Man sieht eine Ärztin im Gespräch mit einem Patienten.
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Knochenmarkbiopsie

Von: Onmeda-Redaktion
Letzte Aktualisierung: 28.10.2021 - 21:20 Uhr

Das Knochenmark ist – bis auf wenige Ausnahmen – die Produktionsstätte aller Blutzellen. Erkrankungen des Bluts und der Blutbildung lassen sich deshalb besonders gut über eine Untersuchung des Knochenmarks im Rahmen der Knochenmarkbiopsie feststellen.

Allgemeines

Zu den Erkrankungen des blutbildenden Systems zählen beispielsweise Blutkrebs (Leukämie), Blutarmut (Anämie) oder auch Tochtergeschwulste (Metastasen) von Tumoren anderer Organe (wie Brustkrebs).

Um die meisten Blutkrankheiten nachzuweisen, reicht eine Blutentnahme oft nicht aus, sodass eine Untersuchung des Knochenmarks notwendig ist. Bei der Knochenmarkbiopsie bietet sich der Beckenknochen – hier besonders der hintere Beckenkamm – für die Probeentnahme an. Mediziner unterscheiden bei der Entnahme zwischen zwei Methoden:

Bei der Knochenmarkbiopsie entnimmt der Arzt das Knochenmark mit einer Stanze aus dem Beckenknochen. Bei der Knochenmarkaspiration saugt er dagegen die Zellen des Knochenmarks mit Unterdruck durch eine Hohlnadel an ("aspiriert"). Beide Methoden ergänzen sich und werden im Rahmen einer solchen Untersuchung durchgeführt.

Die Knochenmarkdiagnostik ist in den meisten Fällen risikoarm und nur in selten treten Komplikationen auf. Da ein Durchstechen des Knochens sehr schmerzhaft sein kann – die Knochenhaut ist besonders empfindlich – spritzt der Arzt in diesem Fall ein Lokalanästhetikum zur örtlichen Betäubung in das umliegende Gewebe.

Die Probe, welche der Arzt bei der Knochenmarkbiopsie oder Knochenmarkaspiration gewinnt, wird in einem Labor untersucht. Hier achten die Labormitarbeiter besonders auf veränderte Zellen im Knochenmark und Vorgänge der Blutbildung. Es finden sich hier unter anderem die Vorstufen (auch Stammzellen oder Blasten genannt) der Blutkörperchen. Wichtig sind vor allem die Zelldichte und die Anzahl der einzelnen Zelltypen (Blutplättchen, rote und weiße Blutkörperchen).

Eine Knochenmarkbiopsie beziehungsweise Knochenmarkaspiration dauert etwa eine Viertelstunde, selten länger. Im Anschluss an die Untersuchung empfiehlt es sich jedoch, eine Ruhephase einzuhalten. Zudem ist es ratsam, erst 24 Stunden nach der Knochenmarkbiopsie wieder aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen.

Durchführung

Ob die Ärzte eine Knochenmarkbiopsie oder eine Knochenmarkaspiration zur Diagnostik anwenden, ist unterschiedlich. Meist beginnt der untersuchende Arzt mit einer Stanzbiopsie; dann folgt die Aspiration von Knochenmark.

Als Entnahmestelle für Knochenmark bietet sich bei der Knochenmarkbiopsie vor allem der Beckenknochen, speziell der hintere Beckenkamm an. Der Arzt sticht hier mit der Biopsie-Nadel ein – er "punktiert". Deshalb spricht man auch von Punktionsstelle und von Knochenmarkpunktion.

Im Gegensatz zu anderen Körperstellen besteht am hinteren Beckenkamm keine Gefahr, dass die Biopsie-Nadel lebenswichtige Organe oder größere Gefäße verletzt. Außerdem ist hier der Eingriff weniger schmerzhaft. In Sonderfällen – zum Beispiel bei Patienten auf einer Intensivstation – weicht der Arzt auch auf den vorderen Beckenkamm aus. Von einer Knochenmarkentnahme am Brustbein (sog. sternale Knochenmarkpunktion – Sternum = lateinisch für Brustbein) sieht man wegen der möglichen Komplikationen und der Schmerzen eher ab. Sie kann aber unter bestimmten Voraussetzungen notwendig sein, wenn beispielsweise der Beckenkamm wegen starken Übergewichts nicht mehr sicher tastbar ist.

