Ein Ammen-Dornfinger auf einem Grashalm
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Ammen-Dornfinger: Eine Giftspinne in Deutschland

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 23.12.2021

"Vorsicht vor der Giftspinne" und "Gefährliche Giftspinne in Deutschland" – so und so ähnlich lauten die Schlagzeilen vieler Zeitungs- und Internetartikel über den Ammen-Dornfinger. Verständlich, dass manche Menschen in Panik geraten. Was ist dran an solchen Überschriften? Wie giftig ist der Ammen-Dornfinger wirklich und was ist zu tun, wenn man gebissen wurde?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Ist die Giftspinne gefährlich?

Spinnenforscher Peter Jäger kann über solche Nachrichten nur den Kopf schütteln. "Die Angst ist irreal", sagt er. Der Biologe vom Senckenberg-Forschungsinstitut hat sich sogar freiwillig von einem Ammen-Dornfinger beißen lassen – um zu zeigen, dass man danach keineswegs tot umfällt.

Damit gehört er zu den wenigen Menschen, die wirklich einmal von der ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammenden Spinne gebissen wurden. Denn auch wenn die Angst groß ist vor dem kleinen Tier: Gesehen haben es in Deutschland bislang nur wenige Menschen und noch weniger haben tatsächlich ihr Gift zu spüren bekommen.

Video: Ammen-Dornfinger: Eine Giftspinne in Deutschland

"Es ist schon ein effektives Gift und ein deutlicher Schmerz, wie ein Wespenstich", beschreibt Jäger das Erlebnis. "Nur hält er wesentlich länger an." Dennoch würde er jedoch kein großes Aufheben um die bis zu 1,5 Zentimeter große Giftspinne machen, die übrigens schon vor Jahrzehnten begonnen hat, Deutschland als Lebensraum zu entdecken.

Peter Jäger hat sich schon viele Male von heimischen Spinnen beißen lassen. Das zu bewerkstelligen, war nicht so leicht. Dazu musste der Spinnenforscher die Tiere erst einmal finden, sie einfangen und sie dazu bringen, zuzubeißen. Auch der Ammen-Dornfinger ist gar nicht so einfach zu finden.

Wo der Ammen-Dornfinger vorkommt und wie er aussieht

Mittlerweile ist der Ammen-Dornfinger im Südwesten Deutschlands ebenso heimisch wie in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Auch in anderen Gebieten kann die nachtaktive Spinne vereinzelt vorkommen. In Häusern lässt sich das scheue Tier jedoch kaum blicken. Als Lebensraum bevorzugt es naturnahe Wiesen.

Aufgrund seiner auffallenden Färbung ist der Ammen-Dornfinger leicht zu erkennen. Der Vorderkörper ist einfarbig rot-orange, der Hinterleib gelblich bis olivgrün gefärbt.

Die Spinne lebt nur ein Jahr lang. Das Männchen stirbt bereits nach der Paarung. Das Weibchen legt im August rund 100 bis 200 Eier in ein hühnereigroßes Brutgespinst. Dort bleibt es, bis seine Jungen im November das Nest verlassen. Während die jungen Spinnen sich dann ein Gespinst zur Überwinterung bauen, stirbt das Muttertier an Erschöpfung und Unterernährung.

Wann beißen Spinnen?

Fast alle Spinnen haben Kieferklauen, mit denen sie beißen können und ein Gift, mit dem sie ihre Beute betäuben oder töten können. Nur die wenigsten Spinnen in Deutschland sind allerdings in der Lage, mit ihren Kieferklauen die menschliche Haut zu durchdringen. Dazu gehören neben dem Ammen-Dornfinger zum Beispiel die Winkelspinne und die Gartenkreuzspinne.

Video: Ist der Biss der Hauswinkelspinne gefährlich?

Spinnenbisse kommen in Deutschland allerdings äußerst selten vor. Denn bevor eine Spinne zubeißt, wird sie versuchen, zu entkommen. Nur wenn sie sich bedroht fühlt und keine andere Möglichkeit hat, setzt sie sich zur Wehr. "Die meisten Meldungen von Bissunfällen in Deutschland beruhen mit großer Wahrscheinlichkeit auf Verwechselungen", ist Spinnenexperte Peter Jäger sicher.

Der Ammen-Dornfinger hat zwar ein deutlich stärkeres Gift als die anderen heimischen Spinnenarten. Bleibende Schäden nach einem Biss sind jedoch nicht bekannt. Und: "Ich sehe wenig Chancen, dass in Deutschland jemand von einem Ammen-Dornfinger gebissen wird", sagt Jäger.

Dafür müsse man sich schon in den Lebensraum des Tieres begeben und ein Wohnnest eines Weibchen aufzupfen, das dort gerade seine Eier bewacht. Dort sitzt dann eine Spinne mit gespreizten Fangzähnen und erhobenen Vorderbeinen. "Wenn man dann den Finger hinhält und gebissen wird, dann ist man selber Schuld", sagt Jäger. Ein Risiko besteht also fast ausschließlich, wenn man im Sommer im Freien unterwegs und einem Kokon zu nahe kommt.

Was tun bei einem Biss?

Sollte es dennoch zu einem Biss kommen, ist Panik nicht nötig. Schwere Folgen sind nicht zu befürchten. Sehr unangenehm ist der Biss allerdings schon. Der Schmerz ist vergleichbar mit einem Wespenstich, hält allerdings länger an.

"Die Anfangsintensität des Schmerzes blieb mindestens eine Stunde bestehen", berichtet Peter Jäger von seiner Erfahrung mit dem Biss. Anschließend habe sich die Stelle gerötet und sei warm geworden. "Nach einer weiteren Stunde zuckten die Muskeln an der Stelle unkontrolliert. Mir wurde schlecht und ich musste mich immer wieder kurz hinlegen", erinnert sich der Spinnenforscher. Nach zwei bis drei Tagen waren jedoch alle Symptome abgeklungen.

Neben Schmerzen, Rötungen und Schwellungen an der Bissstelle können auch allgemeines Unwohlsein, Schwindel und Übelkeit auftreten. Wer unsicher ist und sich nicht gut fühlt, sollte einen Arzt aufsuchen. Schwere allergische Reaktionen scheinen selten vorzukommen. Allerdings müsste das Immunsystem dafür auch Gelegenheit haben, sich mit dem Spinnengift auseinanderzusetzen. Das heißt: Man müsste mindestens zweimal gebissen worden sein. Diese Wahrscheinlichkeit ist allerdings sehr gering

Peter Jäger halfen gegen die Schmerzen nicht die üblichen Hausmittel wie Kühlen oder eine aufgeschnittene Zwiebel. Sein Tipp: Das Gift mit Hitze zerstören, bevor es wirken kann. Natürlich nicht mit einem Feuerzeug, sodass man sich die Haut verbrennt. "Man kann zum Beispiel einen Stein, der sich in der Sonne aufgeheizt hat, auf die Bissstelle legen." Es gibt aber auch entsprechende Mittel gegen Insektenstiche in der Apotheke zu kaufen, die mit Hitze arbeiten. Die Stelle sollte so heiß werden, wie man es gerade noch gut aushält.