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Aggression - Trostlosigkeit

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  • Aggression - Trostlosigkeit

    Liebes Forum, lieber Experte

    meine Mutter (76) ist Alzheimerpatientin im mittleren Stadium:

    Sie redet oft ewig lang mit ihrem Spiegelbild, das sind immer andere Menschen, niemals sich selber. Mal sind es fröhliche Gespräche mit LAchen, oft auch böse, schimpfende, weil sie dann böse Menschen, Fremde sieht, die ihr etwas antun wollen. (Ihrer Meinung nach sind immer Fremde im Haus, die sieht und denkt sie). Selbst meinen Vater kennt sie nicht und geht oft genug aggressiv gegen ihn vor, obwohl sie doch nur ne schwache, zerbrechliche Frau ist, entwickelt sie da totale Kräfte. Das ist die eine Seite - die Aggression. Die mal tagelang, mal zwischendurch hochkommt, mal in den Jammerpausen.

    Dann gibt es ganze Tage, da ist sie weinerlich. Da jammert und klagt und weint sie Ewigkeiten, ganz herzergreifend, weil sie ja denkt, dass alles genau so ist, dass ihr jemand etwas antun will und dass Fremde im Haus sind, und wo denn ihr Mann sei. Denn in dem alten Mann da auf dem Sofa erkennt sie nicht ihren Mann (Der müsste ja noch jung sein, weil sie sich selber als jung sieht). Das ist dann ein schlechter Tag. Sie vergisst diese Traurigkeit, Torstlosigkeit und dieses Jammern nicht. Auch wenn man sie ablenkt kommt sie immer wieder darauf zurück. Das ist sehr herzergreifend, denn es kommt aus ihrer tiefsten Seele. DA möchte man ihr helfen und weiß nicht wie.

    Ich überlege immer, ob es da ein homöopathisches Mittel gibt, das sie ein bisschen ausgeglichener werden lässt. Ich denke, dass sie diese starken Gefühle sehr belasten, weil sie ja ganz darin lebt und sie für die Realität hält.

    Mein Vater möchte nicht,dass sie massive Beruhigungsmittel bekommt und nur noch vor sich hintappt wie neben der Spur. Daher die Homöopathiefrage.
    Kann da jemand helfen. Oder der Experte?

    Viele Grüße
    Rosa08


  • Re: Aggression - Trostlosigkeit


    Hallo Rosa08,

    ich frage mich, ob es nicht vielleicht sinnvoll sein könnte, die Spiegel zu verhängen. Das würde ich an Ihrer Stelle mal ausprobieren. Ihre Mutter lebt in einem Weltbild der Vergangenheit, in der sie und Ihr Vater noch jung waren. Da kann es nützlich sein, Musik aus dieser Zeit zu spielen, einen alten Film zu schauen oder gemeinsam alte Erinnerungsstücke zu betrachten.

    Was ich meine, ist so ähnlich wie die Geschichte, die im Film „Good Bye Lenin“ erzählt wird. Der Film handelt von einer überzeugten Kommunistin, die aus Krankheitsgründen den Niedergang der DDR nicht mitbekommen hat und daher glaubt, es sei alles noch beim alten. Da sie keine Realitätskonfrontation vertragen würde, geben sich die Angehörigen alle Mühe, mit vielen Tricks den Eindruck aufzubauen, die DDR würde weiterbestehen. Am Ende wird dann die Wiedervereinigung als Initiative einer neuen besonders fortschrittlichen DDR dargestellt und die Realität war wieder da. Einen solchen Aufwand soll und kann man natürlich nicht betreiben. Aber das Prinzip scheint mir nicht schlecht zu sein. Wie wäre z.B. eine solche „Wiedervereinigung“ zwischen Ihrer Mutter und Ihrem Vater möglich?

    Anhand alter Fotos könnte Ihr Vater auf Ähnlichkeiten zwischen dem jungen Mann und sich hinweisen und behaupten, dass er in Wirklichkeit noch jung sei, aber eine schreckliche Krankheit habe ihn vorzeitig altern lassen – er habe an „Progerie“ gelitten, oder so was ähnliches (stimmt zwar nicht, aber könnte helfen). Gemeinsame Erinnerungen vervollständigen dann das Bild.

    Um der Stimmungsschwankungen Herr zu werden, empfehle ich v.a. Spaziergänge in Parks oder Gartenarbeit – soweit das möglich ist. Das derzeitige gute Wetter mit viel Sonnenschein tut z.B. meinem Vater sehr gut.

    Homöopathisch könnte Neurexan helfen – aber bitte auch das ggf. mit dem Arzt absprechen. Zu diesem Mittel wurde in diesem Forum bereits einiges geschrieben – bitte ggf. über Suchfunktion ermitteln.

