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Meine Mutter auf dem Weg in die Dunkelheit

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  • Meine Mutter auf dem Weg in die Dunkelheit

    Hallo Ihr Lieben,

    ich habe mich hier registriert, um Euch die Geschichte meiner Mutter (54) zu erzählen. Auch erhoffe ich mir, dass man mir Tipps geben kann, wie ich damit fertig werden soll, dass meine Mutter immer mehr in die Dunkelheit abdriftet.

    Ich fange dann einfach mal an zu erzählen:

    Wann es genau angefangen hat, weiß ich gar nicht -Meine Mutter war schon immer etwas schusselig und hatte eine kindliche Art an sich. Im Jahr 2010 war es dann aber so, dass sie sich nicht mehr richtig auf etwas konzentrieren konnte. Besonders fiel es mir auf, wenn wir Gesellschaftsspiele spielten. Wir spielten sehr oft ''Mensch ärger dich nicht''. Irgendwann war es dann so, dass sie die Spielfiguren rückwärts denn vorwärts bewegte. Wenn ich sie darauf ansprach lachte sie nur und versuchte es danach richtig zu machen.

    Neben den Auffälligkeiten beim ''Mensch ärgere dich nicht'' spielen, gab es noch Vorkommnisse, die mir immer mehr auffielen. Meine Mutter war immer sehr darauf bedacht, den Haushalt sehr penibel zu erledigen. Stillsitzen? Für meine Mutter fast unmöglich. Im Jahr 2010 aber war es so, dass sie immer lethargischer wurde. Den Haushalt erledigte sie nur noch sporadisch und saß meist vor dem Fernseher oder schlief. Auf Nachfrage hin was mit ihr denn los sei, sagte sie zu mir, dass sich ihr Kopf leer anfühle.

    Irgendwann war es dann so (immer noch 2010), dass ich darauf pochte, sie möge sich doch bitte einen Termin beim Arzt geben lassen - dies tat sie dann auch. Einige Tage später hatte sie ihn dann. Der Arzt führte die Symptome auf eine Fehlfunktion der Schilddrüse zurück. Da meine Mutter aber schon Jahrzehnte Probleme mit ihrer Schilddrüse hatte und solche Symptome vorher nie auftraten, pochte stark darauf, dass sie sich eine Zweitmeinung einholen möge - dies tat sie (nach Wochen) dann auch.

    Der neue Arzt hörte sich die Schilderungen an und überwies sie sofort in eine Klinik. Dort war sie zuerst für ein Paar Tage um einige Tests durchführen zu lassen -dann durfte sie erstmal wieder Heim.

    Es dauerte aber nicht lange, da wurde sie gebeten zurück zu kommen. Es wurden noch einmal einige Tests gemacht, um den ersten Verdacht der Ärzte zu bestätigen.

    Einige Tage waren vergangen, da wurden mein Stiefvater und ich gebeten, doch bitte in die Klinik zu kommen, da man uns die Ergebnisse mitteilen wollte.

    Als wir eintrafen und ins Sprechzimmer geholt wurden, bemerkte ich sofort, dass eine Seelsorgerin anwesend war. Dies reichte aus das ich sofort wusste, dass das Ergebnis schlimm sein musste -dies war es dann auch. Die Ärztin faste sich kurz, war aber dennoch sehr einfühlsam. Sie sagte, dass meine Mutter an Alzheimer leiden würde (sie war damals erst 51), sie aber sehr wohl noch ein Paar Jahre ein sehr schönes Leben führen könne. Ich selber nahm das Ergebnis relativ gefasst auf, meine Mutter und mein Stiefvater aber kamen die Tränen. Ich selber hatte einen solchen Verdacht schon ein Paar Tage vorher, da ich mich im Internet etwas schlau gemacht hatte.

    Meine Mutter verbrachte noch einige Wochen in der Klinik, um mit der Medikamentösen Therapie beginnen zu können. Man sagte mir, dass die Medikamente die Alzheimerkrankheit zwar nicht aufhalten, aber bremsen könne. Desweiteren sollten die Medikamente dafür sorgen, dass die körperlichen Symptome abgeschwächt werden.

    Irgendwann kam der Tag, an dem meine Mutter nach hause kommen sollte. Ich muss sagen, ich hatte etwas bammel. In meinen Gedanken drehte sich alles darum, wie die weiteren Jahre denn verlaufen mögen und wie sehr sich meine Mutter denn noch verändern würde.

