Frau bei der Computertomographie
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Virtuelle Endoskopie

Von: Onmeda-Redaktion
Letzte Aktualisierung: 18.01.2022 - 14:00 Uhr

Die virtuelle Endoskopie stellt eine vereinfachte Version der konventionellen Endoskopie dar. Mithilfe der konventionellen Spiegelung lassen sich ohne großen chirurgischen Eingriff Körperhöhlen und Hohlorgane abbilden und Krankheiten erkennen und gegebenenfalls gleich behandeln.

Allgemeines

Hierfür ist ein Endoskop aus einem System parallel angeordneter Schläuche notwendig, in denen eine Lichtquelle und eine Glasfaser-Optik zum Untersuchungsgebiet herangeführt wird. Zusätzlich ermöglichen ein oder mehrere Arbeitskanäle, dass Instrumente ins Körperinnere eingebracht werden können, um beispielsweise Gewebeproben zu entnehmen (Biopsie) oder Drainagen zu legen. Durch Neigung der Endoskopspitze lässt sich dabei das Untersuchungsgebiet aus nahezu jedem beliebigen Blickwinkel betrachten.

Mit der virtuellen Endoskopie wurde ein neues Verfahren in die bildgebende Diagnostik eingeführt. Es bietet den Vorteil, dass Hohlräume des menschlichen Körpers dreidimensional darstellbar sind, ohne dass man mit einem Endoskop in den Körper eindringt. Die Bilder werden durch eine computergestützte Nachverarbeitung von radiologischen Aufnahmen durch Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) gewonnen und entsprechen dem Bildeindruck einer konservativen invasiven Endoskopie. Man spricht dabei auch von einem 3D-Rekonstruktionsverfahren.

Mittels einer speziellen Software lassen sich aus den zweidimensionalen Schnittbildinformationen nicht nur Durchmesser und das Innere des Organs, sondern auch die Beschaffenheit der Organwand und dessen Umgebung dreidimensional darstellen. Nach der Berechnung kann der Untersuchende auf einem Monitor das Innere des Körpers aus allen möglichen Richtungen betrachten, ohne wirklich in diesen einzudringen.

Allerdings kann die virtuelle Endoskopie – im Gegensatz zur konventionellen – nur als Diagnoseinstrument und nicht zur Therapie angewandt werden. So kann man zum Beispiel nicht wie bei der konventionellen Endoskopie Gewebe entnehmen oder Drainagen legen. Die virtuelle Endoskopie eignet sich vor allem dazu, luftgefüllte Hohlräume wie die Luftröhre, die Lunge, Gefäße, die Nasennebenhöhlen und auch den Verdauungstrakt dreidimensional darzustellen.

Durchführung

Bei der virtuellen Endoskopie entstehen Bilder von Körperhöhlen nicht wie bei der konventionellen Endoskopie dadurch, dass ein Schlauch (Endoskop) eingeführt wird. Vielmehr werden im Anschluss an spezielle bildgebende Verfahren wie Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) die Daten mittels Computer so verrechnet, dass ähnliche dreidimensionale Bilder wie bei einer konventionellen Endoskopie entstehen.

Diese Schnittbildverfahren liefern eine ortsgenaue und überlagerungsfreie Abbildung des untersuchten Bereichs. Für die Berechnung der darzustellenden Oberflächen wird ein hoher Kontrast an der Grenzfläche zwischen Körperhöhle und umgebendem Gewebe genutzt. Ideal ist daher die endoskopische Darstellung von luftgefüllten Körperhöhlen wie der Lunge oder verschiedener Abschnitte des Darms. Problematischer, aber ebenfalls möglich, ist die Darstellung flüssigkeitsgefüllter Körperhöhlen mittels virtueller Endoskopie; hier ist der Kontrast gegenüber der Umgebung jedoch äußerst gering.

Die Erstellung einer virtuellen Endoskopie verläuft über verschiedene Stufen. Sie beginnt mit der computertomographischen (CT, Röntgenstrahlen) oder magnetresonanztomographischen (MRT, Magnetfelder) Untersuchung. Die fertigen zweidimensionalen Schnittbilder werden über ein Netzwerk an eine separate Workstation übertragen, wo die Berechnung der virtuellen Endoskopie erfolgt.

