging und geht es mir blendend. Wenn ich am Wochenende zu Hause bin, habe ich ganz normalen Stuhlgang, keinerlei Beschwerden. Sobald ein Termin ansteht - Uni, lange Autofahrt, Besuch bei sehr guten Freunden, etc. bekomme ich regelrecht Panik. Mir sind psychische Probleme bisher absolut fremd gewesen. Ich bin ein glücklicher Mensch, dessen ich mir auch bewusst bin. Ich weiß im Grunde selbst, dass sich durch die Infektion eine psychische Angst vor Durchfall entwickelt hat, die dazu führt, dass ich bei jeder kleinsten Aufregung (ausdrücklich auch positiver Aufregung!!) tatsächlich Durchfall bekomme, was mich furchtbar im Sozialleben, mittlerweile aber auch im Studium einschränkt. Ich möchte später mal in eine Berufsunfähigkeitsversicherung aufgenommen werden, darum lehne ich eine Psychotherapie ab. Diese privat zu finanzieren, ist mir leider auch nicht möglich. Außerdem möchte ich gerne aus eigener Kraft wieder aus dieser Situation rausfinden. Ich muss irgendwie ruhiger, lockerer werden und die Angst verlieren, nicht rechtzeitig eine Toilette zu finden bzw. die Scham verlieren, in Anwesenheit anderer öfter zur Toilette zu müssen. Ich weiß bloß nicht wie und das beeinträchtigt mich immer mehr. ...

    Inwiefern kann mir autogenes Training dabei helfen? Ist es erlaubt, hier eine Empfehlung für ein Buch zu erfragen? Es gibt eine Vielzahl von Büchern zu diesem Thema und es geht mir zu schlecht, um lange herumzuprobieren. Ich muss in den nächsten Semesterferien ein Praktikum machen, aber ich fühle mich weder in der Lage, ein Vorstellungsgespräch ohne Durchfall vor Ort zu überstehen, noch 4 Wochen lang mit fremden Leuten im Praktikum permenent zusammen zu sein, denen ich nichts von meinem Problem erzählen kann und will.

    Ich wäre sehr, sehr dankbar für Tipps oder auch Erfahrungsberichte von denjenigen, die so etwas vielleicht auch erlebt haben und trotz totaler Verzweiflung und Pessimismus doch wieder unbeschwert leben, lernen und arbeiten konnten!!


  • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


    Hallo Benedetta,

    eben habe ich Ihren Beitrag entdeckt, kann aber jetzt nicht darauf eingehen. Ich tue das heute Abend (nur dass Sie schon mal die Gewissheit haben, dass sich jemand kümmert).

    Beste Grüße
    Dr. Riecke

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    • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


      Vielen Dank schonmal, dass sie darauf eingehen möchten!!

      Es ist erschreckend, wie schnell man in einen Negativkreislauf aus Angst und einem der Angst angepasstem Verhalten gerät, ohne von alleine zu wissen, wie man sich helfen kann.
      Das habe ich seit April (letzte Darmspiegelung + Stuhlprobe --> alles wieder in Ordnung) vergeblich versucht, aber es wurde/wird nur schlimmer...

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      • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


        Hi Benedetta,

        AT und auch andere Entspannungstechniken wirken beruhigend und man kann damit auch seine Körperfunktionen positiv beeinflussen, z.B. Panikattacken abmildern.
        Du solltest das mal versuchen, aber unter fachlicher Anleitung, in dem Fall ist ja eine sehr gezielte und korrekte Anwendung wichtig.

        Da du zu hause die Probleme nicht hast wird es daran liegen das du dich dort sicher fühlst, nicht zuletzt weil eine Toilette immer erreichbar ist.
        Du musst also darauf hinarbeiten das du dich auch außerhalb sicher fühlst, eine gewisse Gleichgültigkeit zu erreichen.
        Im Bezug auf den Durchfall könntest du immer wenn du unterwegs bist als erstes in Erfahrung bringen wo die Toiletten sind, so hast du zumindest schon mal die Sicherheit das sie schnell erreichbar sind.
        Dann muss es dir relativ egal sein ob jemand anderer irgendwelche Darmgeräusche hört, auch da können Entspannungstechniken helfen und auch "das Bewusst" machen was passieren würde wenn es rumort.....Nichts!
        Wenn du an Orten bist wo es still ist und es sich z.B. um Wartezimmer handelt nimm dir einen Musik-Player mit, so achtest du selber weniger auf das was in deinem Bauch vorgeht.

        Kommentar



        • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


          PS:

          Manche Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung kannst du auch im Alltag und Beruf anwenden, es wäre also wichtig zu wissen welche Technik am besten zu deiner Situation passt und nicht blindlings eine auszusuchen.

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          • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


            "..aber es wurde/wird nur schlimmer..."

            Vielleicht als Einstieg ein Fallbeispiel:

            In einer Praxisvertretung erlebte ich einen etwa 30jähr. Mann, der nach einer langwierigen Darmerkrankung nach stationärem Aufenthalt in einer Uniklinik körperlich wieder völlig gesund war.
            Er litt aber an in ihrer Frequenz ständig zunehmenden Durchfällen. Er berichtete, dass er etwa 20 Darmentleerungen am Tag hätte und lediglich einmal um den Häuserblock mit seiner kleinen Tochter gehen könne, dann müsse er wieder auf die Toilette.

            Es nahm ihn keiner ernst, die ambulanten Ärzte stützten sich auf den Klinikbericht (kein organischer Befund mehr) und erklärten ihn für "austherapiert".

            Natürlich hatte er seine Arbeit verloren und hatte kaum noch Kontakte zu Freunden usw, lehnte jede Einladung oder irgendwelche Unternehmungen ab, weil er befürchtete, dass ihn keiner verstünde.

            Als er in der Praxis vor mir saß, war er voller Resignation und Ratlosigkeit.

            Ich habe in seiner Gegenwart eine psychosomatische Station angerufen (die früher in meinen Zuständigkeitsbereich fiel) und dort einen baldigen Aufnahmetermin erwirkt.

            Nach immerhin fast vier Wochen intensiver Therapie reduzierte sich seine Entleerungsfrequenz auf drei mal pro Tag. Er betrieb die gelernten Entspannungsverfahren sehr konsequent und führt inzwischen ein beschwerdefreies Leben.

