Sprudelwasser mit Zitrone
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Wasser mit Kohlensäure: Übersäuerung durch Sprudel?

Von: Lydia Klöckner (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 24.11.2021

Sprudel oder stilles Wasser? Für manche Menschen ist das keine reine Geschmacksfrage. Sie befürchten, dass ihr Körper übersäuert, wenn sie Wasser mit Kohlensäure trinken. Stimmt das?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Wasser mit Kohlensäure: Übersäuerung durch Sprudel?

Wasser hat einen unspektakulären Eigengeschmack. Menschen, die sich schnell langweilen, bevorzugen daher Sprudel: Die Gasbläschen prickeln auf der Zunge, pieksen ein bisschen im Hals und schließen sich dann im Magen zu einer großen, aufwärts strebenden Luftblase zusammen, die das Trinkerlebnis mit einem geräuschvollen Special Effect abrundet: Wasser mit Kohlensäure sorgt eindeutig für mehr Action als stilles.

Letzteres ist aber gesünder – heißt es. Viele gesundheitsbewusste Menschen greifen jedenfalls bewusst zur Naturell-Variante, weil sie befürchten, die Kohlensäure könnte ihren Körper übersäuern und krank machen. Stimmt das? Gerät der Säure-Base-Haushalt aus dem Gleichgewicht, wenn man zu viel Sprudelwasser trinkt?

Die kurze Antwort lautet: Nein.

Wer es genauer wissen möchte, muss sich (nur ganz kurz, versprochen) mit ein paar chemischen Zusammenhängen vertraut machen:

  • Stoffe lassen sich anhand ihrer chemischen Eigenschaften in Säuren und Basen unterteilen. Ein saurer Stoff verhält sich in einer chemischen Reaktion anders als ein basischer Stoff.
  • Um zu ermitteln, ob eine Substanz sauer oder basisch ist, misst man ihren pH-Wert. Übersteigt er 7, ist der Stoff basisch. Liegt er unter 7, ist der Stoff eine Säure. Je niedriger der pH-Wert, umso stärker die Säure.
  • Blutbestandteile hat normalerweise einen pH-Wert von 7,36 bis 7,44. Im Inneren der Körperzellen liegt der pH-Wert bei 6,9. Nur unter diesen chemischen Bedingungen können alle lebenswichtigen Vorgänge reibungslos ablaufen. Sinkt der pH-Wert stark ab oder steigt er stark an, drohen schwerwiegende gesundheitliche Probleme.
  • Stilles Mineralwasser und Leitungswasser haben einen pH-Wert von 7, sind also weder sauer noch basisch, sondern neutral. Der pH-Wert von Wasser mit Kohlensäure liegt bei ungefähr 5, ist also tatsächlich leicht sauer.

"Kohlensäure ist allerdings recht instabil, sie zerfällt schnell in Kohlendioxid und Wasser", erklärt der Ernährungsexperte Dr. Stefan Kabisch, der am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) arbeitet. Schon beim Öffnen der Wasserflasche entweicht ein großer Teil der Kohlensäure in Form von Kohlendioxid – daher die Bläschen. Die restliche Kohlensäure zerfällt spätestens im Magen – daher das Aufstoßen.

Dr. Stefan Kabisch arbeitet am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke. Seine Forschung dreht sich um den Einfluss der Ernährung auf den menschlichen Stoffwechsel.

Sprudel kann also schon allein deshalb nicht zur Übersäuerung führen, weil der Körper die Kohlensäure gar nicht erst aufnimmt. Auch eine Übersäuerung des Magens ist nicht zu befürchten. Magensaft enthält Salzsäure, die unter anderem dazu dient, Krankheitserreger im Speisebrei abzutöten. "Salzsäure hat einen pH-Wert von 1,5 bis 2", sagt Kabisch. "Wenn Kohlensäure in den Magen kommt, wird dieser nicht saurer, sondern im Gegenteil: Der pH-Wert steigt an."

Dass Menschen mit einem empfindlichen Magen Sprudelwasser nicht gut vertragen, liegt nicht an der Kohlensäure, sondern am Kohlendioxid. "Die Bläschen können die Speiseröhre und den Magen mechanisch reizen", erläutert Kabisch. "Für Menschen mit Sodbrennen ist vor allem das Aufstoßen unangenehm, weil dann die viel stärkere Magensäure in die Speiseröhre aufsteigt."

Übrigens: Auch Magensäure kann nicht zu einer Übersäuerung des ganzen Körpers führen, weil der Zwölffingerdarm den sauren Speisebrei neutralisiert, bevor dieser weiter verdaut wird.

Übersäuerung kommt sehr selten vor

Für eine basische Ernährungsweise oder Basenfastenkuren gibt es keine wissenschaftliche Basis. Warnungen vor sogenannten Säurebildnern wie Fleisch, Weißmehl und Süßigkeiten sind laut Ernährungsforscher Kabisch unbegründet. Zwar entstehen beim Abbau verschiedenster Lebensmittel Säuren. Diese haben aber keine Auswirkungen auf den Säure-Basen-Haushalt des Körpers.

Denn dieser hat ein ausgeklügeltes System, um einen Säuren- oder Basen-Überschuss zu verhindern. "In allen Körperflüssigkeiten schwimmen Puffer-Substanzen herum, die sowohl basisch als auch sauer wirken können. Sie halten den pH-Wert konstant", so Kabisch. Außerdem kann der Körper überschüssige Säure-Teilchen über die Nieren einfach wieder ausscheiden.

Eine echte Übersäuerung – Ärzte sprechen von Azidose – kommt daher äußerst selten vor. Wenn, trifft sie Menschen, deren Nieren nicht mehr richtig arbeiten oder die eine Stoffwechselerkrankung wie Diabetes mellitus haben.

Video: Übersäuern durch Ernährung – geht das wirklich?

Sie fühlen sich dann aber nicht einfach nur ein bisschen müde oder schlapp, wie es auf einigen alternativheilkundlich ausgerichteten Internetseiten oder in Säure-Basen-Ratgeberbüchern zu lesen ist. "Eine Azidose macht sich durch deutliche Symptome wie eine veränderte Atmung, Konzentrationsschwäche bis hin zum Koma bemerkbar", sagt Kabisch.

Fazit: Für Menschen mit Magenproblemen oder Sodbrennen ist stilles Wasser möglicherweise besser verträglich. Alle anderen können bedenkenlos Sprudel trinken.