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die Gesellschaft, in der wir leben

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  • die Gesellschaft, in der wir leben

    Suchtentstehung
    Sucht und süchtiges Verhalten ist ein Phänomen, über das wir mittlerweile schon sehr viel wissen, aber noch lange nicht alles. Um es gleich vorweg zu sagen: Wenn ein Mensch süchtig wird oder süchtiges Verhalten zeigt, liegt dies nicht an einer Ursache allein, es ist ein multifaktorielles Geschehen, das zur Ausprägung süchtigen Verhaltens führt. Suchtforscher haben für die Entstehung und Aufrechterhaltung süchtigen Verhaltens drei Ansätze herausgearbeitet, nämlich
    - neurobiologische Ansätze: im Gehirn kommt es beispielsweise zu Fehlsteuerungen;

    - psychologische Ansätze: bestimmte anerzogene oder erworbene Verhaltensmuster führen zur Einnahme von Drogen;

    - soziale Faktoren: die Umwelt, die Lebens- und Wohnbedingungen, die Familie und die Mitmenschen können negative Einflüsse ausüben, die Drogenmissbrauch begünstigen.

    Alkoholismus hat oft eine genetische Komponente
    Viele Erkenntnisse, die man heute zur Suchtentstehung hat, gehen zurück auf Untersuchungen in Zusammenhang mit der Alkoholabhängigkeit. So weiß man heute, dass Alkoholkrankheit familiär gehäuft auftritt. Studien zeigten, dass einer von drei Alkoholkranken wenigstens einen alkoholkranken Elternteil hat Unterstützt wurden diese Erkenntnisse durch Untersuchungen an eineiigen Zwillingen. Auch hier zeigten die Untersuchungsergebnisse eindeutig eine genetische Komponente. Anhand der Untersuchung von Söhnen alkoholkranker Väter ergaben sich Hinweise auf das Risiko, später selbst alkoholkrank zu werden. Etwa 40% dieser Jugendlichen reagierten auf Ethanol weniger intensiv als eine Vergleichsgruppe, deren Väter nicht alkoholkrank waren. Solche Befunde interpretierte man dahingehend, dass einerseits eine verminderte Reaktion auf Ethanol einen Schutzmechanismus des Körpers darstellt, auf der anderen Seite steigt dadurch allerdings das Risiko, mehr zu trinken, um die gleichen alkoholischen Wirkungen zu erleben wie genetisch unbelastete Personen. Die jugendlichen Söhne alkoholkranker Vätern empfanden weniger Warnsignale, die ihnen signalisierten, mit dem Trinken aufzuhören. Dies, so folgerte man. zum Gewohnheitstrinken, zur Toleranzentwicklung und zu einem höheren Alkoholkonsum führen. Auf der anderen Seite gibt jedoch auch Faktoren, die manche Personen vor Alkoholismus schützen: wenn z. B. ihr Organismus eine Isoform der Aldehydrogenase nicht bilden kann, also des Enzyms, das Rolle beim Alkoholabbau im Organismus spielt. Personen denen diese Form des Enzyms fehlt, reagieren aversiv gegen Alkohol, da es bei ihnen nach Alkoholkonsum zu Übelkeit Kreislaufstörungen kommt. Solche Personen leben in Regel abstinent und werden nicht alkoholkrank.

    Wenn der Anblick der Stammkneipe Durst macht
    Was man auch aus der Alkoholismusforschung weiß: Eine für süchtiges Verhalten spielt die Konditionierung, wie Tierversuche zeigten. Auf bestimmte neutrale Reize hin lernten Tiere sich über einen vorher erlernten Mechanismus Nahrung auch Alkohol zu verabreichen. Bei Menschen kann ein kein konditionierender Stimulus beispielsweise ein Umgebungsreiz sein, wie der Anblick der Stammkneipe, des Fernsehsessels oder bestimmten Milieus. Allein diese Anblicke können den Wunsch nach Alkoholaufnahme auslösen. Dieses Verlangen kann so weit gehen, dass bei Abhängigen durch diesen Stimulus unstillbare Gier ausgelöst wird, was als „craving" bezeichnet wird. Neben diesen Stimuli, die als positive Verstärker fungieren gibt es aber auch negative Verstärker wie beispielsweise Entzugserscheinungen. Dabei führen nicht nur körperliche Symptome wie Zittern, Schwitzen, Herzklopfen, sondern auch die psychischen Symptome wie Gereiztheit und Depressivität zur Versagensangst zur erneuten Drogeneinnahme.
    Abhängige, die eine Zeit lang ohne Drogen auskommen mussten, machen zum Teil quälende Entzugssyndrome durch, die das Verlangen nach der Droge verstärken.

    Das mesolimbische dopaminerge Wohlbefindlichkeitssystem
    Bei der Betrachtung suchtrelevanter Vorgänge auf neuronaler Ebene fand man über Tiermodelle heraus, dass hier zahlreiche Hirnareale und neuronale Verschaltungen beteiligt sind. Dopaminerge Neurone sind eingebettet in ein Geflecht von hemmenden und stimulierenden Nervenbahnen, die diese Neuronen aus zahlreichen Hirnregionen beeinflussen. So sind daran serotonerge, glutamaterge, gabaerge, noradrenerge und endorphinerge Nervenzelle beteiligt. Eine besondere Rolle beim Suchtverhalten spielt dabei das mesolimbische dopaminerge Wohlbefindlichkeitssystem. Es wird im Vorfeld einer Drogeneinnahme aktiviert, beispielsweise durch die Erinnerung an die Drogenwirkung, an die Rituale bei der Beschaffung (Stammkneipe, bestimmtes Milieu), aber auch durch die Erinnerung an negative Gefühle, Erfahrungen und Erlebnisse durch die Drogeneinnahme bzw. Nichteinnahme. Zur zentralen Funktion des mesolimbischen dopaminergen Systems gehört die Motivation, zum Alkohol, zur Droge zu greifen bzw. sich den nicht stofflichen Suchten hinzugeben, wie es Suchtforscher beschreiben. Unter Motivation versteht man dabei das zielgerichtete Verhalten eines Organismus, die Umgebung im Hinblick auf seine eigenen Bedürfnisse zu kontrollieren. Für die Entwicklung einer Abhängigkeit dürfte diese motivationale Rolle des mesolimbischen Systems besonders bedeutsam sein. Betrachtet man verschiedene Kulturen und Völker, lässt sich feststellen, dass es verschiedene motivationale Faktoren gibt, wie Psychologen es nennen, Rauschzustände zu erreichen oder die euphorisierende und enthemmende Wirkung von Drogen zu spüren. Ein weiterer Begriff aus der Suchtforschung sollte in diesem Zusammenhang erwähnt werden: die Sensitivierung, die ebenfalls eine Rolle im Zusammenhang mit dem mesolimbischen Wohlbefindlichkeitssystem spielt. Unter Sensitivierung versteht man die Beobachtung, dass nach wiederholter Applikation von Drogen eine qualitative, aber auch quantitative Veränderung einzelner Wirkungen, jedoch nicht aller, beobachtet werden kann. Die Wirkungsveränderung bei wiederholter Applikation von Opiaten gehört zu den qualitativen Veränderungen, während zu den quantitativen Veränderungen die Beobachtung gehört, dass der maximal erzielbare Effekt einer Droge größer wird nach wiederholter Applikation. Beobachtet wurde auch, dass nach Absetzen und Wiederverabreichen einer Droge eine größere Menge der Droge freiwillig eingenommen wird als am Ende der vorangegangenen Periode.

    Vorgänge auf neuronaler Ebene
    Welche Mechanismen zu einer erhöhten Effizienz der neuronalen Übertragung beitragen, ist hochkomplex und noch nicht genau bekannt. Allerdings beobachtete man, dass präsynaptische Dopamin-D2-Rezeptoren, die über einen lokalen Rückkoppelungsmechanismus die Ausschüttung von Dopamin vermindert, eine Rolle spielen. Die stärkere neuronale Übertragung aufgrund der Drogeneinnahme bewirkt, dass diese Rezeptoren herunterreguliert werden, was dazu führt, dass pro Aktionspotenzial mehr Dopamin freigesetzt wird. Ein weiterer Mechanismus für die Erhöhung der neuronalen Übertragung dürfte Anpassung der Zahl der Dopamintransporter sein. Neben präsynaptischen Mechanismen dürften wahrscheinlich auch postsynaptische Vorgänge für die erhöhte Empfindlichkeit eine Rolle spielen. Als weitere Aspekte für die Entwicklung abhängig Verhaltens diskutiert man Veränderungen der Sensitivierung: Substanzen mit Abhängigkeitspotenzial sensitivieren bei wiederholter Einnahme das Wohlbefindlichkeitssystem, so dass Einnahme der Droge einen zunehmend größeren Verstärkereffekt hat. Schließlich sollen auch Glucocorticoide im Laufe der Abhängigkeitsentwicklung eine Rolle spielen, in dem sie das dopaminerge Wohlbefindlichkeitssystem warnen. Beispielswe führt die Applikation von Corticosteroiden zu einer intensiveren Wirkung von Psychostimulanzien.

    Wenn immer mehr Stoff eingenommen wird
    Ein weiterer Begriff aus der Suchtforschung, der bei der Betrachtung abhängigen Verhaltens eine Rolle spielt, ist die Toleranz: durch wiederholte Gabe wird der Abbau der Droge beschleunigt, aber auch eine neuronale Anpassung an wiederholte Drogeneinnahme hervorgerufen. Das bedeut dass bei konstanter Dosis die Wirkungen abnehmen oder die Dosis erhöht werden muss, um gleich bleibende Wirkungen erreichen. Inwieweit die Toleranz für die Abhängigkeitsentwicklung von Bedeutung ist, ist noch wenig untersucht. Man weiß jedoch, dass Toleranz gegenüber den erwünschten und gegenüber den aversiven Wirkungen der Drogen die Menge der eingenommenen Drogen beeinflusst. Dabei gibt es für die verschiedenen Suchtstoffe unterschiedliche Entwicklungsmuster der Toleranz. Gegenüber LSD entwickelt sich beispielsweise eine ausgeprägte Toleranz. Bereits am vierten Tag einer regelmäßigen LSD-Einnahme verschwinden die Drogeneffekte praktisch völlig. Auch nach häufiger Einnahme von Benzodiazepinen sind Toleranzentwicklungen festzustellen, allerdings lediglich gegen bestimmte Wirkungen der Benzodiazepine, z. B. der Sedierung, aber nicht gegenüber der Anxiolyse. Vom Nikotin weiß man, dass es Toleranz gegenüber aversiven Wirkungen wie der Übelkeit ausgeprägter entwickelt als gegenüber den erwünschten Wirkungen. Bei den Opiaten zeigt sich die Toleranzentwicklung in erster Linie gegen die meisten dämpfenden Wirkungen. Auch unter psychologischen Aspekten sind Phänomene der Toleranzentwicklung von Bedeutung. Fallbeispiele von Drogenkranken zeigen, dass eine erworbene Toleranz gegen eine Droge dadurch aufgehoben wurde, dass die Droge in ungewohnter Umgebung appliziert wurde. Tödliche Überdosierungen waren die Folge.

    Alkohol und Opioide
    Interessant sind Untersuchungen, die sich mit der Alkoholaufnahme und den Auswirkungen auf das endorphinerge System befassen. Mittlere und hohe Dosen von Opioiden wie z. B. Morphin vermindern die freiwillige Alkoholeinnahme. Alkoholeinnahme führt zur Ausschüttung von körpereigenen Opioiden (Endorphinen) im Gehirn. Andererseits ist bei Alkoholkranken eine verminderte Konzentration von Betaendorphin festzustellen. Durch die Ausschüttung von Endorphinen nach Alkoholeinnahme zeigte sich im Tierversuch der Wunsch nach weiterem Alkohl. Suchtforscher folgerten daraus, dass Alkohol ein Defizit an körpereigenen Opioiden kompensieren kann, während geringe Dosen von Opiaten eher das Verlangen nach Alkoholeinnahme verstärkten. In anderen Versuchen zeigte sich auch, dass
    Ausschüttung von Endorphinen den Wunsch nach weiterem Alkohol verstärkte. Eine weitere Hypothese geht schließlich davon aus, dass, wie Tierversuche zeigten, auf die Endorphinfreisetzung nach Stress ein Endorphindefizit folgt, das wiederum ein zunehmendes Verlangen nach Alkohol aufkommen lässt.


    Morphin - ein körpereigener Stoff ?
    Beim Abbau von Neurotransmittem im Organismus entstehen bestimmte Kondensationsprodukte, die auch in der Mohnpflanze als Vorstufen für Morphin und Codein gefunden wurden. Seitdem beschäftigen sich Suchtforscher mit der Hypothese, dass Morphin und verwandte Substanzen im Körper von Natur aus vorkommen und ein Defizit der physiologischen Substanzen zu einem Alkoholverlangen führen könnte. Eine Person, die ein Defizit an körpereigenen Opioiden aufweist, empfindet die Aufnahme von Alkohol besonders wohltuend, da die Alkoholwirkung mittelbar verlängert wird. Das wohltuende Gefühl des Alkohols kann durch Bildung dieser Kondensationsprodukte verlängert werden und das vorhandene Defizit an körpereigenen Opiat bei diesen Personen ausgleichen. Bei diesen Personen käme somit immer das Verlangen auf, dieses angenehme Gefühl zu erleben. Solche Erkenntnisse führten schließlich zu der Hypothese, dass Morphin auch bei Menschen und Säugetieren Spuren vorkommt, die allerdings nicht ausreichten, die Opioidrezeptoren zu stimulieren.