    Mit freundlichen Grüßen
    Egon-Martin

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    • Re: Aggression - Trostlosigkeit


      Hallo Rosa,

      ich kann mich nur den Ausführungen EgonMartins anschließen. Als meine Mutter mit ihrem Spiegelbild anfing zu sprechen und zu guter letzt auch Angst davor hatte, das Zimmer in dem ein Spiegel hing zu betreten, was natürlich ein Unding ist, wenn es sich ausgerechnet um das Schlafzimmer handelt, haben wir angefangen, alle Spiegel zu verkleben. Es muss für meine Mutter eine große Wohltat gewesen sein...zumindest ging es ihr eine gewisse Zeit besser.

      Anfänglich wollte ich als Tochter dies alles nicht akzeptieren, doch man muss lernen in die Welt des Kranken einzutauchen......"Realität" herzustellen, ist keinenfalls sinnvoll. Helfen Sie, indem ihre Mutter auf gute Medikamente eingestellt wird und Sie eine Akzeptanz zu den Vorgängen finden.

      Ich wünsche ihnen viel Kraft dazu.....und bleiben Sie dem Forum erhalten, es stehen Ihnen viele Menschen denen es ebenso geht mit Tipps bei.

      Liebe Grüsse
      Rosenmädchen

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      • Re: Aggression - Trostlosigkeit


        Lieber Egon Martin,

        das mit den Spiegeln haben wir schon gemacht, nur einer im Bad hängt noch. Aber es ist ja nicht so, dass sie immer schlechte Gespräche mit ihrem Spiegelbild führt, machmal sind es schöne, wo gelacht wird, und mein Vater denkt, dass sie da auch ein bisschen noch ihren Geist anregt. Es sind übrigens nicht nur Spiegel, sondern auch Fenster oder Schrankschieben, wenn das Licht an ist und sie sich darin spiegelt, oder Bilder an den Wänden, oder einfach irgendwo Haluzinationen. So einfach ist der Sache also nicht Herr zu werden.
        Das mit den Fotos und Good Bye Lenin ist eine gute Idee. Allerdings nur für Menschen die lernen. Das ist ja hier nicht der Fall. Einem Kind kann man sagen so hältst du die Gabel und nach ein paar mal hat es das gelernt. Aber bei einem Demenzpatienten geht das nicht so, alles ist immer wieder weg und fremd, vergessen. Und so wird das auch mit den alte Bilder anschauen und die Ähnlichkeiten mit sich heut und früher nur eine Momentgeschichte sein und im nächsten Augenblick ist er wieder ein Wildfremder, eventuell sogar Böser. Ich denke, man darf nicht mehr mit unserem "logischen" Denken rechnen, so hart das klingt.

        Über das Medikament werde ich mich informieren.

        Rosa08

        Rosa08

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        • Re: Aggression - Trostlosigkeit


          Liebe Rosa08,

          das was Ihr Vater denkt, habe ich auch gedacht und mich deswegen auch vorsichtig ausgedrückt in Bezug auf das Verhängen der Spiegel. Wir neigen immer wieder dazu, im „Entweder-Oder“ zu denken und vergessen dabei oft, dass es auch ein „Sowohl-als-auch“ gibt.

          Ja, Sie haben recht – der Demenzkranke lebt immer mehr im Augenblick, seine Fähigkeit, neue Eindrücke zu speichern oder alte Bilder korrekt zuzuordnen, nimmt immer mehr ab im Verlauf der Krankheit. Man kann hier nur das Beste draus machen und ihm helfen, wenigstens einige Augenblicke der Freude zu empfinden. Es ist schwer, das Erleben eines Demenzkranken ab Phase 2 (von drei Phasen) nachzuempfinden. Manfred SPITZER hat das Gehirn mal als „Regelextraktionsmaschine“ bezeichnet und meinte damit die Fähigkeit, Regeln zu bilden, die aus einer Unmenge von Daten durch Abstraktion ein stimmiges Bild zu formen. Bei der Demenz ist es leider so, dass nicht nur die Daten mit der Zeit und oft annähernd in der Reihenfolge ihres Alters immer mehr verblassen bis sie ganz verschwunden sind, sondern auch die Regelmechanismen immer mehr angegriffen werden. Das führt dann auch zum Verlust des logischen Denkens. Zudem grassiert die Krankheit ja schon von Anfang an im limbischen System, also dort, wo alle Eindrücke auch emotional „eingefärbt“ werden.