            Kommentar


            • Nachtrag


              Mit der Schilderung wollte ich Ihnen nur klar machen, dass es mehrere ähnliche Schicksale gibt.

              Nun sammeln wir noch ein paar Beiträge, dann muss ein Plan her, der Ihnen konkret eine Hilfestellung gibt.

              Kommentar



              • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                Ich danke Ihnen beiden für Ihre Antworten. Ich bin sehr froh, dieses Forum gefunden zu haben!

                Ich habe bisher immer geglaubt, dass mir Entspannungsverfahren sowieso nicht helfen und diese das Problem nicht lösen können, bin aber mittlerweile der Überzeugung, dass ich es auf jeden Fall probieren muss. Ich habe mir bereits im April eine CD gekauft, auf der eine Meditation (?) mit Anleitungen zur Anspannung und Entspannung gesprochen wird. Ich kann mich allerdings nicht sehr gut darauf konzentrieren. Wenn ich zu Hause bin und diese CD höre, denke ich währenddessen, dass das doch sowieso nicht hilft und es mir aktuell (während des Hörens zu Hause) doch gut geht. Sobald ich das Haus verlasse, kann ich nicht mehr an die CD denken bzw. auch wenn ich diese Tipps beherzige und versuche, den Bauch anzuspannen und wieder bewusst zu entspannen, hilft das nicht. Inwiefern wäre es denn wichtig, diese Techniken unter professioneller Anleitung zu lernen? Ich habe ein großes Problem damit, in eine solche Gruppe zu gehen, weil ich mich vermutlich anmelden und es letztlich gar nicht erst zum Kurstermin schaffen würde, weil ich zwischendurch umkehren und meine Toilette aufsuchen müsste. Was wäre denn passender in meiner Situation? Progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder beides zusammen/nacheinander?
                Es macht mich einerseits zuversichtlich, von diesem Mann zu hören, dem es offensichtlich noch um einiges schlechter ging als mir, andererseits habe ich das Gefühl, ein kleines Männchen auf der Schulter sitzen zu haben, das mir permanent einredet: Schön für den Mann… du schaffst das aber sowieso nicht!
                Ich verstehe gar nicht, woher dieser Pessimismus bei mir kommt… Ich habe mir schon immer viele Gedanken gemacht, viel Wert auf die Meinung anderer gelegt. Ich wollte nicht auffallen, sondern angepasst sein. Es war mir solange ich denken kann unangenehm, mit Freundinnen oder gar meiner Mutter gemeinsam auf öffentliche Toiletten zu gehen. Ich kann mir aber nicht erklären, woher das kommt.
                Auch wenn ich in der Regel nur 5-7 Mal zu Toilette muss und an sehr schlechten Tagen bis zu 15 Mal, schränkt es mich doch sehr ein. Ich habe keine Pflichtvorlesungen an der Uni und bin sozusagen die meiste Zeit zu Hause. Nächste Woche steht die erste Klausur des Semesters an und ich werde nervös und bekomme ein Grummeln im Darm, wenn ich daran denke. Ich verdränge es bis es soweit ist. Und muss dann irgendwie durch, mit Imodium.
                Einladungen von Freunden lehne ich im Moment pauschal ab. Das stresst mich zu sehr. Gedanken an die Zukunft verdränge ich.

                Auch wenn ich mich immer noch als glücklich bezeichnen würde, merke ich, wie es mich zunehmend traurig macht, dass sich mein Leben innerhalb eines Jahres um 180 Grad gedreht hat …

                Kommentar


                • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                  Hi Benedetta,

                  ich habe es auch nicht so mit der Entspannung, mir wurde aber versichert das die Routine den Erfolg bringt.;-)

                  >>>Inwiefern wäre es denn wichtig, diese Techniken unter professioneller Anleitung zu lernen?>>>

                  Ich denke gerade wenn man Schwierigkeiten hat sich darauf einzulassen funktioniert es unter Anleitung besser, außerdem kann man dann die spezielle Problematik in den Vordergrund stellen und gezielte Übungen einstudieren.

                  Welche Techniken für welche Bedürfnisse am besten sind kann ich dir nicht genau sagen, ich denke es kommt auch darauf an mit welcher Entspannungsform du selber am meisten anfangen kannst.
                  Dann gibt es Übungen die du eher zu hause anwendest und die für unterwegs nicht geeignet sind und welche die du so ziemlich überall machen kannst.

                  Hast du schon einmal versucht regelmäßig spazieren zu gehen? Immer nur solange es gerade geht und das dann mit der Zeit in die Länge zu ziehen, um möglichst viel Sicherheit zu haben könntest du eine Route wählen auf der dir die Toiletten bekannt sind.

                  >>>Es war mir solange ich denken kann unangenehm, mit Freundinnen oder gar meiner Mutter gemeinsam auf öffentliche Toiletten zu gehen. Ich kann mir aber nicht erklären, woher das kommt.<<<

                  Es gehört eben zur Intimsphäre, ich frage mich auch immer was 5 Weiber in einem Klo wollen, manchen ist es halt peinlich und anderen nicht. Ich denke das ist nichts ungewöhnliches, auch damit stehst du nicht allein.
                  Ganz weiblich Japan hat dieses Problem, ganz im ernst. Die Frauen drücken ständig die Klospülung wenn sie auf Toilette gehen damit man nichts hört. Mittlerweile werden dort Toiletten entwickelt bei denen du einen Knopf drückst und es kommt der Sound einer Toilettenspülung, da der Wasserverbrauch so hoch geworden ist.;-)

                  >>>merke ich, wie es mich zunehmend traurig macht, dass sich mein Leben innerhalb eines Jahres um 180 Grad gedreht hat …<<<

                  Immer dran denken, du kannst die 180Grad auch wieder zurückdrehen, es braucht nur Geduld beim suchen nach dem richtigen Weg und Durchhaltevermögen ihn zu gehen.