    Alles dreht sich um mehr Dopamin im System
    Aus neurobiologischen Ansätzen ist bekannt, dass unterschiedliche Substanzen das mesolimbische Dopaminsystem aktivieren. Stoffe, wie Alkohol, Nikotin, Kokain, Morphin, Heroin und Amphetamin erhöhen, wenn auch auf unterschiedliche pharmakologische Weise, den extrazellulären Dopaminspiegel. Tierversuche haben gezeigt, dass die Aktivität dieses System auch beim Fressen, Trinken und Kopulieren erhöht ist. Drogen können eine verstärkende Wirkung auf dieses System haben. In aller Regel löst die Drogeneinnahme dabei keine bestimmte, genau beschreibbare positive Wirkung aus, vielmehr sind verschiedene pharmakologische, physiologische und emotionale Wirkungen gleichzeitig oder versetzt wahrnehmbar. Eine interessante Beobachtung ist, dass die unterschiedlichsten Drogen zwar alle das dopaminerge mesolimbische System aktivieren, Drogenwirkungen selbst jedoch häufig verschiedene Qualitäten umfassen. Dies dürfte nach Erkenntnissen der Suchtforschung damit zusammenhängen, nicht welche Ereignisse der Konsument erlebt, sondern wie er mit der Verarbeitung von Reizen umgeht und darauf reagiert. Neben der Wirkung als positiver Verstärker für angenehme Empfindungen werden Drogen aber auch eingenommen - wie oben bereits angedeutet -, um unangenehme, aversive Zustände zu verringern oder aufzuschieben. Zu den Missempfindungen, die Drogenkonsumenten mit Drogen zu beseitigen suchen, gehören z. B. schlechte Stimmungszustände (Dysphorie), auch depressiver und ängstlicher Art, Schmerzen und natürlich Entzugssymptome. Deutlich wird die Drogeneinnahme als negativer Verstärker beim Konsum von Nikotin und Alkohol. Raucher und Alkoholkonsumenten geben häufig an, mit der Einnahme dieser Substanzen den Stress besser zu bewältigen. Durch die Einnahme von Alkohol glaubt man, mit Angstsituationen besser umgehen zu können. Die Abnahme der Angst wiederum verstärkt das Trinkverhalten negativ, der Betroffene wird in der nächsten Angstsituation erneut versuchen, mit Alkohol die Situation zu meistern - damit ist der Weg in häufigen oder ständigen Alkoholgebrauch vorgezeichnet.
    Wie entsteht Sucht, was ist süchtiges Verhalten?
    Suchtentstehung

    Die Wirkung der Erwartungshaltung
    Ein psychologisches Phänomen: Die Wirkung einer Substanz wird beim Konsumenten stark durch die Erwartungshaltung beeinflusst, die er sich von der Droge erhofft. Bereits die Ankündigung, dass er eine psychoaktive Substanz verabreicht bekommen soll, ruft viele Erlebens- und Verhaltensweisen hervor. Untersuchungen an Alkoholikern zeigte beispielsweise, dass allein die Meinung, ein alkoholisches Getränk zu konsumieren zu vermehrtem Trinken, zur Abnahme von Angst, Aggression und zur Zunahme von sexuellem Interesse führte und psychomotorische Leistungen beeinträchtigten. Ungeklärt ist jedoch, welcher psychologischen Mechanismen diese Effekte auslösen.

    Verlangen durch äußere Reize
    Weitere interessante Beobachtungen: Reize, die im Zusammenhang mit der Drogenaufnahme und der Drogenwirkung stehe können schon für sich körperliche und psychische Reaktionen auslösen. Allein das Spritzbesteck eines Heroinsüchtigen kann heftige vegetative Reaktionen bei diesen Personen auslöse begleitet vom starken Gefühl, die Droge zu konsumieren. Auch eine Umgebung, in der Heroin gespritzt wird, in der Alkohol konsumiert wird, kann bei abhängigen Personen ein starkes Verlangen nach der Droge bis hin zu körperlichen Reaktionen auslösen. Welche Rolle konsumassoziierte Reize spielen, zeigt sich am einfachen Beispiel der Nikotinentwöhnung. Nikotinsubstitution durch Gabe von Nikotinpflastern oder -Kaugummis kann die Entzugsymptome praktisch vollständig unterdrücken. Allerdings bleibt das Verlangen nach dem Genuss von Zigaretten bei sehr vielen Nikotinabhängigen bestehen, da die Nikotingabe allein nicht das „Rauchvergnügen", also die für den Raucher angenehmen sensorischen und oralen Reize, ersetzt.



    Craving: das Nicht-aufhören-Können
    Ein Grund, warum Drogenabhängige nicht von der Droge lassen können, liegt in einem anhaltenden oder plötzlich wieder auftretenden Verlangen nach einer bestimmten Substanzwirkung (was Suchtforscher als „craving") bezeichnen. Dieses starke Verlangen wird häufig als entscheidender Grund dafür angegeben, dass der Konsum fortgesetzt wird, oder dass der Drogenabhängige nach Abstinenzzeiten rückfällig wird. Fallbeispiele zeigen, dass dieses Verlangen auch durch Umgebungsreize oder Stimmungen ausgelöst werden kann, die der Abhängige mit dem Drogenkonsum assoziiert. Selbst Umgebungsreize, die zusammen mit Entzugssymptomen auftraten, bewirken den Zustand des cravings, den der Abhängige durch erneute Einnahme der Droge zu beseitigen sucht.

    Wer ist anfällig für Drogenmissbrauch?
    Psychologen versuchen mit Hilfe der Methoden der Persönlichkeitsforschung herauszufinden, wer von den Jugendlichen und Heranwachsenden für Drogenmissbrauch anfällig ist. Ergebnisse stützen sich vor allem auf Untersuchungen an Alkoholabhängigen. Jugendliche, die zum Alkoholmissbrauch neigen, weisen einen erhöhten Neurotizismus auf (emotionale Labilität, die den Menschen dafür anfällig macht, bei sehr großer Belastung neurotische Symptome zu entwickeln), aber auch eine erhöhte Impulsivität. Bei jugendlichen Rauchern zeigte sich, dass diese zunächst extrovertiert waren und anfänglich in zufriedenstellenderen sozialen Beziehungen lebten als Nichtraucher. Später jedoch
    waren die Raucher nicht mehr extrovertierter als Nichtraucher, allerdings depressiver und sie hatten unbefriedigendere Soziabeziehungen. Die Psychologen fanden außerdem heraus, dass den Heranwachsenden eine erhöhte Impulsivität mit erhöhtem Risiko für Drogenkonsum einherging. Auffälligkeiten zeigen sich auch, wenn man sich die Charaktere von Jugendlichen ansieht. Bei denen, die eher ein scheues, ängstliches und gehemmtes Verhalten zeigten, war das Risiko für den Drogengebrauch wesentlich geringer als bei denen, die extrovertierter waren.

    Der Einfluss von sozialen Faktoren
    Neben neurobiologischen und psychologischen Fragen Suchtentstehung spielt ein dritter Bereich eine wesentliche Rolle: die sozialen Faktoren, die zum Drogenkonsum und Drogenmissbrauch führen. Soziologen und Psychologen haben versucht, herauszufinden, welche Rolle z. B. die Umwelt, die Famillie, der Freundeskreis, die Schule, der Beruf oder die Gemeinde und der Stadtteil spielen, aber auch die soziale Lage des Einzelnen und die auf ihn einwirkende gesellschaftliche Kontrollmechanismen. Auch aus dem Blickwinkel des Soziologen gilt Drogenkonsum als multifaktorielles Geschehen, bei dem
    Umwelt, Person und Droge sich gegenseitig beeinflussen. Von Bedeutung ist dabei natürlich zunächst die Verfügbarkeit von Drogen: Welche Drogen sind für den Einzelnen zugänglich und unter welchen Bedingungen, welche Preise werden für die Drogen verlangt, wie groß ist das Angebot? Hinzu kommt, wie die Gesellschaft die einzelnen Substanzen bewertet. So gelten Alkohol Nikotin in aller Regel als akzeptierte Drogen, während die Gesellschaft Heroin und Kokain in aller Regel ablehnt. Bei Cannabis und Ecstasy zeigt sich je nach Alter, Lebenseinstellung und sozialem Hintergrund eine unterschiedliche Bewertung. So gelten bei vielen Jugendlichen Cannabis und Ecstasy als nette Partydroge, während Erwachsene diese Drogen ablehnen, auch vor vor Hintergrund des Wissens um die Gefährlichkeit dieser Substanzen. Von Bedeutung ist auch, welche Konsummuster von Droge in der Gesellschaft akzeptiert sind und welche nicht: Während das Trinken von Alkohol akzeptiert ist, wird das Spritzen einer Droge nicht hingenommen.

    Wie gesellschaftliche Ziele erreicht werden
    Soziologen versuchen die Frage, ob eine Person zum Drogenkonsum neigt, u. a. damit zu erklären, wie Personen auf die kulturellen und sozialen Strukturen unserer Gesellschaft reagieren, ob sie z. B. die kulturellen Ziele einer Gesellschaft teilen und wie sie damit zurecht kommen, die Ziele auf den allgemein anerkannten Wegen zu erreichen. An dem Modell des Soziologen Merton lässt sich dies veranschaulichen: Finanzieller Erfolg wird von der Gesellschaft als erstrebenswertes Ziel anerkannt. Einigen Personen in unserer Gesellschaft gelingt es, dieses Ziel durch Konformität und durch Anpassung zu erreichen, d. h., sie akzeptieren die kulturellen Ziele und die Wege zur Erreichung dieses Ziels, beispielsweise durch Lernen, Arbeit und Fleiß. Daneben gibt es Personen, die dieses Ziel nicht erreichen, aber trotzdem unsere kulturellen Ziele anerkennen und, wohl wissend dass sie den finanziellen Erfolg nicht erreichen werden, weiterhin gemäß den anerkannten Regeln unserer Gesellschaft arbeiten. Daneben gibt es jedoch auch Personen, die zwar die Ziele dieser Gesellschaft anerkennen, aber mit innovativen Methoden versuchen, dieses Ziel zu erreichen, wobei Soziologen als „innovative Methoden" auch unerlaubte Wege verstehen bis hin zur Kriminalität wie Steuerhinterziehung und Eigentumsdelikte. Eine weitere Gruppe von Personen reagiert mit Rebellion gegen die sozialen und kulturellen Strukturen unserer Gesellschaft. Sie akzeptieren weder die kulturellen Ziele noch die Wege, diese Ziele zu erreichen. Sie lehnen finanziellen Erfolg ab und streben einen strukturellen Wandel an, in dem ökonomische Werte an Bedeutung verlieren. Schließlich findet sich bei Merton noch eine fünfte Gruppe von Personen, die auf das Ziel und auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen, in unserer Gesellschaft mit Apathie reagieren und sich zurückziehen. Wie Soziologen festgestellt haben, drückt sich dieses Rückzugsverhalten in deviantem Verhalten aus, d. h., diese Personen weichen vom normalen Weg ab, sie verletzen Normen und Werte der Gesellschaft, sie verhalten sich nicht so, wie es ,er Rest der Gesellschaft von ihnen erwartet. Solches deviantes Verhalten drückt sich durch psychische Erkrankungen oder letztendlich auch durch Drogensucht aus. Personen, die festgestellt haben, dass sie keinen Zugang zu den allgemein anerkannten gesellschaftlichen Zielen haben, reagieren mit Rückzug. Nachdem sie mehrmals versucht haben, diese Ziele zu erreichen wenden sie sich von diesen Zielen ab und erachten sie nicht mehr als erstrebenswert. Drogenabhängige begeben sich so Abseits, sie werden zu Außenseitern der Gesellschaft, Rückzugsmittel ist für sie der Konsum von Drogen. Weitere Theorien der soziologischen Forschung berücksichtigen auch die unterschiedlichen Chancen, auf nicht legale Weise Ziele zu erlangen. Personen, die zur mittleren und oberen sozialen Schicht gehören haben eher Zugang zu legitimen Mitteln, bestimmte gesellschaftliche Ziele zu erreichen, während Angehörige der Unterschicht eher Wege haben, mit illegitimen Mitteln ihre Ziele zu verfolgen. Ganz konkret bedeutet das, dass Personen, die aus gut situiertem Elternhaus stammen, eher das Ziel des finanziellen Erfolges durch eine ordentliche Berufsausübung erreichen, als Personen die in Slumgebieten aufwachsen. Umgekehrt haben Angehörige aus den niederen Schichten eher Zugang zu den kriminellen Wegen, um zu finanziellem Erfolg zu kommen. Aber, Soziologen wissen auch, dass die Frage, ob illegale Mittel eingesetzt werden, nicht allein von ihrer Verfügbarkeit abhängt. Entscheidet ist auch, inwieweit die gesellschaftlichen Normen und Werte verinnerlicht wurden. Aus soziologischer Sicht wird generell der missbräuchliche und abhängige Konsum von Drogen als Folge abweichenden Verhaltens angesehen. Drogenmissbrauch und Drogensucht dienen zur Situationsbewältigung. Anfällig sind vor allem Personen, denen die anerkannten Wege zur Erreichung kultureller Ziele verwehrt geblieben sind. Wenn die Wege, mit legalen Mitteln finanziellen Erfolg und gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen, nicht funktionieren, werden als Reaktion darauf die illegitimen Wege beschritten, die ebenfalls nicht erfolgreich sein können. Das doppelte Versagen führt dann zu eine apathischen Rückzugsverhalten und mündet in die Drogenabhängigkeit.

