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alzheimer und wahnvorstellungen

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  • alzheimer und wahnvorstellungen

    liebes Forum, ich bin neu hier und die Diagnose bei meiner Mutter : Alzheimer ist 8 Wochen alt. Als die Diagnose mitgeteilt wurde, dachte ich, naja da irgendwann mal ein Problem auf uns zukommen. Nun, das Problem ist seit ca sechs Wochen da, es heisst Wahnvorstellungen. Meine Mutter fühlte, sich bis vor zwei Wochen von mir bedroht, es wurden mit ihr Forschungsversuche gemacht etc, bishin dass ich sie umbringen will, wobei während der Zeit immer mit mir konfortiert war, sprach sie nicht mit mir darüber, sonder dem Rest der Familie - dies hat sich verloren, seit zwei Wochen ist es ihre jüngere Schwester. Die Ärzte sind hilflos, da meine Mutter keine Medikament nimmt. bzw. kurz nimmt, dann Nebenwirkungen erkennt und absetzt. Was mich irritiert, ist diese Wahnvorstellung, denn ansonsten wäre meine Mutter, 74 Jahre alt, noch in der Lage den Alltag zu meistern. Hat einer der Leser-innen auch Erfahrung mit Wahnvorstellungen udn wie geht ihr damit um.

    vielen Dank
    lara


  • Re: alzheimer und wahnvorstellungen


    Hallo Lara,

    bei meinem Vater (80 Jahre alt) hat sich ein ähnliches paranoides Symptom entwickelt, allerdings zum Glück (noch?) nicht auf Mutter oder mich bezogen. Es fing damit an, dass Gegenstände angeblich über Nacht verstellt worden seien. Dann seien Fremde in unserer Veranda gewesen, die dort geschlafen hätten. Weiterhin wäre jemand heimlich mit Vaters Auto gefahren. Und schließlich würde ihm Werkzeug gestohlen, beginnend mit einer alten Bohrmaschine, die er vmtl. vor Jahren selbst entsorgt hatte. Aus der Angst heraus, immer weiter bestohlen zu werden, fing Vater an, Werkzeug im ganzen Haus – hauptsächlich aber auf dem Dachboden - zu verstecken. Leider vergisst er dann häufig, wohin er sein Werkzeug versteckt hat und meint dann, auch dieses sei ihm jetzt gestohlen worden. Das ganze hat sich so aufgeschaukelt, dass er meint, es fehle ihm nunmehr Werkzeug im Wert von einigen Tausend Euro.

    Anfangs versuchten Mutter und ich, ihn auf seinen Irrtum aufmerksam zu machen, also Realität herzustellen. Das funktionierte nur kurz und sehr begrenzt. Einmal hatte er damals noch vorsichtig gezweifelt: „Vielleicht bilde ich mir das alles ja nur ein“. Aber schon schnell wurde das alles zu einer festen Gewissheit und er reagiert ungehalten, wenn man versucht, ihn von der Unsinnigkeit seiner Verdächtigungen zu überzeugen. Er hat auch keine Krankheitseinsicht mehr und sprach einmal von einer „schweren Demenz“, die er früher einmal hatte, die aber längst geheilt (!) sei.

    Es kommt auch hin und wieder vor, dass Vater meint, gar nicht in seinem Haus zu leben sondern in einer Kopie seines Hauses, das sich in Wirklichkeit woanders, aber in der Nähe befände. Das weist darauf hin, dass er mehr oder weniger unbewusst Veränderungen am Haus wahrnimmt, die nicht mit dem Bild von Haus übereinstimmen, dass er in seinem Kopf hat. Hier liegt das „Wesen“ der Demenz: Unsere Erinnerungen sind durch vielfältige Verschaltungen in unserem Gehirn in uns eingeprägt. Gehen nun immer mehr Gehirnnervenzellen zugrunde, so verschwinden auch solche Verschaltungen und die „inneren Bilder“ verändern sich. Denn unser Gehirn ist immer bestrebt, ein schlüssiges Bild von der Wirklichkeit aufzubauen. Fehlt aber mehr und mehr „Material“, so wird dieses innere Bild – die innere Repräsentation der Umwelt – immer lückenhafter. Diese Lücken sind am Anfang der Krankheit durch eine immer größer werdende Vergesslichkeit dem Kranken noch bewusst. Mit der Zeit aber verschwindet auch die Krankheitseinsicht, denn im Gehirn gibt es keine Schmerzen, es kommt in unserem Empfinden überhaupt nicht vor. Der Kranke erlebt jetzt sein lückenhaftes Weltbild als ein für ihn stimmiges Weltbild und es ist zwecklos, dieses Weltbild zu durchbrechen. Stellen Sie sich bitte mal vor, Sie wachen eines Morgens in einem fremden Zimmer auf und es kommen viele Leute, die Ihnen sagen, der Himmel sei grün und das Gras sei blau. Sie finden keinen, der Ihnen sagt, dass es sich umgekehrt verhält. Sie würden mit Sicherheit bald sehr unsicher werden. Da Unsicherheit schwer zu ertragen ist, würden Sie sich in eine eigene Welt zurückziehen, von der Sie überzeugt sind, es sei die einzig richtige, denn Sie erleben ja grünes Gras und einen blauen Himmel. Ähnlich lebt auch der demente Mensch in seiner Welt.

