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Gesprächstherapie bei Halluzinationen?

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  • Gesprächstherapie bei Halluzinationen?

    Validation bei Halluzinationen?

    Validation ist schwieriger als man denkt. Bücher, CD, DVD können helfen, aber sie trainieren nicht wirklich und Lehrangebote gibt es leider nur viel zu wenig und nicht flächendeckend. Validation funktioniert grundsätzlich – das konnte ich sogar als Amateur feststellen. Aber man kommt auch an ein Ende – als Amateur allemal eher denn als Profi. Vielleicht aber „wirft man zuweilen die Flinte zu früh ins Korn“?

    Wie kann man z.B. mit Halluzinationen umgehen ohne gleich zu (atyp.) Neuroleptika zu greifen (die der Arzt derzeit wegen der Nebenwirkungen ohnehin nicht verschreibt)?

    Die Halluzinationen – früher noch in einem noch vertretbaren Maß auftretend – nahmen in den letzten Woche bei meinem Vater zu. Sah er früher überwiegend nur nachmittags oder abends Gestalten, so tauchen derlei neuerdings auch schon vormittags aus. Er sieht jetzt ganze Szenen mit Wagen und Baumaschinen, die sich an seinem Grundstück zu schaffen machen. Gehe ich zu dem Ort, an dem Vater diese Dinge sieht und bitte Vater, genau zu beobachten, was passiert, wenn ich mich „denen“ nähere, so schildert er, dass alles „wegspringt“, wenn ich erscheine um dann nach meinem Verschwinden vom Ort des „Geschehens“ bald wieder aufzutauchen. Vater hingegen kann sich zuweilen, wenn er dorthin geht, mit diesen „Leuten“ unterhalten. Das habe ich schon aus der Entfernung beobachtet.

    Überhaupt keinen Erfolg hatten Versuche der Realitätsherstellung („Da ist ja gar nichts. Bist Du sicher, dass du dir das alles nicht nur einbildest?“). Nur geringen Erfolg (immerhin!) hatten indes Versuche der Verharmlosung („Die tun nichts Böses. Sind vom Vermessungsamt beauftragt und sichern das Grundstück.“). Auch alte „Hippie-Tricks“ halfen nicht („Einfach geschehen lassen – durchlaufen lassen: ist ja nur ein Projektion des eigenen Bewusstseins“, „Nothing is real“). Denn das setzt die Bereitschaft voraus, die Dinge überhaupt als eigene Projektionen anzunehmen. Diese aber ist eben nicht gegeben. Ortswechsel oder Ablenkungen brachten auch nicht viel, denn Vater ist nicht so ohne weiteres dazu zu bringen, mal in ein anderes Zimmer zu gehen ohne den Ausblick auf den Garten, in dem sich das alles „abspielt“. Gelingt es ab und an, kommt stattdessen nach einiger Zeit die Diebstahls- und Sachbeschädigungsparanoia zum Vorschein. Es geht dann gewissermaßen verbal weiter, was woanders optisch abläuft.

    Daher meine Frage an den Experten und meine LeidensgenossInnen: Was kann man noch tun? Wie kann man in das halluzinatorische Weltbild „eindringen“ um „von Innen“ diese Probleme zu mildern?

    Danke vorab für die Hinweise!

    LG
    Egon-Martin


  • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


    Hallo EgonMartin,
    durch Zufall habe ich in der WG meines Vaters einen Valitdationstherapeuten kennengelernt, den ich sehr zu schätzen gelernt habe. Er hält Seminare für Interessierte und Fachleute ab. Dies ist seine Website:

    http://www.vaaroma.de/

    Du kannst aber auch über google noch einiges über ihn erfahren.
    Gruß Leona

    Kommentar


    • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


      Sehr geehrter EgonMartin,

      wie sehr belasten Ihren Vater die Halluzinationen? Wenn der Leidensdruck niedrig bis nicht-existent ist, braucht man sie nicht zu behandeln. Ansonsten sollte eine medikamentöse Behandlung erwogen werden. Ich weiß, daß Sie in Ihrem Folgethread regelmäßig über Ihren Vater berichten. Könnten Sie trotzdem nocheinmal ganz kurz (bitte wirklich nur in zwei Sätzen oder Stichpunkten) zusammenfassen, welche Diagnose bei Ihrem Vater gestellt wurde und welche Neuroleptika welche Nebenwirkungen verursachten?

      Mit freundlichen Grüssen,

      Spruth

      Kommentar


      • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


        Sehr geehrter Herr Dr. Spruth,

        vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworte:

        Die HALLUZINATIONEN treten zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf. Früher nur nachmittags, derzeit auch schon vormittags und bestehen aus fremden Menschen, Wagen und zuweilen sogar Baumaschinen, die Vater im hinteren Garten seines Hauses zu sehn glaubt. Seltener sieht er auch Menschen in der Nähe im Gang neben dem Haus, mit denen er auch schon gesprochen haben will. Diese Sichtungen versetzen ihn in UNRUHE (Ängste), so dass er – bei den Gartenhalluzinationen – immer öfter (manchmal steht er beim Essen auf) in den Garten geht, um nachzusehen. Im Rahmen seiner Diebstahls-, Verdrängungs- und Sachbeschädigungsparanoia (ich nenne das mal so, durch den Fall eines früheren betroffenen Kollegen wohl wissend, dass eine echte ausgeprägte Paranoia umfangreicher ist) vermutet Vater in seinen „Sichtungen“ Zusammenhänge („Wir werden belagert!“ – war die bisher heftigste Reaktion Vaters).

        Vater hat bislang weder NEUROLEPTIKA noch andere Psychopharmaka erhalten.

        Eine exakte DIAGNOSE hat man mir bislang nie mitgeteilt, ich vermute weiterbestehende ARTERIOSKLEROSE (Bypässe in beiden Beinen) mit Gefährdung des Herzens und AD. Die Gallenblase wurde schon vor mehr als 20 Jahren entfernt.