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                  • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                    Hallo Benedetta,

                    für echte Hilfe, muss ich wohl konkreter werden.
                    Ein paar Elemente aus psychotherapeutischen Programmen könnten Sie übernehmen.
                    Kognitive Umstrukturierung: hier ist für Sie das Verstehen der vegetativen Vorgänge im Körper wichtig.
                    Fast alle Organe sind doppelt innerviert, d.h. sowohl vom Sympathikus als auch vom Parasympathikus versorgt. Der eine erregt, der andere entspannt (vereinfacht dargestellt).
                    Das gilt also auch für den Darm.
                    Natürlich funktioniert das System autonom, ist aber von vielen Faktoren abhängig und somit auch störbar.
                    Wenn z.B. im Gehirn durch äußere Einflüsse Erregung stattfindet, dann setzt sich diese auf die Hirnstammbereiche fort und im Darm wird die sogenannte Motilität erhöht, die glatte Muskulatur kontrahiert sich stärker und rascher und treibt den Speisebrei vorwärts in Richtung Ausgang.

                    Diesen Vorgang erleben Menschen vor Prüfungen (es kann auch die Blase betreffen), aber nach der Prüfung - wenn die Anspannung also vorbei ist - ist alles wieder o.k.

                    Fazit: Es handelt sich also gar nicht um ein Darmproblem, sondern um ein psychisches.
                    Aber wenn Sie den Mechanismus verstehen, ist das schon ein erster Schritt.
                    Der zweite folgt später.

                    Beste Grüße
                    Dr. Riecke

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                    • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                      Guten Abend,
                      ich habe mir gestern Gedanken über diese Verbindung zwischen Gehirn und Darm gemacht. Ich habe zwar schon etwas darüber gelesen, allerdings nicht weiter darüber nachgedacht. Mir sind Situationen aus der Vergangenheit eingefallen, in denen das genau so gewesen sein muss. Ich wusste selbstverständlich, dass man bei Aufregung Durchfall bekommen kann. Ich glaube aber, dass mir nie klar war, dass die Aufregung nicht vom Bauch, sondern vom Kopf ausgeht. Und dass ich den Kopf „steuern“ muss, um den Darm in diesen Situationen beruhigen zu können. Ich denke, dass ich das verstanden habe. Ich weiß ja auch von dem Internisten, dass mittlerweile wieder alles in Ordnung ist und allenfalls die Darmflora noch weiter aufgebaut werden muss, es also nicht am Organ selbst liegt.
                      Gestern habe ich zudem etwas erfahren, dass mich sehr stutzig gemacht hat. Bisher dachte ich immer, psychisch stabile Eltern zu haben. Meine Mutter erzählte mir aber, dass sie in meinem Alter das gleiche Problem entwickelt hatte – bis auf den Unterschied, dass sie an Verstopfung+ Magenschmerzen zu leiden begann und ihre Angst eine allgemeine Angst – Panikattacke – war, aufgrund derer sie sich nicht mehr aus dem Haus getraut hat. Ihr hatte damals ein Arzt empfohlen, die Angst vor der Angst durchzustehen, bis sie wieder abflacht. Ich war nach diesem Gespräch einerseits enttäuscht, dass sie mir das nicht vorher erzählt hat (vermutlich , damit ich mich in nicht reinsteigere)andererseits sehr erleichtert, weil sie das innerhalb eines Jahres in den Griff bekommen hat und bis heute keine Probleme mehr damit hat.
                      Ich habe mich plötzlich so sicher gefühlt, dass ich mit meinem Freund, der das seit einem Jahr „mitmacht“ und sämtliche Einladungen alleine wahrnimmt, auf einen großen Markt hier in der Gegend getraut habe. Als wir allerdings einen Parkplatz gesucht haben, mussten wir feststellen, dass nur Shuttlebusse in die Stadt gelassen werden. Ich bin mit einem sehr mulmigen Gefühl, einem immer stärker werdenden Drang, auf die Toilette zu müssen und zittrigen Beinen in den vollen Bus eingestiegen, in der Hoffnung, schnell eine öffentliche Toilette zu finden und ich war die ganze Fahrt kurz davor zu sagen, dass der Busfahrer bitte anhalten und mich rauslassen soll, aber ich habe versucht tief ein und auszuatmen und habe dabei gezählt und mir gesagt, dass ich es bis 100 schaffen muss…und anschließend wieder bis 100… und als wir ankamen und ich aus dem Bus ausgestiegen bin, war ich so froh, dass ich es geschafft habe, dass ich danach überhaupt nicht mehr zur Toilette musste. Obwohl ich im Bus das Schlimmste befürchtet hatte. Und wegen dieser Erleichterung sind wir 2 Stunden über den Markt gelaufen und ich habe das erste Mal seit April außerhalb meiner Wohnung oder dem Haus meiner Eltern etwas gegessen. Das war toll. Und das hat mir verdeutlicht, dass es wirklich reine Kopfsache ist…
                      Leider hat es nicht lange angehalten. Abends lag ich wieder im Bett und musste an die Klausur denken und dass ich 3 Stunden stillsitzen muss und dass ich zwischendurch nicht zur Toilette müssen will, weil mir dadurch Zeit entgeht und es mir unangenehm ist, usw.
                      Ich habe mir heute jemanden ausgesucht, bei dem ich autogenes Training lernen will. Leider hat diese Frau lange Wartezeiten und wird mich zurückrufen, sobald sie einen Termin ausmachen kann. Ich weiß ja, dass das meistens so ist. Aber es hat mich irgendwie ausgebremst, weil ich nicht weiß, was ich bis dahin machen soll. Wie die Klausur überstehen, wie auf den Weihnachtsmarkt gehen, wie vielleicht doch mal wieder mit Freunden ins Restaurant gehen … schwierig.
                      Ich bin weiterhin für jede Hilfe sehr dankbar!

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                      • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                        Hallo Benedetta,

                        Ihr Bericht hat mich sehr gefreut. Mehr konnten Sie auf keinen Fall erwarten.

                        Sie haben jetzt den ersten Schritt getan, in dem Sie den Mechanismus verstanden und sich einer Mutprobe gestellt haben. Das "Geständnis" Ihrer Mutter kam übrigens zur richtigen Zeit!

                        Auch ohne autogenes Training (AT) können Sie schon Ihre Aktivitäten erweitern, wenn es gelingt, das Vertrauen in Sie selbst zu stärken.