Zunächst wird über Schwellenwerte oder manuell die Grenzfläche zwischen Körperhöhle (Lumen) und Gewebe festgelegt. Die zweidimensionalen Konturen werden anschließend zu einer dreidimensionalen Oberfläche zusammengesetzt. Schließlich wird auf dem Bildschirm der Weg definiert, den die virtuelle Kamera entlangfahren soll. Für jede einzelne Kameraposition berechnet die Software Standbilder. Zusammengesetzt ergeben sie einen Videofilm, der einer realen Endoskopie sehr nahe kommt. Um einen räumlichen Eindruck zu erzeugen, wird über verschiedene Computerverfahren die Oberfläche durch eine imaginäre Lichtquelle um Spiegelungen und Schatten ergänzt. Zusätzlich wird die Oberfläche mit einer graphischen Struktur (Textur) belegt, um einen realistischen Eindruck zu vermitteln.

Vorbereitung

Vorbereitungsmaßnahmen für eine virtuelle Endoskopie beziehen sich überwiegend auf die virtuelle Magen- und Darmspiegelung: Nach einem leichten Mittagessen am Tag vor der Untersuchung wird ein spezielles Abführmittel, in Wasser gelöst, getrunken. Danach darf der Patient nichts mehr essen. Am Abend wird das Abführmittel in derselben Art und Weise nochmals aufgenommen. Am nächsten Morgen, also dem Tag der Untersuchung, darf nur noch klare Flüssigkeit (Wasser) aufgenommen werden.

Die virtuelle Endoskopie findet mithilfe eines modernen Spiral-Computertomographen oder eines Magnetresonanztomographen statt. Sie dauert nur wenige Minuten. Für die Untersuchung des Darms wird automatisiert über den After Luft in den Darm eingeblasen. Um die damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu mindern, wird der Vagusnerv, der unter anderem für die wellenförmigen Wandbewegungen des Darms (Darmperistaltik) verantwortlich ist, mithilfe des Wirkstoffs Butylscopolamin gehemmt. Außerdem wird jodhaltiges Kontrastmittel intravenös injiziert. Nach etwa 20 bis 30 Minuten stehen die Ergebnisse der virtuellen Endoskopie zur Verfügung.

Anwendungsgebiete

Die virtuelle Endoskopie hat sich für die Darstellung verschiedener Körperbereiche bewährt:

Luftwege

Die virtuelle Endoskopie im Bereich der Luftwege nennt sich virtuelle Bronchoskopie. Die herkömmliche Spiegelung der Luftröhre (Tracheoskopie) beziehungsweise der Bronchien (Bronchoskopie) ist eine verhältnismäßig unangenehme Untersuchung.

Die wichtigste Indikation für eine Bronchoskopie ist eine Einengung oder der Verschluss der Luftwege. Häufig ist die Ursache ein Tumor, wie etwa Lungenkrebs, ein Speiseröhrentumor oder ein Lymphom. Die Verengung der Luftwege kann so stark ausgeprägt sein, dass ein Endoskop nur in die Nähe des Tumors vordringen, ihn aber nicht passieren kann. Mit der virtuellen Endoskopie ist es ohne Verletzung des geschädigten Organs möglich, Ausdehnung und Ausmaße des Tumors zu bestimmen. Durch erweiterte Darstellungen können auch außerhalb der Luftröhre liegende Tumoren sichtbar gemacht werden, was die Planung therapeutischer Eingriffe erheblich erleichtert.

Die hochauflösende Computertomographie (CT) liefert Daten bis in die Peripherie der Lunge hinein. Die virtuelle Endoskopie ist also nicht wie die konventionelle Endoskopie durch den Durchmesser des Endoskops bezüglich der Untersuchungstiefe begrenzt. Sie ist in der Lage, dem Betrachter eine Abbildung bis in die feinen Verzweigungen der Lunge (Broncheolen) zu liefern. So ist es möglich, kleine Unregelmäßigkeiten in der Tiefe der Lunge nachzuweisen und gegebenenfalls eine frühe Therapie einzuleiten.