        Derzeitige verordnete Medikamente:

        REMINYL 16 mg (täglich einmal zum Frühstück)
        APROVEL 300 mg (täglich einmal morgens)
        BISOPROLOL (täglich eine halbe Tablette zusammen mit Aprovel)
        ASS (täglich zweimal 100 mg nach dem Mittagessen)
        SIMVASTATIN 40 mg (abends nach dem Essen eine halbe Tablette)
        NITRENDIPIN AbZ (abends vor dem Schlafengehen eine Tablette)

        Es findet eine Blutbildüberwachung statt – nächster Termin ist im September.

        Sorry, in zwei Sätzen war es mir leider nicht möglich.

        Bin für jeden Rat dankbar!

        Mit freundlichen Grüßen

        Egon-Martin

        Kommentar



        • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


          Sehr geehrter EgonMartin,

          erlauben Sie bitte, daß ich weitere Fragen stelle, um mir ein Bild von Ihrem Vater zu machen:
          Traten die Halluzinationen früh im Verlauf der Demenz auf?
          Hat Ihr Vater neurologische Begleitsymptome, z.B. ein verändertes Gangbild etc.?
          Was zeigte eine cerebrale Bildgebung (CT oder MRT) und von wann stammt sie.
          Hat Ihr Vater bereits andere Antidementiva als Reminyl erhalten?
          Schreitet die Demenz unter Reminyl weiter merklich fort oder haben Sie das Gefühl, daß sich der Verlauf unter Therapie stabilisiert hat?
          Hat Ihr Vater schoneinmal eine höhere Dosis Reminyl erhalten?
          Haben die Halluzinationen eine akustische Komponente (d.h. hört Ihr Vater die Menschen etc. auch oder sieht er sie nur)? Wenn Sie es nicht wissen fragen Sie ihn bitte.

          Antworten Sie ruhig in Stichworten.

          Mit freundlichen Grüssen,

          Spruth

          Kommentar


          • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


            Sehr geehrter Dr. Spruth,

            selbstverständlich erlaube ich weitere Fragen. Ich wiederhole Ihre Fragen und werde dann nach bestem Wissen darauf antworten:

            (S) Traten die Halluzinationen früh im Verlauf der Demenz auf?

            Nein, die ersten Schilderungen Vaters erlebte ich an einem Abend im Juli 2007, als er darauf bestand im Gang neben unserem Haus Leute gesehen haben will. Damals hatte ich noch vehement widersprochen, was zu einem verärgerten Rückzug Vaters ins Bett führte. Von dort – so berichtete mir Mutter später – habe er sie etwas verängstigt gebeten im Haus nachzusehen, ob jemand da wäre. Was dann auch geschah woraufhin sich Vater beruhigte. Dann war erst mal eine Weile Ruhe mit den Halluzinationen während die Diebstahlsparanoia aber weiterhin anhielt, jedoch nicht jeden Tag auftrat.

            (S) Hat Ihr Vater neurologische Begleitsymptome, z.B. ein verändertes Gangbild etc.?

            Nein, er geht ganz flott und hat bislang auch keine Probleme mit dem Treppensteigen.

            (S) Was zeigte eine cerebrale Bildgebung (CT oder MRT) und von wann stammt sie.

            Ich habe leider keinen Einblick in diese Dokumente. Der Scan wurde im Krankenhaus von einem Neurologen auf Veranlassung des Hausarztes durchgeführt. Da dieser unmittelbar darauf Reminyl verordnete, scheint die Diagnose auf Alzheimer Demenz zu lauten. Der Hausarzt hatte vorher in Abständen mehrere Monate lang Tests (Uhren zeichnen und Fragebögen, wie Vater selber berichtete) mit Vater durchgeführt. Auf dem Überweisungszettel für den Scan stand lt. Mutter, die ihn las, fragend: „Alzheimer?“ Lt. Mutter waren Veränderungen am Gehirn sichtbar. Einzelheiten hat Mutter vmtl. nicht begriffen, sofern sie überhaupt genannt wurden. Liquor wurde nicht gestestet.

            (S) Hat Ihr Vater bereits andere Antidementiva als Reminyl erhalten?

            Nein. Reminyl eingeschlichen ab Ende April 2007.

            (S) Schreitet die Demenz unter Reminyl weiter merklich fort oder haben Sie das Gefühl, daß sich der Verlauf unter Therapie stabilisiert hat

            Vor der Verbreichung von Reminyl – ich war Ostern 2007 bei den Eltern zu Besuch – wirkte Vater öfters nachmittags und abends deprimiert, ungeduldig und etwa übelgelaunt. Bei meinem Besuch im Juli 2007 war er eher euphorisch, humorvoll. Leider gesellten sich dann aber vereinzelt schon die Halluzinationen dazu, die ihn verwirrten. Ich hatte aber den Eindruck einer lang andauernden verhältnismäßig guten stabilen, d.h. nur langsam abbauenden kognitiven Leistung. Ich denke, alles in allem wirkte das Reminyl stabilisierend auf die kognitiven Leistungen. Erst ab April d.J. und besonders seit Juni d.J. scheint mir dieser Effekt doch mehr und mehr nachzulassen aber noch nicht ganz beendet zu sein (Vater kann immer noch für kurze Zeit– abgesehen von Wortfindungsstörungen - recht gut eine fast normale Fassade zeigen).

            (S) Hat Ihr Vater schon einmal eine höhere Dosis Reminyl erhalten?

            Die Dosis wurde bis 16 mg/die angehoben und wird bis dato unverändert verabreicht.

            (S) Haben die Halluzinationen eine akustische Komponente (d.h. hört Ihr Vater die Menschen etc. auch oder sieht er sie nur)?

            Nein, soweit ich das beobachtet habe, sieht er diese Leute und Gegenstände nur. Mutter hat auch nichts anderweitiges berichtet und Vater hat nie von Äußerungen dieser Leute berichtet. D.h. er will einmal mit ihnen gesprochen haben – was aber auch eine Verwechslung mit anderer Erinnerungen sein kann zumal er das erst später berichtete. Beim akuten Auftreten dieser Erscheinungen finden keine akustische Effekte statt. Er hört keine Stimmen, falls Sie das meinen. Auch gibt es keine neurotische oder psychotische Vorgeschichte. Ich kenne meinen Vater nur als Rationalisten, mit einer sogar kritischen Meinung zu Religionen, etc.