    Der Einfluss des Milieus
    Soziologen gehen davon aus, dass abweichendes Verhalten von der Norm innerhalb eines bestimmten sozialen Umfelds erlernt wird. Je häufiger, länger und intensiver Personen Kontakt zu solchen Personen haben, die bereits drogenabhängig sind und entsprechende Verhaltensmuster aufweisen, um so wahrscheinlicher ist es, dass solche Verhaltensmuster erlernt werden, sprich dass sie ebenfalls dem Drogenkonsum zuzusprechen. Allerdings ist dieser Weg nicht zwangsläufig vorgezeichnet. Hinzu kommen muss in aller Regel, dass mit dem abweichenden Verhalten eine höhere Wertschätzung (z. B. innerhalb dieser Gruppe) verbunden ist, die eine mögliche Gefährdung durch das abweichende Verhalten überwiegt. Auch der Konsum illegaler Drogen gilt - ähnlich wie der weit verbreitete Konsum legaler Substanzen - unter Soziologen als erlerntes Verhalten. So nehmen die Drogenabhängigen in aller Regel die Drogenkonsummuster an, die in ihrem Umfeld als etabliert gelten. Gilt in einer Familie der Konsum von Alkoholika als typisches Verhalten, so ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die Kinder dieses Verhalten übernehmen und das Trinken von Bier, Schnaps und Wein - auch im Übermaß - als etwas ganz Selbstverständliches betrachten. Hinzu kommt, dass negative Folgen von Drogenkonsum in aller Regel in den Hintergrund treten, zumal sie sich erst zeitlich verzögert bemerkbar machen (Abhängigkeit, gesundheitliche Schäden).

    Das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Szene
    Personen, die sich dann aus der Gesamtgesellschaft ausgeschlossen fühlen, finden sich nicht selten wieder mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl in der Drogenszene wieder. So ist der Konsum vor allem illegaler Drogen häufig mit der Zugehörigkeit zu einer Subkultur in Form einer Drogenszene verbunden ist. Daneben gibt es allerdings auch Drogenabhängige, die als Einzelgänger angesehen werden, die sich nicht gleich gesinnten Drogenabhängigen anschließen, sondern eigene Wege gehen, wenngleich sie immer wieder die Drogenszene als solche aufsuchen müssen, um sich die Droge zu besorgen. Für manche Personen, die Drogenabhängigen nahe stehen, reicht der Kontakt zur Drogenszene oder eine emotionale Verbundenheit mit diesen Personen, um selbst in die Szene abzugleiten und Drogen zu konsumieren. Andererseits werden Personen, die in der Szene sind und über längere Zeit keine Drogen mehr nehmen, nicht mehr als Mitglieder dieser Gemeinschaft wahrgenommen. Dies bedeutet aber auch, dass für Personen der Ausstieg aus dem Drogekonsum in aller Regel nur dann möglich ist, wenn sie keinen Kontakt mehr zur Drogenszene haben.
    (z.B. ab auf die weiße Insel in den einsamen Wald, geborgen in einer „Wolfshöhle“ mit Meeresblick – (pers. Anmerkung))

    Weil es die Gesellschaft nicht akzeptiert
    Eine weitere Theorie der soziologischen Forschung geht da aus, dass Drogengebrauch,
    -missbrauch und -abhängigkeit dann zu einem abweichenden Verhalten führt, wenn die Gesellschaft dieses Verhalten als solches etikettiert. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, inwieweit die Droge und ihr Gebrauch der Gesellschaft verwurzelt ist und als normal gilt. Das Kauen von Kokablättern gehört beispielsweise bei den Koka-Bauern den peruanischen Anden zum Alltag, der Kokainkonsum unseren Breiten hingegen wird als Drogenmissbrauch etikettiert. Noch deutlicher wird diese Theorie an den Beispielen Alkohol und Nikotin. Nikotinabhängigkeit gilt in Deutschland gesellschaftlich akzeptable Verhaltensweise. Selbst gelegentlicher Alkoholmissbrauch wird in unserer Gesellschaft akzeptiert und gilt nicht als abweichendes Verhalten von der Norm - im Gegensatz zur Alkoholabhängigkeit (Trinksucht).


    Der Einfluss von Familie und Freunden
    Geht man davon aus, dass Suchtentstehung ein multifaktorielles Geschehen ist, so ist leicht einsehbar, dass auch Aspekt der sozialen Lebensumwelt bei der Entstehung der Drogensucht eine Rolle spielen. Soziologen unterscheiden dabei drei Ebenen, die ihren Beitrag zum Drogengebrauch leisten:

    - Familie und Freundeskreis,
    - schulische und berufliche Einflüsse, sowie das Leben in einer Gemeinde,
    - soziale Lage und gesellschaftliche Kontrollmechanismen.

    Vor allem Familie und Freundeskreis tragen entscheidend dazu bei, ob Personen den Weg in die Drogenabhängigkeit einschlagen oder nicht. In der Familie lernt ein Kind, welche Form von Drogenkonsums akzeptabel ist und welche nicht und wann beispielsweise der Konsum von Alkohol toleriert wird, so z. B. bei Familienfeiern oder zur Bewältigung von Stress. Empirische Untersuchungen zeigen, dass z. B. Kinder aus Familien, in denen Rauschdrogen konsumiert werden, eine niedrigere Schwelle haben, ebenfalls Drogen zu missbrauchen als Kinder aus Familien mit drogenabstinenten Eltern. Daneben sind auch familiäre Belastungen für die Entstehung von Drogensucht von Bedeutung. Muss eine Familie beispielsweise viele Probleme bewältigen, kommt es zur Scheidung der Eltern, dann sind Kinder häufiger der Gefahr ausgesetzt, Halt im Drogenmilieu zu suchen.
    Ähnlich, wie in einer Familie Normen und Werte festgelegt werden, wann der Gebrauch von Drogen als akzeptabel gilt, so bilden sich auch im Freundeskreis Werte und Normen heraus, welche Drogen als akzeptabel erscheinen und wann sie konsumiert werden. Sind Jugendliche in einen Freundeskreis eingebettet, der gegen Drogen eher eine ablehnende Haltung einnimmt, gilt dies als protektiver Faktor gegenüber Drogenmissbrauch und Drogenabhängigkeit. Und umgekehrt: Bewegen sich Jugendliche in Freundeskreisen, in denen eine niedrige Hemmschwelle besteht, Drogen zu konsumieren, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch Jugendliche aus ansonsten stabilem Elternhaus Drogen ausprobieren und in die Drogenabhängigkeit geraten. Je mehr Freundinnen und Freunde eines Kindes Drogen konsumieren, um so höher ist die Wahrscheinichkeit, selbst Drogen zu nehmen.

    Schule - Hilfe und Gefahr
    Einen positiven wie auch negativen Beitrag kann die Institution Schule zur Drogenabhängigkeit eines Kindes leisten. Als zentrale Lebenswelt für Kinder und Jugendliche vermittelt sie Normen und Werte. Während der Schulzeit bilden sich bei den Kindern Einstellungen und Verhaltensweisen heraus, auch in der Frage, wie mit Drogenkonsum umzugehen ist. Durch eine aufklärerische Behandlung des Themas Drogenkonsum und Drogenabhängigkeit kann die Schule dazu beitragen, Kinder von der Drogenszene fernzuhalten. Auf der anderen Seite ist Schule für den Jugendlichen auch ein Grund für Stress, Leistungsdruck und damit verbundenen Problemen. So sind sich Soziologen einig, dass schulische Belastungen, Angst vor Leistungsversagen,
    Schulleistungsschwächen und schlechte Berufsaussichten, einer erhöhten Neigung einhergehen, Drogen zu nehmen. Das Kind, der Jugendliche erfährt durch den Konsum bestimmter Drogen, dass sie Angst lösend und beruhigend wirken oder leistungs- und
    -antriebssteigernd wirken und sich Schulstress dadurch leichter bewältigen lässt. Mitunter leisten Eltern diesem Verhalten Vorschub, indem sie ihren Kindern psychoaktive Substanzen vom Arzt verordnen lassen, wenn sie in der Schule nicht mitkommen.

    Auslöser Stress im Beruf
    Ähnliche Verhaltensweisen zeigen sich im beruflichen Le Auch hier ist die Person hohem Leistungsdruck und berufliche Anforderungen ausgesetzt, die man mit dem Konsum von Drogen in den Griff zu bekommen versucht. Hinzu kommt, dass sich in manchen Berufen bestimmte Konsumverhaltensweisen ausgebildet haben, mit denen nicht jeder adäquat umgehen kann. So ist es oft üblich, dass zu Geburtstagsfeiern oder positiven Geschäftsabschlüssen Alkohol konsumiert wird. Besonders gefährdet sind auch alkoholnahe Berufe, z. B. Kellner oder Winzer, aber auch Bauberufe oder Kontaktberufe z. B. Vertreter. Auch in Heilberufen sind besondere Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol festzustellen. So suchen mitunterter Ärzte oder Pflegepersonal den großen Druck, den ihre Arbeit mit sich bringt, durch den Konsum von Alkohol auszugleichen. Auch der Übergang von Arbeitszeit zur Freizeit wird nicht selten durch Alkoholkonsum markiert. Alkohol wird assoziiert mit Freizeit, mit Erholung und Entspannung. Wer sich im Beruf unter Druck fühlt und angespannt ist, neigt leichter dazu, Spannung und Erholung in der Freizeit durch Alkoholkonsum zu suchen. Einläufige Gelegenheiten zum Trinken können somit schleichend zu häufigem Alkoholkonsum und damit in eine Alkolabhängigkeit führen.

    Arbeitslosigkeit als Verstärker
    Als wichtiger Faktor für die Verstärkung oder Verlängerung Drogenproblemen, insbesondere von Alkoholproblemen gilt die Arbeitslosigkeit. Sie führt zu psychosozialen Belastungen,
    zum Verlust sozialer Beziehungen, zu Depression und Isolation. Auch hier weiß man aus empirischen Studien, dass arbeitslose Personen stärker zu Missbrauch von legalen Drogen neigen als andere.

    Wenn die Wohngegend zur Belastung wird
    Einen Einfluss auf die Neigung, Drogen zu konsumieren, oder auf den Drogenkonsum selbst hat schließlich auch der Bereich der Wohnung und das persönliche Umfeld. Schlechte Wohnbedingungen, zu geringe Wohnfläche und eine niedrige Wohnausstattung, ungesicherte Mietverhältnisse, großer Lärmpegel, schlechte Luftqualität, Konflikte und Spannungen zwischen den Bewohnern führen zu Anspannung und Konflikten, die sich auf die Familien und auf die Kinder auswirken. Wohnungen an verkehrsreichen Straßen, abgewohnte Hochhausviertel sind Belastungsfaktoren für ein positives familiäres Klima. Die soziologische Forschung kann hier nachweisen, dass ein stabiles und zufriedenstellendes familiäres Klima einen wirkungsvollen Schutz gegenüber missbräuchlicher Drogenanwendung darstellt. Wobei es natürlich auch hier Ausnahmen von der Regel gibt. Auch Kinder aus so genannten geordneten und gut situierten Verhältnissen können in die Drogenabhängigkeit geraten, was dann allerdings eher auf mangelnde Zuneigung, schlechten Freundeskreis, psychische Anspannung und vieles andere zurückzuführen ist.

    Der Einfluss der Gesellschaftsschicht
    Ein Risikoverhalten wie Drogenkonsum ist mehr oder weniger schichtspezifisch, wie die soziologische Forschung nachweisen kann. Untersucht wurde dies an den Beispielen Alkohol und Nikotin. Während bei Männern der Alkoholkonsum generell über alle Schichten in etwa gleich verteilt ist, nimmt der Alkoholkonsum bei Frauen mit steigender Schicht zu. Zigarettenkonsum ist dagegen in den unteren sozialen Schichten weiter verbreitet. Dort findet sich auch häufiger Medikamentenmissbrauch. Männer der Oberschicht trinken häufiger regelmäßig Alkohol, nehmen allerdings geringere Mengen zu sich als Männer aus der Unterschicht. Auch beim Zigarettenkonsum sind in den unteren Schichten härtere Konsumverhalten festzustellen. Dort liegt Zahl der gerauchten Zigarette und die Länge der Züge pro Zigarette höher als in oberen Schichten. Die Forscher folgern daraus, dass mit steigender sozialer Schicht die Wahrscheinlichkeit riskanter Drogenkonsummuster sinkt. Interessant ist eine weitere Feststellung: Kauf und Verkauf von Alkoholika in westlichen Gesellschaften ist stark vom Preis abhängig, das heißt über den Preis lässt sich der Alkoholkonsum steuern. Je teuerer der Alkohol ist, um so weniger werden Alkoholika gekauft. Auch Verkaufsbeschränkungen für Alkoholika könnten nach Ansicht von Soziologen den Konsum von Alkoholika reduzieren. Beispiele von Ländern, in denen Alkoholika nur in dafür lizenzierten Geschäften verkauft werden dürfen, scheinen dies zu belegen. Auch beim Nikotinkonsum kann die Erhöhung der Tabak einen niedrigeren Konsum bewirken: Wird die Tabaksteuer 1% erhöht, geht der Konsum um etwa 0,5% zurück. Schließlich könnte auch die Festlegung von Altersgrenzen, ab der Konsumdrogen wie Alkohol oder Nikotin erworben werden dürfen,einen Beitrag dazu leisten, dass der Einstieg in den Gebrauch bzw. Missbrauch verzögert wird und damit die gesundheitliche Folgen. Durch Alkoholeinfluss hervorgerufene Straßenunfäll gingen jedenfalls zurück, wenn die Altersgrenzen für Erwerb von Alkoholika erhöht wurden. Soziologen haben jedoch auch erkannt, dass sich letztendlich eine manifeste Drogenabhängigkeit nicht mehr über gesellschaftliche Kontrollmechanismen steuern lässt, abhängige Personen werden dadurch verstärkt in die Illegalität gedrängt.