    Als meine Mutter dann nach hause kam, war ich dann aber doch froh. Ich merkte aber sofort, dass sie sich weiter verändert hatte. Sie war psychisch extrem labil. Sie weinte sehr oft, wurde ohne Grund extrem aufbrausend und war an manchen Tagen sehr abwesend.

    Den Haushalt erledigte sie gar nicht mehr und besuche bei Familienmitgliedern waren für sie ebenfalls nicht mehr von Bedeutung. Desweiteren fiel mir auf, dass sie die Körperpflege immer mehr vernachlässigte. Dies alles führte dazu, dass wir uns um eine Haushaltshilfe bemühten -die Körperpflege aber übernahm mein Stiefvater.

    Die Haushaltshilfe war der reinste Graus. Sie putze nur oberflächig, so das vieles an mir und meinem Stiefvater hängen blieb. Auch war es so, dass sie meine Mutter verbal Angriff bis meine Mutter weinte. Wir ''entsorgten'' dieses Monster dann schnell.

    Mein Stiefvater sorgte dann dafür, dass meine Mutter tagsüber in einer Einrichtung unterkam, wo man sich mit ihr und anderen kranken Menschen beschäftigte. Meiner Mutter gefiel es dort sehr.

    Zeitsprung ins Jahr 2012

    Ich wohnte nicht mehr bei meiner Mutter, da ich eine eigene kleine Familie gegründet habe. Dennoch schaute ich immer wieder bei ihr vorbei, weshalb ich weiter auf dem laufenden bleiben konnte.

    Bis ins Jahr 2012 verschlechterte sich ihr Zustand soweit, dass sich ihre Motorik und das Sprechen verschlechterte. Ganze Sätze stellten sie vor eine große Aufgabe, die sie nur manchmal meistern konnte. Das gehen wurde für sie mühsamer, weshalb sie immer langsamer wurde.

    Mitte 2012

    Meine Mutter entwickelte sowas wie ein Ritual. Sie schaute sich immer und immer wieder eine Zeitung an. Sie las nicht darin (das konnte sie nicht mehr richtig), sondern schaute einfach nur durch die Seiten. Sprach man die in solchen Momenten an, reagierte sie kaum bis gar nicht.

    Außerdem entwickelte sie eine Unruhe. Wo sie anfangs eher lethargisch war, war sie nun wie gehetzt. Sie lief im Haus umher, ohne irgendeine Aufgabe zu erledigen. Sagte man ihr, die möge sich doch bitter setzen, so tat sie es zwar, jedoch nur für ein Paar Minuten.

    Anfang 2013

    Meine Mutter erzählte mir immer wieder Geschichten, die nie passiert sind. So erzählte sie mir zb. das unser Hund geschlagen wurde, dass mein Stiefvater sie entführen wollte oder das sie Kinder zu Hause habe. Desweiteren verschlechterten sich ihre Hirnwerte Anfang 2013 rapide, weshalb die Dosis der Medikamente erhöht wurde.

    Mitte 2013

    Ich komme kaum noch dazu, sie zu besuchen. Einerseits weil ich ja selber eine Familie habe und andererseits weil ich es seelisch nicht mehr schaffe, sie so leiden zu sehen.

    Ihr Kurzzeitgedächtnis arbeitet mal gut und mal sehr schlecht. Sie hat im Allgemeinen mal ''gute'' und mal schlechte Tage - die schlechten überwiegen jedoch sehr stark.

    Sie lebt immer mehr in der Vergangenheit. Erinnerungen aus der Vergangenheit sind für sie viel leichter abrufbar als Erinnerungen aus dem damaligen jetzt.

    Ende 2013

    Der Zustand verschlechterte sich plötzlich dramatisch.

    Sie hat ein neues ''Ritual'' entwickelt. Sie flechtet ihre Hände wie bei einem Gebet und zählt immer wieder von 1 bis 5 - stundenlang.

    Sie weint immer wieder und hat Halluzinationen. Sie sieht Gefahren, wo keine sind.

    Die Hände meines Stiefvaters hält sie für Babys.

    2014

    Mein Stiefvater schafft es nicht mehr, sie täglich zu versorgen. Da er 13 Stunden täglich arbeitet, ist er Abends einfach zu kaputt um sich noch um sie sorgen zu können. Daher beschließt er, sie von Montags bis Freitags in ein Pflegeheim zu bringen. Dort - so sagt er - geht es ihr sehr schlecht. Nicht, weil die Pflege dort mies ist, sondern weil sie bei ihm sein möchte. Ist sie an den Wochenenden daheim, geht es ihr viel besser.

    Das war nun eine relativ kurze Fassung von dem, wie es bei meiner Mutter anfing und wie es ihr heute geht.