            Ich hoffe, Sie können etwas damit anfangen und mir vielleicht einen Rat geben. Danke!

            Mit freundlichen Grüssen

            Egon-Martin

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            • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


              Hallo Herr Dr. Spruth,

              ich fasse diesen Thread nochmal an, um ihn wieder nach oben oder vorne zu verlagern, weil ich noch auf Ihre Antwort bzw. Kommentar hoffe. Danke!

              Gruß
              Egon-Martin

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              • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                Sehr geehrter EgonMartin,

                entschuldigen Sie die späte Bearbeitung Ihres Beitrags. Wie Sie wissen, darf ich über das Internet und ohne den Patienten selbst zu kennen keine konkreten Therapievorschläge machen. Die folgenden Ausführungen dienen daher nur als Diskussionsgrundlage für den nächsten Arztbesuch.
                Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Halluzinationen zu erklären und verschiedene Möglichkeiten, sie zu behandeln.
                Zu den Ursachen: es könnte sein, daß sie als Symptom der vermuteten Alzheimer-Krankheit auftreten, als Symptome einer anderen Demenz-Erkrankung (wobei v.a. an eine Lewy-Körperchen Demenz oder eine vaskuläre Demenz zu denken wäre) oder als Nebenwirkungen von Reminyl auftreten (oder eine andere, von mir hier nicht bedachte Ursache haben).
                Fangen wir bei der Bewertung der möglichen Gründe hinten an: entsprechende Nebenwirkungen können prinzipiell auftreten, ich halte sie aber hier für eher unwahrscheinlich. Sicher ausschließen ließen sie sich nur durch einen Absetzversuch. Wahrscheinlicher ist hingegen, daß es sich um ein Symptom der Grunderkrankung handelt. Für die Behandlung ist hier wichtig zu wissen, ob eine Lewy-Körperchen Demenz (LBD) vorliegt, da bei dieser Neuroleptika vermieden werden sollten (besondere Empfindlichkeit der Patienten für NL-Nebenwirkungen bei dieser Erkrankung). Aus diesem Grund stellte ich die Frage nach Bewegungsstörungen, da die Erkrankung meist mit einem Parkinson-Syndrom einhergeht. Daß dieses nicht vorliegt, schließt das Vorliegen einer LBD zwar nicht aus, macht sie aber ein wenig unwahrscheinlicher. Sowohl bei der AD als auch bei der VD könnte ein Therapieversuch mit niedrigdosierten atypischen NL erfolgen (Mittel der ersten Wahl: Risperidon; über die immer wieder diskutierte erhöhte Mortalitätsrate hierunter insbesondere bei Patienten mit vaskulären Grunderkrankungen habe ich bereits mehrfach in diesem Forum Stellung bezogen).
                Pragmatisch könnte folgendes Vorgehen erwogen werden:
                Zunächst eine Aufdosierung von Reminyl auf 24 mg/Tag. Wird dies nicht vertragen oder die Demenz schreitet, wie Sie es aus der jüngeren Vergangenheit berichteten, weiter fort: Umstellung auf einen anderen Acetylcholinesterasehemmer (AChI). Ebenfalls Umstellung auf einen anderen AChI wenn die Halluzinationen zunehmen. Persisitieren unter der erhöhten Reminyl-Dosis bzw. dem neuen AChI die Halluzinationen: niedrigdosierte Behandlung mit einem atypischen Neuroleptikum (Risperidon nicht über 2 mg/Tag).
                Berichten Sie bitte über den weiteren Verlauf. Dies wenn möglich als Antwort auf diesen Beitrag, denn dann kann ich nachlesen, was ich bisher hierzu schrieb.

                Mit freundlichen Grüssen,

                Spruth

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                • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                  Sehr geehrter Herr Dr. Spruth,

                  vielen Dank für die Diskussionsgrundlage. Ich werde sie zum 01.10.08, wenn ich wieder zu meinen Eltern fahre, mitnehmen (Brief ist zu gefährlich, weil Vater noch halbwegs gut lesen kann und womöglich alles missversteht).

                  Die Halluzinationen Vaters sind dermaßen plastisch, dass sie sich anscheinend nahtlos in die reale Umgebung anpassen. LBD ist – wie ich gelesen habe – vmtl. diejenige Demenz mit den ausgeprägtesten Halluzinationen. Erich KASTEN schreibt in „Die irreale Welt in unserem Kopf“ (erschienen bei reinhardt, ISBN 978-3-497-01982-3) auf Seite 174, dass auch bei Alzheimer-Kranken Lewy-Bodies im Cortex gefunden wurden (zudem krankhafte Veränderungen auch im Hirnstamm). Er verweist auf McShane et al. Es scheint sich um sog. pedunculäre Halluzinationen zu handeln. Die scheinbare „Realitätstreue“ der Phantombilder gleicht denen nächtlicher Träume, in denen wir gewöhnlich auch nicht wissen, dass wir träumen.

                  Vater sieht in letzter Zeit Arbeiter, die u.a. den großen Blumenkübel inmitten des Zierrasens mit Maschinenhilfe anheben und manchmal verschieben. Es ist leider völlig zwecklos, dieses mit Logik zu widerlegen (wo sind denn die Spuren, die bei einer solchen Aktion auftreten müssten? – das ignoriert Vater völlig). Neuerdings ist auch ein „Rüttler“ dazugekommen (ein Verdichter des Erdreiches). Vater meint sogar, den Krach dieses Gerätes gehört zu haben (da er das im Nachhinein schilderte, kann hier auch eine Verwechslung vorliegen – Bilder und Geräusche einer früher beobachteten Baustelle, traumhaft reaktiviert und in die Realität überlagert). Einmal hatte ich in Anwesenheit Vaters zeitgleich mit seinen „Sichtungen“ den Garten mit meiner Digitalkamera aufgenommen. Es war natürlich außer dem Garten und dem Kübel nichts zu sehen. Auch das war zwecklos. „Die verschwinden immer ganz schnell wieder“, sagt Vater. Als für seine Welt durchaus stimmiges Ergebnis hat Vater alle seine noch im Juli geliebte Gartenarbeit eingestellt und wartete darauf, dass „die“ den Rasen mähen. Er hätte ja nicht mehr viel zu sagen. Er gab dann auch noch Anweisungen (das habe ich aber nicht beobachten können), die zu seiner Verärgerung nicht ausgeführt wurden. Als ich dann den Rasen mähte, beteiligte sich Vater mit zwei Bahnen, die er selber mähte, daran. Ich meinte dazu nur, dass wir das ja doch selber machen müssten, denn auf „die anderen“ sei ja kein Verlass – versuche also, im Weltbild Vaters mitzuspielen.