    Aus Drogen und Sucht (Pallenbach, Ditzel) © 2003 Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart


  • Alcoholismus chronicus


    Alcoholismus chronicus

    Wen der Trunk körperlich, psychisch oder in seiner sozialen Stellung deutlich geschädigt hat, wird als Alkoholiker bezeichnet.
    Vom Alkoholismus hat man die „einfache Trunksucht" abgegrenzt. Im Gegensatz zum Alkoholismus hätte sie noch nicht zu körperlichen und psychischen Alkohol-Schäden geführt. Von Gesunden, die alkoholische Getränke gebrauchen, würden sich Trunksüchtige dadurch unterscheiden, dass sie vom Alkohol auch dann nicht mehr lassen könnten, wenn sie es wünschten; sie ständen im Gegenteil unter einem inneren Zwang, sich Alkohol zu verschaffen. - Die Unterscheidung ist theoretisch. In Wirklichkeit klagt so gut wie niemand dem Arzt darüber, dass er den Alkohol trotz besserer Einsicht nicht mehr lassen könne, solange sich gar keine ungünstigen Folgen des Alkohols gezeigt haben. Objektiv festzustellen ist der „innere Zwang zum Trunk" schon gar nicht.
    Im allgemeinen spielt für den Arzt die Trunksucht erst dann eine Rolle, wenn sie Schädigungen setzte, d. h. wenn sie zum Alkoholismus führte. - Die einfache Trunksucht bedarf keiner gesonderten Besprechung.

    Körperliche Schädigungen.
    Sie haben in der Psychiatrie, abgesehen von ihrer Wichtigkeit für Diagnose und therapeutische Indikationen, deswegen eine besondere Bedeutung, weil ihr Nachweis dem Laien am besten begreiflich macht, dass es sich wirklich um Alkoholismus und um eine „Krankheit" handelt - und die Mitwirkung des Laien in der Betreuung von Alkoholikern ist ja notwendig.
    Die häufigsten und für den Alkoholismus am meisten bezeichnenden Körpersymptome sind von Seiten des Nervensystems ein Zittern, das unter Alkoholabstinenz häufig rasch zurückgeht, und Zeichen einer leichten Polyneuritis (Druckempfindlichkeit der Nervenstämme, Gliederschmerzen, Hypalgesien), von Seiten des Verdauungstraktes der Magenkatarrh mit morgendlichem Brechen und die Lebervergrößerung mit Laboratoriumsbefunden, die für Leberschädigung bezeichnend sind. Die andern Körpersymptome treten weniger häufig auf oder sind weniger charakteristisch für den Alkoholismus.
    Das Zittern ist unter gewöhnlichen Umständen gleichmäßig und fein und wächst erst in schweren Fällen zu einer groben Bewegungsstörung aus, die nüchtern am heftigsten zu sein pflegt und den Trinker zwingen kann, sein erstes Glas am Morgen vom Tisch weg auszutrinken, weil er es in der Hand verschütten würde. Die Kranken können oft das Zittern durch Willensanstrengung oder instinktiv verbergen; streckt man die Hände mit gespreizten Fingern aus mit der Aufforderung, es nachzumachen, so werden regelmäßig zwar die Hände ausgestreckt, die Finger aber nicht gespreizt, weil sie sonst (stärker) zittern würden; man muss die Kranken dazu besonders auffordern.
    Sonst sieht man noch ab und zu Zuckungen in verschiedenen Muskelgruppen, Neigung zu Wadenkrämpfen, und in den höheren Stadien werden die Trinker kraftlos, der Gang unsicher, das Gesicht wird schlaff, ähnlich wie bei einem Paralytiker. Zum Teil sind die motorischen Störungen auf die alkoholische Myopathie zurückzuführen. Sie ergreift besonders die Musculi deltoides und Quadriceps. Motorische Störungen (besonders an den Beinen) sind auch nicht selten Folge von lileinhirn-Atrophie.
    Die Pupillen reagieren oft in den Stadien, da die Patienten in die Klinik kommen, eher schlecht, können auch leicht ungleich sein; nach einiger Zeit Abstinenz ist aber meist alles normal. Die alkoholische Opticusatrophie mit der Abblassung der temporalen Seite der Papille und dem Farbenskotom ist bekannt. Viel seltener sind Lähmungen von Augenmuskeln oder der Gliedmaßen zufolge
    Neuritis.
    Die Sehnen-Reflexe sind je nach dem Stande der anatomischen Degeneration normal oder erhöht, bei Polyneuritis fehlend.
    Auf sensorischem Gebiete findet man bei genauerem Zusehen oft lokale Herabsetzung der Sensibilität in einzelnen Hautpartien, namentlich den Unterschenkeln, infolge von Degeneration einzelner Hautäste; in der Tiefe treten vage Schmerzen auf, die leicht als rheumatische behandelt werden. Periphere und spinale Degenerationen können sieh zu einer Pseudotabes alcoholica steigern. (wüster Kopf, Schwindel, Mouches volantes, Sausen im Ohr u. dgl. Störungen sind hingegen meist Zeichen der fortdauernden akuten Vergiftung.)
    Epileptische Anfälle können sich einzelnen Exzessen oder akuten Alkoholpsychosen (Delirium tremens, Polioencephalitis) anschließen oder können das Bild des einfachen, chronischen Alkoholismus auch sonst komplizieren.
    Der Schlaf wird ungleich, bald schwer, bald zu spärlich oder unruhig. Daher das Bedürfnis, sich abends die nötige „Bettschwere" anzutrinken.
    Eine beim Alkoholismus sehr gewöhnliche, sonst gar nicht so häufige Krankheit ist der wirkliche chronische Magenkatarrh, der bloß Schleim und Speichel zutage fördert, ist ein gewöhnliches Zeichen des Alkoholismus (bei Frauen Schwangerschaft ausschließen).
    Der Alkoholismus ist nicht die einzige Ursache von Leberzirrhosen, wohl aber bei uns bei weitem die häufigste.
    Bei schweren Formen der alkoholischen Leberzirrhose ist die Psyche meistens mitbeteiligt, umgekehrt besteht aber nur bei einem kleinen Teil der psychisch schwer geschädigten Alkoholiker eine schwere Leberzirrhose. Sie kann eine AmmoniakVergiftung zur Folge haben, die zum Alkoholschaden des Hirns einen neuen Schaden setzt.
    Auch die Leberverfettung kann mit dem Alkoholismus zusammenhängen. Sie tritt regelmäßig auf, wenn mehr als 80 g reinen Alkohols im Tage eingenommen werden. Seltener ist das Zieve-Syndrom (hämolytische Anämie, Ikterus, Hyperlipämie bei alkoholischer Leberschädigung, Schmerzen im Oberbauch). Es kann akut beginnen und bei Alkohol-Abstinenz rasch zurückgehen.
    Chronischer Alkoholismus fördert die Bereitschaft zu Pankreatitis und zu Speiseröhren- und Magenkrebs.
    Der Ernährungszustand ist verschieden. In den schweren Formen besteht meist entweder ein aufgeschwemmtes Aussehen oder mehr oder weniger ausgesprochener Marasmus, das erstere hauptsächlich im Anfang, das letztere in den späteren Jahren der Krankheit.
    Allgemein bekannt, aber wenig charakteristisch und diagnostisch bedeutungslos ist die Erweiterung der Gefäße, namentlich im Gesicht, die auch in leichteren Fällen die Haut röter erscheinen lässt als normal. In gewissen schweren Fällen kommt die Venenerweiterung an der Nase und den anliegenden Partien der Wange besonders stark zum Ausdruck; schließlich kann die Farbe mehr ins Blaue übergehen, und in einzelnen Fällen entwickelt sich Akne rosacea.
    Bei den meisten Trinkern kommt es indes nicht zu einer so starken Entstellung.
    Am Herzen gibt es eine alkoholische Verfettung, die bei Abstinenz heilen, bei erneutem Alkoholgenuss wieder erscheinen kann. Sie ist die wichtigste Ursache der gewöhnlichen Symptome ungenügender Zirkulation, des unregelmäßigen Pulses und der Herzvergrößerung der Trinker („Bierherz").
    Die Potenz nimmt in den späteren Stadien ab und sinkt oft bis nahe auf Null; die Libido, die anfangs gewöhnlich stark aufgepeitscht ist, erhält sich meist länger. Die Hoden atrophieren in den schweren Fällen diffus. Dementsprechend bildet sich oft die Körperbehaarung zurück und nimmt einen weiblichen Typus an; auch ist die 17-Ketosteroid-Ausscheidung im Urin leicht vermindert. Im Zusammenhang damit und mit der Leberschädigung tritt oft ein Haarverlust in den Axillen und am ganzen Rumpf auf, und die Abgrenzung der Schambehaarung verschiebt sich nach dem weiblichen Typus. Bei Frauen tritt Amenorrhoe auf.
    Andere häufige Befunde: Hvperlipoproteinämie, hämolytische und hyporegeneratorische Anämien, verminderte Knochenmarksfunktion und Granulocyten - Reserve, Depression der Granitlocytenmobilisation, Suppression der Lymphocytentransformation der Immunocyten, Thrombocytopenie, verlängerte Blutungszeit.
    Die Bedeutung der Entzugserscheinungen wird heute überschätzt. Beide Autoren dieses Buches haben mehrere hundert schwere Alkoholiker nach plötzlichem Alhoholentzug behandelt und außer Verstärkung des Tremors und Unbehagen während einiger Stunden oder ganz wenigen Tagen keine Entzugserscheinungen gesehen. Epileptische Anfülle und Delirium tremens können dem Alkoholentzug vorangehen oder ihm nach einigen Stunden oder Tagen folgen.
    Frauen werden im Durchschnitt durch Alkohol körperlich eher und schwerer geschädigt als Männer.
    Alkoholgenuss in der Schwangerschaft gefährdet das Kind mit mannigfachen Missbildungen („fetales Alkohol-Syndrom") und mit Schwachsinn. Nach den bisherigen Erfahrungen ist das Kind schon gefährdet, wenn die Frau 50 g reinen Alkohol am Tag konsumiert. Bei einem Tageskonsum von über 150 g ist die Hälfte der Kinder schwer geschädigt.