          Man kann natürlich nicht einfach den Substanzverlust im Gehirn durch Umweltmodifikation ausgleichen. Aber ich denke, dass es noch lange möglich ist, „emotionale Marker“ zu aktivieren, die orientierend sein können. Mit Logik oder begrifflichem Denken wird das nicht funktionieren, aber eben mit Musik, Farben, Formen und am längsten vmtl. über das Tastempfinden (Streicheln). Zu versuchen, das Angenehme herauszufinden und v.a. jene Reize, die dieses hervorbringen, könnte in Wiederholung Erfolge bringen. Die Wiederholungen sind erforderlich wegen des nur noch vorhandenen Momentanerlebens und werden dem Kranken als solche nicht bewusst.

          Es wäre gut, wenn wir bis zur Vorlage heilender Therapien Substanzen hätten, die uns befähigten, wenigstens halbwegs in die Gedankenwelt des Dementen einzudringen bei gleichzeitiger Grundkontrolle unseres Zustandes. Ich hatte vor langer Zeit einmal einen Albtraum, der dem vielleicht etwas nahe kommt. Ich wanderte durch Landschaften in einen immer dichter werdenden Nebel hinein. Schließlich umgab mich der Nebel vollständig, sogar unter mir und über mir war nichts als ein helles Grau. Dann konnte ich mich nicht mehr bewegen und geriet in Panik: Lebendig eingemauert! Das führte dann zum Erwachen und dem spontanen Gedanken an Geschichten von E. A. Poe. (Derselbe Traum hätte aber auch in ein großartiges Entgrenzungserlebnis münden können, wenn statt des hellen Grau ein strahlendes schönes Licht vorgeherrscht hätte.)

          Was wir zu sein glauben, sind wir durch Kommunikation. Daher ist es wichtig, Kommunikation nie zu unterbinden, selbst wenn diese mit phantasierten Partnern erfolgt. Unter diesem Gesichtspunkt ist tatsächlich zu überlegen, ob nicht vielleicht gezielt ein besonderer, bruchsicherer Spiegel sogar helfen kann. Interessant wäre es, statt eines Spiegels eine Videokamera einzusetzen. Dann sieht man sich bekanntlich so, wie andere einen sehen – nicht seitenverkehrt. Durch den optischen Symmetriebruch (es hebt das Abbild im Monitor ja jetzt nicht mehr den genau gegenüberlegenden Arm) könnte der Eindruck, es handle sich um eine fremde Person, natürlich noch verstärkt werden. Aber die Welt des Gehirns – besonders des kranken - ist sonderbar und ich würde mich nicht wundern, wenn auf diesem Weg sogar eine partielle Wiedererkennung („sieht so ähnlich aus wie ich“) zustande käme. Man kann sogar überlegen, ob man anhand älterer Bilder das Monitorbild nicht entsprechend anpassen sollte (das geht heute elektronisch ganz gut), bis die betroffene Person sich erkennt. Im Vergleich zum Betrachten alter Fotos hätten wir hier einen bewegten Vorgang in Echtzeit mit entsprechender optischen Vergrößerung. Würde nun ein vielleicht 80-jähriger Mensch sich wiedererkennen anhand seines Aussehens mit 40 Jahren, könnte das bedeuten, einen „assoziativen Komplex“ (Assemblies, Frequenzen) im Gehirn gefunden zu haben, auf dessen Grundlage möglicherweise Therapie ansetzen könnte – auch wenn das nicht lange vorhalten sollte, was zu erneute Wechsel führen müsste (wir wüssten sozusagen, wo der Kranke derzeit steht, in welchem „Bild“ er lebt). Auch wenn die begrifflich-logische Verarbeitung gestört ist, so könnte vielleicht doch Behaglichkeit hervorgebracht werden. Leider muss ich das alles nur als Spekulation bezeichnen (zu viele Unwägbarkeiten). Aber wir müssen spekulieren, denken, kämpfen – selbst wenn es unseren aktuellen Fällen nicht mehr helfen kann.

          Pardon für mein langes „Reden“.

          Mit freundlichen Grüßen
          Egon-Martin

          Kommentar


          • Re: Aggression - Trostlosigkeit


            Sehr geehrte Rosa08,

            entschuldigen Sie bitte die verspätete Antwort. Ich möchte hier den Vorschlägen der anderen Forenmitgliederns bezüglich einer nichtmedikamentösen Intervention nichts hinzufügen, sondern lediglich darauf hinweisen, daß zum einen eine antidementive Basistherapie in vielen Fällen auch auf die nicht-kognitiven Symptome wirkt (also auf Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Aggressivität, ...) und zum anderen auch verschiedene nicht-homöopathische Medikamente richtig ausgewählt und dosiert wenig Nebenwirkungen haben können. In jedem Falle sollte die Behandlung aber durch einen mit Demenzerkrankungen erfahrenen Arzt vorgenommen werden.

            Mit freundlichen Grüßen,

            Spruth

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