                  Es fällt auf, dass Vaters Halluzinationen einen realen Charakter haben – er sieht keine Aliens, usw. sondern Menschen und Maschinen, die es (woanders) ja wirklich gibt. Weiterhin fällt auf, dass dieses überwiegend nur beim Blick aus dem Fenster zum Garten, im davor liegenden Hof und im Garten selber stattfindet und selten im Haus, aber nicht bei Spaziergängen in der Stadt.

                  Ich habe Vater mal bei einer solchen Halluzination spaßeshalber gebeten, seine Augen zu schließen und mitzuteilen, was er dann sieht. „Nichts“ – lautete die Antwort. D.h., die reale Szenerie wirkt vmtl. als Auslöser für die Bilder, die dann dem realen Geschehen überlagert werden.

                  Der autobiographische Roman "Mein Leben in zwei Welten: Innenansichten einer Schizophrenie"
                  des promovierten Biophysikers Roman PREIST liefert am Ende des Buches einige Hypothesen des Autors über die Entstehung seiner Psychose. Eingebettet in das Stress-Vulnerabilitätsmodell argumentiert PREIST über Angstfokussierungen und Schwellwertüberschreitungen, etc. Das alles vermag ich bei Vater nicht zu erkennen. Aber dennoch hatte mich der Autor auf eine Idee gebracht. Er äußert vorsichtig eine Hypothese, nach der es – angelehnt an die Quantentheorie (Everett/Wheeler/Graham „Viele Welten Modell“) – dem Psychotiker vielleicht ungewollt möglich ist, Überschneidungen zwischen den Welten wahrzunehmen. Ich halte das zwar – mit Verlaub – für weit hergeholt; dachte mir aber, daraus ein kleines Modellchen zu bilden und es Vater mitzuteilen. Vater sei eben – so versuchte ich ihm zu erklären – ein Mensch mit ganz besonderer Wahrnehmung. Ich sagte ihm nicht mehr, dass da nichts sei, sondern dass Mutter und ich da nichts sehen, wo Vater was sieht. Leider ist Vater darauf (noch?) nicht eingegangen.

                  Jedenfalls scheint es derzeit Vater nicht mehr so sehr zu beunruhigen. Ganz geheuer scheint es ihm aber auch nicht zu sein, denn häufig setzt er sich mit dem Rücken zu Fenster auf einen Sessel statt auf seiner Couch. Wir haben mittlerweile eine neue Jalousie angebracht, die aber tagsüber nicht zu oft heruntergelassen wird, das Essen, usw. in andere Räume verlegt. Mehr können wir z.Z. nicht tun.

                  Eine andere – damit zuweilen zusammenhängende Sache ist ja diese Paranoia. Diese lässt sich leider nicht durch Ortswechsel beseitigen, so dass Vater mit seinen Diebstahlsjeremiaden an jedem Raum anfängt. Hier wäre es sehr wünschenswert, mit der richtigen Medikation sowohl Halluzinationen und fixe Ideen gleichzeitig zu beseitigen. Die o.g. Diskussionsgrundlage könnte dafür den richtigen Weg weisen. Also nochmals vielen Dank. Ich werde weiter berichten.

                  Gruß
                  Egon-Martin

                  Kommentar


                  • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                    Sehr geehrter Herr Dr. Spruth,

                    ich habe die von Ihnen dankenswerterweise geschriebene Diskussionsgrundlage ausgedruckt und meiner Mutter für den Besuch des gemeinsamen Hausarzt (Internist) anlässlich einer allgemeinen Untersuchung meiner Mutter (übrigens Gott sei Dank o.B. abgesehen von ihrer Osteoperose) mitgegeben.

                    Meine Mutter hat diese dem Arzt gezeigt; dieser hat das gelesen und kam zu folgendem Schluss:

                    Er möchte derzeit die Medikation Vaters nicht ändern und sieht vorerst von einer Verschreibung von NL ab. Erst wenn sich das Krankheitsbild weiter verschlechtere, könnte man derlei erwägen. Insbesondere mit NL habe er schlechte Erfahrungen gemacht und nannte Bewegungsstörungen und Unfallgefahr. Mutter soll aber wiederkommen, wenn es schlimmer würde.

                    ---

                    Na ja, immerhin besser als im Juli d.J., als es noch sinngemäß hieß, das man derlei wohl ertragen müsse. Ihr Schreiben hat also etwas gebracht, wie ich denke. Dafür noch mal meinen Dank!

                    Im Juli d.J. hatte derselbe Arzt ja auch noch gesagt, dass man das Autofahren so wenig verlerne wie das Radfahren oder Schwimmen und Vater noch nicht ausdrücklich das Autofahren verboten außer in Großstädten, auf Autobahnen, verkehrsreichen Strecken und ohne ortskundige Begleitung. Da kann er eigentlich logischerweise jetzt nicht NL verschreiben – noch (!) nicht. Das leuchtet ein (bitte beachten Sie die leichte, aber nicht bös gemeinte Ironie).

                    Warten wir also weiter ab. Ich melde mich wieder.