    Psychische Schädigungen. Die gewöhnliche, chronische psychische Schädigung, die noch nicht psychotische Grade erreicht, kann man als „alkoholische Wesensveränderung" bezeichnen. Ihre Genese wird aus einer Verflechtung von psychoreaktiven Störungen und den psychischen Folgen der alkoholischen Hirnschädigung verständlich. Häufig liegt schon die Ursache des Alkoholismus weitgehend in einer ungünstigen persönlichen Entwicklung und in einer schiefen Einstellung zur Umwelt. Auf alle Fälle drängt der Alkoholismus selbst den Kranken in eine innerlich gespannte Lage; er kommt mit seiner Frau, seinen Kindern, seinen Arbeitgebern, einem Teil seiner Freunde, der Polizei und den Behörden in Konflikt. Er leidet schwer unter dem eigenen schlechten Gewissen seinen Angehörigen und seiner Tradition gegenüber. Sein Geltungsbedürfnis und sein Ehrgefühl werden beständig verletzt. Er erlebt seinen unaufhaltsamen sozialen Abstieg. Die schweren inneren Spannungen, die daraus entstehen, führen zu Verdrängungen, die die Erinnerungsfähigkeit und das Urteil schwächen, zum Lügen und Zurschaustellung einer Scheinexistenz von Kraft und Selbstbewusstsein, zu regressiven Erscheinungen im Sinne des affektiv Unbeherrschten und zu wahnhaften Entwicklungen im Sinne der Eifersucht und Verfolgung. Bald früher, bald später kommen dazu die psychischen Folgen der diffusen Hirnatrophie, d. h. das amnestische oder organische Psychosyndrom im engeren Sinne dieses Lehrbuches. Nur solange das organische Syndrom noch undeutlich ist, wendet man den Begriff der alkoholischen Wesensänderung an; nachher spricht man von alkoholischer Verblödung oder von chronischer alkoholischer Korsakow-Psychose. Die Übergänge sind fließend.
    In den üblichen Beschreibungen der alkoholischen Wesensänderung steht die „ethische Degeneration", „die Abstumpfung der feineren Gefühle", die „sittliche Verrohung" im Vordergrunde.
    Eine solche verallgemeinernde Charakteristik ist meist unzutreffend.
    Der ursprünglich gesellige Alkoholiker bleibt im Gesangverein und beim Früh- und anderen Schoppen der angenehme liebenswürdige Gesellschafter; er kann warme Tränen weinen beim Missgeschick seines Nachbarn, für politische oder irgendwelche ethische Ziele sich in höchster Begeisterung entflammen, sehr fein nicht nur sagen, sondern auch fühlen, was gut und böse ist; er kann anderen wunderschöne Belehrungen geben; wenn er Künstler und Dichter ist, mag er Kunstwerke schaffen, die ein feines Empfinden auch auf dem Gebiete der Ethik und des Taktes bezeugen. Er kann bei Gelegenheiten, bei denen die Affektivität nicht zu stark mitspielt, bis in ziemlich hohe Stufen der Krankheit hinein ganz gut überlegen. Aber deswegen ist die Beschreibung von der entsetzlichen Roheit und den unüberlegten Handlungen der Alkoholiker doch nicht aus der Luft gegriffen; Alkoholiker handeln unüberlegt unter dem Einflusse von Affekten, und sie sind roh unter bestimmten Umständen, z. B. zu Hause, wo sie die ausgesprochenen oder stummen Vorwürfe der Familie empfinden müssen, bei der Arbeit, bei der sie nicht bleiben können und die sie dem Trinkvergnügen entzieht, bei einem Streit in gewissen Stadien der Berauschtheit.
    Die ursprünglich besser angelegten und noch feinerer Gefühle fähigen Trinker bilden die große Mehrzahl.
    Dem üblichen Bilde entsprechen primär charaktergestörte Trinker. Ihre Rohheit kommt nicht vom Alkohol, sie wird nur durch diesen verschlimmert.
    Dass den Alkoholikern bei passenden Gelegenheiten die schönsten Gefühle in voller Echtheit zu Gebote stehen, gibt ihnen das Gefährliche und Sirenenhafte; sie heucheln in dieser Beziehung nicht.
    Sie können noch wichtige, öffentliche Stellen, ohne aufzufallen, ausfüllen und als Ehrenmänner gelten, auch wenn sie zu Hause die Frau prügeln, nackt vor den Kindern in die Küche gehen, vor ihnen mit der Frau Geschlechtsverkehr verlangen. Sie glauben, alles für ihre Familie tun zu wollen, können die schönste Reue zeigen und noch schönere Versprechen machen. Wer sie nicht genau kennt, muss ihnen glauben, denn sie glauben selber an ihre Aufrichtigkeit.
    Aber mit der ersten Änderung der äußeren Situation macht auch das schöne Gefühl einem beliebigen anderen Platz, das nun ebenso echt ist und ebenso den ganzen Menschen in Beschlag nimmt.
    In einem gerichtlichen Fall wurde folgendes konstatiert: Ein Alkoholiker hatte nach Genuss von Obstwein und 4 Deziliter Schnaps eines seiner Kinder missbraucht, das andere vor den Augen der Mutter zu missbrauchen versucht. Der Frau gegenüber hatte er sich gerühmt, dem Kinde am Kommunionstage die Unschuld genommen zu haben. Ein anderes Kind schickte er zur Mutter mit dem Bericht, er reiße ihm jetzt alle Haare aus den Pubes aus (in den widerlichsten Ausdrücken). Die Frau hat er am ganzen Leibe blau geschlagen, ihr eine Wunde am Kopf beigebracht, sie mit heißem Wasser verbrüht, ihr darauf ins Gesicht gepisst. Zwei Tage dauerte die Prügelei, während der einmal die Kinder die Mutter halten mussten, damit er sie mit einem Seil schlagen könne. Die Frau konnte sich endlich im Hemd in ein Nachbarhaus flüchten; der Mann blieb zu Hause. Nach zwei Tagen brachte ihm ein Nachbar etwas Milch: Man könne ihn doch nicht verhungern lassen. Da war der Übeltäter so reuig und vergoss so heiße Tränen, dass der Nachbar (ein Bauer) ebenfalls zu heulen anfing, die Gattin holte und die Kinder; nun weinte alles zusammen in großer Rührung. Die Sache mit den Kindern kam vor Gericht, wobei der Mann seine Frau wieder aufs scheußlichste verleumdete. Die erwähnte Prügelszene war gar nichts Ausnahmeweises, bloß der Missbrauch der Kinder war ein Novum gewesen.
    Die ethische Schädigung des Alkoholikers besteht nicht im Verlust der ethischen Gefühle, sondern im jähen Wechsel der Gefühle überhaupt und in der Beherrschung des ganzen Menschen, seines Gedankenganges und seines Willens durch den Affekt des Augenblicks, d. h. im Mangel an Hemmungen.
    Die wichtigste Veränderung der Gefühle des Alkoholikers ist also deren Labilität, mit der immer verbunden ist eine verstärkte Gefühlsbetonung aller Erlebnisse, die den Augenblicksaffekt zum Herren über Willen und Überlegung macht. Der Kranke kann sich unendlich über die Lage seines Geschäftes betrüben, über das Unglück, das er der Familie gebracht; aber eine Viertelstunde nachher sitzt er beim Glase als sorgenloser und fröhlicher Gesellschafter; und wieder kurze Zeit später kann er in Wut geraten und seinen besten Freund mit Wort und Tat schwer verletzen.
    Praktisch ist der ethische Wert eines solchen Menschen allerdings bedenklich; denn was nützt es seiner Frau, wenn er einmal der gute der Gatte ist und gleich nachher sie wieder misshandelt ?
    Um Gutes zu wirken, braucht es Zeit; eine Ungeschicklichkeit, eine Bosheit, ein Unglück kann in der Aufregung einer Sekunde geschehen.

    Ein Alkoholiker macht auf einem Balle einem Mädchen eine Eifersuchtsszene, so dass ihn dieses verlässt. In der Verzweiflung hängt er sich auf, wird abgelöst und tanzt darauf weiter.
    Natürlich macht diese Flüchtigkeit der Affekte auch die Beständigkeit im Streben und Handeln unmöglich.
    Die Trinker nehmen leicht neue Pläne auf, lassen die alten fallen und leisten schließlich nichts. Der Mangel an einheitlicher Stimmung beraubt sie der Ausdauer und der Nachhaltigkeit der Strebungen und verunmöglicht eine einheitliche Zielrichtung des Denkens. Auch die Übersicht über komplizierte Verhältnisse, bei denen die Affekte mitspielen, z. B. über den Stand der eigenen Geschäfte, wird beeinträchtigt.
    Unter solchen Umständen leidet auch die ethische Haltung. Die Befriedigung der nächstliegenden Bedürfnisse genügt dem Kranken. Das drückt sich auch in den ethischen Urteilen aus; der Alkoholiker, der am Montag Blauen gemacht, schämt sich, am Dienstag zur Arbeit zu gehen - und lumpt die ganze Woche hindurch; er betrachtet es als eine Schande, in die Trinkerheilstätte zu gehen, und Übersieht, dass sein alkoholischer Niedergang von der Gesellschaft als die größere „Schande" bewertet wird.
    Die Willensschwäche der Trinker lässt sie den ernstesten Versprechen nach wenigen Minuten untreu werden; nirgends haben sie Ausdauer, sie verlassen leicht ihre Arbeitsstelle, teils um eine andere zu nehmen, teils aber auch ins Blaue hinaus, nur weil es ihnen nicht mehr gefällt. Am frühesten und am ausgesprochensten tritt die Willensschwäche natürlich ihrer Sucht gegenüber zutage.
    Die alkoholische Leichtfertigkeit hängt manchmal noch mit einer euphorischen Dauereinstellung zusammen, die den Kranken erlaubt, auch das Elend als gut oder doch weniger schlimm zu fühlen als der Normale. Die Hospitalisierung wird von den meisten Trinkern etwa eine Woche lang als ein schlechter Scherz behandelt. Der Kranke ist „in dem Hotel, wo man die großen Narren behandelt"; er hat „mit seinem Zimmermädchen (Rechte der Frau) etwas zu lebhaft geschimpft".
    Diese euphorische Stimmung hängt auch untrennbar an den Vorstellungen der Trinkerei. Der ganze Sumpf von Schmutz und Unglück gilt ihnen affektiv auch bei klarer Einsicht noch nach vielen Monaten Abstinenz als etwas Schönes, auf das man „verzichten" muss. Die Verachtung der Mitbürger, das Ausgestoßensein unter die niedrigsten Kumpane, auf die er früher mit Ekel hinab gesehen hatte, das alles berührt den Kranken nicht mehr; das Ehrgefühl liegt darnieder. Allerdings besteht noch eine große Eitelkeit, nur nicht am rechten Ort. Alkoholiker prahlen mit dem Munde, nicht aber mit den Taten. Sie renommieren mit der Zahl der geleerten Gläser, mit ihrer Standfestigkeit gegenüber den Ermahnungen der Frau, aber auch mit Dingen, die nicht existieren, mit ihrer Ehrlichkeit, mit ihrem guten Herzen, ihrem Können und Wissen und Leisten. Solange ein Trinker diese alkoholische Euphorie noch im Leibe hat, ist es unmöglich, ihm einen tüchtigen Stolz auf wirkliche und gute Leistungen beizubringen. Sie verliert sich meist nur allmählich im Laufe von vielen Monaten totaler Abstinenz.
    Die Grundstimmung bei alkoholischer Wesensänderung ist aber lange nicht immer euphorisch; häufig kommen auch gereizte und gehässige Verstimmungen vor. In diesen scheint dem Alkoholiker an seinen Angehörigen und seinen Lebensverhältnissen nichts mehr recht, die Behörden seines Landes sind in seinen Augen allesamt Halunken, seine eigene Frau „und alle Weiber" gehören ins Zuchthaus, er äußert den Wunsch, dass ein Krieg oder eine Revolution „Ordnung schaffe" und ähnliches.
    Wie alle Aspekte der alkoholischen Wesensänderung sind auch die Stimmungsverschiebungen bald mehr als psychische Reaktion, bald mehr als Symptome der Hirnschädigung zu erklären. An euphorische Stimmungen klammert sich der
    Alkoholiker oft, wenn die Verzweiflung an ihm nagt. Sie kann deutlich den Charakter des „Galgenhumors" bekommen.
    In engem Zusammenhang mit der starken Affektivität, der Unschärfe des Urteilens und der schiefen Stellung der Kranken zu ihrer Umgebung entwickeln sie krankhafte Eigenbeziehungen, die sieh oft bis zu wahnhaften Vorstellungen steigern. Trotz ihrem Bramarbasieren lässt sich sehr leicht nachweisen, dass die Alkoholiker sich immer in Verteidigungsstellung fühlen gegenüber jedem, der nicht mittrinkt - sogar viele Mäßige lassen dies jeden Abstinenten spüren; bei den Unmäßigen aber beherrscht diese Einstellung mit der Zeit die ganze Psyche. Sie finden Grund, gerade den anständigen Leuten und denen, die es gut mit ihnen meinen, zu misstrauen und sie zu hassen, und sie sind auch diesen gegenüber besonders empfindlich und reizbar, während sie sich bei Heruntergekommenen wohl fühlen, die ihnen nichts vorwerfen können. Die Kranken dürfen die Dinge gar nicht so sehen, wie sie sind; sie müssten sich sonst zu erbärmlich vorkommen. Das alkoholische Misstrauen richtet sich zunächst gegen die Angehörigen und dann gegen alle diejenigen, die einen bessernden Einfluss auf die Patienten ausüben möchten oder die unter ihrem Treiben zu leiden haben, während im Gegensatz dazu im Verkehr auch mit den verkommensten Zechgenossen eine große Vertrauensseligkeit Platz greift, die unter anderem zu vielen geschäftlichen Dummheiten verführt.
    Bei vielen Alkoholikern entwickelt sich ein Eifersuchtswahn. Gegenüber Behördenmitgliedern und Ärzten, die den Alkoholiker zu befürsorgen haben, gegen Arbeitgeber, die ihn maßregeln und entlassen müssen, kommt es oft zu einer wahnhaften Verfolgungseinstellung. Eifersuchts- und Verfolgungsideen können kombiniert werden, etwa in dem Sinne, dass der Arbeitgeber oder der Arzt mit der Frau ein Verhältnis hätte und deshalb den Patienten als Alkoholiker verleumden oder „versenken" wollte.
    Noch regelmäßiger als zu wahnhaften Einstellungen führt das schiefe Verhältnis der Alkoholiker zur Umwelt dazu, dass sie sich mit einem Gewebe von Lügen umgeben. Abgesehen davon, dass sie beständig leere Versprechungen in Bezug auf Besserung abgeben, lügen sie ihr Trinken und ihr soziales Versagen in einer Art ab, die den Unerfahrenen regelmäßig täuscht. Der Alkoholiker ist nicht selten, der seit vielen Monaten jeden Tag berauscht war und behaupten kann, er habe seit langer Zeit vollkommen alkoholabstinent gelebt - und dies in einer Weise, dass er gläubige Zuhörer findet. Das unzuverlässige Gedächtnis kommt der Tendenz zum Lügen ebenso entgegen wie die lebhafte Affektivität: Die Kranken verfälschen die eigenen Erinnerungen beständig im Sinne ihrer Lügen. Wie viele von den Lügen bewusst sind und wie viele sie im Augenblick selbst glauben, lässt sich nicht auseinanderhalten.
    Entsprechend ihrer Affektivität zeigen die Alkoholiker eine übertriebene positive, aber auch negative Suggestibilität. Wer es ihnen zu treffen weiß, kann sie ausnutzen, wie er will; in anderen Dingen, namentlich in Bezug auf Ermahnungen und was damit zusammenhängt, sind sie starrköpfig.
    Die intellektuellen Funktionen, das Gedächtnis, das Wahrnehmen, das Urteilen, scheinen zuerst vor allem durch die emotionelle Spannung des Alkoholikers, seine egozentrische„ verkrampfte Einstellung verschlechtert, bald kommen aber psychoorganische Störungen dazu; die langsam in organische Demenz übergehen können.
    Das Gedächtnis der Alkoholiker wird ungenau.
    Sie geben zwar bei Versuchen nicht weniger Antworten als Gesunde, oft sogar mehr, aber darunter mehr falsche.
    Es fällt dem Alkoholiker auch schwer, genau zu reproduzieren. Was er erzählt, wird auch gegen seinen Willen durch Veränderungen und Zutaten entstellt. Namentlich auffallend ist das Bedürfnis nach kausaler Abrundung.
    Damit hängt das gesteigerte Bedürfnis und die gesteigerte Fähigkeit zu Ausreden zusammen. Es gibt bekanntlich nichts, das nicht eine Ausrede zum Trinken bilden würde: Hitze und Kälte, Bewegung und Stillsitzen, jeder Beruf ohne Ausnahme rechtfertigt den Alkoholgenuss - und das Merkwürdige ist, dass akademisch gebildete wie analphabetische Trinker diese Gründe mit den gleichen Worten ausdrücken und mit dem gleichen Glauben an ihnen festhalten. Aber auch in anderen Dingen zeichnet sich der Trinker durch ein großes Bedürfnis und ein großes Können in der Erfindung von Ausreden aus. Die bloßen Ausreden bekommen mit dem Fortschreiten der Krankheit den Charakter von Konfabulationen, die denjenigen bei andern diffusen Hirnatrophien wesensgleich sind.
    In schweren Fällen ist auch die Wahrnehmung gestört im gleichen Sinne wie beim Delirium tremens, nur graduell geringer: die Kranken verlesen sich leicht, verwechseln bei kurzer Exposition Bilder, verhören sich.
    Das Urteilen wird mit den Jahren flacher, äußerlicher; man geht auf die Nebensache statt auf die Hauptsache ein; die typischen „Bierwitze" mit ihren Wortassoziationen illustrieren das anschaulich. In schweren Fällen wird die Übersicht beim Denken zugleich eingeengt; es macht auch deshalb dem Kranken Mühe, kompliziertere Dinge zu überlegen, auch wenn keine Affekte widerstreben.
    Eine dauernde Anspannung der Aufmerksamkeit wird erschwert oder unmöglich, teils wegen der Labilität des Interesses, teils namentlich auch wegen einer stärkeren Ermüdbarkeit der Patienten. Letztere zeigt sich überall, namentlich auch bei der Arbeit.
    Die Orientierung bleibt in den unkomplizierten Fällen normal.
    Soziale Schädigungen. Der Trinker ist ein Mensch, der sich beim Alkohol vergnügt oder dabei seine schweren Gedanken vergisst. Nach und nach entzieht er allem andern, namentlich der Arbeit, immer mehr Zeit und der Familie und dem Geschäft die Mittel. Immer mehr vergisst er Sitte und Anstand.
    Die intimsten Familienangelegenheiten kramt er am Biertisch aus. Der früher tadellos korrekte Vornehme wird schließlich äußerlich unordentlich und verliert auch das Gefühl für schlechtes Auftreten anderer.
    Dabei vergiftet er sein Familienleben. Die Kinder, die er misshandelt, fürchten ihn: „wir haben immer Angst haben müssen", ist ihre ewige Klage. In den unbemittelten Ständen hat oft die Frau die Familie zu ernähren; der Mann vertrinkt, was er verdient, und erpresst mit Drohungen und Misshandlungen die erworbenen Rappen der Frau, die sie in Nachtarbeit dem Schlafe abgerungen. Kein Gesetz, noch weniger die Öffentlichkeit, hindert ihn daran. Er ist nicht gemeingefährlich, er misshandelt ja „nur" die Frau, liest man in den Polizeiberichten. Die Frau ist ihm meist ausgeliefert und hat ein Leben, das ärger ist als das der Durchschnittssklavin in verschiedensten Zeiten.
    Die Misshandlung von Frau und Kindern schafft eine Umgebung, die zu schwersten neurotischen Fehlentwicklungen der Kinder disponiert. Auch sonst ist die soziale Bedeutung der Trunksucht 'groß: sie stellt überall da, wo besondere Verantwortung wichtig ist, eine Gefahr dar: im Umgang mit Motoren, im Wachtdienst jeder Art usw.
    Unter den Ursachen der Kriminalität spielt die Trunksucht eine große Rolle: Besonders häufig ist Alkoholwirkung die Ursache von Gewalttätigkeitsverbrechen, von Sittlichkeitsverbrechen an Kindern, von Misshandlung, Verletzung und Tötung von Kindern und von Delikten beim Führen von Motorfahrzeugen, von Insubordination usw.

