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Erschöpfung + Folgekrankheiten b. Angehörigen

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  • Erschöpfung + Folgekrankheiten b. Angehörigen

    Liebe Forenmitglieder,
    nach 4 Jahren Begleitung meines alzheimerkranken Vaters bin ich kräftemäßig irgendwo am Ende der Fahnenstange angekommen. Mein Einsatz, mein Enthusiasmus der ersten Jahre ist einer tiefen Niedergeschlagenheit und Resignation gewichen. Mein gesamtes Leben ist überschattet und hat sich negativ verändert. Ich leide unter chronischer Schlaflosigkeit, bin dauerhaft gereizt, nicht mehr belastbar und habe mannigfache körperliche Beschwerden entwickelt. Ängste jedweder Art haben sich eingestellt und ein tiefes Misstrauen gegenüber unserem Gesundheits- und Pflegesystem hat sich eingenistet. Vielleicht dürfte ich das nicht so offen hier schreiben - aber ich möchte einfach wissen, wie andere Betroffene mit der Situation umgehen und ob es Parallelen und vielleicht gegenseitigen Zuspruch gibt.
    Ich fühle mich so unendlich hilflos und trage gleichzeitig ein schweres Schuldgefühl mit mir herum. Manchmal habe ich das Gefühl, selbst nicht mehr klar denken zu können.
    Wer meine Threads und Beiträge verfolgt hat und die Geschichte kennt, weiß von all meinen Bemühungen, die letztendlich nun doch in ein jämmerliches Siechtums meines Vaters mündeten. Es ist alles nur noch grauenvoll. Leona


  • Re: Erschöpfung + Folgekrankheiten b. Angehör


    Liebe Leona,
    ich kann nachempfinden was du empfindest und wie es dir geht, auch wenn ich derzeit in einer entspannteren Lage bin, weiß ich sehr wohl wie ich mich in Panik und Sorge, sowie fast ununterbrochenem Gedankenkreisen bringe, sobald ein akutes oder schlimmeres Problem auftritt. Das macht mich dann körperlich auch so fertig, dass ich sofort die schlimmsten Verspannungen mit allen Folgeerscheinungen bekomme, sowie Muskelschmerzen und Herzstolpern. Dass all die Bemühungen insofern nicht gefruchtet haben, dass dein Vater jetzt nicht in einem besseren Zustand ist, heißt aber noch lange nicht, dass du Schuldgefühle haben musst. Die Hilflosigkeit zu akzeptieren wenn man ein Kämpfergemüt ist, ist unendlich schwer. Aber wie schon mal gesagt, ich glaube dass dein Vater es sehr wohl mitbekommen hat, wie sehr du dich bemühst und wie du dich kümmerst. Was wohl bei dir, wie auch bei mir, sehr ausgeprägt ist, ist der Beschützer-Instinkt, und den kannst du nicht einfach abschalten, ohne zu verzweifeln. Du kannst ihn höchstens an die Situation anpassen. Das Misstrauen ggü. dem Gesundheitssystem ist sicherlich angebracht, wobei man trotzdem sagen muss, dass es bei uns wohl wenigstens noch kleine Hoffnungsträger gibt. Und das auch in erster Linie auf der menschlichen Seite, bei Menschen die anderen Menschen Gutes tun, auch wenn dies ihr Job ist, den sie dann wohl richtig gewählt haben.
    Für dich hilft einfach nur, wenn du dich in jeglicher Form versuchst zu erholen und mit anderen in Kontakt zu bleiben, die Erholung dauert aber bis sie langsam eintritt.
    Liebe Grüße, Flieder

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    • Re: Erschöpfung + Folgekrankheiten b. Angehörigen