                    Mit freundlichen Grüßen
                    Egon-Martin

                    Kommentar



                    • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                      Sehr geehter Herr Dr. Spruth,

                      heute (13.01.09) erst - nachem meine Mutter mehrmals beim gemeinsamen Hausarzt in dieser Sache vorstellig war (erstmals am 03.07.08) - hat der Arzt endlich die Medikation geändert. NL sind zwar noch nicht dabei, aber Reminyl wird auf 24 mg/die aufdosiert (alles andere bleibt wie gehabt, Blutbild-Kontrolle ist im März d.J.). Vater soll den Rest der 16 mg Dosen wie bisher verbrauchen und dann auf 24 mg wechseln.

                      Ich allerdings hege Zweifel, ob das wirklich was bringen wird, da ich irgendwo mal gelesen habe, dass Reminyl nur bis zu 12 Monate (24 Monate habe ich aber auch mal gelesen) sinnvoll verabreicht werden kann und danach seine Wirkung einbüßt. Vater erhält das aber schon seit Ende April 2007.

                      Gibt es Erfahrungswerte über Verbesserungen bei der gen. Höherdosierung?

                      Mit freundlichen Grüßen
                      Egon-Martin

                      Kommentar


                      • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                        Hallo EgonMartin,
                        zu dem Antidementivum Reminyl habe ich andere Informationen und zwar, dass es unter allen ADs das am längsten wirksame ist - bis zu 48 Monaten. Im Gegensatz dazu Exelon und Aricept, denen man nur 24 Monate zubilligt. Ich müsste die Links nochmal heraussuchen, habe sie leider nicht griffbereit.Natürlich sind das alles Durchschnittswerte und jeder Fall verläuft wieder anders. Mir wurde zu Beginn der Therapie gesagt, dass eine zügige Aufdosierung wichtig sei, um das Bestmögliche zu erreichen. Leider war der weiterbehandelnde Neurologe da anderer Meinung.Dr.Spruth hat mir dies aber auch seinerzeit bestätigt. Also würde ich der Erhöhung der Dosis gelassen entgegen sehen und beobachten,wie es der Vater verträgt.Herzlichen Gruß, Leona

                        Kommentar


                        • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                          Hallo Leona,

                          vielen Dank für die Info. Falls Du die Links noch finden solltest, teile sie mir bitte mit. 48 Monate würde unter optimistischer Schätzung ein weiteres Jahr ergeben, in dem es noch nicht zu den allerschlimmsten Erscheinungen kommt. Wichtig ist aber z.Z. die Dämpfung bereits aufgetretener Symptomverschlechterungen.

                          Bislang hat Vater Reminyl gut vertragen; es wird morgens (ca. 07h45) zum bzw. beim Frühstück eingenommen.

                          Dr. Spruth hat ja in seinem Kommentar am 31.08.08 in diesem Thread eine Vorgehensweise zur Diskussion gestellt, deren erster Schritt auch die Erhöhung des AChE-I betrifft. Diese Vorgehensweise hatte Mutter seinerzeit dem Arzt mitgeteilt. Sieht so aus, als wenn der Hausarzt dem jetzt folgen wird.

                          LG
                          Egon

                          Kommentar


                          • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                            Kleine mathematische Korrektur:

                            "...48 Monate würde unter optimistischer Schätzung MINDESTENS ein weiteres Jahr ergeben..."

                            Gruß
                            Egon-Martin

                            Kommentar


                            • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                              Sehr geehrter Herr Dr. Spruth,

                              Vater bekommt ab 09.02.09 täglich 24 mg Reminyl.

                              Meine Beobachtungen hierzu:

                              Acht Tage nach Erhöhung verbesserte Stimmungslage, dann wieder labiler. Darüber hinaus etwas verbesserte Kognition und Antrieb.

                              Halluzinationen persistieren.

                              Frage: Kann es sein, dass sich noch leichte Verbessungen mit der Zeit einstellen weil sich das Gehirn an die erhöhte Dosis noch gewöhnen muss oder sollten wir schon an einen Medikamentenwechsel denken?

                              Dazu noch einen Auszug aus meinem langen "Everhard-Thread":

                              "Am Montag, den 09. Februar 2009 (nach den o.g. Ereignissen), bekam Vater dann zum erstenmal die erhöhte Reminyldosis und ich war auf die Wirkung, die sich m.E. in den Folgetagen einstellen musste, gespannt. Tatsächlich beobachtete ich, dass Vater nach langer Zeit mal wieder in der Tageszeitung blätterte und einige Überschriften laut vorlas. Als er dann aber diese Überschriften wiederholt vorlas, wurden meine Hoffnungen dann doch wieder gedämpft. Immerhin zeigte Vater auch wieder mehr Interesse an der Küchenarbeit, half wieder beim Kartoffel- und Zwiebelschälen sowie beim Abwasch. Einmal bewältigte er den Abwasch sogar ganz alleine – ich stellte dann aber das Geschirr in den richtigen Schrank während Vater sich akribisch um die Reinigung der schon längst sauberen Spüle bemühte. Mit dem elektrischen Wasserkocher ging er korrekt und vorsichtig um (das ist allemal ein Pluszeichen). Das erhoffte Verschwinden der Halluzinationen indes vermochte die erhöhte AChEI-Dosis nicht zu leisten. Nach wie vor sieht Vater auch im Haus nicht vorhandene Menschen und Dinge wobei man anhand seiner oft diffusen Schilderungen natürlich auch illusionäre Verkennungen der Realität und Spiegelungen mit berücksichtigen muss. Die Stimmungsschwankungen verringerten sich nach meiner Beobachtungen etwas für ca. 8 Tage, kehrten dann aber in alter Intensität zurück."