Stanzbiopsie

Bei der Entnahme von Knochenmark liegt der Patient möglichst entspannt auf der Seite. Der Arzt reinigt und desinfiziert die Punktionsstelle am hinteren Beckenkamm. Dann betäubt er örtlich die Haut und auch das darunterliegende Gewebe einschließlich der empfindlichen Knochenhaut. Bis das Betäubungsmittel vollständig wirkt, vergehen einige Minuten. Ein drei Millimeter großer Hautschnitt reicht aus, um die Punktionsnadel einzuführen und unter Drehbewegungen durch den Knochen bis in die Knochenmarkhöhle vorzuschieben. Die Punktionsnadel ist hohl und stanzt bei diesem Vorgang einen winzigen Zylinder aus dem Knochenmark heraus. Der Arzt zieht dann die Nadel mit dem ausgestanzten Gewebezylinder wieder aus der Einstichstelle heraus und schickt die Gewebeprobe zur weiteren Untersuchung umgehend ins Labor.

Aspiration

Im Anschluss an die Biopsie setzt der Arzt eine 10-ml-Spritze hinten auf die Punktionsnadel. Ein kurzer, kräftiger Zug am Kolben der Spritze saugt das Knochenmark an. Trotz einer sorgfältigen Betäubung kann es vorkommen, dass der Patient bei dieser Prozedur Schmerzen oder ein unangenehmes Gefühl empfindet. Die gewonnenen Zellen werden unter dem Mikroskop ausgewertet: Das Ergebnis gibt vor allem Auskunft über die Zelldichte und die Anzahl der einzelnen Zelltypen (Blutplättchen, rote und weiße Blutkörperchen).

Auf die Einstichstelle kommt nach der Untersuchung ein Pflaster. Zur Blutstillung bekommt der Untersuchte ein Sandsäckchen unter den hinteren Beckenbereich gelegt, auf dem er dann eine Weile liegen bleiben muss. Eine Stunde später kontrolliert das medizinische Personal, ob die Stelle nachgeblutet hat. Man sollte am Tag des Eingriffs möglichst ruhen und zum Beispiel erst 24 Stunden nach der Knochenmarkpunktion wieder aktiv am Straßenverkehr teilnehmen.

Anwendungsgebiete

In den Maschen des Knochenmarkgewebes finden sich die Vorstufen (auch Stammzellen oder Blasten genannt) der Blutkörperchen und auch einige reife Blutzellen. Die Knochenmarkbiopsie liefert genaue Hinweise zu Anzahl und Beschaffenheit dieser Zellen. Anhand dieser Ergebnisse kann der Arzt unterschiedliche Erkrankungen feststellen oder ausschließen:

  • Blutarmut (Anämie), deren Ursache ungeklärt ist
  • Mangel an Blutzellen unklarer Ursache (z.B. zu wenige Blutplättchen)
  • Überschuss an Blutzellen unklarer Ursache
  • abnorme Zellen: Leukämie ("Blutkrebs") oder Tochterzellen (Metastasen) von Tumoren anderer Organe (z.B. Brustkrebs, Lungenkrebs oder Prostatakrebs)
  • Verdacht auf krankhafte Gewebeveränderungen des Knochenmarks (z.B. Knochenmarkfibrose)

Risiken und Komplikationen

Die Knochenmarkbiopsie und die Knochenmarkaspiration sind in der Regel mit wenigen Komplikationen behaftet. Bei der Untersuchung sind Blutergüsse, Nachblutungen und Infektionen an der Einstichstelle möglich, die normalerweise leicht zu behandeln sind. Extrem selten sind Verletzungen von Nerven und anderen Gewebestrukturen, was zu Taubheitsgefühl und anhaltenden Schmerzen führen kann. Nur wenige Personen zeigen eine allergische Reaktion auf das örtliche Betäubungsmittel.

Die Komplikationsrate der Knochenmarkbiopsie hängt auch von der gewählten Entnahmestelle ab. Eine Knochenmarkbiopsie aus dem Brustbein ist schmerzhafter als eine Probeentnahme aus dem hinteren Beckenkamm. Außerdem liegen im Brustkorb wichtige Organe und Strukturen wie das Herz, die Lunge und große Blutgefäße nahe an der Einstichstelle der Biopsie-Nadel. Hohe Sorgfalt und Erfahrung des Arztes sorgen aber dafür, dass auch hier nur selten Komplikationen auftreten.