      Hallo Leona,

      der Zustand meines Vaters verschlimmerte sich in den letzten sechs Monaten und es wird noch schlimmer werden. Konnte ich vor Juli letzten Jahres immer noch wenigstens ein paar Tage mal abschalten, wenn ich wieder in meiner Wohnung war, so gelingt mir das jetzt überhaupt nicht mehr. Nie zuvor in meinem Leben hatte ich Psychopharmaka benötigt – jetzt schlucke ich – wenn auch kontrolliert – Benzodiazepin und habe eine Schachtel Mirtazapin (immer noch unangebrochen) dabei. Mein Rücken schmerzt, und immer öfter klage ich über Sodbrennen sowie diverse wandernde Schmerzen im Körper (bin z.Z. in ärztl. Behandlung deswegen). Ich hätte nie gedacht, das mir die Krankheit meines Vaters – verbunden mit Ängsten auch um meine Mutter – so zusetzen würde. Schlaflosigkeit und Durchschlafstörungen gehört natürlich auch zum „Programm“. Es kommt vor, dass ich nachts aufwache und wiederholt „Planspiele“ mache, z.B. für den Fall, wenn meine Mutter mal ausfallen sollte und ich dann einiges zu organisieren habe oder was zu tun ist, wenn Vater weggelaufen ist, usw. An Schlaf ist dann nicht mehr zu denken. Immer öfter denke ich in letzter Zeit, dass es für alle besser wäre, wenn Vater in einem guten Heim untergebracht wäre. Dann aber kommen mir all die Negativerfahrungen von Dir und anderen in den Sinn und „abschieben“ möchte ich Vater auf keinen Fall.

      Es ist – wie man so sagt – ein „zugebundener Sack“ – wie man es macht, man macht es falsch.

      Natürlich gibt es immer noch (noch!) kleine Erfolgserlebnisse, die etwas aufbauen. Aber auch das wirkt nur noch kurzzeitig. Am verheerendsten ist die Tatsache, dass keine echte Hoffnung auf Heilung besteht und man quasi dabeisteht und zusehen muss, wie ein Mensch mental immer mehr zufällt und sich die Persönlichkeit immer mehr verändert bis sie am Ende unkenntlich sein wird. Ein Vorgang der nicht in ein paar Monaten – wie bei anderen schlimmen Krankheiten – vorbei ist sondern mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Eine sich steigernde Quälerei, die kaum noch Freude aufkommen lässt. Und so wird man langsam zerfressen von Dysphorie, Ahedonie und Depressionen. Ich versuche dagegen zu steuern, indem ich mich auch theoretisch mit der Krankheit beschäftige in der absurden Hoffnung, vielleicht doch einen Hinweis zu finden, wie das alles zu mildern und vielleicht sogar anzuhalten sein könnte. Versuche, mich durch Rationalismus gefühlsneutral zu machen – ohne viel Erfolg, denn es ist ja der eigene Vater. Eigenartige Überlegungen kommen mir manchmal wie: Wenn Vaters Persönlichkeitszerfall einen Grad erreicht hat, der kein Erkennen von Mutter oder mir mehr erlaubt und wenn er sich sehr stark von dem entfernt hat, was er mal war – kann ich dann Vater als hilfsbedürftigen Fremden ansehen und so eine Distanz aufbauen, die mehr helfen könnte, als mit diese emotionale familiäre Verbundenheit? Auch das wird wohl nicht gelingen. Liebe ist nun mal stärker als der Tod – auch stärker als der schleichende Tod in Gestalt eines Persönlichkeitszerfalles. Ich habe gar nicht gewusst, dass mir „der Alte“ so ans Herz gewachsen war/ist, dass ich ihm – falls das möglich wäre - gern etwas von meinem Hirngewebe abgeben würde.

      Aber da ist auch der Glaube, der mir gerade in letzter Zeit wertvoll und bewusst wurde. Ich darf vieles Gott überlassen. Wenn es etwas wirklich nachhaltiges gibt, was aus einem Atheisten und Wanderer in Weltanschauungen, wie ich es einmal war, einen echt gläubigen Menschen hat machen können, so ist es diese Situation, in der ich mich befinde. Auch das hätte ich nie gedacht – eher das Gegenteil, eine absolute und tief gekränkte Abkehr von alledem. Es gibt so unendlich viel Überpersönliches, dass unser Wollen und Wünschen dagegen eine Farce ist. „Yes, we can!“, dieser Wahlspruch des neuen Präsidenten der USA, hat – allgemein gesehen - in Wirklichkeit doch nur eine sehr geringe Reichweite.

      Ich wünsche Dir, allen anderen Betroffene und Mitleidenden alle Kraft der Welt und allen Segen Gottes zur Bewältigung unserer Aufgaben. Irgendwo ist da doch ein Sinn in alledem, auch wenn wir ihn nicht erkennen.

      LG
      Egon

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