                              Mit freundlichen Grüßen
                              Egon-Martin

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                              • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                                Hallo Egon,
                                schön, dass du wieder hier bist. Zu den Halluzinationen, um die du dich bei deinem Vater derzeit am stärksten sorgst, kann ich nur wieder aus eigener Verfahrung berichten. Auch bei uns war es so, dass Vater am Telefon ein "wildes Treiben" schilderte, von Obdachlosen im Hausflur des Mietshauses berichtete, denen er gerade Kaffee hinaus gebracht habe, die ihn aber auch beunruhigten - "die können doch da nicht bleiben, die belagern den ganzen Flur mit ihren Klamotten", einer habe ihm sogar seinen Rucksack zur Verwahrung gegeben. Er schilderte so anschaulich, dass ich versucht war ihm zu glauben und eine andere Bewohnerin des Hauses anrief. Die hatte aber nichts bemerkt. Also fuhr ich hinüber. Der Flur war leer, wie immer, nichts Ungewöhnliches. Als ich Vater befragte, erklärte er, ja, "die seien jetzt wohl abgezogen, er habe mit der Polizei gedroht". So löste sich der Spuk - ähnlich wie bei dir - immer in Nichts auf, wenn ich auf der Bildfläche erschien.

                                Wenn Vater auch in meinem Beisein halluzinierte, war es nie im gleichen Raum - es war immer in dem jeweils anderen, in dem wir gerade nicht waren. Manchmal sah er auch in der Stehlampe einen Menschen, das ließ sich aber durch an- und ausknipsen auflösen und er wunderte sich dann selbst, dass "ihm das nicht vorher aufgefallen war".

                                Die besten Erfolge hatte ich eigentlich, indem ich mich selbst in die Situation hinein begab - so absurd das auch schien. Ich redete mit imaginären Personen, schickte sie fort, nahm ihnen Schlüssel weg, immer so, dass Vater das hören konnte. Ich redete dann noch mit ihm "über diese unmöglichen Leute, die einfach hereinspazieren" und dass wir uns bei der Vermieterin beschweren würden. So schaffte ich es meistens, ihn von dem Thema abzubringen.

                                Ich lenkte seine Gedanken und Gespräche immer wieder auf Altes, Vertrautes: auf die Brüder im Osten, den 2.Weltkrieg, seine Zeit als Soldat oder seine Berufszeit bei der AAFES. Mit Fortschreiten der Krankheit verloren sich die Halluzinationen mehr und mehr.
                                Zumindest äußerte er nichts mehr dergleichen.

                                Ich glaube nicht, dass die Cholinesterasehemmer eine Verbesserung in dieser Hinsicht bringen - ganz im Gegenteil habe ich oft überlegt, ob der Eingriff in den Hirnstoffwechsel nicht gerade diese Wahrnehmungen begünstigt. Aber ich nahm es in Kauf, weil andere Alltagsfertigkeiten länger erhalten blieben.

                                Wie du sehr treffend schreibst: nothing is real . . .

                                So lange die Halluzinationen nicht zu massiven Angstzuständen führen, sollte man sie vielleicht einfach hinnehmen. Bedrückender finde ich die zunehmende Tendenz, das schützende Heim zu verlassen und "nach Hause" zu gehen. Wie verloren muss ein Mensch sein, wenn er nicht mehr weiß, wo "zu Hause" ist? Ich habe manchen nächtlichen Gang mit meinem Vater gemacht, um "zu Hause" zu suchen - wir fanden es natürlich nicht und mit Geduld und Geschick geleitete ich Vater wieder zurück zu seiner Wohnung, von der er oft nicht glauben konnte, dass es "seine" ist, auch wenn sie ihm irgendwie "ähnlich" erschien.
                                Aber auch das ist nur eine Phase. Auch sie geht vorbei.

                                Nach allem, was ich bisher erlebt habe, kann ich allen Angehörigen nur mit diesen Worten Mut machen: es geht schneller vorbei, als man im akuten Augenblick in der Lage ist zu glauben. Heute wünschte ich, ich könnte noch einmal mit meinem wirren, alten Vater durch die Nacht gehen. Vorbei.

                                Lieber Gruß
                                Leona

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                                • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                                  Hallo Leona,

                                  herzlichen Dank für Deine aufmunternden Zeilen. Sie sind mir mehr wert als so manche kluge Abhandlung in klugen Büchern, denn Du weißt genau, wovon Du schreibst. Es ist ja auch „nur“ eine quantitative Distanz in den Krankheitsverläufen unserer Väter (Dein Vater ist schon dort, wo meiner noch hinkommen wird). Qualitativ durchleiden sie m.E. so ziemlich dasselbe – abgesehen von dem Schrecklichen, was Deinem Vater im Heim und in Kliniken widerfuhr. Aber das ist womöglich auch nur eine Frage der Zeit, bis es meinem Vater vielleicht ebenso ergeht. Vor den dann stattfinden inneren und äußeren Kämpfe, graut mir schon jetzt. Ich habe mittlerweile von den beiden Heimen in der Stadt meiner Eltern bereits Negatives – quasi „unter der Hand“ – gehört. Man sei auch dort nicht gerade sparsam mit gewissen Medikamenten („chemische Zwangsjacken“). Das eine Heim hat bereits seinen Internetauftritt zurückgezogen – vielleicht läuft da schon ein Prozess. So werde ich also langsam mal in der Umgebung anfangen zu suchen. Einen Tipp hatte ich ja schon bekommen. Das derlei auf keinen Fall überstürzt werden darf, ist mir natürlich klar.