    Anders beurteilt der Trinker selbst seine Trunksucht: er hat das Recht zu trinken, weil er verdient (auch wenn in Wirklichkeit die Frau die Familie erhält), weil er der Mann ist, weil man auch ein Vergnügen haben muss; Trinken ist ihm notwendig, weil man sonst nicht arbeiten kann. Soweit er selbst es übt, ist es harmlos; andere trinken noch mehr. Ist er einmal durch irgendein Missgeschick oder vielleicht infolge besonderer Belehrung imstande, sich etwas besser zu beurteilen, so berührt ihn das nur in Momenten moralischen Katzenjammers, dessen Unannehmlichkeit er baldmöglichst wieder durch Alkohol zu entgehen trachtet. Hunderte und Tausende von Malen verspricht er im Ernst oder in heuchlerischer Weise, „ein anderer Mensch zu werden", um ebenso oft das Versprechen zu brechen.

    Trunksucht bei Frauen.
    Die Trinkerin unterschied sich bisher von ihrem männlichen Schicksalsgenossen. Sie war in der Regel schon in einer schweren neurotischen Entwicklung befangen, wenn sie zu trinken begann. Später allerdings fand man die nämlichen Zeichen zunehmender psychoorganischer Veränderung wie beim Manne. Ihr Verhalten aber war anders. Die Patientinnen waren meistens äußerst verschlossen. Während die Männer die Trunksucht bestreiten, wenn dadurch irgendein momentaner Vorteil für sie herausschaut, und sonst mit ihren alkoholischen Idealen offenherzig prahlen können, versuchten die Patientinnen ihr Inneres dauernd zu verbergen und ein eigentliches Doppelleben zu führen. Sie pflegten ihre Abstinenz zu beteuern, auch wenn sie noch so oft im Rausche ertappt worden waren.

    Seit dem letzten Krieg ist es in zunehmendem Maße gesellschaftlich angenommen worden, dass Frauen und junge Mädchen trinken und sich betrinken. An der Hausbar und beim Aperitif wird die Frau mit Trunksucht ebenso gefährdet wie der Mann. Im Zusammenhang damit nimmt die Frauen-Trunksucht zu, werden die psychopathologischen Unterschiede zwischen Trinker und Trinkerin geringer und werden häufiger auch aufgeschlossene, gesellige Mädchen und Frauen zu Trinkerinnen. die vorher nicht neurotisch oder im Charakter schwierig gewesen sind.

    Verlauf.
    Die Krankheit schleicht sich in der Regel ganz unmerklich ein. Die Leute trinken eben allmählich etwas mehr, oder sie werden langsam widerstandsunfähiger gegen die gleichen Quantitäten, jedenfalls bildet sich der charakteristische Symptomenkomplex nur im Laufe der Jahre aus. Dabei erhalten sich viele als gute Philister, da sie nur im gewöhnlichen Trott weiterzuleben und nichts Neues zu lernen und sich nicht besonders anzustrengen haben, bis der mehr oder weniger verfrühte Tod ein Ende macht. Nur bei einem kleinen Teil kommt es zur deutlichen alkoholischen Hirnatrophie.
    Je genauer man den Verlauf studiert, um so deutlicher werden Zusammenhänge zwischen Lebenslage und Beginn und Verschlimmerung des Alkoholismus. Kritische Lagen ergeben sich, wenn der junge Mensch das Elternhaus verlassen hat, noch kein Heim erwerben kann und nur im Wirtshaus Geselligkeit und einen warmen Raum im wörtlichen oder im gemütlichen Sinne findet; nach Eheschließung ohne Liebesfähigkeit; in Ehekrisen, nach Trennung der Ehegatten oder nach Tod eines Ehegatten; bei Entwurzelung aus dem traditionellen Herkommen, z. B. nach der Abwanderung vom Lande in die Großstadt, beim Versuch des Sohnes aus intellektueller Familie, sich als einfacher Arbeiter anzupassen; bei
    Vereinsamung im Laufe des Älterwerdens; bei beruflicher Hast ohne berufliche Befriedigung; bei Arbeitslosigkeit oder nach Invaliditäts- oder Alterspensionierung. - Bei Frauen hängen Verschlimmerungen oft mit prämenstrueller Spannung und mit dem Klimakterium zusammen.

    Voraussage.
    Im Prinzip sind die meisten Alkoholiker noch heilbar zu einer Zeit, da ihre Krankheit schon längst offenbar ist. Dass sie in Wirklichkeit nicht geheilt werden, hängt von der zweideutigen Einstellung der Gesellschaft ab: Man scheut sich vor Maßnahmen und drückt beide Augen vor den furchtbaren Verhältnissen zu, weil man alkoholische Sitten im ganzen annimmt, ja oft idealisiert. Man weiß nicht, ist es Güte oder Unmenschlichkeit, dem Trinker sein Glas „zu gönnen". So kommt es, dass die Heilmaßnahmen bei Trinkern viel zögernder und später in Gang kommen als bei andern Kranken - häufig zu spät, so dass Unheilbarkeit die Folge ist. Viele Trinker gehen zugrunde, nachdem sie auch ihre Familien unglücklich gemacht haben.

    Günstig für die Prognose sind im allgemeinen: Auftreten der Trunksucht bei tüchtiger und leistungsfähiger Persönlichkeit; kurze Dauer der Trunksucht vor Beginn der Behandlung; Einsicht in die Notwendigkeit der Totalabstinenz bei den Angehörigen, vor allem der Ehefrau, dann auch beim Arbeitgeber; geordnete Lebenslage; Wunsch des Patienten, geheilt zu werden; Fehlen einer starken Wesensänderung oder gar eines intellektuellen Zerfalls. Ungünstig sind umgekehrt: lebensuntüchtige Persönlichkeit in schwer ertragbarer Lebenslage und mit uneinsichtigen Angehörigen; jahrzehntelange Dauer der Trunksucht und Scheitern von früheren Behandlungsversuchen; ein organisches Psychosyndrom.

    Die Zunahme des Alkoholismus ist um so unheimlicher, als der Wille zu seiner Bekämpfung nachgelassen hat und die Öffentlichkeit und viele Behörden an seiner steigenden Bedeutung, vorbeisehen wollen.

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      Heroin - König aller Drogen? Wie alles begann
      Knapp hundert Jahre nach Sertürners Entdeckung des Morphins gelang es erstmalig, aus Morphin Diacetylmorphin (Diamorphin) zu synthetisieren. Ursprünglich nahm man an, mit dem neuen Stoff ein starkes Schmerz- und Hustenmittel ohne Suchtpotential entwickelt zu haben, und setzte Heroin sogar zu Morphinentwöhnungskuren ein. Heroin wurde als hervorragendes Arzneimittel zur Therapie von zahlreichen Krankheiten wie Husten, Bronchitis, Asthma, Multiple Sklerose, aber auch gegen Nymphomanie und extreme Masturbation beworben. Insbesondere Kinder sollten von diesem sicheren Arzneimittel profitieren. Von dieser fatalerweise vermuteten heroischen Wirkung stammt der Name der Droge.

      Sehen wir also die Dinge wie sie sind: Mit unzähligen leichtfertigen Versprechungen wurde Heroin unter die Menschheit gebracht. Oder wie C. G. Jung bereits vor Jahrzehnten korrekt sagte: „Heroin ist der Schatten des Fortschritts der Pharmakotherapie."

      Die steile Karriere von Heroin
      Inzwischen ist Heroin, das auch als H (Eitsch), Schore, Material, Mat, Stoff, Gift, Age, oder Braunes bezeichnet wird, seit vielen Jahren die weltweit meist verbreitete illegale harte Droge. Ursprünglich wurde im Heroinkonsum eine Art Gegenkultur vornehmlich jüngerer Menschen zur leistungsorientierten Industriegesellschaft gesehen. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Menschen abhängig und Heroin entwickelte sich zu einem wesentlichen Faktor der organisierten Kriminalität. Die Weltproduktion wird auf hundert Tonnen pro Jahr geschätzt; Haupt-Konsumgebiete sind Europa und Amerika. Der verbreitete Heroinkonsum ist maßgeblich an der steigenden Zahl von Rauschgifttoten beteiligt. Die Zahl der Rauschgifttoten ist in den vergangenen beiden Jahren um jeweils etwa 10% gestiegen. Im Jahr 2000 wurden bundesweit 2023 Todesfälle gemeldet. In 80% der Todesfälle waren Überdosierungen von Heroin und Mischintoxikationen infolge von polytoxikomanen Betäubungsmittel-Missbrauch die Ursache.
      Polytoxikomanie ist ein Phänomen, das eine notgedrungene Anpassung an die Szene wiederspiegelt: Ist Stoff X nicht verfügbar, greift man zu Y So entsteht schnell eine Abhängigkeit von ganz verschiedenen Substanzen. Bei den Herointoten überwiegen Suchtkranke zwischen 35 und 40 Jahren. Es handelt sich demnach vorwiegend um langjährige Konsumenten. Insbesondere unter jugendlichen Migranten ist der Heroinkonsum in den vergangenen Jahren erschreckend angestiegen. Dieses Problem, das besonders häufig junge Drogenabhängige aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion betrifft, hatte sich jahrelang weitgehend verdeckt entwickelt. Seit geraumer Zeit steigt parallel mit einer immer seltener werdenden beruflichen Integration und einer weit verbreiteten Resignation die Zahl der Abhängigen unter den Aussiedlern sprunghaft an, und macht neue muttersprachliche Kontakt- und Therapiemöglichkeiten unbedingt erforderlich.

      Verschiedene Qualitäten
      Unter der Bezeichnung Heroin werden verschiedene Qualitäten gehandelt. Neben zwei minderen Qualitäten (H-1 und H-2), welche die aus Rohopium gewonnene Heroinbase in unterschiedlichen Konzentrationen enthalten, werden heute hauptsächlich das H-3 (Brown Sugar), ein grau-bräunliches Pulver mit einem Reinheitsgrad von 30-60%, und H-4 (Schnee, Türkischer Honig) mit einem Gehalt zwischen 60 und etwa 90%, je nach Herkunftsland, gehandelt. In den Hits, den Endprodukten, sind außer dem Heroin fast immer Streckmittel (zum Beispiel Milchzucker und Ascorbinsäure) und Verschnittmittel (zum Beispiel Paracetamol, Acetylsalicylsäure oder Coffein) enthalten. Aufgrund der verschiedenen Ausgangsqualitäten und den für den User unbekannten Fremdstoffverschnitt schwankt der Reinheitsgrad eines Hits zwischen 10 und 90%! Für den Fixer können diese extremen Schwankungen sowohl wirkungslose Unterdosierungen, als auch eine schwerwiegende Überdosierung, bis hin zur letalen Dosis (goldener Schuss) bedeuten. Darüber hinaus liegen große Gefahren in den häufig toxischen Verschnittsubstanzen sowie der unsterilen Aufbewahrung und Applikation des Stoffes.