    Nun ein Paar Fragen:

    Meine Mutter ist ja noch relativ jung, jedoch schreitet es bei ihr schnell voran. Kann man abschätzen, wie lange sie noch leben wird? Ich denke fast täglich daran, meine Mutter bald zu verlieren - das tut verdammt weh.

    Wie viele Jahre dauert es im Schnitt, bis ein Alzheimerpatient seine Angehörigen nicht mehr erkennt? Meine Mutter lebt nun beinahe 4 Jahre mit der Krankheit, erkennt mich und ihre Angehörigen aber noch. Ich habe Angst vor dem Tag, wo sie es nicht mehr tut.

    Habt ihr Tipps für mich, wie ich mit der Situation umgehen soll, meine Mutter immer mehr zu verlieren?

    Ich danke Euch fürs Lesen und für Eure Antworten.

    Liebe Grüße

    Fabian.


  • Re: Meine Mutter auf dem Weg in die Dunkelheit

    Hallo Fabian,

    ich habe deinen Bericht mit Interesse gelesen, weil es mir ähnlich ergangen ist. Doch es gibt einen deutlichen Unterschied: Meine Mutter ist wesentlich älter, nämlich 92. Es ist zwar immer schwer, einen solchen Schicksalsschlag hinzunehmen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass eine Diagnose mit Anfang 50 einfach ein Horror ist.
    Meine Mutter war bis um die 85 sehr fit und sah für ihr Alter sehr jugendlich aus. Ihre Defizite wurden mir erst bewusst, als sie 2008 mit einer Schulterfraktur im Krankenhaus lag und nach der Operation verwirrt war. Da wusste ich, dass sich mein Leben nun gravierend verändern würde, denn ich habe mich nach dem Tod meines Vaters stets um sie gekümmert. Was du so beschreibst, habe ich auch alles erfahren müssen. Und ich bin auch in so einem Stadium, dass ich mich frage, wie es wohl weitergeht.
    Lange Zeit habe ich mich mit dem Zustand meiner Mutter nicht abfinden können und manchmal entsprechend ungeduldig reagiert, was natürlich völlig falsch war. Ich habe gelernt, mich in ihre Welt hineinzutasten und sie so sein zu lassen, wie sie ist. Das ist schwierig, denn ich habe immer noch das Bild einer sehr gepflegten und perfekten Hausfrau von ihr, das nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Ihre innerliche und äußerliche Veränderung belastet mich, auch wenn wir durchaus noch schöne Momente haben. Zudem muss ich mich rund um die Uhr um sie kümmern und alles tun, was sie früher unbemerkt erledigt hat. Frauen von der Caritas entlasten mich. Ich würde so gerne mal für ein paar Tage Urlaub mit ihr machen, aber sie ist dafür schon zu verhaltensauffällig. Damit würde ich uns keinen Gefallen tun. Sie allein lassen, mag ich im Moment auch nicht. Also heißt es, sich das Leben zu Hause so angenehm wie möglich zu machen und die Durststrecken zu überwinden.
    Übrigens: Sie erkennt mich nicht mehr, aber ich bin ihr nahe und vertraut. Manchmal spricht sie mich mit dem Namen ihrer Jugendfreundin an oder hält mich für eine ihrer Schwestern. Die ganze Zeit mit meinem Vater, der vor vielen Jahren verstorben ist, und mir ist fort. Wenn ich ihr sage, dass ich ihre Tochter bin, weist sie das entrüstet zurück. In ihrer Einbildung ist sie noch ein junges Mädchen. Sie möchte ständig „nach Hause“, verlässt aber glücklicherweise nicht das Haus.

    Hier noch ein Zitat, das dir vielleicht einen Anhaltspunkt gibt:

    „Wie eine Alzheimer-Erkrankung verläuft, wie schnell sie fortschreitet und wie lange die Betroffenen damit noch leben, ist individuell extrem unterschiedlich und deshalb pauschal nicht vorherzusagen.
    Betrachtet man die reine Statistik, leben Menschen mit Morbus Alzheimer nach der Diagnosestellung im Schnitt noch sieben Jahre. Aber mit Statistik kommt man hier nicht weit. Denn zum einen ist zu bedenken, dass viele der Betroffenen zum Zeitpunkt der Diagnose schon sehr alt sind, die Lebenserwartung also (zumindest statistisch) ohnehin nicht mehr so hoch ist. Mit 88 Jahren kann man auch an Herzversagen oder reiner Altersschwäche sterben.
    Zum anderen gibt es Fälle, in denen die Betreffenden noch 20 Jahre mit der Erkrankung leben. Auch die Geschwindigkeit, in der die Erkrankung voranschreitet, ist individuell sehr unterschiedlich.