    Für den Umgang mit diesen Kranken gilt daher, Ihnen möglichst oft recht zu geben, in ihrer Welt so gut man kann, mitzuspielen. Man muss lernen, die „Sprache“ der Krankem zu verstehen und zu sprechen. Das ist alles andere als einfach. Man macht anfangs vieles falsch, sollte sich davon aber nicht beirren lassen, denn man wird mit der Zeit immer besser.

    Bei meinem Vater sieht das z.B. so aus, dass ich Vorschläge zur besseren Sicherung des Hauses mache, auch schon mal einen kleinen Bewegungsmelder aufstelle und vor allem Tipps für gute Verstecke gebe. In meinem alten Zimmer lagern seitdem Bohrmaschinen, usw. Das hat den Vorteil, schnell auf die gewünschten Dinge zugreifen (bzw. sich über ihr Vorhandensein zu informieren) zu können – verbunden (das ist wichtig!) mit einem Lob der Klugheit Vaters, diese Dinge so gut vor dem „Zugriff der Gauner“ geschützt zu haben. Es funktioniert leider nicht immer, da er weiterhin auch eigenmächtig Dinge versteckt. Aber es hilft allemal mehr als Widersprüche. Allerdings darf man auch nicht in den Fehler eine Überfürsorglichkeit verfallen und nicht zum „Schatten“ des Kranken werden. Dann fühlt sich der Kranke eingeengt und in seiner Würde verletzt. Ein gewisser Abstand und kleine Widersprüche sind daher notwendig. Das Maß dafür kann nur durch Erfahrung gefunden werden.

    Bei Ihrer Mutter scheint die Sache komplexer zu sein. Ich schließe aus Ihrer Mitteilung, dass es vor der Diagnose „Alzheimer“ keiner derartigen Zustände bei Ihrer Mutter gegeben hat und vermute daher einen Zusammenhang mit der Verarbeitung der Diagnose. Die „Forschungsversuche“ könnten eine verzerrte Erinnerung an ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sein. Hat Ihre Mutter in ihrem Leben schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht oder war sie Zeuge solcher Erfahrungen bei anderen? Wurden diese Ängste vielleicht durch die Wahrnehmung medikamentöser Nebenwirkungen akut – einfach durch die Beobachtung einer veränderten Empfindung nach Einnahme der Medikamente in Kombination mit dem Lesen der Beipackzettel?

    Vielleicht waren die Medikamente ja wirklich nicht besonders geeignet und sollten durch andere durch einen anderen Arzt ersetzt werden? Um in das Weltbild Ihrer Mutter einzusteigen, könnte es Sinn machen, den bisherigen Arzt als „ungeeignet“ darzustellen und einen anderen als sehr befähigt zu loben, zu den Sie dann Ihre Mutter bringen nach vorheriger Absprache mit dem Arzt. Ich denke, man sollte einfach mal versuchen, eine Lösung anzubieten im Kontext mit dem Weltbild des Kranken: „Aha, der hat das nicht richtig gemacht und deswegen ging es mir so schlecht. Jetzt aber wird es richtig gemacht und mir geht es auch schon besser.“ Es ist eine „Sündenbocktherapie“ in der man einfach eine kritische Projektionsfläche durch eine weniger kritische ersetzt. Der Kern besteht darin, dass man dem Kranken grundsätzlich zustimmt, aber dann etwas in seinem Weltbild anders darstellt um die Symptome zu lindern. Gelingen solche oder andere gesprächstherapeutische Ansätze trotz mehrfacher Versuchen nicht, bleibt als letzte (!) Wahl tatsächlich nur das angstlösende Medikament. Dann müssen Wege – nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt !!! (es gibt Nahrungsmitteln, die Medikamentenwirkungen beeinflussen) – gefunden werden, das Medikament anders als üblich zu verabreichen (z.B. in der Nahrung). Selbstverständlich muss man sich als Begleiter oder Betreuer über mögliche Nebenwirkungen informieren. Tritt eines solche auf – z.B. ein Schwindelgefühl – sind Schauspielerkünste gefragt. Dann nämlich klagt man selber auch über ähnliche Symptome und schiebt es auf das Wetter oder ähnlichem, nimmt ggf. eine Tablette und hat so vielleicht sogar eine weitere Möglichkeit zur Verabreichung von Medikamenten gefunden.
    Überhaupt könnte es sinnvoll sein, selber zusammen mit dem Patienten ähnlich aussehende, aber ineffektive, „Medikamente“ zu nehmen. Man muss sich mit der Zeit immer mehr einfallen lassen – das ist so bei diesen Erkrankungen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Egon-Martin

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    • Re: alzheimer und wahnvorstellungen


      danke für ihre ausführliche antwort. zwischenzeitlich ist eine psychose diagnositiziert - das steht jetzt erstmal einfach so im raum.
      ich wünsche gute tage
      laralara

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