      Vertrieb und Verabreichung des königlichen Stoffes
      Die Herstellung von Heroin aus Morphin ist äußerst simpel: Durch Veresterung mit Essigsäure entsteht Diacetylmorphin, das wesentlich lipophiler ist und die Blut-Hirn-Schranke leichter überwinden kann. Im zentralen Nervensystem wird Heroin dann enzymatisch zu seiner Wirkform, dem Morphin hydrolisiert und verursacht an den spezifischen Rezeptoren die Opiatwirkungen. Heroin ist somit genau genommen nichts anderes als ein Prodrug.
      Heroin wird in Form von in Silberpapierbriefchen verpackten Einzelportionen, den Hits, vertrieben. Von sehr vielen Anwendern wird der Stoff geschnupft (gesniefft) oder geraucht. Beim so genannten Blech-Rauchen werden Portionen auf Alufolie erhitzt und mit kleinen Röhrchen über Mund und Nase inhaliert. Häufig wird es auch intravenös injiziert (gefixt). Zum Auflösen muss es zuvor mit Wasser und Zitrone oder Vitamin C aufgekocht werden. So erklärt sich das übliche Fixerbesteck, bestehend aus einem Schlauch oder Gürtel zum Abbinden, einem Löffel zum Aufkochen, einem Feuerzeug oder Kerzenstummel und Zitrone oder Ascorbinsäure und natürlich den Hits.
      Die stärkste Wirkung entfaltet Heroin natürlich nach parenteraler Verabreichung. Aus diesem Grund steigen viele langfristige Snieffer und Raucher irgendwann doch aufs Spritzen um. Da die Wirkung, die schon manchen Anwender im wahrsten Sinne des Wortes umgehauen hat, nach intravenöser Gabe bereits nach wenigen Sekunden einsetzt, muss die Injektion sehr schnell erfolgen. Für die Anwender, die sich Heroin intravenös verabreichen wird die Suche nach intakten Venen jedoch mit der Zeit immer schwieriger. So dienen auch ungewöhnliche Körperstellen wie Vorfuß und sogar die Peniswurzel als Einstichstellen. Auch eine rektale Anwendung wird aus diesem Grund manchmal praktiziert.

      Was bewirkt Heroin?
      Die Wirkung von Heroin ist vielfältig und von persönlichen Sofortige Gefühlszuständen und Bedürfnissen geprägt. Zunächst wird Wirkung eine ausgeprägte Euphorie und Wohlbefinden beschrieben.
      Diese schnell eintretende, einige Minuten anhaltende Euphorie, der sogenannte Kick oder Flash, kommt durch das schlagartige Anfluten des Wirkstoffes im Gehirn zustande und verursacht ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Sorgen und Probleme werden vergessen und das Selbstbewusstsein steigt. Etwas später setzt bei vielen Anwendern eine beruhigende oder stimulierende Wirkung ein. Mancher Konsument versinkt in einen Traumzustand, andere wiederum wirken eher aktiviert und unternehmenslustig. Die Stimmungslage ist von einem hohem Selbstbewusstsein (der eigenen Heroisierung) geprägt. Gegenüber Problemen und Konflikten wird der Konsument gleichgültig- der häufig als quälend empfundene Alltag wird ausgeblendet. Die Abschirmung von der Außenwelt wird durch die sedativ-narkotische Wirkung und die Schmerzunempfindlichkeit unterstützt.
      An körperlichen Wirkungen werden Übelkeit, Kreislaufstörungen, Verstopfung, Mundtrockenheit, Schmerzstillung, verengte Pupillen und (dosisabhängige) Atemwegsirritationen beschrieben. Dies sind gleichzeitig die wichtigsten diagnostischen Merkmale einer Heroinvergiftung.
      Bereits nach wenigen Anwendungen kommt es zu einer ausgeprägten psychischen und physischen Abhängigkeit mit rascher Ausbildung von Gewöhnung und Toleranz und einer Abhängigkeit und damit verbundenen notwendigen Dosissteigerung bis zum zehnfachen der Ausgangsdosis. Dies beruht auf einer abnehmenden Empfindlichkeit der Opiatrezeptoren im Gehirn. Beim Absetzen der Droge treten schon nach wenigen Stunden akute Entzugserscheinungen auf. Sie reichen von leichten Naselaufen, Augentränen, Frieren, Schwitzen, Zittern (Turkey) und innerer Unruhe über schwere Symptome wie Schmerzen, Krämpfe, Schweißausbrüche, Durchfall und Erbrechen bis hin zum Kreislaufzusammenbruch. Bei andauerndem Konsum können psychiatrische und neurologische Krankheitsbilder wie Psychosen auftreten. Die ursprünglich euphorisierende Wirkung der Droge ist kaum noch vorhanden. Der Anwender hat kein angenehmes Rauscherlebnis mehr, sondern bekämpft mit der Verabreichung des Heroins nur noch seine quälenden Entzugssymptome.

      Heroin während der Schwangerschaft
      Heroin überwindet die Plazenta, so dass das ungeborene Kind Heroinkonsum erhebliche Mengen davon abbekommt. Zahlreiche Neonatalschäden sind nach Heroinkonsum der Mutter beschrieben. Besonders ausgeprägt und tragisch sind die quälenden Entzugssymptome, unter denen die Neugeborenen opiatabhängiger Mütter zu leiden haben. Doch auch Substitutionsmittel wie Methadon können zu einem ausgeprägten und lang anhaltendem Abstinenzsyndrom beim Neugeborenen führen.
      Es ist erschütternd anzusehen, welche Schmerzen so manches neugeborene Kind einer opioidabhängigen Mutter erleiden muss. Eine angemessene symptomatische Behandlung sollte dem Säugling nicht vorenthalten werden.

      Was kostet der Stoff?
      Heroin kostet abhängig von Herkunft und Qualität zur Zeit etwa 30 bis 100 ¤ pro g. Abhängige müssen einen großen Geldbetrag pro Tag aufbringen, um ihre Krankheit zu finanzieren. So benötigen langjährige Fixer bis zu 150 ¤ pro Tag, das sind pro Monat 4.500 ¤ nur fürs Heroin. Dies zwingt zahlreiche Abhängige zu kriminellen Handlungen oder Prostitution und stürzt viele Anwender in die soziale Verelendung. Dennoch ist das Bild vom abgewrackten Fixer auf dem Bahnhofsklo ein (veraltetes) Klischee. Es gibt sehr wohl Heroinabhängige, denen es gelingt, ein unauffälliges und offensichtlich normales Leben zu führen.

      Besondere Gefahren vom Konsum
      Wichtige Gefahren und Nebenwirkungen von reinem Heroin bei langfristigem Gebrauch sind ein gesteigertes Infektionsrisiko durch verminderte Infektabwehr wegen Mangelernährung, Lebererkrankungen, Reflexanomalien und Tremor, Schlafstörungen
      (REM-Entzug), die langfristig zu Depressionen führen können, Libidoverlust und diverse neurologische Symptome wie Krampfanfälle, Polyneuropathien und Hemiparesen. Die pharmakologisch schädliche körperliche Wirkung von Heroin scheint jedoch nicht stärker ausgeprägt als die von Alkohol oder Nikotin zu sein. Die Hauptgefahren nach Heroinkonsum sind durch die Illegalität der Substanz bedingt und liegen in Infektionen mit HIVoder Hepatits-Viren und sind nicht auf den Stoff selbst, sondern auf die vielfältigen Verunreinigungen und das unsterile Spritzbesteck zurückzuführen. Schwarzmarkt-Heroin ist nicht rein!
      Aufgrund des Austauschens von Spritzbesteck und der vielfach praktizierten Prostitution haben Heroinsüchtige ein gesteigertes Infektionsrisiko. Hepatitis-Erkrankungen sind sehr verbreitet. Mehr als die Hälfte der Konsumenten, die Heroin parenteral verabreichen, infiziert sich im Laufe der Drogenkarriere mit Hepatits C. Folge ist eine Schädigung der ohnehin angegriffenen Leber mit Komplikationen wie Lerberzirrhose (in 30% der Fälle) oder hepatozellulärem Karzinom (20% der Fälle), oft mit tödlichen Verlauf. Aber damit nicht genug: Etwa jeder dritte Langzeit-Heroin-Anwender ist HIV-positiv! Nicht nur dieser Aspekt veranlasst viele Ärzte im Rahmen einer Schadensminimierung (harm reduction) Heroinabhängige mit einem anderen Opioid zu substituieren.
      Die Akuttherapie nach Heroinvergiftungen ist wie bei einer Morphinüberdosis. Grundsätzlich stehen lebenserhaltende Maßnahmen, beispielsweise Intubation und künstliche Beatmung zur Behebung des Sauerstoff-Mangels, sowie die Verabreichung von Morphinantagonisten im Vordergrund. Ein besonderes Phänomen bei langjährigen Anwendern besteht in den sogenannten Nachhall-Effekten: In der Entwöhnungsphase kann der Ex-Junkie durch einen Auslöser, zum Beispiel ein bestimmtes Musikstück in euphorische Ekstase geraten. Dieser rauschähnliche Zustand ist vermutlich psychogen verursacht und der Patient kann durch Zurufen zurückgeholt werden.

      Safer-use-Regeln für Heroin
      Der Konsum von Heroin birgt zahlreiche Gefahren. Das wissen natürlich auch die Anwender, und stehen sich gegenseitig mit Tipps für eine risikoarme Verabreichung zur Seite. Über die Weitergabe dieser so genannten Safer use-Regeln kann man geteilter Meinung sein. Macht man es Neulingen leichter, sich mit der gefährlichen Materie zurechtzufinden und animiert sie so zum Konsum? Oder verhindert man durch die Tipps noch schlimmere Unfälle? Die Mehrheit der Suchthelfer befürwortet das Verbreiten von Safer-use-Regeln. Daher haben auch wir uns entschieden, diese für den Konsum einiger Drogen wiederzugeben. Beim Heroin übernehmen wir die Regeln vom ServiceBureau Internationale Jugendkontakte in Bremen:
      - Besser Rauchen oder Sniefen als Spritzen
      - Möglichst risikoarm, in ruhiger Umgebung konsumieren
      - besser nicht allein, damit im Notfall jemand Hilfe leisten kann
      - Bei Heroin unbekannter Herkunft und Qualität zunächst die halbe Dosis konsumieren, um eine eventuelle Überdosierung zu vermeiden
      - Mischkonsum verschiedener Substanzen unterlassen, da sonst die Wirkung unkalkulierbar wird und die Risiken steigen. Vor allem Alkohol, Cocain, Schlaf- und Beruhigungsmittel ergeben mit Heroin lebensgefährliche Mixturen.
      Das Spritzen von Heroin bringt unweigerlich Probleme mit sich. Diese kann man höchstens begrenzen, aber nicht vermeiden.
      Wenn Du Dich trotzdem fürs Spritzen entscheidest, beherzige die folgenden Tipps:
      - Die Einstichstelle mit Alkoholtupfern desinfizieren. Das verhindert die Entstehung von eitrigen Entzündungen unter der Haut, die zur Blutvergiftung führen können.
      - Besser große Nadeln (16er, 18er) verwenden, weil dadurch die Gefahr, sich die Venen zu durchstechen, geringer ist. Möglichst immer sauberes bzw. neues Spritzbesteck benutzen - es tut beim Spritzen weniger weh und man trifft besser.
      - Vorrat an sterilen Spritzen und Nadeln zulegen
      - Zweiteilige Spritzbestecke sind besser als einteilige und als Insulinspritzen
      - damit reißt Du Dir die Venen auf.
      - Nadeln und Pumpen niemals mit anderen Konsumenten gemeinsam benutzen und niemals den Stoff gemeinsam aufziehen und teilen - es besteht Infektionsgefahr (HIV, Hepatitis, Bakterien, Pilze).
      - Immer steriles oder frisches Wasser benutzen; Filter verwenden; Löffel stets gründlich reinigen; keinen Zitronensaft wegen des Fruchtfleischs, sondern sparsam Ascorbinsäure verwenden.
      - Die Wahl der richtigen Einstichstelle ist wichtig! Besonders riskant ist das Spritzen in die Venen am Hals, in der Leiste, in den Fußsohlen, in Fingern und in der Handinnenseite.
      - Beim Spritzen: immer in Richtung Herz einstechen, da sonst die Venenklappen geschädigt werden. Blut anziehen (ist es dunkel - okay, ist es hell und schaumig hast Du hast eine Arterie getroffen - Nadel rausziehen, nicht abdrücken
      - Stets langsam einspritzen, sonst können Venen platzen. Musst Du mehrmals einstechen, wechsle unbedingt jedes Mal die Einstichstelle.
      - Wenn Dein Hunger auf den nächsten Druck besonders groß ist, solltest Du zunächst Rauchen oder Sniefen, um unerwünschte Verletzungen bei der Injektion zu vermeiden.
      - Zu safer use gehört auch safer sex. Also verwende immer Kondome.

      Erste Hilfe im Notfall
      Ein Shake wird durch Schmutz und Beimengungen verursacht. Anzeichen sind Vergiftungserscheinungen wie Schüttelfrost und Krämpfe. Im Falle eines `Shake': gut zudecken; heißen Tee (Schwarz- oder Kräutertee) trinken
      Krampfanfälle: häufig bei Mischkonsum mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Erstes Anzeichen: Verkrampfung von Händen und Gesicht. Maßnahmen: Kissen unter den Kopf, Gegenstände aus dem Weg räumen, Person nicht mit Gewalt festhalten
      Überdosierung/ Atemstillstand: Immer Notarzt rufen, Mundzu-Nase-Beatmung
      Bewusstlosigkeit: stabile Seitenlage, Atmung und Puls kontrollieren, versuchen zu wecken - falls keine Reaktion - Notarzt!
      Grundsätzlich gilt: die Person nie allein lassen!
      Im Zweifelsfall immer Rettungsdienst oder Notarzt rufen! Beim Notruf 112 am besten Atemstillstand ohne Fremdverschulden angeben, die Polizei kommt dann nicht mit.