    Autor: Dr. med. Jörg Zorn
    Quelle: Alzheimer Forschung Initiative“

    Liebe Grüße

    sadsoul

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    • Re: Meine Mutter auf dem Weg in die Dunkelheit

      Hallo, Fabian,
      "ich denke fast täglich daran, meine Mutter bald zu verlieren - das tut verdammt weh."
      "Habt ihr Tipps für mich, wie ich mit der Situation umgehen soll, meine Mutter immer mehr zu verlieren?"

      Versuche deine Angst zu überwinden - besuche deine Mutter. Gerade jetzt, wo sie dich noch erkennt und sich freut, wenn du kommst. Wenn du das nicht tust, hast du sie ja jetzt schon verloren. Und machst dir später wahrscheinlich Vorwürfe, das ist viel schlimmer.
      Verdirb dir und deiner Mutter nicht die Gegenwart, indem du nur an die Zukunft denkst und in Selbstmitleid versinkst.

      "Wie viele Jahre dauert es im Schnitt, bis ein Alzheimerpatient seine Angehörigen nicht mehr erkennt? Meine Mutter lebt nun beinahe 4 Jahre mit der Krankheit, erkennt mich und ihre Angehörigen aber noch. Ich habe Angst vor dem Tag, wo sie es nicht mehr tut."

      Wie lange es dauert, kann niemand sagen. Vielleicht tritt es auch gar nicht ein. Außerdem ist es ein schleichender Prozess. Bei meiner Mutter wurde vor 15 Jahren Demenz festgestellt. Seitdem geht es mal langsamer, mal schneller bergab. An manchen Tagen erkennt sie mich nicht, hält mich für ihre Schwester oder eine Pflegerin, an anderen Tagen weiß sie, dass ich ihre Tochter bin. Ich trage es inzwischen mit Fassung, denn eigentlich ist es ja egal, ob sie sich über mich oder ihre Schwester freut. Hauptsache, sie freut sich.
      Herzlichen Gruß, louisanne

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      • Re: Meine Mutter auf dem Weg in die Dunkelheit

        Hallo Fabian,
        Dein Bericht ist sehr bewegend, da Deine Mutter noch so jung ist.

        Du hast bisher viel Kraft gebraucht und wirst die nächsten Jahre noch mehr Kraft und Energie benötigen, um mit dem Zustand Deiner Mutter zurechtzukommen!
        Deinem Bericht entnehme ich nämlich, dass du ein sehr sensibler, mitfühlender Mensch bist.

        Ich selbst habe viele Jahre in einem Pflegeheim gearbeitet - als Leiterin einer Station für vorwiegend Demenzkranke Menschen.
        Deshalb kenne ich mich mit diesem Krankheitsbild etwas aus........

        Es ist verständlich, dass du nicht mehr so viel Zeit hast durch eigene Familie. Aber denke bitte immer daran - du weißt nicht, wie lange du Deine Mama noch hast! Also besuche sie, so oft es geht - auch MIT Deiner Familie.

        Dass Deine Mutter nun in einem Pflegeheim wohnt von Mo - Fr. ist sicher für ihren Ehemann die beste Lösung.
        Aber der Wechsel Pflegeheim - zu Hause - Pflegeheim usw. ist für Menschen mit Alzheimer / Demenz nicht so günstig.
        Menschen mit Alzheimer / Demenz brauchen einen sehr geregelten Tagesablauf und möglichst wenig Veränderungen!!

        Welche Pflegestufe hat Deine Mutter? Ich vermute - mindestens PS 2?

        Wäre es nicht machbar, sie durch einen ambulanten PD früh und abends versorgen zu lassen und tagsüber wieder in eine Tagespflege zu geben?
        Du schreibst, dass es ihr dort sehr gefallen hat. Man bekommt mit PS 2 auch einen jährl.Zuschuß für Tages- od.Kurzzeitpflege, sodaß man nicht alles aus eigener Tasche zahlen muß.
        Ich weiß es, da ich meine Mama mit PS2 auch in Tagespflege hatte und den Rest übernahm ambul.PD.

        Fabian, wenn du Deine Mama besuchst - rede viel mit ihr über frühere Zeiten! Und hab Geduld - auch wenn´s manchmal schwerfällt.
        Schaut Euch Bilder von früheran, als du noch ein Kind warst usw......

        Viel Kraft Dir und Deiner Familie und alle guten Wünsche für Deine Mama
        von schildi

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