                        Ein Therapie-Element hat Ihre Mutter beschrieben: Die Angst vor der Angst zu besiegen, in dem man sie aushält, weil man ja weiß, dass nichts Schlimmes passieren kann (wenn sie z.B. das Haus verlässt).

                        Dieser Mechanismus klappt bei Ihnen auch:
                        Sie treffen Vorsorge, dass eine kleine diarrhoeische Attacke (Durchfall) dann kein für andere erkennbares Problem darstellt, wenn man eine geeignete Vorlage trägt.
                        Es gibt in Sanitätshäusern passgenaue, sehr wenig auftragende Konstruktionen, die einfach in den Slip geklemmt werden.
                        Das gäbe Ihnen ein Gefühl relativer Sicherheit und dem Gehirn können Sie visualisieren, dass nichts passieren kann, was in der Öffentlichkeit auffiele.

                        Später ersetzt das AT diesen Visualisierungsprozess, wenn Sie nämlich die Erfahrung machen, dass Sie einige der eigentlich autonom gesteuerten Funktionen wie Herzfrequenz, Muskeltonus, RR, periphere Durchblutung u.a. willentlich beeinflussen können. Dann beruhigen Sie Ihren Darm natürlich auch.

                        Aber bis dahin braucht es Kompromisse: s.o.

                        Also los!

                        Dr. Riecke

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                        • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                          Guten Tag,

                          der Tipp mit dem Sanitätshaus war sehr gut. Ich werde mich informieren, wo man das im Internet bestellen kann. Ich finde die Vorstellung zwar furchtbar, so etwas tragen zu müssen, aber es ist ja Mittel zum Zweck und hoffentlich nicht für immer so.

                          Immer wieder abends geht es mir schlechter. Ich habe das Gefühl, dass mein Leben vor mich hin plätschert und ich viel zu wenig davon mitnehme. Ich habe im letzten halben Jahr nicht sehr effektiv studiert, habe Freunde nur in meiner Wohnung getroffen. Was positiv ist, ist die Tatsache, dass ich problemlos einkaufen gehen kann. Ich kann das nicht näher erklären, aber in meinem Auto fühle ich mich zumindest in der Stadt sicher. Auf der Autobahn ist das anders. In der Stadt denke ich, dass ich an jeder Ecke halten und ein Geschäft/Restaurant aufsuchen könnte. Im Supermarkt ebenso. Ich WILL zwar unter keinen Umständen dort zur Toilette müssen, aber der Umstand, dass ich es könnte, hilft anscheinend. Ich kann mich an einige Wochen im April erinnern, in denen es mir nicht möglich war, einkaufen zu gehen. Entweder, weil ich es gar nicht erst bis in den Laden geschafft hatte oder weil ich reinkam und fast im Renntempo geschnappt habe, was ich brauche, um ganz schnell wieder an der Kasse zu sein und raus zu können. Mittlerweile passiert es mir, dass ich einkaufen gehe und im Nachhinein feststelle, dass ich im Supermarkt nicht ein einziges Mal an mein Problem gedacht habe.

                          Nichtsdestotrotz ist es so, dass ich ein "Daueraufgeregtsein" im Bauch verspüre, vor allem abends. An langfristige Ziele (Praktikum, Examen, Arbeitsstelle, Urlaub) will ich überhaupt nicht denken. Aber ich würde so gerne wieder zu Freunden gehen, Essen gehen und mal einen Tag nicht aufgeregt sein.

                          Ich bin sehr, sehr froh und dankbar, dass ich in diesem Forum Hilfe bekommen habe, allerdings ist es mir auch unangenehm, jeden Tag die Zeit anderer "umsonst" in Anspruch zu nehmen, darum habe ich nun doch eine Frage, vor deren Beantwortung ich mich eigentlich drücken wollte. Da ich nicht weiß, wie lange es dauern wird, bis ich AT starten kann und überhaupt nicht weiß, ob das ausreicht, würde mich Ihre Meinung interessieren, ob das von mir bisher Geschilderte dafür spricht, dass mir AT Sicherheit geben wird und ich es mit Mut und Zuversicht alleine (und mit dem Verständnis meiner Eltern, meines Freundes und meiner Freunde, das ich zum Glück habe) schaffe, wieder zu leben, wie bis vor einem Jahr oder ob es vielleicht doch sinnvoll wäre, eine (ambulante) Therapie in Anspruch zu nehmen. Ich habe meinen Eltern nun ohnehin gesagt, dass es mir schlechter geht, als ich es bisher dargestellt habe und sie würden die Kosten bestimmt übernehmen. Ich habe eben immer gehofft, dass ich das alleine schaffe, weil ich mir vorstellen kann, dass die Tatsache, dass ich eine Therapie brauche, dazu führt, dass ich denke, dass ich schon ziemlich "krank/hilflos" sein muss, was das Problem vielleicht nur verstärken würde? Ich weiß es nicht. Bloß jetzt, da die Semesterferien vorbei sind und ich langsam wieder zurück ins Studium finden muss, kann ich nicht mehr in den Tag hinein leben, vor mich hin lernen und darauf hoffen, dass es über Nacht verschwindet. Und ich würde das so gerne endgültig bewältigen, um nicht vor jedem Wandel der Lebensumstände, also Praktikum, Umzug, später die Arbeit oder private Veränderungen wieder diese Probleme zu bekommen.
                          Wobei... so ganz wegzubekommen ist das vermutlich nicht...jedenfalls nicht aus dem Hinterkopf...aber es wäre schon toll, wenn ich lernen würde, besser damit umzugehen!

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                          • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                            >>>dass ich eine Therapie brauche, dazu führt, dass ich denke, dass ich schon ziemlich "krank/hilflos" sein muss, was das Problem vielleicht nur verstärken würde?<<<

                            Das kommt auf deine Einstellung an, wenn du sagst das du dann ziemlich krank bist kann das natürlich negative Auswirkungen haben. Wenn du dir aber sagst das du dort Techniken lernst um damit klar zu kommen (auch Stressbewältigung i.B. auf Studium und Co.) und der Therapeut ein Gegenüber ist der dir dabei hilft und dir neue Wege eröffnet, aber kein Behandler ist (denn die Hauptarbeit machst du, du hilfst dir selber, bekommst nur Anleitung und Ratschläge zur Selbsthilfe). Wenn du verstehst das du es im Grunde aus eigener Kraft schaffst, dann ist es keine Hilflosigkeit mehr, sondern Stärke die nur einen Schubs vom Therapeuten bekommt. Vielleicht hilft es dir das in der Psychologie anstatt Patient meist das Wort Klient verwendet wird, der Therapeut erbringt eine Dienstleistung für die du bezahlst, sogar ein Vertrag wird gemacht. Du kannst deinen Therapeuten durchaus als Geschäftspartner sehen, auf gleicher Augenhöhe und du erwirbst etwas von seinem Wissen und seiner Zeit.

