Leberkrebs

[Neuegbauer, Claudia]

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. P. Wust,

bei meiner Schwiegermutter wurde im Januar Leberkrebs festgestellt, der nicht mehr operiert werden kann. Vor ca. 18 Monaten hat man ihr ein Auge entfernt. Damals hieß es, der Krebs sei verkapselt gewesen und von daher wurde keine Nachbehandlung durchgefürt.

Seit Januar hat sie 2 mal eine Chemotherapie erhalten, die nicht das gewünsche Ergebnis gebracht hat. Sie ist zur Zeit sehr schwach, doch hat sich ihr Gewicht stabilisiert. Nun will man zunächst untersuchen, ob der Krebs sich weiter ausgebreitet hat und dann eine "härtere" Chemo durchführen.

Wir haben das Problem, dass wir ca. 350 km entfernt wohnen und nicht selbst mit den Ärzten sprechen konnten. Meine Schwiegereltern gehen von einem harten Weg aus, der ca. 12 Monate dauern wird. Sie sprechen auch von Heilung, obwohl uns befreundete Ärzte klipp und klar gesagt haben, dass dies nicht möglich ist. Wir stehen der ganzen Situation ziemlich hilflos gegenüber, weil wir nicht wissen, welche Informationen sie haben und was sie uns weitererzählen. Des Weiteren kennen wir nicht die behandelnden Ärzte. Sie hat uns ihre Leberwerte gezeigt. Der eine ist bei über 700 und der andere über 500. Da wir Laien sind, können wir damit nichts anfangen.

Kann man absehen, wie lange sie noch zu leben hat? Ist in diesem Stadium eine neue Chemo hilfreich oder nur eine größere Qual?

Wir sind natürlich sehr emotional gefangen und wagen es nicht, die Eltern direkt anzusprechen und über einen ggf. noch in diesem Jahr bevorstehenden Tod zu reden und ob nicht ein Hospiz ggf. die bessere Alternative ist, wenn sie nicht mehr zu Hause leben kann. Können wir uns in dieser Situation an den Hausarzt wenden, auch ohne dass die Eltern hierüber vorher informiert werden müssen?

Vielen Dank für Ihre Antwort im voraus.

[Prof. Wust]

RE: Leberkrebs


Die nächsten Angehörigen können vom behandelnden Arzt eine ausführliche Auskunft erwarten, aber natürlich nur mit dem Einverständnis des Patienten. Ohne ausdrückliche Willenskundgebung des Patienten selbst geht gar nichts. Da müssen Sie schon mit dem Patienten, also Ihrer Schwiegermutter reden. Besser wäre es auch, wenn sich der Sohn kümmert. Aber auch da bedarf es der Zustimmung. Wenn Sie selbst krank wären, wollten Sie sicher auch nicht, dass jemand hinter Ihrem Rücken Erkundigungen einholt (wer auch immer das sein mag).
Wenn Sie es nicht schaffen, die Eltern direkt anzusprechen, geht man von einem gestörten Vertrauensverhältnis aus (was sicher nicht ganz von der Hand zu weisen ist) und sollte normalerweise keine Auskunft geben.

[Neugebauer, Claudia]

RE: Leberkrebs


Lieber Herr Prof. Dr. Wust,

vielen Dank für Ihre Antwort, doch bringt sie mich nicht weiter. Wir haben meinen Schwiegereltern bisher voll vertraut. Das macht es ja so schwierig, sich nun vor sie zu stellen und zu sagen: Ihr sagt uns nicht die Wahrheit. Es ist sicherlich ein Problem, mit auf sich fixierten Personen zu reden, die keinen Freundes- und Bekanntenkreis haben, im Krieg groß geworden sind und sicherlich noch einige Traumata davon haben; insbesondere wenn kein Vertrauen zu den eigenen Eltern aufgebaut werden konnte. Daher, ihre psychologischen Empfehlungen in Ehre, doch ohne 100-prozentig zu wissen, dass sie uns nicht die Wahrheit sagen, ist es problematisch, solch ein Gespräch zu beginnen; insbesondere an ihrem Geburtstag.
Wir haben uns für Ostern eine Ferienwohnung in der Nähe meiner Schwiegereltern gesucht und dann wollen die Kinder schon das Gespräch führen und sie auch direkt damit konfrontieren, dass unseres Wissens keine Heilung möglich ist. Natürlich glauben die Kinder lieber ihren Eltern, dass eine Heilung möglich ist. Deshalb nochmals die Frage: Schätzen wir die Situation falsch ein und besteht Hoffnung auf Heilung?

Vielen Dank für Ihre Antwort.