      Heroinabhängigkeit und neue Wege in der Drogenpolitik
      Heroin ist ein Rauschgift mit extrem hohem Abhängigkeitspotential. Die rasche Ausbildung einer Toleranz macht eine Dosissteigerung (bis zur zehnfachen Ausgangsdosis) nötig. Im fortgeschrittenen Stadium müssen Süchtige zur Finanzierung ihres Heroins extrem hohe Geldbeträge aufbringen und sind dadurch zu kriminellen Handlungen gezwungen. Langfristiger Heroingebrauch kann zu einem erhöhtem Infektionsrisiko, Schlafstörungen und verschiedenen neurologischen Symptomen führen. Die Hauptgefährdung der Heroin-User geht jedoch nicht vom Rauschgift selbst, sondern von skrupellos eingesetzten Streckund Verschnittmitteln aus, sowie von den unhygienischen und zum teil menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen sich die Suchtkranken ihren Stoff applizieren müssen. Es gibt daher zahlreiche Versuche, neue Wege zu beschreiten: Fixerstuben, in denen Heroinkonsumenten ihren Stoff unter hygienischen und sozial akzeptablen Bedingungen applizieren können, sind eine Säule. Zum anderen laufen in verschiedenen deutschen Großstädten zur Zeit zeitlich begrenzte Versuche einer legalen Vergabe von Heroin auf Krankenschein.
      Durch die kontrollierte Abgabe von Heroin (nach ärztlicher Verordnung auf Betäubungsmittelrezept) könnte zum einen die Sicherung von Reinheit und Qualität des Stoffes gewährleistet werden; zum anderen könnte durch ein Ausklammern des Stoffes aus der Illegalität der Drogen-Schwarzmarkt zumindest teilweise ausgetrocknet werden. Beschaffungskriminalität, die Prostitutionsrate und die Anzahl der HIV-Positiven unter den Suchtkranken würden sinken.

      Gegner einer Heroin-Freigabe befürchten eine Entwicklung wie bei Tabak oder Alkohol:
      Ein Schwarzmarkt mit der daraus resultierenden Kriminalität existiert nach der Liberalisierung nicht mehr, dafür aber eine deutlich höhere Anzahl von Abhängigen. Insbesondere Eltern und Lehrer machen sich Sorgen über eine freie Verfügbarkeit des Rauschgiftes.
      Dieses Problem ist jedoch durch die kontrollierte (!) Abgabe zu lösen, das Opiat wäre nicht (wie manchmal polemisch behauptet wird) im Supermarkt, sondern nur über Apotheken und mit Betäubungsmittel-Rezept erhältlich. Freigabegegner führen außerdem als Argument an, dass Heroin ausschließlich ein Suchtstoff und kein Arzneistoff sei.
      Wenn wir aber ehrlich und objektiv hinsehen, entdecken wir genügend andere sucht- und Krankheit erregende Stoffe in unserem Arzneimittelschatz (Sola dosis facit venenum.).
      Sowohl Fixerstuben, als auch die legale Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige verstehen sich nicht als Resignation vor der Krankheit, sondern vielmehr als simple, aber pragmatische Überlebenshilfe. Ist es nicht sinnvoller, einige Patienten durch kontrollierte Abgabe mit dem Stoff und Ihrer Krankheit normal leben zu lassen, als sie der x-ten erfolglosen Entziehungskur zu unterwerfen, die auch volkswirtschaftlich nur schwer vertretbar ist?
      Wäre es nicht sinnvoller, einzelnen Schwerstabhängigen einen legalen Zugang zum Heroin zu ermöglichen, als sie durch eine kategorische Ablehnung in die Kriminalität zu drängen und zu unerwünschten Außenseitern der Gesellschaft zu machen?

      copyright wie und @sandra und andere

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      • Muttermilch der Zivilisation ??


        Bier und Wein waren wegen ihres Gehalts an Alkohol und organischen Säuren frei von gefährlichen Krankheitserregern. Bier, das mit Wasser gebraut wird, diente auf diese Weise zur Aufbereitung von verschmutztem Trinkwasser.
        In diesem Sinn war Alkohol tatsächlich die "Muttermilch", durch die unsere Zivilisation überhaupt erst gedeihen
        konnte !!!

        http://www.m-ww.de/pharmakologie/drogen/alkohol.html

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        • die Vernunft kommt zuletzt


          17.05.2004

          Vernunft und Problemlösungsfähigkeit entwickelt das Gehirn zuletzt [Kognitionswissenschaft]

          Bethesda (USA) - Bis etwa zum 14. Lebensjahr ist mit Vernunft nicht zu rechnen. Was viele Eltern schon immer geahnt haben, konnten jetzt Wissenschaftler mit einer Rekonstruktion der Gehirnentwicklung im Zeitraffer belegen. In den "Proceedings of the National Academy of Sciences" beschreiben die Forscher den Rückgang der so genannten grauen Substanz und den Aufbau der für die kognitive Entwicklung wichtigen Rinden-Areale (Cortex-Areale).

          "Um Gehirnveränderungen deuten zu können, die wir in Entwicklungsstörungen wie Schizophrenie gesehen haben, brauchten wir eine genauere Vorstellung davon, wie sich ein Gehirn normalerweise entwickelt", erklärt Judith Rapoport vom amerikanischen National Institute of Mental Health den Forschungshintergrund. Sie und ihre Kollegen scannten die Gehirne von 13 gesunden Kindern zehn Jahre lang regelmäßig in einem Abstand von jeweils zwei Jahren. Dadurch gewannen sie gleichsam einen Gehirn-Film, der die Entwicklung des Gehirns vom 5. bis zum 20. Lebensjahr zeigt.

          Die Scans zeigen, wie die so genannte graue Substanz sich bis zur Pubertät immer weiter verringert und das Gehirn dabei vermutlich von nicht mehr benötigten neuronalen Verbindungen befreit. Kurz vor der Pubertät kommt es jedoch, wie Jay Giedd, einer der Autoren schon vor Jahren feststellte, zu einer erneuten Überproduktion von grauer Substanz wie in den ersten 18 Lebensmonaten. Während der Pubertätsjahre kommt es dann abermals zu einem Verringerungsprozess, etwa nach der Devise "Benutz es oder verlier es".

          Während der wichtigsten kognitiven Entwicklungsschritte reifen parallel zur Abnahme der grauen Substanz die Cortex-Areale. Die neue Gehirn-Studie von Rapoport und ihren Kollegen zeigt, wie zunächst der ganz vordere Teil und der rückwärtige Teil reifen. In diesen Bereichen werden grundlegende Funktionen wie Bewegung und Sinneswahrnehmung verarbeitet. Im nächsten Schritt des Entwicklungsprozesses reifen die Areale, die für Sprache und räumliche Orientierung zuständig sind. Areale mit jenen Funktionen, die über das Grundlegende hinausgehen - Einordnung von Sinnesinformationen in einen Zusammenhang oder Abwägung von Handlungsoptionen - reifen zuletzt. Hierfür ist vor allem der präfrontale Cortex zuständig.

          Bei Kindern mit einem frühen Auftreten von Schizophrenie - so erkannten die Forscher bereits vor einigen Jahren - ist ein übermäßiger Verlust von grauer Substanz in den Pubertätsjahren zu beobachten. Teenager, die bereits vor der Pubertät an einer Psychose erkrankt sind, zeigen einen viermal größeren Verlust an grauer Substanz in den Frontallappen wie gesunde Kinder. Schizophrenie im Kindesalter "könnte eine Übertreibung des Reifungsprozesses sein, vielleicht verbunden mit einer exzessiven Säuberung des Gehirns von Synapsen", vermuten die Forscher.

          (wsa040517dm1)
          Autor: Doris Marszk
          Quelle: PNAS

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          • RE: Verfasser ..?


            .....was willst du mit deinem Posting bezwecken, interessant wäre auch welcher Absender die Postings verfaßt hat.....

            die Infos, die aus deinen Postings hervorgehen sind eigentlich allgemein bekannt, da heutzutage jeder über die Ursachen, Folgen und Gründe für Drogenmißbrauch schon in der Schule aufgeklärt wurde.(wenn auch nicht in den von dir erwähten medizinischen Fachausdrücken)

            ausnahme sind hier die jungen Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion oder allgemein aus Osteuropa, die bis zur Wende diese Problematik nicht in dem maße kannten und somit unzureichend aufgeklärt waren.

            In Rußland war und ist der Alkoholkonsum jedoch damals wie heute ein sehr starkes problem, ...da Alkohol jedoch leider eine legale Droge ist, erschwert die Lösung dieses Problems, so wie bei allen anderen legalen Drogen, wie z.B. Nikotin.

            Interessant war an deinen Ausführungen, daß Nikotin und Alkohol, die legalen Drogen nicht weniger Folgeschäden verursachen als Heroin....

            Interessant wäre der Absender der Postings, vor allem die Frage, ob du ein Arzt oder nur ein interessierter Laie bist...

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            • Heroes/David Bowie


              I, I will be king
              And you, you will be queen
              Though nothing will drive them away
              We can beat them, just for one day
              We can be Heroes, just for one day

              And you, you can be mean
              And I, I´ll drink all the time
              ´Cause we´re lovers, and that is a fact
              Yes we´re lovers, and that is that

              Though nothing, will keep us together
              We could steal time, just for one day
              We can be Heroes, for ever and ever
              What d´you say?

              I, I wish you could swim
              Like the dolphins, like dolphins can swim
              Though nothing, nothing will keep us together
              We can beat them, for ever and ever
              Oh we can be Heroes, just for one day

              I, I will be king
              And you, you will be queen
              Though nothing will drive them away
              We can be Heroes, just for one day
              We can be us, just for one day

              I, I can remember (I remember)
              Standing, by the wall (by the wall)
              And the guns, shot above our heads (over our heads)
              And we kissed, as though nothing could fall (nothing could fall)
              And the shame, was on the other side
              Oh we can beat them, for ever and ever
              Then we could be Heroes, just for one day

              We can be Heroes
              We can be Heroes
              We can be Heroes
              Just for one day
              We can be Heroes

              We´re nothing, and nothing will help us
              Maybe we´re lying, then you better not stay
              But we could be safer, just for one day

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              • RE: Verfasser ..?


                Wissen Sie wirklich nicht, wer der Verfasser ist??? Ich lese hier die ganzen Tage und Wochen schon herum, aber für mich ist ganz klar, wer das alles geschrieben hat. Letztlich ist es aber auch egal, wer es ist, da diesem Menschen die Suchtprobleme anderer nicht sooooo egal sind, wie manch anderem. Ich finde es super Klasse, welche Mühe er sich gemacht hat um anderen doch vielleicht noch mehr an Info`s zu geben, als diese selbst wissen.

                LG

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                • Und über die Diskussionen..


                  hinaus ,von wegen Alkohol und Heroin,haben wir vergessen einzuschließen das Kokain,die halluzinogenen Drogen (u.a. LSD /Lysergsäure-Diäthylamid) das Haschisch,Marihuana oder Gras,Ecstasy..und ,und ,und...,gelle?
                  Aber ehrlich gesagt ,muß auch nicht sein,darüber zu diskutieren.Der Drogen gibt´s viele.auch die Ludopathie,und die Internetsucht....usw.usf.....da könnten wir jetzt Diskussionen führen bis zum Tag des jüngsten Gerichts....

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                  • RE: Swingi - Verfasser ..?


                    ...also ich finde es schon verständlich, daß man sich für den Verfasser interessiert, schließlich sind diese fachmedzinischen Postings ja nicht gerade gewöhnlich...

                    Offensichtlich kennst du den verfasser auch nicht, sonst hättest du ja meine frage konkret beantworten können und hättest nicht nur allgemein erwähnt, daß "es für dich ganz klar ist, wer das alles geschrieben hat" - das war nämlich keine Antwort auf meine Frage.

                    ...Übrigens nicht nur dem Verfasser dieser Postings, auch mir ist es nicht sooooo egal, ob jemand Suchtprobleme hat....

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                    • an den unbekannten Autor


                      Hab mir alle Texte durchgelesen, das meiste war mir bekannt, aber einiges auch neu. Also, eine Erweiterung - Danke!

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                      • Ich kenne...


                        den Verfasser,werd´s aber nicht öffentlich bekanntgeben.
                        Sprich ihn direkt an,vielleicht setzt er sich mit Dir in Verbindung...

                        Kommentar


                        • RE: Swingi - Verfasser ..?


                          Uuups, ich hatte kein Fragezeichen gesehen, sondern auch nur allgemein verstanden, daß es Dich interessiert wer der Verfasser sein könnte. Nur ist es sicher nicht meine Sache, dem Verfasser vorzugreifen - wenn er sich denn überhaupt outen lassen möchte. Das Dir persönlich, die Suchtprobleme andere egal sind, hatte ich auch nicht gesagt!

                          LG

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                          • Als Mutter einer pubertierenden Göre...


                            ...ist diese Erkenntnis zwar im akuten Unvernunftsfalle nicht hilfreich - weil sich die Mutter dann trotzdem aufregt! -, aber es beruhigt doch zu erfahren, dass mit Besserung zu rechnen sein könnte...

                            Naja, so eine Pubertät dauert ja nur für die Eltern eine Ewigkeit! :-(((

                            Grüße
                            Anke

                            Kommentar

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