                            >>>so ganz wegzubekommen ist das vermutlich nicht<<<

                            Ich denke doch. Je länger du das wieder im Griff hast desto weniger wird es in deinen Gedanken sein. Wenn du das AT so gut beherrschst das du darüber Kontrolle auf deine Körperfunktionen ausüben kannst, dann wirst du es irgendwann fast automatisch anwenden und eines Tages gar nicht mehr bemerken vielleicht auch nicht mehr brauchen.

                            >>>dass ich im Supermarkt nicht ein einziges Mal an mein Problem gedacht habe.<<<

                            Ich denke so wird es sich dann entwickeln, irgendwann denkst du nicht mehr dran, weil du dich sicher fühlst.

                            Kommentar


                            • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                              Ja ... das stimmt eigentlich ... wenn man das mal nicht aus der Sicht betrachtet, dass ein Therapeut ja ein Arzt ist und ich in meinem bisherigen Leben nur die Erfahrung gemacht habe, dass ich zum Arzt gegangen bin, wenn ich krank war, was folglich bedeuten würde, dass ich also "krank" bin, wenn ich nun einen Therapeuten aufsuche, dann kann man den Therapeuten auch als Lehrer ansehen, der mir eben das beibringt, was ich in der Schule nicht gelernt habe und auch auf anderem Weg nicht mitbekommen habe. Das stimmt. Ich bin auch fast so weit, dass ich das wirklich aus voller Überzeugung so sehe und nicht als " Na gut, du hast es alleine nicht geschafft, du brauchst jetzt eben Hilfe von außen", sondern vielmehr als eine Chance, anschließend sicherer und gefestigter zu sein, als ich es ohne diese ganze Geschichte vielleicht je geworden wäre...

                              Danke auch für diese Passage:

                              "Ich denke doch. Je länger du das wieder im Griff hast desto weniger wird es in deinen Gedanken sein. Wenn du das AT so gut beherrschst das du darüber Kontrolle auf deine Körperfunktionen ausüben kannst, dann wirst du es irgendwann fast automatisch anwenden und eines Tages gar nicht mehr bemerken vielleicht auch nicht mehr brauchen. "

                              Das ist natürlich genau das, was ich hören "will"/ mir wünsche ;-) Ich wünsche mir sehr, dass ich das irgendwann einfach komplett vergesse. So wie meine Mutter. Aber dennoch ist da dieses: Ach, wie soll das schon funktionieren? Und es ärgert mich selbst, dass ich so darüber denke...

                              Ich werde mir diese Woche noch Zeit lassen und schauen, wie die Klausur läuft, wie es mir sonst geht, mir überlegen, ob es doch möglich wäre, es irgendwie "ganz alleine" zu schaffen und wenn ich größere Zweifel daran habe, dann rufe ich nächste Woche eine Therapeutin an, die ich mir über das Internet ausgesucht habe und hoffe als Selbstzahler auf einen baldigen ersten Termin. Vielleicht lässt sich das irgendwie mit der Frau verbinden, die AT anbietet und auf deren Rückruf ich warten muss. Ich weiß nämlich nicht, ob auch die Therapeutin AT anbietet, obwohl es nicht explizit auf der Homepage erwähnt wird. Das müsste ich dann erfragen.

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                              • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                                "ob auch die Therapeutin AT anbietet.."

                                Ich kenne Leute, die nur eine einzige (!) Anleitung zum AT wahrgenommen und es dann selbst perfekt gelernt haben.

                                Es stecken in dem Begriff nämlich zwei wichtige Botschaften: <autogen> und <Training>.
                                Also, man muss es unbedingt selbst üben!
                                Und lernen kann es jeder, viele sind nur nicht bereit, das intensiv zu tun.

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                                • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                                  Hallo.

                                  Das mit der Therapie solltest du dir vielleicht noch einmal überlegen. Denn es ist ohnehin so, dass man beim Abschluss einer BUV den Versicherer komplett über die eigene Krankheitsgeschichte aufklärt (http://www.ihre-buv.de/faqs.php?which=2): Wenn man also eine ernsthafte psychische Erkrankung verschweigt und das dann irgendwie rauskommt dürften die Konsequenzen ebenso ernsthaft sein. Wer einmal eine Therapie gemacht hat wird denke ich trotzdem einen Versicherer finden, es bedarf dann halt genauerer Suche.
                                  Auf eine Therapie würde ich aber in keinem Falle verzichten. Denn ein solches Problem kann denke ich nur langfristig behandelt werden,

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                                  • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


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                                    weil ich hier eine tolle erste Hilfestellung bekommen habe, möchte ich mich sehr dafür bedanken!

                                    Das hat mir geholfen, die Zeit bis zur ersten Therapiestunde zu überbrücken. Diese hatte ich nun doch schon gestern und habe ein gutes Gefühl, dass es mir helfen könnte.

                                    Beste Grüße!

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                                    • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                                      Hallo Benedetta,

                                      das freut mich.

                                      Wenn du magst kannst du ja hin und wieder berichten wie es dir ergeht, über positive Berichte freuen wir uns auch.;-)
                                      L.G.

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                                      • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                                        Hallo Benedetta!

                                        Auf meiner Suche bin ich zufällig auf deinen Artikel gestoßen. Da ich ein ziemlich ähnliches Problem habe, würde ich dich gerne fragen ob du etwas gefunden hast, das dir hilft dieses Problem in den Griff zu bekommen. Würde mich sehr freuen endlich einen sinnvollen Rat von einer "betroffenen" zu erhalten!

                                        Freu mich auf deine Antwort!