                                  Die Halluzinationen haben sicher auch einen Anteil an der Verfremdung der einst vertrauten Umgebung und dürften eine Mitursache für Vaters Bestreben, wegzulaufen, sein. Ebenso wie die Spiegelbilder, die er als real erlebt. Man muss sich das mal vorstellen: Ein Mann, der einst fast traumwandlerisch sicher und präzise mit Rechenschieber und Werkzeug umgehen konnte, der Produktionsprozesse bei der Fertigung von Büromaschinen plante und ausarbeitete, der eine sichere Kenntnis von Physik und Technik hatte, weiß heute nicht mehr, was ein Spiegel ist, weiß nichts mehr von den elementarsten Grundlagen der Optik und kann auch nicht mehr mit einfachen Tricks von der jedem Kind begreiflichen Funktion eines Spiegels überzeugt werden. Nur noch kurz nach dem erstmaligen Auftreten dieser Prosopagnosie, war es noch möglich, ihm die Illusion des Spiegelbildes klar zu machen. Bald darauf war es nicht mehr möglich, trotz einiger Tricks, die ich anwendete. Dieses, im November letzten Jahres erstmalig auftretende Phänomen, hatte mich zutiefst erschüttert, obwohl ich aus dem Studium entspr. Krankheitsverläufe wusste, das derlei auftreten kann. In diesem Zusammenhang muss ich auch erwähnen, dass Vater sich auf Fotos nicht mehr erkennt. Ich hatte wegen der Weglauftendenz bei einem Spaziergang einige aktuelle Fotos gemacht für den Fall einer polizeilichen Suche und auf einem Stadtplan die von Vater bevorzugten Strecken markiert. Dabei fiel die Tendenz einer bestimmten Richtung auf, die zu seinem Geburtshaus in einem kleinen Nachbarort weist. Es ist also weniger ein Weglaufen als ein Hinlaufen – er will vmtl. zu seinen Wurzeln zurück. Vielleicht hängt das ja mit den von Naomi Feil beschriebenen Aufarbeitungstendenzen zusammen. Vaters Verhältnis zu seinem Vater war nicht besonders gut und möglicherweise will er da etwas bereinigen – ich weiß es nicht, denn ich kenne nicht viel von Vaters Emotionen aus dieser Zeit. Es sind ja Emotionen und kaum mehr Vernunft, die jetzt immer mehr in den Vordergrund geraten.

                                  Dass Reminyl Halluzinationen erzeugen oder begünstigen kann, ist mir erst spät aufgefallen – ich habe das in diesem Forum auch marginal an anderer Stelle thematisiert. Es ist mir im Nachhinein aufgefallen, als ich über meinen Besuch im Sommer 2007 bei meinen Eltern dieses Phänomen erstmalig bei Vater feststellte. Da Vater beginnend mit 8 mg/die Ende April 2007 dieses Medikament bekam und im Juli auf 16mg/die schon die bis zum 08.02.2009 andauernde Dosis erhielt, konnte ich mir da schon einiges zusammenreimen – allerdings nicht gesichert. Ich habe allerdings nicht festgestellt, dass die derzeitige Erhöhung auf 24mg/die die Halluzinationen verstärkt hätten, dagegen aber eine leichte punktuelle Verbesserung der Kognition erlebt (es ist daher m.E. falsch, die Wirkungsdauer von Reminyl generell auf nur 12 Monate zu veranschlagen – wie es manche Veröffentlichungen darstellen). Dr. Spruth hatte ja eine Medikationsänderung zur Diskussion gestellt, die mit einem Dosiserhöhungsversuchs des immerhin körperlich von Vater gut bekömmlichen Reminyl starten könnte. Dies hatte Mutter dem Hausarzt mitgeteilt und es sieht so aus, als ob dieser jetzt der Diskussionsgrundlage folgen würde. Mitte März wird Vater wieder untersucht (Krebsvorsorge, usw.) und dann wird man wohl weitersehen. Der Hausarzt ist ja ein vorsichtiger Mann in Sachen Psychopharmaka und man kann ihn – so denke ich – voll vertrauen. Er will sich wohl auch den physischen Gesamtstatus von Vater gründlich anschauen bevor er eine weitere Medikamentenänderung veranlasst – sehr gut, dieses Vorgehen. Das hätte bei Deinem Vater auch regelmäßig und gründlich geschehen müssen, bevor inkompetente Pflegekräfte ihn vmtl. ruiniert haben bzw. seinen Krankheitsverlauf beschleunigten statt abzubremsen (heilen kann man die DAT ja nicht, da die Prognose (indirekt) infaust ist). Wegen der Unheilbarkeit und der zunehmenden Leiden ist ab einem gewissen Punkt Pflegearbeit immer auch Hospizarbeit. D.h. es geht vornehmlich dann nur noch darum, dem Kranken so viele angenehme Stunden wie möglich zu verschaffen. Ich persönlich halte hier auch den Einsatz von Opioiden oder ähnlichem in geschickter Dosierung (nur durch den Arzt!) für angebracht. Das Abhängigkeitsproblem ist hier doch nur noch eine akademische Frage. Also weg von den quälenden Psychopharmaka und hin zu den Euphorika (so hat ein gewisser Herr Lewin diese Substanzen einmal vor langer Zeit genannt). Damit machen wir doch nur das, was sonst im Körper auch geschieht, wenn wir ein Erfolgserlebnis haben, uns verlieben, usw. Dann nämlich gelangen köpereigene Opiate (Endorphine) in den Bereich des Gehirns, der auch bei einer DAT noch sehr lange intakt ist, dem sog. präfrontalen Cortex („Stirnhirn“). Geben wir also Euphorika, so wirken diese entsprechend. (Da der Mensch aber an sich ein ganz fieser Nacktaffe ist, neidet er seinen Artgenossen oft jedes leicht zugängliche Glück, statt es ihm zu gönnen – das sollte man beachten.)

                                  Zum Schluss fällt mir wieder ein alter Beatles-Song (1965) ein: „Nowhere Man“, der unsere Lieben ein wenig beschreibt, den „Nowheremännern“:

                                  “He’s a real Nowhere Man,
                                  Sitting in his Nowhere Land,
                                  Making all his Nowhere plans for nobody.
                                  Doesn’t have a point of view,
                                  Knows not where he’s going to,
                                  Isn’t he a bit like you and me? …”

                                  Der Song findet sich auf dem Album mit dem bemerkenswerten Titel „Rubber Soul“ – was man auch als „ausradierende Seele“ übersetzen könnte. Das passt auch, obwohl die Fab Four damit wohl etwas anderes gemeint haben dürften. Alte Zeiten – schöne Zeiten – vorbei wie Rio Reisers Junimond.

                                  LG
                                  Egon

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                                  • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                                    Sehr geehrter EgonMartin,

                                    dazu gibt es keine Untersuchungen. Ich würde aber bis zur endgültigen Beurteilung der Wirkung bis mindestens 4 Wochen nach Aufdosierung warten.