Auch die luftgefüllten Räume der oberen Atemwege sind der virtuellen Endoskopie zugänglich. Bei vielen Krankheitsbildern sind der Nasenrachenraum und die Nasennebenhöhlen nicht im erforderlichen Maße zugänglich, sodass eine Computertomographie veranlasst wird. Über die übliche Interpretation der Schnittbilder hinausgehend, kann mit denselben Daten eine virtuelle Endoskopie berechnet werden. Die Auflösung ist so gut, dass auch kleine Veränderungen sichtbar werden.

Mithilfe der virtuellen Endoskopie kann außerdem nach einem Eingriff kontrolliert werden, ob etwa Kunststoff- oder Metallendoprothesen, die eine Verengung überbrücken (Stents), noch an der richtigen Stelle sitzen. Man umgeht damit den Aufwand und die Risiken einer konventionellen Endoskopie.

Magen-Darm-Trakt

Im Bereich des Verdauungstrakts wird die Endoskopie zum Beispiel bei der Suche nach Tumoren des Dickdarms eingesetzt, da die Früherkennung dieser Erkrankung relativ schwierig und die herkömmliche Darmspiegelung (Koloskopie) eher unangenehm und teilweise auch schmerzhaft ist.

Die Stärken der virtuellen Endoskopie sind dabei vielfältig: Durch die ständige Bewegung des Darms sowie anatomische oder pathologische Hindernisse gestaltet sich die herkömmliche Darmspiegelung häufig als schwierig oder unmöglich. Diese Schwierigkeiten zeigen sich bei der virtuellen Endoskopie nicht. Das zugrunde liegende Bildmaterial ist eine Momentaufnahme des Darms. Heftige Darmbewegungen lassen sich mit Medikamenten kurzzeitig ausschalten. Bei Verklebungen oder Verschlüssen des Darms ist es mit der virtuellen Endoskopie problemlos möglich, diese Stellen zu überwinden, sodass man entscheidende Informationen über die Ausdehnung und Qualität einer tumorösen Verengung oder Verklebung erhält.

Bei Kontraindikationen gegen eine konventionelle Endoskopie, wie beispielsweise bei bestimmten entzündlichen Erkrankungen, ist die virtuelle Endoskopie die einzige Möglichkeit, endoskopische Informationen über die Erkrankung des Darms zu erlangen. Mithilfe der virtuellen Endoskopie lassen sich unter anderem die folgenden Erkrankungen diagnostizieren:

Gefäßsystem

Die virtuelle Endoskopie bietet auch Einblicke in Organe, die der realen Endoskopie aufgrund ihrer Füllung mit Blut (Gefäße) oder Flüssigkeiten (Gallenwege) schwer zugänglich sind.

So ist die endoskopische Darstellung des Gefäßsystems eine fast ausschließlich virtuelle. Anwendungsgebiete dafür sind Aneurysmen der Hauptschlagader beziehungsweise der Gehirn-, Herzkranz- und Becken-Bein-Gefäße.

Gehirn

Aufgrund der Verbesserung minimal-invasiver Techniken bietet das Gehirn ein weiteres Indikationsfeld für die virtuelle Endoskopie. Sowohl die Flüssigkeitsräume um das Gehirn herum als auch die inneren Liquorräume lassen sich real und virtuell endoskopisch darstellen. Ziel der virtuellen Endoskopie ist meist die anatomische Darstellung eines Operationsgebiets und das Aufzeigen von Varianten und Hindernissen für die reale Endoskopie.

Risiken und Komplikationen

Risiken wie sie bei der klassischen Endoskopie auftreten (z.B. Blutungen, Infektionen), gibt es bei der virtuellen Endoskopie nicht. Die Untersuchung im CT beziehungsweise MRT ist schmerzlos. Daher ist die virtuelle Endoskopie auch gut geeignet, wenn eine klassische Spiegelung aus Angst oder bei schweren Allgemeinerkrankungen abgelehnt wird.

Die Untersuchung sollte nicht erfolgen bei akuten Erkrankungen, die über die konventionelle Endoskopie auch therapierbar sind (z.B. Blutungen, Endometriose), da die virtuelle Endoskopie keine gleichzeitige Behandlung zulässt.