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                                        • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                                          Hallo

                                          ich habe eben durch zufall deinen Beitrag gesehen, ich bin Anne und 19 Jahre alt und es kahm mit sehr bekannt vor
                                          Ich leide seit einiger Zeit ebenfalls darunter das ich mich zuhause am Wohlsten fühle. Bei mir hängt es mit der Angst zusammen in der Öffentlichkeit blosgestellt zu werden.
                                          Ich gehe gar nicht mehr abends weg, weil ich vorher und währrenddessen immer nur angst habe es nicht rechtzeitig aufs klo zu schaffen und in die Hose machen. Mein Freundeskreis hat sich sehr verkleinert und ich lade die leute immer zu mir nach Hause ein, da fühle ich mich sicher und weiß ich kann ganz schnell aufs klo rennen wenn ich das verlangen dazu habe.
                                          In einem Monat fährt mein kompletter Jahrgang nach Berlin in einem Bus, ich weiß nicht wie ich die 7 1/2 stunden überstehen soll weil ich jetzt schon Panik bekomme..
                                          Bin seit diesem Jahr auch in Therapie, was sehr hilft aber noch nicht ganz..
                                          Ich wollte mal fragen wie es bei dir ausgegangen ist und ob du einen Tipp für mich hast.
                                          Danke !
                                          LG Anne

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                                          • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                                            "ich weiß nicht wie ich die 7 1/2 stunden überstehen soll weil ich jetzt schon Panik bekomme.. "

                                            Als Sofortmaßnahme: Vorn neben den Fahrer setzen, ihn informieren, dass Ihnen manchmal "schlecht wird", ob er dann halten könne.
                                            Damit lässt das Gefühl, ausgeliefert zu sein, deutlich nach. Dann wäre noch ein Gesprächspartner hilfreich, der Sie ablenkt.

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                                            • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                                              Hallo zusammen,

                                              da ich nun schon häufiger private Nachrichten erhalten haben, in denen ich gefragt wurde, wie es mir mittlerweile geht, möchte ich gerne ein wenig von den letzten 1,5 Jahren berichten.

                                              Wie schlecht es mir zu dieser Zeit ging, kann man den Beiträgen entnehmen. Ich habe damals eine Therapie begonnen, gegen die ich mich lange Zeit innerlich sehr gewehrt hatte, weil ich nicht einsehen wollte, dass ich das nicht alleine in den Griff bekomme. Nun, meine Einstellung zur Psychotherapie hat sich grundlegend geändert. :-) Dort gehen nicht nur psychisch schwer kranke Leute hin, dort gehen auch nicht nur ältere Leute hin. Ich habe vielmehr die Erfahrung gemacht, dass dort sehr wohl auch junge Leute in meinem Alter in Behandlung sind, was mir mein Therapeut voll und ganz bestätigte. Allerdings erzählen die meisten ihrem Umfeld nicht davon, sodass man automatisch davon ausgeht, dass es allen im Freundeskreis bestens geht und man selbst der einzige ist, der da ein Problem hat, noch dazu ein so unangenehmes...

                                              Ich habe insgesamt ca. 15 Sitzungen beim Therapeuten gehabt, in denen es zum einen darum ging, mir abzugewöhnen, dass ich mir so einen Kopf darum mache, was andere denken, wenn ich häufiger zur Toilette muss. Das ist mir richtig schwer gefallen. Bis heute ist es mir noch teilweise unangenehm, wenn ich mit Freunden unterwegs bin und sagen muss: Hey, wir müssen jetzt leider alle zusammen eine Pause auf dem Rasthof einlegen, da ich zur Toilette muss. Aber wenn man sich das mal ganz objektiv anschaut, ist das überhaupt nichts schlimmes. Wäre ich es nicht, würde einer der anderen ein wenig später darum bitten, eine kurze Pause einzulegen. Auch in jeglichen anderen Situationen ist es keine Schande, um eine kurze Pause zu bitten, ganz gleich, um welche Situationen es sich nun handelt - privat oder beruflich. Das war zumindest in meinem speziellen Fall ein ganz wesentlicher Aspekt. Es ist egal, was andere denken! Ich will nicht behaupten, dass ich das vollends verinnerlicht habe, aber zumindest im privaten, häufiger auch im beruflichen Bereich gelingt es mir ganz gut!

                                              Ein weiterer Aspekt war der, zu akzeptieren, dass das alles psychisch ist. In der Anfangszeit bin ich noch von Arzt zu Arzt gelaufen in der Hoffnung auf eine körperliche Ursache. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass mein Gehirn dazu in der Lage ist, mir 20 Mal am Tag Durchfall zu bescheren. Dies war aber so. Ich hatte sämtliche Test bezüglich Unverträglichkeiten absolviert, Magen- und Darmspiegelung(en) hinter mich gebracht und bis auf eine Unverträglichkeit, von der ich aber schon wusste, gab es keine neuen Erkenntnisse. Damals war ich richtig deprimiert, dass nichts organisches gefunden wurde. heute bin ich froh, dass nichts organisches gefunden wurde. :-D Denn das psychische ließ sich behandeln.

                                              Der dritte Aspekt war dann das Thema Entspannung. Ich fing an, jeden zweiten Tag Achtsamkeitsübungen zu machen. Dazu gibt es gute CDs zu kaufen. Am Anfang fiel mir dies wahnsinnig schwer. Ich setzte mich bewusst jeden zweiten Tag für eine Stunde hin (viel Zeit, ich weiß...) und macht diese Übungen. Das Schwere daran war, dass ich mich in dieser zeit nicht ablenken konnte. Egal, was der Sprecher auch sagte, ich bezog alles auf meinen Bauch, war permanent auf meinen Bauch fokussiert. Nach einigen Monaten jedoch ließ das nach. Ich konnte mich gut auf seine Worte konzentrieren, gut abschalten, dachte mal eine Minute nicht an meinen Bauch, dachte mal 5 Minuten nicht an meinen Bauch, dachte mal 15 Minuten nicht an meinen Bauch. Insgesamt war der Gedanke, dass ich mich kaum noch mit Freunden treffe, in keinen Zug und keinen Bus steige und meinem Auto, das schon etwas älter ist, ebenfalls nicht mehr so ganz traue, dennoch überwiegend präsent. Die Achtsamkeitsübungen sind für mich persönlich aber nur ein Aspekt von den vielen gewesen.