                                    Mit freundlichen Grüßen,

                                    Spruth

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                                    • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                                      Sehr geeheter Hr. Dr. Spruth,

                                      Danke für Ihren Hinweis. Vater wird Mitte März von seinem Hausarzt gründlich untersucht (Krebsvorsorge, usw.), so dass es zeitlich auch mit den vier Wochen passt.

                                      Ich habe aber noch eine andere, vielleicht etwas bizarre Frage: Ist es möglich, neurales Geweben - Kompatibilität vorausgesetzt - zu verpflanzen? Simpel und - zugegeben - etwas plakativ gefragt: Könnte ich z.B. einen meiner intakten Hippocampi in Vaters limbisches System transplantieren lassen?
                                      Ich gehe davon aus, das sich die Neuronen dann selber konnektieren. Grundsätzlich scheint mir das biologisch nicht ganz unmöglich zu sein.

                                      Mit freundlichen Grüßen
                                      Egon-Martin

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                                      • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                                        Sehr geehrter Herr Dr. Spruth,

                                        hier kurz das Neueste bezgl. meines Vaters Krankheit(en):

                                        Reminyl 24 mg/die abgesetzt wegen Magenschmerzen Vaters

                                        Ab 18.04.09 auf Aricept umgestellt - kurz einschleichend für 7 Tage mit 5 mg/die dann 10 mg

                                        Halluzinationen persistieren, Wahnideen ebenfalls (glaubt z.Z., seine toten Eltern und Geschwister würden noch leben und sucht sie)

                                        rezivid. Druckschmerz im Oberbauch weiterhin, Blutbild und Sonographie o.B., am 13.05.09 Gastroskopie vorgesehen

                                        AMD auf beiden Augen am 27.04.09 festgestellt, ein Auge fast blind, das andere noch hausreichend intakt - spezielles Vitaminkonzentrat verordnet, nach Klärung DS Oberbauch weiterhin Untersuchung, ggf. Behandlung mit Laser möglich

                                        Wir sind also bzgl. dem, was Sie empfohlen hatten, jetzt beim Wechsel des AChEI.

                                        Mir freundlichen Grüßen
                                        Egon-Martin

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                                        • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                                          Sehr geehrter Herr Dr. Spruth,

                                          aktuelle Medikation Vaters:

                                          Herz-Kreislaufmittel wie gehabt, nur Bisoprolol auf 2,5 mg von ehem. 5 mg/die verringert wg. Bradykardie.

                                          Aricept abgesetzt, da ohne Wirkung. Axura in 5 mg-Stufen wöchentlich eingeschlichen ab 12.08.09 - aber nach Erreichen 20 mg/die wegen größerer Verwirrtheit und Halluznationen sowie v.a. wegen Systole über 170 (bei normaler Diastole) wieder abgesetzt. Danach RR wieder normal (HF zw. 50 und 60 - war bei 5 mg Biso bei 40).

                                          Wohl nur zur Beruhigung darüber, dass etwas verschrieben wurde, verordnete der Hausarzt wieder - wie am Anfang - Gingko Extraktpillen.

                                          Also "Ende der Fahnenstange" bei den Antidementiva.

                                          (Galactose scheint (!) immer noch etwas stimmungsstabilisierend zu wirken, was nach Absetzen von Axura wieder sichtbar wurde. Aber vielleicht wäre das auch "ohne" so.)

                                          Fällt Ihnen vielleicht noch was ein?
                                          Wäre für jeden Tipp dankbar.

                                          Mit freundlichen Grüßen
                                          Egon-Martin

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                                          • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                                            Sehr geehrter Egon-Martin,

                                            oha. Da habe ich wohl einige Anfragen übersehen. Habe ich die von Ihnen gestellte Frage bereits in meinem vorangegangenen Beitrag ausreichend beantwortet?

                                            Mit freundlichen Grüßen,

                                            Spruth

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                                            • Re: Gesprächstherapie bei Halluzinationen?


                                              Haben Sie nicht, Herr Dr. Spruth. Sie haben zwischenzeitlich woanders einen Versuch mit Exelon zur Diskussion gestellt. Vielen Dank!

                                              Gruß
                                              Egon-Martin

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                                              • Frage an den Experten


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                                                kurz den neuesten Stand zu meinem Vater:

                                                EXELON vom Hausarzt (Internist) mit der Begründung verstärkter Verwirrung, verstärkten Halluzininierens und verstärkter Unruhe abgelehnt.

                                                Auf Empfehlung des jetzt endlich engagierten Pflegedienstes MELPERON mit zunächst 5 ml, dann 10 und darauf 15 ml ausprobiert. Zuerst keine Wirkung, dann Wirkungsparadox. Mit 15 ml und einem etwas ungeschickt aufgetretenen Pflegedienst - redete zu laut in Kommandos - dann Unfall meiner Mutter. Vater fuchtelte udn schubste herum und brachte Mutter zu Fall. Glimpflich verlaufen - ärztlicher Ausschluss eines SHT, usw. Dann Hausarztbesuch - Pflegetagebuch gezeigt. Dieser verordnete jetzt Risperidon bis max 2 mg/die. Wir kommen z.Z. mit 1 mg aus. Da Medikation noch neu (ab 05.11.09) derzeit über Wirkungen noch Unklarheit. Die Affektlabilität in den Abendstunden (Sundowning) hat aber lt. Mutter schon merklich nachgelassen. Vmtl. hat die Unruhe ihren Ursprung im Wahn. (Vater meinte einmal, er hätte im Haus Kollegen gestroffen, die ihm Versprechen abnötigten, die er unbedingt und pünktlich zu erfüllen hätte - welche und von wem konnte er nicht sagen. Das führte zu starker Weglauftendenz mit Türklinkenrütteln, usw.)

                                                Über das Rivastigmin bin ich mir noch nicht klar. Ich denke, es könnte schon noch was bringen. Vielleicht nutzt ein erneutes Ansprechen des Arztes was? Was meinen Sie?

                                                (Immerhin scheint der Hausarzt ja doch Ihrer früheren Empfehlung in Bezug auf Risperidon endlich gefolgt zu sein.)

                                                Mit freundlichen Grüßen
                                                Egon-Martin

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