                                              Das Entscheidende war jedoch, die Angst zu überwinden. Von einem auf den anderen Tag nahm ich mir vor, kein Imodium mehr zu nehmen, da ich wusste, dass sie mir schaden. Es war wichtig, klein anzufangen und das Ganze auch bei Rückschlägen zu steigern. ich fing an, mit meinem Freund im Auto zu fahren. Zunächst fuhren wir einfach mal eine halbe Stunde durch die Stadt. Ich wusste stets: In 30 Minuten bist du wieder zu Hause, außerdem sind hier überall Restaurants, etc. Dann fuhren wir etwas länger durch die Stadt. Dann machten wir mal einen Spaziergang, bei dem ich es aushalten musste, zu wissen, dass ich nun mindestens 30 Minuten laufen muss, um wieder auf unserer Toilette zu sein. Ich war während dieser Spaziergänge extrem nervös. Mir war heiß, ich hatte Herzrasen, ich dachte permanent, dass das jeden Moment schief geht. Erst als ich wusste, dass wir die Hälfte der Strecke erreicht hatten und wir uns nun ja wieder unserer Wohnung näherten, ließ das Ganze wieder nach. Dann machten wir Spaziergänge 1,5 Stunden, dann von 2 Stunden. Nachdem ich die 2 Stunden geschafft hatte, wusste ich, dass so ein 30 Minuten Spaziergang ja ein Klacks ist, was dazu führte, dass ich den kompletten kleinen Spaziergang völlig entspannt war, auch wenn wir uns noch auf dem Weg "weg von unserer Wohnung" befanden. Nach diesem Schema baute ich auch meine anderen Aktivitäten wieder aus. Zunächst fing ich damit an, mich wieder mit meinen engsten Freunden zu treffen. Ich erzählte diesen ganz offen von meinem Problem. Diese Treffen fanden natürlich bei uns zu Hause statt, in ein Restaurant oder auf Partys wäre ich zu der Zeit nicht für Geld gegangen... Ich musste also "aushalten" lernen, dass Besuch da war, der mitbekam, wenn es mir schlecht ging. Anfangs musste ich dann tatsächlich noch häufig zur Toilette und die Treffen waren eher anstrengend als angenehm. Ich war jedes Mal froh, wenn alle wieder weg waren und ich meine Ruhe hatte. Aber ich habe bewusst versucht, jede Woche Freunde einzuladen, damit das nicht abreißt. Und von Mal zu Mal fühlte ich mich wohler, musste seltener zur Toilette, wurde entspannter, konnte die Treffen wieder genießen. Dann irgendwann war ich mit meinem Freund in einem Einkaufszentrum. Wir wollte in einem quasi- Schnellrestaurant eine Pizza essen, auf die man allerdings warten musste. Wir setzen uns hin, bestellten etwas zu trinken und warteten. Ich wurde wahnsinnig nervös, bekam wieder Hitzewallungen, Bauchschmerzen, musste zur Toilette, zwang mich aber durchzuhalten, mein Essen aufzuessen und danach war ich irre stolz und bin weiter shoppen gegangen. Danach gingen wir zu zweit in ein normales Restaurant, was insgesamt knapp zwei Stunden dauerte und ebenfalls eher als Arbeit als Entspannung war. ;-) Aber je öfter wir essen gingen, desto sicherer wurde ich. Irgendwann gingen wir dann auch wieder mit Freunden essen. Ich habe mir damals eine Liste gemacht und aufgeschrieben, vor welchen Dingen ich Angst habe, weil ich dort Durchfall bekommen könnte. Dann fing ich an, diese Dinge in Kategorien einzuteilen und an jeder dieser Kategorien mit winzigen Schritten anzufangen. Ganz entscheidend war das konstante Steigern. Hatte ich mal zwei Wochen keine Termine, musste ich wieder mit mehr Aufregung rechnen. Zum Thema Uni ist noch zu sagen, dass ich Ewigkeiten keinen Fuß in die Uni gesetzt habe. Auch dies musste sich ändern, sodass ich zunächst nur mal mit dem Auto hinfuhr und wieder nach Hause. Dann ging ich in das Gebäude, dort zur Toilette und fuhr wieder nach Hause. Dann traf ich mich dort mit meinen Freunden und sagte, dass es mir nicht gut ginge, ich also am Rand sitzen möchte, um schnell wieder raus zu können. Und ich musste raus.... aber je öfter ich das machte, desto leichter fiel es mir. Und heute kann ich sagen, dass ich mein Studium bald beenden werde, da ich in den vergangenen 6 Monaten wieder ganz normal studieren werde, im kommenden Frühling mein Examen mache und dann hoffentlich Juristin bin. :-)

                                              Um das nochmal zusammenzufassen: Es ging mir so schlecht, dass ich zuweilen daran dachte, dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Ich sah keine Möglichkeit, mein Studium zu beenden, erst recht schien es mir nicht möglich, jemals in irgendeinem Beruf arbeiten zu können, der nicht von meiner Wohnung aus durchzuführen wäre. Dies alles entwickelte sich innerhalb von wenigen Wochen, obwohl ich davor ein fröhlicher Mensch mit einem großen Freundeskreis, einer fantastischen Familie und keinerlei erwähnenswerten Problemen war... Nachdem ich die Therapie anfing, mit meinem Therapeuten über Gott und die Welt sprach (also gar nicht ausschließlich über dieses "Problem"), die Achtsamkeitsübungen machte und mich vor allen Dingen stetig steigend der Angst aussetzte und sie trotz Herzklopfen, Durchfall, Hitzewallungen (eben akuter Panik) aushielt, kann ich heute sagen, dass ich wieder ein weitgehend normales Leben führe. Nachdem ich ganz klein angefangen hatte, kann ich heute wieder zur Uni gehen, Freunde auswärts und zu hause treffen, nach Indonesien in den Urlaub fahren (also auch ein Flugzeug besteigen :-) ) und endlich wieder glücklich sein. Ich denke noch fast täglich an dieses "Problem" und auch in der Uni, bei Freunden oder im Bus ist das noch manchmal präsent, aber dann bekomme ich kurz Herzklopfen, erinnere mich daran, dass es gar keinen Grund gibt sich aufzuregen, da ich schon ganz andere Sachen "ausgehalten" habe und andere Situationen überstanden habe und dann legt sich das mit wenigen Minuten auch wieder. Was ich dazu sagen muss: Ich würde mich jetzt nicht Situationen aussetzen, in denen ich wüsste, dass garantiert keine Möglichkeit besteht, auf die Toilette zu gehen. ich fahre beispielsweise wahnsinnig gerne in Urlaub, aber eine Autofahrt durch eine Wüste, in der kein Busch und kein Klohäuschen ist, käme auch für mich noch immer nicht in Frage. Damit kann ich aber leben. Psychischer Durchfall lässt sich nämlich auch dann noch prima einhalten, wenn man denkt, dass es nur wenige Sekunden gut geht. Das ist ein subjektives Gefühl, dass nicht der Beschaffenheit des Darmes entspricht (mal akute Erkrankungen außen vor gelassen). Darum lassen sich Zugfahrten, Busfahrten und Autostaus (!! auf unbestimmte Zeit!!) dennoch gut aushalten und es ist keine Schande, einem Auto- oder Busfahrer zu sagen, dass er doch bitte mal rechts ranfahren muss.

                                              Das war meine ganz persönliche Erfahrung und ich bin unendlich glücklich, dass es mir so geht, wie es mir heute geht, weil ich vor 1,5 Jahren nahezu überzeugt davon war, dass es mir nie wieder so gut gehen würde, ich nie wieder so unbeschwert sein würde.

                                              Ich wünsche denjenigen, die mir geschrieben haben, und anderen, die solche Probleme entwickelt haben, alles Gute und ganz viel Mut, Schritt für Schritt zu gehen. Denn das war (zumindest für mich) das A und O!

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                                              • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?


                                                Hallo Benedetta,

                                                ich möchte dir erst einmal dafür danken, dass du hier noch einmal geschrieben hast wie es bei dir weitergegangen ist. Ich hatte deine bisherigen Beiträge bereits gelesen und konnte mich in weiten Teilen damit identifizieren.

                                                Ich bin weiblich, 27 Jahre alt und eigentlich bin ich sehr glücklich. Wenn der Durchfall nicht wäre, der mich bereits seit 3 Jahren begleitet, jedoch zwischenzeitlich auch mal für Wochen oder sogar Monate kein Dauerthema war. Derzeit ist es sehr schlimm. Anstehende Autofahrten, Zugfahrten, Besuch von fremden Orten...äußerst schwierig. Ich zwinge mich dazu es trotzdem zu tun, meist bestätigt es sich, dass es nur eine Kopfsache ist und ich habe es ohne Toilettengang, aber mit viel Angstschweiß, geschafft. Leider reicht diese Bestätigung bei mir bislang nicht aus um deas "Problem" los zu werden. Im Gegenteil, ich bekomme den Kopf von dem Thema nicht mehr frei, es nimmt mich ein. In wenigen Wochen fahre ich alleine mit dem Auto in den Urlaub. Die Hinfahrt habe ich gestückelt, so dass ich an zwei Tagen je 4 Stunden unterwegs sein werde. Panik pur, ich möchte es mir aber beweisen. Vor Ort möchte ich gerne Wandertouren mit einer Gruppe unternehmen, nächster Horror. (Ich machs mir irgrndwie auch nicht leicht ;-)

                                                Ich habe nun den Schritt gemacht meinen Hausarzt um Rat zu fragen. Und siehe da, sie hat mir gesagt man könne das gut therapieren und ich soll diesen Weg ruhig gehen. In 1,5 Wochen habe ich einen ersten Termin. Ich bin gespannt.

                                                Jetzt habe ich seit etwa einer Woche ein (neues Problem). Ich fühle mich sehr abgeschlagen, Zittern, habe Angst depressiv zu werden, bin gleichzeitig aber noch unruhiger und hibbeliger, kann nicht einschätzen ob ich mir Ruhe gönnen oder mich ablenken soll. Die Symtome sind aber auch mal für einige Stunden weg und treten dann wieder auf.

                                                Mich würde der Rat eines Fachmannes interessieren, ob diese Symptome vermutlich damit zusammenhängen, dass ich mich derzeit so intensiv mit dem Thema beschäftige und mich mit einer gewünschten schnellen Genesung unter Druck setze?!

                                                Wenn in diesem Forum noch jemand unterwegs ist kann ich gerne berichten wie es bei mir weitergeht.

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                                                • Re: Wie ist "psychischer" Durchfall zu behandeln?

                                                  Hallo,

                                                  Danke Benedetta für den Beitrag. Er hat mich ein Stück weit mutiger gemacht. Ich leide auch unter Durchfall allerdings kann man sagen das es nicht so schlimm ist wie bei dir. Bei mir kommt es "nur" vor, wenn ich neue Sachen mache oder irgendwo hin gehe, wo ich mich nicht auskenne bzw. Situationen ausgesetzt bin, in denen ich nicht zur Toilette kann. Zum Supermarkt oder spazieren gehen ist kein Problem, aber z.b. mit Freunden essen gehen ist ein Problem. Wenn ich mal was neues unternehme kann ich vorher nichts essen. Um den Durchfall zu stoppen esse ich dann meistens 1 - 2 Bananen. (ich bin nicht so für diese Pharmakram) Das hilft dann auch aber hat zum nachteil, das ich relativ schnell wieder Hunger bekomme.

                                                  Deswegen zum Arzt zu gehen habe ich mir bis jetzt noch nicht getraut. Ich versuche es weiterhin selbst in den Griff zu bekommen. Auch wenn es komisch klingt aber wenn ich zur Zeit dieses Problem habe versuche ich an deinen Beitrag zu denken der mir irgendwie Kraft gibt. Ich würde auch gerne mal persönlich Menschen kennen lernen, dies das gleiche Problem haben, um Erfahrungen und Erkenntnisse auszutauschen, denn bis auf meine Freundin weiß es eigentlich keiner.

                                                  Würde mich über weitere Beiträge hier freuen.

                                                  MFG

                                                  Roby

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